L 17 U 55/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5034/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 55/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.1999 werden zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2000 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger auf Grund des Ereignisses vom 31.03.1993 Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 31.03.1993 bis 20.04.2000 hat und ob die Beklagte einen Antrag des Klägers vom 02.06.1997 auf Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 20.12.1991 bis 31.05.1997 noch zu verbescheiden hat.

Der am ...1956 geborene Kläger, der von Beruf Landwirt ist, erlitt am 08.11.1991 einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 14.05.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld mit der Begründung ab, nach der satzungsmäßigen Wartezeit von sechs Wochen habe am 20.12.1991 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Widerspruch, Klage und Berufung (Urteil des BayLSG vom 08.07.1997 - L 17 U 276/94 -) blieben erfolglos.

Am 31.03.1993 wurde der Kläger nach seinen Angaben von seinem Nachbarn A ... K ... bei landwirtschaftlichen Entwässerungsarbeiten mit dem Holzstiel eines Rechens zweimal in die linke Brust gestoßen. Mit Unfallanzeige vom 06.04.1993 machte der Kläger Kopf-, Brust- und Armschmerzen, Atemnot, Schwindelgefühl und Benommenheit als Verletzungen geltend. Er legte Bescheinigungen des Allgemeinarztes W.G ... (Bad Neustadt) vom 08.04.1993 / 21.04.1993 vor, wonach wegen einer Thoraxkontusion Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 31.03.1993 bis 31.05.1993 bestanden habe. Die Beklagte zog eine ergänzende Auskunft des Dr.W.G ... vom 10.10.1994 bei. Trotz Belehrung durch die Beklagte weigerte sich der Kläger, den Durchgangsarzt Dr.J ... aufzusuchen. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 31.03.1993 bis 31.05.1993 mit Bescheid vom 25.11.1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 26.05.1995, mit der Begründung ab, ein unfallbedingter objektiver pathologischer Befund sei nicht nachgewiesen. Der Aufforderung, sich beim Durchgangsarzt Dr.J ... vorzustellen, sei der Kläger nicht nachgekommen.

Dagegen hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben (Az: S 1 U 5034/95) und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Thoraxkontusion und Commotio Cordis als Folgen des Arbeitsunfalls vom 31.03.1993 anzuerkennen und einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe weiterhin mit den Folgen der Thoraxkontusion zu kämpfen. Als Folge des Unfalls sei es zu einer traumatischen Herzschädigung mit Herzrhythmusstörungen, Blutdruck- und Pulsschwankungen gekommen. Da § 62 SGB I nur eine Sollbestimmung sei, habe keine Verpflichtung zur Vorstellung beim Durchgangsarzt Dr.J ... bestanden, dem im Übrigen die Spezialkennntnisse zur hinreichenden Würdigung der Verletzungen fehlten. Auch sei eine Nachholung der Untersuchung im gerichtlichen Verfahren möglich. Hierzu benannte er gem § 109 SGG Prof.Dr.R.Sch ... (Erlangen).

Mit Urteil vom 20.01.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, bezüglich des Antrags auf Anerkennung einer Thoraxkontusion sowie einer Commotio Cordis als Unfallfolgen fehle es an einer Verwaltungsentscheidung, so dass das Gericht diesem Antrag nicht habe nachgehen müssen. Im Übrigen liege der Nachweis über eine Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Ereignisses vom 31.03.1993 nicht vor. Damit könne es dahingestellt bleiben, ob überhaupt von einem Unfallgeschehen auszugehen sei. Ein Gutachten nach § 109 SGG hat es nicht eingeholt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Am 02.06.1997 (04.06.1997) beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Bescheinigungen unter Berufung auf die Unfälle vom 08.11.1991/31.03.1993 die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 20.12.1991 bis 31.05.1997. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.06.1997 eine Leistung ab und verwies auf die ablehnenden Bescheide vom 14.05.1992/30.07.1996, auf das Berufungsverfahren L 17 U 276/94 und auf den fehlenden Nachweis für eine durch den Unfall vom 08.11.1991 ausgelöste bis 31.05.1997 anhaltende Arbeitsunfähigkeit.

Am 30.03.1998 hat der Kläger Untätigkeitsklage zum SG Würzburg erhoben - Az: S 1 U 5017/98 - und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 02.06.1997 auf Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 20.12.1991 bis 31.05.1997 zu verbescheiden.

Mit Urteil vom 20.01.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, bezüglich des Unfalls vom 08.11.1991 habe die Beklagte mehrfach - zuletzt mit Bescheid vom 13.06.1997 - entschieden. Diese ablehnenden Verwaltungsakte seien durch Urteil des SG Würzburg vom 05.09.1994 und durch Urteil des BayLSG vom 08.07.1997 bestätigt worden. Bezüglich des Unfalls vom 31.03.1993 habe die Beklagte bereits mit Bescheid vom 25.11.1994/Widerspruchsbescheid vom 26.05.1995 eine ablehnende Entscheidung getroffen, die das SG Würzburg mit Urteil vom 20.01.1999 bestätigt habe. Bei diesem Sachverhalt sei die Behauptung der Untätigkeit der Beklagten unerfindlich. Die Klage trage alle Anzeichen der Mutwilligkeit.

Auch gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und weiterhin behauptet, der Antrag vom 02.06.1997 sei noch nicht verbeschieden worden.

Am 04.09.2000 hat der Kläger erneut auf Grund der Unfälle vom 08.11.1991/31.03.1993 Verletztengeld, nunmehr bis 20.04.2000, beantragt. Mit Bescheid vom 14.09.2000 hat die Beklagte eine Leistungsgewährung unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 08.07.1997 - L 17 U 276/94 - und wegen des fehlenden Nachweises einer durch den Unfall vom 31.03.1993 verursachten Arbeitsunfähigkeit bis 20.04.2000 abgelehnt. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, 1. das Urteil des SG Würzburg vom 20.01.1999 und den Bescheid vom 25.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1995 sowie den Bescheid vom 14.09.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld vom 31.03.1993 bis 20.04.2000 zu gewähren

2. das Urteil des SG Würzburg vom 20.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag vom 02.06.1997 auf Verletztengeld für die Zeit vom 20.12.1991 bis 31.05.1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.1999 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2000 abzuweisen.

Der Senat hat die Streitsachen L 17 U 55/99 und L 17 U 56/99 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Schweinfurt (2 Js 3291/98), der Akten des Sozialgerichts Würzburg S 1 U 5052/92, S 6 U 5088/92, S 6 U 5078/94, S 1 U 5098/94, S 1 U 5034/95, S 1 U 5017/98, der LSG-Akten L 17 U 276/94, L 17 U 9/98, der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die frist- und formgerecht eingelegten Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.1999 - S 1 U 5034/95 und S 1 U 5017/98 - sind zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage auf Gewährung von Verletztengeld auf Grund des Ereignisses vom 31.03.1993 für die Zeit vom 31.03.1993 bis 31.05.1993 zu Recht abgewiesen.

Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der streitgegenständliche Unfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Dies gilt auch für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztengeld. Zwar greifen die neuen Vorschriften hinsichtlich des Anspruchs auf Verletztengeld auch für Versicherungsfälle vor dem 01.01.1997 ein (§ 214 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Dies gilt aber nicht für Leistungszeiträume vor diesem Tag (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.1998 - L 7 U 249/97).

Nach § 560 Abs 1 RVO erhält der Verletzte Verletztengeld, solange er infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 568, 568 a Abs 2 oder 3 RVO hat. Arbeitsunfähigkeit liegt dabei vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dabei muss der Arbeitsunfall nicht alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit sein. Es genügt, wenn er mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich ist. Der Verletztengeldanspruch besteht also solange, wie die Arbeitsunfähigkeit wesentlich durch die Unfallfolgen bedingt wird. Im Falle des Klägers kommt hinzu, dass nach § 634 Abs 1 RVO iVm § 25 der ab 01.03.1991 geltenden Fassung des siebten Nachtrags der Satzung der Beklagten vom 12.02.1982 eine Wartezeit von sechs Wochen eintritt. Dies bedeutet, dass die Leistungspflicht gegebenenfalls frühestens am 12.05.1993 hätte beginnen können.

Eine ab 31.03.1993 eingetretene Arbeitsunfähigkeit ist allerdings nicht nachgewiesen. Zwar hat der Allgemeinarzt Dr.W.G ... dem Kläger, der ihn am 08.04.1993 aufgesucht hatte, zunächst für die Zeit vom 31.03.1993 bis 31.05.1993 Arbeitsunfähigkeit wegen einer Thoraxkontusion bescheinigt, am 10.10.1994 jedoch klarstellend darauf hingewiesen, dass der Krankschreibung lediglich die subjektiven Äußerungen des Klägers über Thoraxschmerzen zu Grunde lagen, ohne dass er am 08.04.1993 irgendwelche pathologischen Befunde habe erheben können. Damit bestehen erhebliche Zweifel am Eintritt einer durch das Ereignis vom 31.03.1993 verursachten Arbeitsunfähigkeit. Letztlich kann es jedoch dahinstehen, ob ab 31.03.1993 tatsächlich Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Denn selbst wenn Arbeitsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt bestanden hätte, wäre der Kläger nach der ergänzenden Beurteilung des Dr.W.G ... vom 10.10.1994 jedenfalls ab 01.05.1993 wieder arbeitsfähig gewesen. Damit hatte der Kläger ab 12.05.1993, dem ehestmöglichen Leistungsbeginn, wegen nicht nachgewiesener und auch nicht mehr nachweisbarer weiterer Arbeitsunfähigkeit - der Kläger war wegen des Ereignisses vom 31.03.1993 bei keinem anderen Arzt in Behandlung - ohnehin keinen Anspruch auf Verletztengeld mehr gehabt. Wenn das SG den am 23.06.1995 gestellten Antrag des Klägers, Prof.Dr.R.Sch ... gem § 109 SGG zur Dauer der ab 31.03.1993 gegebenenfalls eingetretenen Arbeitsunfähigkeit zu hören, übergangen hat, so ist der hierin liegende Verfahrensmangel durch Unterlassen einer entsprechenden Rüge des Klägers geheilt (§ 202 SGG iVm § 295 ZPO; BSGE 2, 258 aaO; Meyer Ladewig, § 109 SGG, 6.Aufl, Anm 20).

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 20.01.1999 ist daher zurückzuweisen.

Ebenso ist die Klage gegen den Bescheid vom 14.09.2000, der nach § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 SGG wegen Sachzusammenhangs Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, abzuweisen. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass auf Grund des Unfalls vom 08.11.1991 bzw des Ereignisses vom 31.03.1993 nunmehr Arbeitsunfähigkeit sogar bis 20.04.2000 bestanden haben soll.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 20.01.1999 - S 1 U 5017/98 - ist vom SG zu Recht als unzulässig abgewiesen worden, da für die Untätigkeitsklage vom 30.03.1998 kein Rechtsschutzbedürfnis bestand.

Die Beklagte hatte nämlich über den Antrag vom 02.06.1997 hinsichtlich des Unfalls vom 08.11.1991 bereits mit Bescheid vom 13.06.1997 entschieden. Dieser Bescheid war gem § 96 Abs 2 SGG Gegenstand des beim Senat anhängig gewesenen Berufungsverfahrens L 17 U 276/94 geworden. Bezüglich des Ereignisses vom 31.03.1993 war bereits eine Verbescheidung am 25.11.1994 / 26.05.1995 erfolgt (s.o. I). Das SG hat daher die Untätigkeitsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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