Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 175/92
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 66/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Prospektverteiler, denen durch den Vertrag mit der Werbeagentur und durch dem Vertrag beigefügten Richtlinien der auf die Durchführung der Verteilung der Prospekte gerichtete Arbeitsablauf vorgeschrieben ist und die kein Unternehmerrisiko tragen, sind bei der Werbeagentur in abhängigem Arbeitsverhältnis tätig. Dies gilt auch dann, wenn sie die Möglichkeit haben, einen Auftrag abzulehnen, ihre Tätigkeiten innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens einzuteilen und auf eigene Kosten, Dritte mit der Ausführung der Tätigkeit zu beauftragen. Entscheidend für die Klassifizierung der Tätigkeit ist das Gesamtbild der Umstände des Einzelfalls.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15.01.1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Beitragspflicht für Prospektverteiler, die die Klägerin beschäftigt hat.
Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die unter anderem durch über 200 Leute Prospekte verteilen ließ. Sie schloß dazu mit den betreffenden Personen Verträge, die als "Subunternehmervertrag" bezeichnet wurden. Nach diesem Vertrag sollte die Klägerin den sogenannten Subunternehmer je nach Bedarf mit Verteilungen beauftragen. Der Subunternehmer verpflichtete sich, den erteilten Auftrag sorgfältig, pünktlich und termingerecht in dem ihm zugeordneten Bezirk auszuführen. Die Vergütung erfolgte nach der Zahl der ausgetragenen Prospekte. Vereinbart war ferner, daß der Subunternehmer auf eigene Regie, eigene Gefahr und in eigener Verantwortung arbeite. Alle Einkünfte aus dem Subunternehmervertrag seien vom Subunternehmer eigenverantwortlich zu versteuern. Der Subunternehmer verpflichtete sich, nicht an Kunden der Klägerin für Zwecke der Anwerbung für die Dauer von einem Jahr nach Erteilung des letzten Auftrages heranzutreten. Andernfalls sollte der Subunternehmer zur Zahlung einer 15 %igen Provision verpflichtet sein. Die Abrechnung der Aufträge sollte monatlich erfolgen. Eine Vertragskündigung konnte von beiden Seiten mit einer Frist von 14 Tagen vorgenommen werden und hatte schriftlich zu erfolgen. Bei groben Vertragsverletzungen war die Klägerin berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Bestandteil des Vertrages waren Richtlinien für das Verteilen von Werbeprospekten. Sie enthielten detaillierte Anweisungen zur Anbringung der Prospekte bei den Kunden und eine absolute Bindung an die vorgegebenen Termine. Vorgesehen war auch eine Haftung für die ordnungsgemäße Abwicklung bei einem Überlassen des Austragens der Prospekte an andere Personen.
Mit Bescheid vom 22.11.1990 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die Austräger zur Beitragsberechnung nachzuweisen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, die Subunternehmer könnten jederzeit selber entscheiden, ob sie die Aufträge annähmen und hätten die Möglichkeit, ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
Mit Bescheid vom 26.04.1991 forderte die Beklagte von der Klägerin die Beiträge für 1990 und setzte dabei die Entgelte für die Austräger im Schätzungswege an, da die Klägerin insoweit keine Erklärungen abgegeben hatte. Auch dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.1992 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, es fehle bei den Austrägern an der für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis notwendigen und typischen Weisungsgebundenheit. Sie sei nicht verpflichtet, die Subunternehmer mit Aufträgen zu versorgen und die Subunternehmer müßten die Aufträge auch nicht annehmen. Werde ein Auftrag angenommen, müsse er auch in der festgelegten Art erledigt werden; es handle sich dabei um Sachzwänge.
In der nicht öffentlichen Sitzung vom 27.11.1996 waren sich die Parteien einig, daß der Bescheid der Beklagten vom 27.11.1990 über die Veranlagung zur Gefahrklasse bestandskräftig geworden war, ferner darüber, daß eine Verteilerin, deren Unfallaufwendungen im Beitragsbescheid für das Jahr 1990 berücksichtigt waren, für die Klägerin tätig gewesen war. Die Klägerin führte aus, die Verteiler bekämen eine Vorgabe zur zeitlichen Erledigung des Auftrags, in der Regel von Samstag 08.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr. Die Verteiler teilten zuweilen kurzfristig mit, daß sie aus privaten Gründen nicht verteilen könnten oder daß sie von vornherein zur Verteilung nicht bereit seien. Die Klägerin müsse dann eine Ersatzperson finden. Die Verteiler dürften jederzeit eine Ersatzperson einsetzen.
Mit Urteil vom 15.01.1997 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Verteiler nach Abwägung der für und gegen eine Arbeitnehmertätigkeit sprechenden Merkmale zu Recht als abhängig Beschäftigte angesehen worden seien.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Änderung des Beitragsbescheides weiter und macht geltend, die Verteiler seien keine Arbeitnehmer und für sie seien daher auch keine Beiträge zu erheben.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Regensburg vom 15.01.1997 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22.11.1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1992 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26.04.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1992 insoweit aufzuheben, als hierzu die Prospektverteiler als versicherungspflichtig erfaßt wurden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; ein Berufungsausschluß nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil für die Verteiler zu Recht Beiträge erhoben wurden.
Maßgebliches Recht für die Berufungsentscheidung sind, da es um Beiträge für das Haushaltsjahr 1990 geht, weiter die Vorschriften der RVO (§ 219 Abs.1 Satz 2 SGB VII).
Die Beklagte hat die Entgelte für die Verteiler zu Recht der Beitragsberechnung zugrundegelegt. Sie hat ferner die Entgelte zu Recht geschätzt, da die Klägerin insoweit keinen Lohnnachweis eingereicht hat (§§ 723 Abs.1, 741, 743 RVO).
Die Verteiler waren bei der Klägerin nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO aufgrund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Die Klägerin hatte deshalb für sie Beiträge nach den §§ 723 f. RVO zu entrichten. Wer als nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO Beschäftigter anzusehen war, richtete sich nach § 7 SGB IV (§ 1 Abs.1 SGB IV; Ricke, Kasseler Kommentar, Stand: September 1994, § 539 RVO Rdnr.4). Beschäftiger nach § 7 SGB IV ist, wer unselbständige Arbeit leistet, d.h. von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit setzt die Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. Im Zweifelsfall kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 168 Nrn.5 und 18 mit weiteren Nachweisen). Bereits bei Personen, die überwiegend selbst das Austragen von Zeitungen besorgen, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang angenommen, daß sie von dem sie Beschäftigenden persönlich abhängig und somit versicherungspflichtig sind (BSG, Urteil vom 15.03.1979, Az.: 2 RU 80/78). Deren Tätigkeit unterscheidet sich nicht in entscheidungserheblichem Umfang von der hier zur Entscheidung stehenden Gruppe der Prospektverteiler. Als wesentliches Zeichen der persönlichen Abhängigkeit ist zu werten, daß der auf die Durchführung der Verteilung der Prospekte gerichtete Arbeitsablauf durch den Einzelvertrag mit den Verteilern und die Richtlinien für die Verteilung der Prospekte, die Bestandteile der jeweiligen Verträge sind, in einer Weise geregelt ist, die gerade nicht für selbständig tätige Personen, sondern für Arbeitnehmer typisch ist. Wesentlich für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Fall ist auch, daß die Verteiler ein Unternehmerrisiko nicht getragen haben und nicht zu tragen hatten. Das Gesamtbild der Beschäftigung der Verteiler wird nicht maßgebend dadurch beeinflußt, daß diese auch die Möglichkeit hatten, auf eigene Kosten Dritte mit der Ausführung der Beschäftigung zu beauftragen (BSG, Urteil vom 15.03.1979).
Als für eine selbständige Beschäftigung sprechende Umstände verbleiben im wesentlichen allein die Möglichkeiten der Prospektverteiler, einen angebotenen Auftrag abzulehnen und ihre Tätigkeit innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens einzuteilen. Die Möglichkeit der Auftragsablehnung gehört zwar einerseits nicht zu den typischen Merkmalen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. In ihr manifestiert sich aber auch nichts, was für eine selbständige Tätigkeit entscheidend ins Gewicht fiele. Da die Prospektverteiler in dieser Tätigkeit zuvor keinerlei Werbeaktivitäten entfaltet haben und mit keinerlei unternehmerischen Vorhaltekosten belastet sind, manifestiert sich hier auch kein Unternehmerrisiko. Es verwirklicht sich vielmehr mit der Annahme des Einzelauftrages lediglich eine Einzelverpflichtung im Rahmen des mit der Klägerin geschlossenen Dauerrechtsverhältnisses. Was die Möglichkeit der zeitlichen Gestaltung der Tätigkeit innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens betrifft, so ist eine solche Gestaltung auch in Beschäftigungsverhältnissen nicht unüblich, in denen ein Beschäftigter außerhalb einer festen Betriebsstätte seine Arbeitsleistung bei einer Vielzahl von Haushaltungen abzuliefern hat (z.B. Getränkeausfahrer, Monteure, Vertreter).
Nach alledem überwiegen in der vorliegenden Fallgestaltung die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale bei weitem. Die Klägerin wurde deshalb zu Recht zur Beitragszahlung auch bezüglich der Entgelte für die Prospektverteiler herangezogen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Beitragspflicht für Prospektverteiler, die die Klägerin beschäftigt hat.
Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die unter anderem durch über 200 Leute Prospekte verteilen ließ. Sie schloß dazu mit den betreffenden Personen Verträge, die als "Subunternehmervertrag" bezeichnet wurden. Nach diesem Vertrag sollte die Klägerin den sogenannten Subunternehmer je nach Bedarf mit Verteilungen beauftragen. Der Subunternehmer verpflichtete sich, den erteilten Auftrag sorgfältig, pünktlich und termingerecht in dem ihm zugeordneten Bezirk auszuführen. Die Vergütung erfolgte nach der Zahl der ausgetragenen Prospekte. Vereinbart war ferner, daß der Subunternehmer auf eigene Regie, eigene Gefahr und in eigener Verantwortung arbeite. Alle Einkünfte aus dem Subunternehmervertrag seien vom Subunternehmer eigenverantwortlich zu versteuern. Der Subunternehmer verpflichtete sich, nicht an Kunden der Klägerin für Zwecke der Anwerbung für die Dauer von einem Jahr nach Erteilung des letzten Auftrages heranzutreten. Andernfalls sollte der Subunternehmer zur Zahlung einer 15 %igen Provision verpflichtet sein. Die Abrechnung der Aufträge sollte monatlich erfolgen. Eine Vertragskündigung konnte von beiden Seiten mit einer Frist von 14 Tagen vorgenommen werden und hatte schriftlich zu erfolgen. Bei groben Vertragsverletzungen war die Klägerin berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Bestandteil des Vertrages waren Richtlinien für das Verteilen von Werbeprospekten. Sie enthielten detaillierte Anweisungen zur Anbringung der Prospekte bei den Kunden und eine absolute Bindung an die vorgegebenen Termine. Vorgesehen war auch eine Haftung für die ordnungsgemäße Abwicklung bei einem Überlassen des Austragens der Prospekte an andere Personen.
Mit Bescheid vom 22.11.1990 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die Austräger zur Beitragsberechnung nachzuweisen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, die Subunternehmer könnten jederzeit selber entscheiden, ob sie die Aufträge annähmen und hätten die Möglichkeit, ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
Mit Bescheid vom 26.04.1991 forderte die Beklagte von der Klägerin die Beiträge für 1990 und setzte dabei die Entgelte für die Austräger im Schätzungswege an, da die Klägerin insoweit keine Erklärungen abgegeben hatte. Auch dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.1992 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, es fehle bei den Austrägern an der für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis notwendigen und typischen Weisungsgebundenheit. Sie sei nicht verpflichtet, die Subunternehmer mit Aufträgen zu versorgen und die Subunternehmer müßten die Aufträge auch nicht annehmen. Werde ein Auftrag angenommen, müsse er auch in der festgelegten Art erledigt werden; es handle sich dabei um Sachzwänge.
In der nicht öffentlichen Sitzung vom 27.11.1996 waren sich die Parteien einig, daß der Bescheid der Beklagten vom 27.11.1990 über die Veranlagung zur Gefahrklasse bestandskräftig geworden war, ferner darüber, daß eine Verteilerin, deren Unfallaufwendungen im Beitragsbescheid für das Jahr 1990 berücksichtigt waren, für die Klägerin tätig gewesen war. Die Klägerin führte aus, die Verteiler bekämen eine Vorgabe zur zeitlichen Erledigung des Auftrags, in der Regel von Samstag 08.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr. Die Verteiler teilten zuweilen kurzfristig mit, daß sie aus privaten Gründen nicht verteilen könnten oder daß sie von vornherein zur Verteilung nicht bereit seien. Die Klägerin müsse dann eine Ersatzperson finden. Die Verteiler dürften jederzeit eine Ersatzperson einsetzen.
Mit Urteil vom 15.01.1997 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Verteiler nach Abwägung der für und gegen eine Arbeitnehmertätigkeit sprechenden Merkmale zu Recht als abhängig Beschäftigte angesehen worden seien.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Änderung des Beitragsbescheides weiter und macht geltend, die Verteiler seien keine Arbeitnehmer und für sie seien daher auch keine Beiträge zu erheben.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Regensburg vom 15.01.1997 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 22.11.1990 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1992 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26.04.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1992 insoweit aufzuheben, als hierzu die Prospektverteiler als versicherungspflichtig erfaßt wurden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; ein Berufungsausschluß nach § 144 SGG besteht nicht.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil für die Verteiler zu Recht Beiträge erhoben wurden.
Maßgebliches Recht für die Berufungsentscheidung sind, da es um Beiträge für das Haushaltsjahr 1990 geht, weiter die Vorschriften der RVO (§ 219 Abs.1 Satz 2 SGB VII).
Die Beklagte hat die Entgelte für die Verteiler zu Recht der Beitragsberechnung zugrundegelegt. Sie hat ferner die Entgelte zu Recht geschätzt, da die Klägerin insoweit keinen Lohnnachweis eingereicht hat (§§ 723 Abs.1, 741, 743 RVO).
Die Verteiler waren bei der Klägerin nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO aufgrund eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Die Klägerin hatte deshalb für sie Beiträge nach den §§ 723 f. RVO zu entrichten. Wer als nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO Beschäftigter anzusehen war, richtete sich nach § 7 SGB IV (§ 1 Abs.1 SGB IV; Ricke, Kasseler Kommentar, Stand: September 1994, § 539 RVO Rdnr.4). Beschäftiger nach § 7 SGB IV ist, wer unselbständige Arbeit leistet, d.h. von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit setzt die Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. Im Zweifelsfall kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 168 Nrn.5 und 18 mit weiteren Nachweisen). Bereits bei Personen, die überwiegend selbst das Austragen von Zeitungen besorgen, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang angenommen, daß sie von dem sie Beschäftigenden persönlich abhängig und somit versicherungspflichtig sind (BSG, Urteil vom 15.03.1979, Az.: 2 RU 80/78). Deren Tätigkeit unterscheidet sich nicht in entscheidungserheblichem Umfang von der hier zur Entscheidung stehenden Gruppe der Prospektverteiler. Als wesentliches Zeichen der persönlichen Abhängigkeit ist zu werten, daß der auf die Durchführung der Verteilung der Prospekte gerichtete Arbeitsablauf durch den Einzelvertrag mit den Verteilern und die Richtlinien für die Verteilung der Prospekte, die Bestandteile der jeweiligen Verträge sind, in einer Weise geregelt ist, die gerade nicht für selbständig tätige Personen, sondern für Arbeitnehmer typisch ist. Wesentlich für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Fall ist auch, daß die Verteiler ein Unternehmerrisiko nicht getragen haben und nicht zu tragen hatten. Das Gesamtbild der Beschäftigung der Verteiler wird nicht maßgebend dadurch beeinflußt, daß diese auch die Möglichkeit hatten, auf eigene Kosten Dritte mit der Ausführung der Beschäftigung zu beauftragen (BSG, Urteil vom 15.03.1979).
Als für eine selbständige Beschäftigung sprechende Umstände verbleiben im wesentlichen allein die Möglichkeiten der Prospektverteiler, einen angebotenen Auftrag abzulehnen und ihre Tätigkeit innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens einzuteilen. Die Möglichkeit der Auftragsablehnung gehört zwar einerseits nicht zu den typischen Merkmalen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. In ihr manifestiert sich aber auch nichts, was für eine selbständige Tätigkeit entscheidend ins Gewicht fiele. Da die Prospektverteiler in dieser Tätigkeit zuvor keinerlei Werbeaktivitäten entfaltet haben und mit keinerlei unternehmerischen Vorhaltekosten belastet sind, manifestiert sich hier auch kein Unternehmerrisiko. Es verwirklicht sich vielmehr mit der Annahme des Einzelauftrages lediglich eine Einzelverpflichtung im Rahmen des mit der Klägerin geschlossenen Dauerrechtsverhältnisses. Was die Möglichkeit der zeitlichen Gestaltung der Tätigkeit innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens betrifft, so ist eine solche Gestaltung auch in Beschäftigungsverhältnissen nicht unüblich, in denen ein Beschäftigter außerhalb einer festen Betriebsstätte seine Arbeitsleistung bei einer Vielzahl von Haushaltungen abzuliefern hat (z.B. Getränkeausfahrer, Monteure, Vertreter).
Nach alledem überwiegen in der vorliegenden Fallgestaltung die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale bei weitem. Die Klägerin wurde deshalb zu Recht zur Beitragszahlung auch bezüglich der Entgelte für die Prospektverteiler herangezogen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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