Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1201/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 425/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil Landshut vom 1. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Überprüfungsentscheidung und begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1945 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Republik Bosnien-Herzegowina. In seiner Heimat sind Versicherungszeiten vom 22.11.1968 bis 03.09.1970 registriert. In Deutschland hat er Versicherungszeiten vom Januar 1972 bis April 1979 als Fahrer und Bauarbeiter zurückgelegt.
Ein erster am 21.10.1979 aus Untersuchungshaft gestellter An- trag auf Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (EU/BU) wurde nach Flucht des Klägers zunächst nicht mehr weiter bearbeitet.
Ein am 03.08.1989 in Jugoslawien gestellter Antrag auf Rente wegen EU/BU wurde mit Bescheid vom 27.03.1991/Widerspruchsbescheid vom 07.10.1992 und Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20.07.1993 (S 22 J 1435/92 - rechtskräftig durch Berufungsrücknahme vom 07.12.1993) abgelehnt. Das SG verneinte die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente und stützte sich dabei auf die fachärztlichen Ergebnisse einer stationären Untersuchung vom 23. bis 24.07.1992 in der Gutachterstelle der Beklagten in Regensburg. Sie hatte unter Einbezug der einschlägigen Befunde aus der Heimat des Klägers als Diagnosen ergeben:
1. Alkohol- und Kopfschmerztablettenmissbrauch, nutritiv- toxischer Leberparenchymschaden ohne wesentliche Prozessak tivität 2. Chronische Raucherbronchitis ohne Lungenventilationsstörung 3. Gebrauchsminderung der rechten Hand nach Quetschverlet- zung, Zustand nach Ringfingeramuptation und Transposition des Kleinfingers auf den vierten Strahl 4. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei leichten Abnutzungs erscheinungen 5. Verheilter Handgelenksbruch links.
Trotz dieser Einschränkungen hielten die medizinischen Sachverständigen und ihnen folgend das Sozialgericht den Kläger für fähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er mangels Berufsschutzes zumutbar verwiesen werden könne, vollschichtig tätig zu sein, sofern nur Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand ausgeübt würden.
Einen gegen dieses Urteil am 28.03.1997 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.1997 als unzulässig zurück.
Einen weiteren Antrag vom 04.01.1997 auf Rente wegen EU/BU lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21.10.1997 mit der Begründung ab, mangels Vorversicherungszeiten seien ausgehend vom Datum der Antragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt. Den gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch vom 01.03.1999 nahm der Kläger zurück und ließ ihn als Überprüfungsantrag umdeuten.
Diesen Überprüfungsantrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.1999/Widerspruchsbescheid vom 01.07.1999 zurück mit der Begründung, dass sich eine Änderung der bisherigen Entscheidung nicht ergebe. Nach den Feststellungen der Gutachterstelle Regensburg habe 1992 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden, so dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch damals nicht erfüllt gewesen seien. Sofern später die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Rente wegen EU/BU eingetreten sein sollten, fehlte es an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, weil der gesamte Folgezeitraum bis zur Antragstellung ohne versicherungsrechtliche Zeiten sei. Eine Ausnahmeregelung sei nicht erfüllt, weil der gesamte Zeitraum seit 01.01.1984 weder mit inländischen noch mit über zwischenstaatliches Recht zu berücksichtigenden ausländischen Versicherungszeiten belegt sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat der Kläger eine Wehrdienstuntauglichkeitsbescheinigung vom 08.10.1991, mehrere ärztliche Bescheinigungen und Befunde aus seinem Heimatstaat sowie ein Attest des Internisten Dr. M. vom 25.05.1998 vorgelegt. Sie bescheinigten Multimorbidität, insbesondere wegen chronischen Leberschadens bei Alkoholkrankheit, psychosomatischer Beschwerdekomplexe, Ulcuskrankheit, Stoffwechselstörungen, Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalles, Schulter-Arm-Syndrom, Polyarthrosen sowie chronisch obstruktive Bronchitis. Mit Urteil vom 01.06.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Beklagtenentscheidung gestützt. Ergänzend hat das SG ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls am 24.07.1992 noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen unter nur qualitativen Einschränkungen verfügt habe. Bei einem nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Zustand der EU oder BU seien jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung mehrere ärztliche Atteste aus jüngerer Zeit überreicht, insbesondere ein Protokoll einer Untersuchung am 13.04.2001 in S. , wonach Verdacht auf Pankreas-Tumor bei 10 bis 15 Kilogramm Gewichtsverlust in den letzten zwei Monaten sowie die Notwendigkeit der Hilfe und Pflege durch Dritte attestiert wurden.
Mit Bescheid vom 21.06.2001 hat der Versicherungsträger des Heimatstaates des Klägers einen Antrag auf Invalidenrente mangels notwendiger Versicherungszeiten abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.06.2001, den Bescheid vom 18.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1999 sowie den Bescheid vom 21.10.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrag vom 04.01.1997 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.06.2001 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten sowie die Akten des SG Berlin, S 22 J 1435/92. Auf diese Akten und die Akten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht haben die Be- klagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1999 einen Überprüfungsantrag des Klägers bzgl. der rechtskräftigen Ablehnungsentscheidung vom 21.10.1997 abschlägig beschieden und das SG die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Denn der Kläger erfüllt nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass eine Verwaltunsentscheidung - selbst wenn sie bereits bestandskräftig geworden ist - rechtswidrig war, weil das Recht bei Erlass der Entscheidung unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, ist die Verwaltungsentscheidung aufzuheben, soweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Anspruch auf Rente wegen EU/BU hat nach §§ 43, 44 SGB VI (in der hier gemäß § 300 SGB VI noch anzuwendenden Fassung vor der Rechtsänderung durch das Gesetz zur Reform der Rente wegen ver- minderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl I Seite 1827), wer neben den gesundheitlichen Voraussetzungen auch die beson- deren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Danach müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der BU oder EU drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt sein. Der Fünf- jahreszeitraum verlängert sich zu Gunsten der versicherten Per- sonen um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die aus besonderen Gründen nicht als Anrechnungszeiten gewertet werden können, sowie um Ersatzzeiten vor dem 01.01.1992. Aus- nahmsweise wäre die Pflichtbeitragszeit nicht erforderlich, wenn besondere Umstände, insbesondere Arbeitsunfall oder Be- rufskrankheit, eingetreten sind zur vorzeitigen Wartezeiterfül- lung (§§ 53, 245 SGB VI).
Liegen diese Voraussetzungen für die Belegung mit Versiche- rungszeiten nicht vor, kann ausnahmsweise ein Rentenanspruch bestehen, falls die Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten wäre oder bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor dem 01.01.1984 die ab diesem Datum liegenden Zeiten mit versicherungsrechtlichen Zeiten entweder belegt sind (Anwartschaftserhaltungszeit § 240 Abs.2 SGB VI a.F., § 241 Abs.2 SGB VI n.F.) oder noch belegt werden können. Für diese Belegungsmöglichkeit kommt auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht.
Diese besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung (durch das oben genannte Gesetz vom 23.12.2000) erforderlich.
Werden diese Grundsätze auf den streitigen Fall angewandt, ergibt sich, dass die Beklagte in Überprüfung der Ausgangsentscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt.
Die Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Er- werbsfähigkeit setzt bezüglich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Regelfall voraus, dass der Stichtag, zu wel- chem die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt sind, auf- grund ärztlicher Feststellungen bestimmt wird. Ausgehend von diesem ist sodann der zurückreichende Fünfjahreszeitraum zu ermitteln und in diesem die Belegung mit versicherungsrechtlichen Voraussetzungen festzustellen. Von dieser Vorgehensweise kann im Fall des Klägers abgewichen werden. Es kann offen bleiben, ob oder zu welchem Zeitfenster nach dem 23.07.1992 bei dem Kläger eine relevante Erwerbsminderung nach altem oder neuem Recht eingetreten ist. Denn vor diesem Datum hatte der Kläger nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt, nach diesem Datum erfüllt er in keinem Fall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Berlin vom 20.07.1993 und den dortigen tatsächlichen Feststellungen des SG, denen sich der Senat anschließt, hatten beim Kläger am 23.07.1992 folgende Erkrankungen bestanden: - Alkohol- und Kopfschmerztablettenmissbrauch, - nutritiv toxischer Leberparenchymschaden ohne wesentliche - Prozessaktivität, - chronische Raucherbronchitits ohne Lungenventilationsstörun gen, - Gebrauchsminderung der rechten Hand nach Quetschverletzung, - Zustand nach Ringfingeramutation und Transposition des Klein fingers auf den vierten Strahl, - wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei leichten Abnutzungs erscheinungen sowie - verheilter Handgelenksbruch links.
Diese Diagnosen hatten aufgrund stationärer Untersuchung und unter Einbezug der einschlägigen Befunde und Berichte des Klägers aus dem Heimatland die Dres. R. (Innere Medizin), M. (chirurgisch) und M. (Neurologie und Psychiatrie) überzeugend gestellt.
Mit diesen Erkrankungen war der Kläger, wie das SG und die ge- nannten Sachverständigen zutreffend festgestellt haben, noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand vollschichtig zu verrichten.
Weil der Kläger in den relevanten Beschäftigungen in Deutschland nur Arbeiter- und Fahrertätigkeiten ausgeübt hatte, die mit einer Anlernzeit von maximal drei Monaten hatten ausgeübt werden können, war er zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Sein dortiges vollschichtiges Leistungsvermögen bei nur qualitativen Einschränkungen schloss EU/BU aus, zumal Anzeichen für eine eingeschränkte Wegefähigkeit oder für eine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vorhanden waren.
Die Beklagte hatte also mit Bescheid vom 27.03.1991/Widerspruchsbescheid vom 07.10.1992 den Rentenantrag vom 03.08.1989 sowie inzident den Rentenantrag vom 21.10.1979 zu Recht abgelehnt.
Von der dargelegten Leistungsfähigkeit bis zum 23.07.1992 ausgehend erfüllt der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der streitigen Rente für die gesamte Folgezeit nicht, weil seine letzte rentenrechtlich relevante Versicherungszeit im Jahr 1979 geendet hatte. Weitere Versicherungszeiten sind weder aus Deutschland noch aus der Heimat des Klägers vorhanden. An jedem nach dem Stichtag 23.07.1992 liegenden Datum, an dem die eingetretene Multimorbidität des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente erfüllen würde, sind im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum keine versicherungsrechtlichen Zeiten vorhanden. Anhaltspunkte für Schubtatbestände bestehen nicht. Auch die weiteren Ausnahmeregelungen sind tatbestandlich mangels Versicherungszeiten nach 1979 nicht erfüllt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die Versicherungszeiten ab 01.01.1984 durch freiwillige Beitragsleistung erfüllen könnte oder hätte erfüllen können, ist nicht ersichtlich.
Die Berufung war daher in vollem Umfange zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG) sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Überprüfungsentscheidung und begehrt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1945 im ehemaligen Jugoslawien geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Republik Bosnien-Herzegowina. In seiner Heimat sind Versicherungszeiten vom 22.11.1968 bis 03.09.1970 registriert. In Deutschland hat er Versicherungszeiten vom Januar 1972 bis April 1979 als Fahrer und Bauarbeiter zurückgelegt.
Ein erster am 21.10.1979 aus Untersuchungshaft gestellter An- trag auf Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (EU/BU) wurde nach Flucht des Klägers zunächst nicht mehr weiter bearbeitet.
Ein am 03.08.1989 in Jugoslawien gestellter Antrag auf Rente wegen EU/BU wurde mit Bescheid vom 27.03.1991/Widerspruchsbescheid vom 07.10.1992 und Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20.07.1993 (S 22 J 1435/92 - rechtskräftig durch Berufungsrücknahme vom 07.12.1993) abgelehnt. Das SG verneinte die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente und stützte sich dabei auf die fachärztlichen Ergebnisse einer stationären Untersuchung vom 23. bis 24.07.1992 in der Gutachterstelle der Beklagten in Regensburg. Sie hatte unter Einbezug der einschlägigen Befunde aus der Heimat des Klägers als Diagnosen ergeben:
1. Alkohol- und Kopfschmerztablettenmissbrauch, nutritiv- toxischer Leberparenchymschaden ohne wesentliche Prozessak tivität 2. Chronische Raucherbronchitis ohne Lungenventilationsstörung 3. Gebrauchsminderung der rechten Hand nach Quetschverlet- zung, Zustand nach Ringfingeramuptation und Transposition des Kleinfingers auf den vierten Strahl 4. Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei leichten Abnutzungs erscheinungen 5. Verheilter Handgelenksbruch links.
Trotz dieser Einschränkungen hielten die medizinischen Sachverständigen und ihnen folgend das Sozialgericht den Kläger für fähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er mangels Berufsschutzes zumutbar verwiesen werden könne, vollschichtig tätig zu sein, sofern nur Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie ohne volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand ausgeübt würden.
Einen gegen dieses Urteil am 28.03.1997 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.1997 als unzulässig zurück.
Einen weiteren Antrag vom 04.01.1997 auf Rente wegen EU/BU lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 21.10.1997 mit der Begründung ab, mangels Vorversicherungszeiten seien ausgehend vom Datum der Antragstellung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt. Den gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch vom 01.03.1999 nahm der Kläger zurück und ließ ihn als Überprüfungsantrag umdeuten.
Diesen Überprüfungsantrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.1999/Widerspruchsbescheid vom 01.07.1999 zurück mit der Begründung, dass sich eine Änderung der bisherigen Entscheidung nicht ergebe. Nach den Feststellungen der Gutachterstelle Regensburg habe 1992 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden, so dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch damals nicht erfüllt gewesen seien. Sofern später die gesundheitlichen Voraussetzungen einer Rente wegen EU/BU eingetreten sein sollten, fehlte es an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, weil der gesamte Folgezeitraum bis zur Antragstellung ohne versicherungsrechtliche Zeiten sei. Eine Ausnahmeregelung sei nicht erfüllt, weil der gesamte Zeitraum seit 01.01.1984 weder mit inländischen noch mit über zwischenstaatliches Recht zu berücksichtigenden ausländischen Versicherungszeiten belegt sei.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) hat der Kläger eine Wehrdienstuntauglichkeitsbescheinigung vom 08.10.1991, mehrere ärztliche Bescheinigungen und Befunde aus seinem Heimatstaat sowie ein Attest des Internisten Dr. M. vom 25.05.1998 vorgelegt. Sie bescheinigten Multimorbidität, insbesondere wegen chronischen Leberschadens bei Alkoholkrankheit, psychosomatischer Beschwerdekomplexe, Ulcuskrankheit, Stoffwechselstörungen, Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalles, Schulter-Arm-Syndrom, Polyarthrosen sowie chronisch obstruktive Bronchitis. Mit Urteil vom 01.06.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Beklagtenentscheidung gestützt. Ergänzend hat das SG ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls am 24.07.1992 noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen unter nur qualitativen Einschränkungen verfügt habe. Bei einem nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Zustand der EU oder BU seien jedoch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung mehrere ärztliche Atteste aus jüngerer Zeit überreicht, insbesondere ein Protokoll einer Untersuchung am 13.04.2001 in S. , wonach Verdacht auf Pankreas-Tumor bei 10 bis 15 Kilogramm Gewichtsverlust in den letzten zwei Monaten sowie die Notwendigkeit der Hilfe und Pflege durch Dritte attestiert wurden.
Mit Bescheid vom 21.06.2001 hat der Versicherungsträger des Heimatstaates des Klägers einen Antrag auf Invalidenrente mangels notwendiger Versicherungszeiten abgelehnt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.06.2001, den Bescheid vom 18.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1999 sowie den Bescheid vom 21.10.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß Antrag vom 04.01.1997 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 01.06.2001 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten sowie die Akten des SG Berlin, S 22 J 1435/92. Auf diese Akten und die Akten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht haben die Be- klagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.1999 einen Überprüfungsantrag des Klägers bzgl. der rechtskräftigen Ablehnungsentscheidung vom 21.10.1997 abschlägig beschieden und das SG die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Denn der Kläger erfüllt nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass eine Verwaltunsentscheidung - selbst wenn sie bereits bestandskräftig geworden ist - rechtswidrig war, weil das Recht bei Erlass der Entscheidung unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, ist die Verwaltungsentscheidung aufzuheben, soweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Anspruch auf Rente wegen EU/BU hat nach §§ 43, 44 SGB VI (in der hier gemäß § 300 SGB VI noch anzuwendenden Fassung vor der Rechtsänderung durch das Gesetz zur Reform der Rente wegen ver- minderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl I Seite 1827), wer neben den gesundheitlichen Voraussetzungen auch die beson- deren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Danach müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der BU oder EU drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt sein. Der Fünf- jahreszeitraum verlängert sich zu Gunsten der versicherten Per- sonen um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten, Zeiten, die aus besonderen Gründen nicht als Anrechnungszeiten gewertet werden können, sowie um Ersatzzeiten vor dem 01.01.1992. Aus- nahmsweise wäre die Pflichtbeitragszeit nicht erforderlich, wenn besondere Umstände, insbesondere Arbeitsunfall oder Be- rufskrankheit, eingetreten sind zur vorzeitigen Wartezeiterfül- lung (§§ 53, 245 SGB VI).
Liegen diese Voraussetzungen für die Belegung mit Versiche- rungszeiten nicht vor, kann ausnahmsweise ein Rentenanspruch bestehen, falls die Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten wäre oder bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor dem 01.01.1984 die ab diesem Datum liegenden Zeiten mit versicherungsrechtlichen Zeiten entweder belegt sind (Anwartschaftserhaltungszeit § 240 Abs.2 SGB VI a.F., § 241 Abs.2 SGB VI n.F.) oder noch belegt werden können. Für diese Belegungsmöglichkeit kommt auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Betracht.
Diese besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung (durch das oben genannte Gesetz vom 23.12.2000) erforderlich.
Werden diese Grundsätze auf den streitigen Fall angewandt, ergibt sich, dass die Beklagte in Überprüfung der Ausgangsentscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt.
Die Prüfung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Er- werbsfähigkeit setzt bezüglich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Regelfall voraus, dass der Stichtag, zu wel- chem die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt sind, auf- grund ärztlicher Feststellungen bestimmt wird. Ausgehend von diesem ist sodann der zurückreichende Fünfjahreszeitraum zu ermitteln und in diesem die Belegung mit versicherungsrechtlichen Voraussetzungen festzustellen. Von dieser Vorgehensweise kann im Fall des Klägers abgewichen werden. Es kann offen bleiben, ob oder zu welchem Zeitfenster nach dem 23.07.1992 bei dem Kläger eine relevante Erwerbsminderung nach altem oder neuem Recht eingetreten ist. Denn vor diesem Datum hatte der Kläger nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen erfüllt, nach diesem Datum erfüllt er in keinem Fall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.
Nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Berlin vom 20.07.1993 und den dortigen tatsächlichen Feststellungen des SG, denen sich der Senat anschließt, hatten beim Kläger am 23.07.1992 folgende Erkrankungen bestanden: - Alkohol- und Kopfschmerztablettenmissbrauch, - nutritiv toxischer Leberparenchymschaden ohne wesentliche - Prozessaktivität, - chronische Raucherbronchitits ohne Lungenventilationsstörun gen, - Gebrauchsminderung der rechten Hand nach Quetschverletzung, - Zustand nach Ringfingeramutation und Transposition des Klein fingers auf den vierten Strahl, - wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei leichten Abnutzungs erscheinungen sowie - verheilter Handgelenksbruch links.
Diese Diagnosen hatten aufgrund stationärer Untersuchung und unter Einbezug der einschlägigen Befunde und Berichte des Klägers aus dem Heimatland die Dres. R. (Innere Medizin), M. (chirurgisch) und M. (Neurologie und Psychiatrie) überzeugend gestellt.
Mit diesen Erkrankungen war der Kläger, wie das SG und die ge- nannten Sachverständigen zutreffend festgestellt haben, noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und ohne volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand vollschichtig zu verrichten.
Weil der Kläger in den relevanten Beschäftigungen in Deutschland nur Arbeiter- und Fahrertätigkeiten ausgeübt hatte, die mit einer Anlernzeit von maximal drei Monaten hatten ausgeübt werden können, war er zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Sein dortiges vollschichtiges Leistungsvermögen bei nur qualitativen Einschränkungen schloss EU/BU aus, zumal Anzeichen für eine eingeschränkte Wegefähigkeit oder für eine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vorhanden waren.
Die Beklagte hatte also mit Bescheid vom 27.03.1991/Widerspruchsbescheid vom 07.10.1992 den Rentenantrag vom 03.08.1989 sowie inzident den Rentenantrag vom 21.10.1979 zu Recht abgelehnt.
Von der dargelegten Leistungsfähigkeit bis zum 23.07.1992 ausgehend erfüllt der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der streitigen Rente für die gesamte Folgezeit nicht, weil seine letzte rentenrechtlich relevante Versicherungszeit im Jahr 1979 geendet hatte. Weitere Versicherungszeiten sind weder aus Deutschland noch aus der Heimat des Klägers vorhanden. An jedem nach dem Stichtag 23.07.1992 liegenden Datum, an dem die eingetretene Multimorbidität des Klägers die gesundheitlichen Voraussetzungen der begehrten Rente erfüllen würde, sind im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum keine versicherungsrechtlichen Zeiten vorhanden. Anhaltspunkte für Schubtatbestände bestehen nicht. Auch die weiteren Ausnahmeregelungen sind tatbestandlich mangels Versicherungszeiten nach 1979 nicht erfüllt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die Versicherungszeiten ab 01.01.1984 durch freiwillige Beitragsleistung erfüllen könnte oder hätte erfüllen können, ist nicht ersichtlich.
Die Berufung war daher in vollem Umfange zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn.2 und 3 SGG) sind nicht ersichtlich.
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