L 17 U 105/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 56/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 105/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Arbeitssuche eines Arbeitslosen steht dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er der Meldepflicht unterliegt und ihn eine Dienststelle der Bundesanstalt aufgefordert hat, einen Arbeitgeber aufzusuchen.
2. Ein Arbeitsloser unterliegt der Meldepflicht grundsätzlich nur, wenn er zusätzlich zur Arbeitslosmeldung einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen erhoben hat.
3. Kein Versicherungsschutz besteht, wenn der Arbeitslose ausdrücklich Entgeltersatzleistungen nicht beantragt.
4. Ein Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung eines Unfalls gemäß § 539 Abs 2 RVO wie ein Meldepflichtiger gemäß § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 4 b RVO verlangt, dass die Voraussetzungen der Meldepflicht im Zeitpunkt des Unfalles unmittelbar bevorstehen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.03.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung des Unfalles vom 06.08.1973 als Arbeitsunfall im Wege der Rücknahme eines Ablehnungsbescheides.

Der 1940 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 12.02.1976 bei der Beklagten erstmals die Gewährung von Leistungen wegen eines am 06.08.1973 erlittenen Verkehrsunfalles. Zur Begründung gab er an, er habe sich, nachdem ihm sein bisheriger Arbeitsplatz überraschend am Freitag, dem 03.08.1973, gekündigt worden sei, am Montag, dem 06.08.1973, vormittags beim Arbeitsamt in Forchheim nach einer Stelle als Kraftfahrer oder Schlosser erkundigt. Nachdem dort keine offene Stelle vorhanden gewesen sei, habe man ihn an das Arbeitsamt Nürnberg verwiesen. Er sei gegen 12.45 Uhr mit seinem PKW nach Nürnberg gefahren. Beim Arbeitsamt Nürnberg habe er die Anschriften zweier freier Stellen erhalten. Die eine sei von der Lohnfrage sowie von der Arbeitszeitgestaltung her unannehmbar gewesen. Darauf habe er sich zur zweiten zugewiesenen Stelle begeben. Einige Hundert Meter vor der zweiten Stelle sei der Unfall passiert (Schilderung des Unfallhergangs im Schreiben des Klägers vom 20.04.1976). In der Verkehrsunfallanzeige des Polizeipräsidiums der Stadt Nürnberg vom 06.08.1973 wird mitgeteilt, dass sich der Unfall am 06.08.1973 gegen 18.00 Uhr ereignet hat. In der Beschuldigtenvernehmung vom gleichen Tag gab der Kläger an, in Nürnberg auf der Arbeitssuche gewesen zu sein. Abends sei er dann auf dem Heimweg gewesen.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 01.12.1976 mit der Begründung ab, der Kläger habe am 06.08.1973 keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und sei deshalb im Unfallzeitpunkt nicht der Meldepflicht nach § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) unterlegen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth gab der Kläger an, keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt zu haben, weil er sofort wieder in eine Arbeit habe vermittelt werden wollen. Das SG verurteilte die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1976 den Unfall des Klägers vom 06.08.1973 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung gab es an, die Voraussetzungen des § 539 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) seien erfüllt, da sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt entweder auf dem Weg zu einem Unternehmer oder auf dem direkten Heimweg von der Suche nach Arbeit befunden habe. Der Kläger habe nämlich unmittelbar nach dem Unfall bei der Verkehrspolizei angegeben, am 06.08.1973 in Nürnberg auf Arbeitssuche gewesen zu sein. Die Meldung als Arbeitsloser bei der Nebenstelle Forchheim des Arbeitsamtes Bamberg beinhalte auch den Antrag auf Gewährung von Barleistungen für den Fall, dass die Arbeitssuche ergebnislos bleibe.

Dieses Urteil hob das Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 07.05.1980 mit der Begründung auf, für den Kläger habe zum Zeitpunkt des Unfalles keine Meldepflicht bestanden, weil er keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe.

Am 12.05.1998 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag bei der Beklagten und bezog sich zur Begründung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.12.1994 (Az.: 2 RU 4/94), wonach auch eine mit einer Bitte oder Empfehlung umschriebene Äußerung des Arbeitsamtes eine Aufforderung darstellen könne. Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheides zum 01.12.1976 mit Bescheid vom 17.11.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2000 mit der Begründung ab, der vom BSG entschiedene Rechtstreit sei nicht einschlägig.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Bayreuth hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 17.11.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. zu gewähren. Der Kläger hat sein Begehren damit begründet, dass die ablehnende Entscheidung im Lichte der neueren BSG-Rechtsprechung nicht mehr vertretbar sei. Das Aufsuchen des Arbeitsamtes, um eine Arbeitsstelle zu finden, stelle selbstverständlich eine Arbeitslosmeldung dar. Ein Herr T. (T.) vom Arbeitsamt Forchheim, der zwischenzeitlich verstorben sei, habe ihn mit einem Begleitzettel zum Arbeitsamt Nürnberg geschickt. Von Seiten seines Arbeitsvermittlers habe er vor dem Aufsuchen des Arbeitsamtes Nürnberg keinen Antrag auf Leistungen nach dem AFG stellen dürfen. T. habe während eines persönlichen Gesprächs in dessen Wohnung bestätigt, dass er ihn nach Nürnberg geschickt habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.03.2003 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass nach den in früheren Verfahren eingeholten Auskünften der Arbeitsämter Bamberg vom 21.04.1976 und Nürnberg vom 12.05.1976 bzw. 07.09.1976 der Kläger weder bei diesen Dienststellen arbeitslos gemeldet gewesen sei noch habe er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beantragt. Die jetzt vom SG eingeholten Auskünfte hätten zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der Kläger habe früher und auch jetzt vorgetragen, dass er sofort wieder in Arbeit habe vermittelt werden wollen und erst bei Erfolglosigkeit der Suche in Nürnberg ein Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt worden wäre. Es sei nicht möglich, aus der Nachfrage nach einer Arbeitsstelle auf einen Antrag auf Gewährung von Barleistungen für den Fall zu schließen, dass die Arbeitssuche ergebnislos bleibe, wie der Kläger dies möchte. Dem stehe das eindeutige Vorbringen des Klägers im früheren Verfahren vor dem SG entgegen, dass er nur eine neue Arbeit gesucht habe. Im Nachhinein könne der Kläger seinem Verhalten und Begehren nicht eine andere Bedeutung bemessen, weil insoweit der Grundsatz gelte, dass den Erstangaben ein höherer Beweiswert zukomme, als den späteren im Verlauf des weiteren Verfahrens gemachten.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren bezogen. Er beantragt das Urteil des SG Bayreuth vom 18.03.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.11.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2000 aufzuheben und den Beklagte zu verurteilen, das Ereigenis vom 06.08.1973 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die sich daraus ergebenden Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 18.03.2003 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Akte der Beklagten, die Archivakte des SG Bayreuth Az.: S 7 U 5/77, die Akte des SG Bayreuth S 11 U 52/00, die Archivakte des BayLSG Az.: L 17 U 146/98.WA und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des ablehnenden Bescheides vom 01.12.1976 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X). Die Beklagte hat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalles anlässlich des Verkehrsunfalles vom 06.08.1973 zu Recht verneint.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Vorschrift findet Anwendung, obwohl der umstrittene Ablehnungsbescheid vom 01.12.1976 vor dem Inkrafttreten des SGB X am 01.01.1981 erlassen worden ist (so BSGE 54, 223, ständige Rechtsprechung des BSG).

Für die Beurteilung, ob das formelle oder materielle Recht unrichtig angewandt wurde, ist grundsätzlich die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend (v.Wulffen, SGB X, Komm. 4. Aufl., § 44 RdNr. 10 m.w.N.). Die Frage, ob das Recht unrichtig angewandt wurde, ist aber nicht nach der bei Erlass des Verwaltungsaktes bestehenden oder herrschenden Rechtsauffassung, sondern im Lichte einer - evtl. geläuterten - Rechtsauffassung in rückschauender Betrachtungsweise zu beurteilen (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 31 m.w.N.). Wesentlich ist nur, ob der Verwaltungsakt bei der Entscheidung über die Anwendung des § 44 SGB X als rechtswidrig anzusehen ist (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 13). Der Gesetzeswortlaut des § 44 SGB X ("rechtswidrig", "unrichtig", "zu Unrecht") misst der Frage, ob sich der rechtswidrige Verwaltungsakt bei seinem Erlass auf eine anderweitige frühere Rechtsprechung des BSG stützen ließ, keine Bedeutung bei. Wesentlich ist für § 44 nur, ob der Verwaltungsakt - was die Worte "ergibt" und "erweist" bekräftigen - bei der Entscheidung über die Anwendung des § 44 SGB X als rechtswidrig anzusehen ist (a.a.O.).

Das materielle Recht wurde auch unter Berücksichtigung der heute geltenden Rechtslage nicht unrichtig angewandt.

Nach dem zum Zeitpunkt des Unfalles des Klägers einschlägigen § 539 Abs. 1 Nr. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.d.F. vom 30.04.1963 waren Personen, die nach den Vorschriften des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Meldepflicht unterlagen, in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall versichert, wenn sie a) zur Erfüllung ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stel le aufsuchten oder b) auf Aufforderung eine Dienststelle der Bundesanstalt für Ar beit oder einer seemännischen Heuerstelle diese oder andere Stellen aufsuchten.

Der Versicherungsschutz des § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO bezog sich auf das Aufsuchen einer Dienststelle der Bundesanstalt und auf das Aufsuchen jeder anderen Stelle, gleichgültig welcher Art sie war und ob es sich um eine behördliche und private Stelle handelte und gleichgültig, welchem Zweck das Aufsuchen diente (Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 46.Lfg. Juli 1985, § 539 RdNr. 29). Es fielen also unter diesen Versicherungsschutz auch die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses (a.a.O.).

Die Meldepflicht der Arbeitslosen war in § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - nunmehr inhaltsgleich § 309 Abs. 1 SGB III - und in den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit nach § 132 Abs. 1 AFG geregelt. Meldepflichtig i.S. der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt über die Meldepflicht (Meldeanordnung) vom 14.12.1972 (ANBA 1973, S. 245) waren Personen, die Anspruch auf Arbeitslosengeld erhoben (§ 1 Meldepflichten DA 1.01 Abs. 1) - vgl. Weber/Paul AFG Stand 11/73 § 132.

Der Kläger muss daher, um unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen, der Meldepflicht unterliegen und von einer Dienststelle der Bundesanstalt aufgefordert worden sein, einen Arbeitgeber aufzusuchen.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalles waren schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger keiner Meldepflicht beim Arbeitsamt unterlegen war. Zwar hat sich der Kläger entgegen der Auffassung des SG am 06.08.1973 beim Arbeitsamt Forchheim arbeitslos gemeldet, in dem er dort um Arbeit nachgefragt hat. Denn die Arbeitslosmeldung stellt eine Tatsachenerklärung dar, mit der dem Arbeitsamt gegenüber die Tatsache des Eintritts der Arbeitslosigkeit, also des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos der Arbeitslosigkeit, angezeigt wird (so BSG Urteil vom 07.09.2000 Az.: B 7 AL 2/00 R in SozR 3-4300 § 122 Nr. 1 m.w.N.). Die Arbeitslosmeldung dient vornehmlich dazu, das Arbeitsamt tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit seinen Vermittlungsbemühungen zu beginnen und die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden (a.a.O.).

Nach Sachlage zweifelt der Senat deshalb nicht daran, dass der Kläger am 06.08.1973 dem Arbeitsamt Forchheim seine Arbeitslosigkeit angezeigt hat.

Voraussetzung dafür, dass der Kläger der Meldepflicht unterliegt, ist aber nach der früheren Regelung des § 132 AFG und der jetzt geltenden inhaltsgleichen Regelung des § 309 Abs. 1 SGB III, dass er - zusätzlich zur Arbeitslosmeldung - einen Anspruch auf Arbeitlosengeld erhoben hat. Hieran fehlt es vorliegend.

Zwar ist auch nach dem AFG im Regelfall in der persönlichen Arbeitslosmeldung zugleich ein Leistungsantrag zu sehen (so BSG Urteil vom 08.12.1994 Az.: 2 RU 4/94 in SozR 3-2200 § 539 Nr. 32 unter Verweisung auf Gagel AFG § 132 RdNr. 11). Dieser Antrag ist an keine bestimmte Form gebunden (a.a.O. § 100 RdNr. 8). Auch kommt es für die Entstehung des Anspruches auf die Abgabe des Antragsvordruckes nicht an (Hennig/Kühl/Heuer/ Henke, AFG, § 100 Anm. 6; Gagel a.a.O. § 100 RdNr. 6), und es müssen auch keine Leistungen gezahlt werden (vgl. BSG a.a.O.). § 323 Abs. 1 Satz 2 SGB III sieht nunmehr sogar vor, dass die persönliche Arbeitslosmeldung zugleich als Antrag auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe gilt, wenn der Arbeitslose keine andere Erklärung abgibt.

Ein Versicherungsschutz besteht aber dann nicht, wenn der Arbeitslose tatsächlich eine andere Erklärung abgibt (so ausdrücklich BSG Urteil vom 11.09.2001 Az.: B 2 U 5/01 R in SozR 3-2700 § 2 Nr. 3).

So ist es hier.

Der Kläger hat - ohne dass es auf sein Motiv ankäme - beim Arbeitsamt bewusst keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt (vgl. Angaben des Bevollmächtigten des Klägers in der Klageschrift vom 08.12.1976 im Rechtsstreit S 7 U 5/77, Bl. 3 Sozialgerichtsakte vor dem Sozialgericht Bayreuth: "Es ist richtig, dass der Kläger hier keinen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt hat, da er nicht Arbeitslosengeld beziehen wollte, sondern unmittelbar wieder in eine Arbeit vermittelt werden wollte"). Diese Angaben des Bevollmächtigten des Klägers muss sich der Kläger zurechnen lassen.

Wenn der Kläger nunmehr vor dem SG vorträgt, der Arbeitsvermittler beim Arbeitsamt Forchheim habe ihm verwehrt, einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen, so deckt sich das nicht mit seinen früheren Angaben. Den früheren Angaben des Klägers kommt aber ein höherer Beweiswert gegenüber seinen jetzigen Angaben zu. In seiner Arbeitslosmeldung kann daher nicht zugleich der Antrag auf Gewährung von Leistungen gesehen werden. Dies hat zur Folge, dass er nicht meldepflichtig war.

Nicht alle Personen sind unter den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO gestellt, die - aus welchen Gründen auch immer - mit Dienststellen der Arbeitsverwaltung in Kontakt treten und dem Arbeitsamt oder auf dessen Anregung oder Aufforderung andere Stellen aufsuchen (BSG, Urteil vom 08.12.1988 Az.: 2 RU 47/87 in HV-Info 1989, 495 unter Verweisung auf BSGE 36, 39, 41). An dieser Rechtsprechung ist auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts festzuhalten. Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des BSG vom 08.12.1994, SozR 3-2200 § 539 Nr. 32 geht fehl, weil der Kläger dort die Bewilligung von Arbeitslosengeld beantragt hatte.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung des Unfalls nach § 539 Abs. 2 i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 4 b RVO. Der Kläger war nicht wie eine der Meldepflicht unterliegende Person i.S. des § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO und damit auch nicht wie ein nach Abs. 1 Versicherter i.S. von § 539 Abs. 2 RVO tätig.

Zweck des § 539 Abs. 2 RVO ist es, den Schutz der Unfallversicherung auch solchen Personen zu gewährleisten, deren - möglicherweise nur vorübergehende - Beschäftigung oder Tätigkeit derjenigen eines nach Abs. 1 Versicherten entspricht, ohne die in Abs. 1 aufgezählten Tatbestandsmerkmale vollständig zu erfüllen (so BSGE 51, 213, 215). Zwar wird es sich dabei in der Regel um Fälle des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO handeln; jedoch wird in § 539 Abs. 2 RVO auf alle Tatbestände des Abs. 1 Bezug genommen, also auch den der Nr. 4, obwohl es die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache IV 120 S. 52) für schwer denkbar gehalten hat, dass einige Nummern des Abs. 1, z.B. Nr. 4 und Nr. 10 einer Ausdehnung durch Abs. 2 zugänglich seien. Dadurch bleibt der Rechtsprechung die Möglichkeit erhalten, allen Einzelfällen, deren Besonderheiten sich nicht übersehen lassen, Rechnung zu tragen (BSG, Urteil vom 08.12.1988 Az.: 2 RU 47/87 in HV-Info 1989 495 - 500). Die Bestimmung dient mithin nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, der Rechtsprechung die Möglichkeit zu geben, den Versicherungsschutz auch auf Fälle auszudehnen, in denen es unbillig erscheinen würde, sie nach dem Zweck des Versicherungsschutzes wegen Fehlens seines Tatbestandsmerkmals davon auszuschließen (a.a.O.). Zweck des § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO ist es, den nach dem AFG meldepflichtigen Personen nach Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakte Unfallversicherungsschutz in gleicher Weise zu gewähren, wie ihn ein Arbeitnehmer in Bezug auf dem Weg zum Arbeitsplatz und den Aufenthalt am Arbeitsplatz selbst hat (a.a.O.).

Diesem Zweck entsprechend hat der 8.Senat des BSG in einem Urteil vom 27.02.1981 (BSGE a.a.O.) entschieden, dass ein Arbeitsuchender, der auf dem Wege zu der vom Arbeitsamt anberaumten Arbeitsberatung unmittelbar vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit einen Unfall erleidet, in Anwendung des § 539 Abs. 2 RVO wie ein Meldepflichtiger, der eine Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit aufforderungsgemäß aufsucht, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen ist. Es entstand in diesem Fall die Meldepflicht nach § 132 AFG zwar erst 2 Tage nach dem Unfall; jedoch lag es im Interesse des Arbeitssuchenden und der Arbeitsverwaltung, schon unmittelbar vorher mit der Arbeitsberatung zu beginnen (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1988 Az.: 2 RU 47/87 in HV-Info 1989, 495).

Im Vergleich hierzu ist der vorliegende Sachverhalt wesentlich anders gelagert. In den vom 8.Senat des BSG entschiedenen Fall stand der Arbeitssuchende zwar noch in einem Arbeitsverhältnis, das allerdings bereits gekündigt war. Aus diesem Grund hatte er sich bei der Dienststelle des Arbeitsamtes bereits als Arbeitssuchender gemeldet. Außerdem hatte er für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits die Gewährung von Arbeitslosengeld beantragt. Zum Zeitpunkt des Unfalls stand die Meldepflicht somit unmittelbar bevor. Im Falle des Klägers hingegen war am Unfalltag noch völlig unklar, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt eine Meldepflicht nach § 132 AFG entstehen würde.

Nach den polizeilichen Ermittlungen und den Angaben des Klägers vor der Polizei hat sich der Unfall nicht - wie vom Kläger in seinem Schreiben vom 20.04.1976 angegeben - vor dem Aufsuchen des zweiten Arbeitgebers, sondern auf der Heimfahrt von der Arbeitssuche ereignet. Da der Kläger der Meldepflicht nicht unterlegen ist, konnte auch seine Heimfahrt von der Arbeitssuche nicht unter Versicherungsschutz stehen. Abgesehen davon wäre es fraglich, ob der Versicherungsschutz - hätte ein solcher bestanden - nicht erloschen wäre, da der Heimweg möglicherweise nicht mehr im Zusammenhang mit der Arbeitssuche gestanden hätte. Eine versicherungsschädliche Unterbrechung des inneren Zusammenhangs des Heimwegs mit der versicherten Tätigkeit liegt nach der Rechtsprechung des BSG im Interesse der Rechtssicherheit nämlich dann vor, wenn diese mehr als 2 Stunden beträgt. Nach dem vom Kläger angegebenen zeitlichen Verlauf der Ereignisse am Unfalltag - Fahrt von Forchheim nach Nürnberg gegen 12.45 Uhr, Aufsuchen des Arbeitsamtes, daran anschließend Aufsuchen der ersten angebotenen Arbeitsstelle und d a n a c h Fahrt zum zweiten Arbeitgeber - hätte der Kläger den zweiten Arbeitgeber gegen 15.00 Uhr aufsuchen müssen. Der Unfall hat sich aber erst gegen 18.00 Uhr ereignet.

Nach alledem steht dem Kläger kein Anspruch auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 01.12.1976 zu.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision i.S. des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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