L 4 KR 48/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 65/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 48/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten zu erstatten, die dem Kläger durch eine Behandlung in der Schweiz entstanden sind.

Der 1926 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Er leidet an einer Maculadegeneration mit Netzhautblutungen. Sein behandelnder Augenarzt Dr. T. hat ihn deshalb zur Mitbehandlung in die Schweiz zu Dr. J. überwiesen. Dr. J. sei der nächstgelegene Spezialarzt für Augenkrankheiten auf dem Gebiet der Netzhautbehandlungen, der diese Behandlung durchführt.

Die Beklagte hat dem Kläger für Behandlungen 1997 und 1998 vorgelegte Rechnungen des Dr. J. im Rahmen des Deutsch-Schweizer Sozialversicherungsabkommens erstattet. Am 02.09.1999 reichte der Kläger erneut eine Rechnung des Dr. J. bei der Beklagten ein. Die Rechnung betrifft eine Behandlung vom 13.04. bis 17.04.1999, die Rechnung beträgt 1.322,95 Schweizer Franken. Die Beklagte informierte den Kläger mit Schreiben vom 29.09.1999 davon, diese Kosten nicht übernehmen zu können. Der Kläger legte daraufhin ein Schreiben des Dr. T. vom 11.10.1999 vor und äußerte seine Meinung, die Behandlung, wie sie Dr. J. er vornehme, sei in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Es sei zweimal im Jahr eine sechstägige Injektionsbehandlung der Augen notwendig.

Nach weiterem Schriftwechsel lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.01.2000 eine Kostenübernahme mit der Begründung ab, eine ausreichende medizinische Versorgung sei im Geschäftsgebiet der Kasse sichergestellt. Hingewiesen wird auf die Uniklinik M. , die Behandlung stehe dort als Sachleistung zur Verfügung. Es sei auch keine Kulanzregelung möglich.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 10.01.2000 Widerspruch ein, mit dem er darauf hinwies, die Behandlung bei Dr. J. sei kostengünstiger.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.2000 zurückgewiesen. Da die Behandlung in der Schweiz durchgeführt worden sei, könne nur nach vorheriger Zustimmung der Beklagten eine Kostenbeteiligung erfolgen. Die Zustimmung fehle. Nach § 18 SGB V könne darüber hinaus eine Kostenübernahme in Betracht kommen, wenn die Behandlung nur im Ausland möglich sei. Diese eng auszulegende Ausnahmeregelung erfasse nur wissenschaftlich anerkannte Behandlungen. Dies sei bei der Behandlung durch Dr. J. nicht der Fall. Außerdem sei eine Behandlung der Maculaerkrankungen in Deutschland in vollem Umfange möglich.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel auf Kostenerstattung weiter. Seine Bevollmächtigten führten hierzu aus, nachdem bereits in den Jahren 1997 und 1998 eine notfallmäßige Behandlung des Klägers während seines Aufenthaltes in der Schweiz unterstellt und die dort angefallenen Kosten erstattet wurden, habe der Kläger davon ausgehen können, dass auch die streitgegenständliche Behandlung 1999 übernommen werde und es somit keiner Zustimmung der Kasse bedürfe. Im Übrigen sei auch für 1999 von einer notfallmäßigen Behandlung auszugehen. Nach § 18 SGB V seien die Kosten auch deshalb zu übernehmen, weil die Behandlung nur bei Prof. B. und Herrn Dr. J. möglich sei. Die Beklagte wies darauf hin, die Kostenübernahme 1997 und 1998 sei irrtümlich erfolgt. Hätte die Beklagte positive Kenntnis davon gehabt, dass sich der Kläger gezielt zur Behandlung ins Ausland begeben hatte, wäre eine Kostenerstattung nicht in Betracht gekommen. Nach Hinweis des Sozialgerichts, dass für eine Kostenerstattung die Voraussetzungen des § 18 Abs.1 SGB V gegeben sein müssten, die den Wirksamkeitsnachweis aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Studien fordern, äußerte sich Dr. J. mit Schreiben vom 31.10.2001 dahingehend, er habe entsprechende Studien nicht durcgeführt und werde sie auch nicht durchführen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.01.2002 abgewiesen. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 13 Abs.3SGB V seien nicht gegeben. Ein Notfall liege nicht vor, weil sich der Kläger bewusst zur Behandlung ins Ausland begeben habe. Eine Kostenerstattung scheitere auch daran, dass sich der Kläger vor Inanspruchnahme der Leistung nicht mit der Beklagten in Verbindung gesetzt habe, so dass der notwendige Kausalzusammenhang einer Entstehung der Kosten durch die Ablehnung der Krankenkasse fehle. Die Beklagte habe auch ihre Beratungspflicht nicht verletzt. Da die Beklagte bei den beiden ersten Erstattungen von einem Notfall ausgegangen sei, habe kein Hinweis darauf vorgelegen, dass sie den Kläger informieren müsse, er müsse sich vor einer weiteren Inanspruchnahme des Dr. J. mit ihr in Verbindung setzen. Eine Kostenerstattung nach dem deutsch-schweizerischen Sozialversicherrungsabkommen sei nicht möglich, da nach dessen Art.10b Abs.1 Nr.1 eine Person, die sich vorübergehend im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhält, nur einen Anspruch auf Leistungen hat, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Beim Kläger habe es sich nicht um einen solchen Zustand gehandelt.

Schließlich scheitere eine Übernahme der Kosten auch an § 18 Abs.1 SGB V. Es seien hierfür zwei Bedingungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, gefordert. Die im Ausland angebotene Behandlung müsse dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genügen und im Inland dürfe keine diesem Stand entsprechende Behandlung der beim Versicherten bestehenden Erkrankung möglich sein. Der Behandlungserfolg im konkreten Einzelfall sei dagegen kein Kriterium für eine Kostenübernahme. Der behandelnde Augenarzt des Klägers habe ausgeführt, dass die Methode des Prof. B. , die auch von seinem ehemaligen Mitarbeiter Dr. J. durchgeführt werde, an manchen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland angewandt werde. Damit sei diese Behandlung nicht nur im Ausland möglich. Zudem fehle es an dem Nachweis, dass die Therapie dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche.

Schließlich lasse sich ein Kostenerstattungsanspruch auch nicht mit der geltend gemachten Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze rechtfertigen, insbesondere nicht aus dem Vertrauensschutzgesichtspunkt herleiten. Die Beklagte habe mit er bisherigen Kostenerstattung keinen Vertrauenstatbestand in dem Sinne gschaffen, dass sie an diese Verwaltungspraxis gebunden wäre. Denn sie hat vorrangig das Gesetz zu beachten. Es könne der Beklagten daher nicht zum Nachteil gereichen, dass sie irrtümlich davon ausgegangen sei, eine notfallmäßige Behandlung in der Schweiz liege vor und sie daher eine Erstattung vorgenommen habe. Es bestehe kein Anspruch auf Fortführung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, auch wenn es über einen längeren Zeitraum hinweg im Sinne einer ständigen Übung praktiziert worden sei.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung machen die Bevollmächtigten des Klägers geltend, die bei Dr. J. in A. durchgeführte kombinierte Methode werde sonst nirgends angewendet. Dadurch ergebe sich die Notwendigkeit einer Auslandsbehandlung. Die Methode sei erfolgreich. Es dürfe heutzutage kein entscheidendes Kriterium sein, dass keine wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über den Erfolg der Behandlung vorlägen. Wenig überzeugend sei die erstinstanzliche Urteilsbegründung zur bisherigen Kostenerstattung 1997 und 1998. Es hätte der Beklagten bekannt sein müsen (bei genügender Aufmerksamkeit), dass es sich nicht mehr um eine Notfall, sondern um Folgebehandlungen handele. Deshalb konnte der Kläger darauf vertrauen, auch die nächste Behandlung werde von der Beklagten erstattet. Hinzu komme, dass der Kläger die Beklagte (Frau M. - BEK L.) unterrichtet habe, die Behandlung bei Dr. J. müsse ein- bis zweimal jährlich wiederholt werden. Schließlich genieße der Kläger auch deshalb Vertrauensschutz, weil eine andere Patientin, die regelmäßig in der Schweiz von einem anderen Spezialisten behandelt wurde, ihre Rechnungen von der BEK L. bezahlt erhalten habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.01.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Vortrag des Bevollmächtigten enthalte keine neuen Argumente. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gemäß § 18 SGB V lägen eindeutig nicht vor. Ebenfalls sei eine Kostenerstattung in Hinblick auf den sogenannten Vertrauensschutz nicht möglich.

Beigezogen und Gegenstand de mündlichen Verhandlung waren die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten. Auf den Akteninhalt und die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Kostenerstattung. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass weder die Anforderungen des § 18 SGB V noch Ansprüche aus dem Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz gegeben sind. Nach dessen Art.10b Abs.1 Nr.1 hat eine Person, die sich vorübergehend im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhält, nur einen Anspruch auf Leistungen, die sie wegen ihres Zustandes sofort benötigt. Für Versicherte wie den Kläger, die sich zur Behandlung in die Schweiz begeben, ist die Norm nicht einschlägig. Ein Notfall liegt dann nicht vor. Diese Ausführungen sind überzeugend, der Senat schließt sich ihnen an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab § 153 Abs.2 SGG).

Die Gründe, die der Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren vorträgt, sind nicht geeignet, die rechtlichen Wertungen des Sozialgerichtsurteils zu ändern. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die von Dr. J. durchgeführte Methode nirgends sonst angewendet wird. Abgesehen davon, dass diese Angabe den Ausführungen des behandelnden Arztes des Klägers widerspricht, folgt daraus noch nicht ein Anspruch aus § 18 SGB V. Eine Kostenübernahme gemäß § 18 Abs.1 SGB V setzt voraus, dass eine Behandlung in Deutschland nicht möglich ist und die im Ausland durchgeführte Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Wie das Sozialgericht dargelegt hat, genügt es, dass in Deutschland eine Behandlung der Maculadegeneration möglich ist. Dies dürfte nicht umstritten sein. Damit kommt es letztlich nicht mehr darauf an, ob die Methode zwischenzeitlich in der Schweiz als kassenpflichtige Leistung anerkannt ist. Die Kriterien, die das Bundessozialgericht zur wissenschaftlichen Anerkennung aufgestellt hat, nämlich nachvollziehbare Studien, können nicht vorliegen, weil Dr. J. selbst sagt, er führe solche Studien nicht durch.

Die Äußerungen zum Vertrauensschutz können einen Kostenerstattungsanspruch ebenfalls nicht begründen. Es kann unter keinem Aspekt davon ausgegangen werden, dass der Beklagten die Rechtswidrigkeit der Erstattungen 1997 und 1998 bekannt war. Sie ist irrig von Notfallbehandlungen ausgegangen. Daran ändert auch die Behauptung nichts, der Kläger habe die Beklagte davon unterrichtet, dass die Behandlung bei Dr. J. ein- bis zweimal jährlich wiederholt werden müsse. Dem widerspricht nämlich die schriftliche Äußerung der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau M. vom 24.11.2000, wonach diese Tatsache bei der letzten Kostenerstattung im Dezember 1998 nicht bekannt war. Dass es sich um eine Folgebehandlung handele, sei ihr vielmehr erst im September 1999 bewusst geworden.

Frau M. braucht deshalb nicht als Zeugin angehört zu werden. Es gibt keinen Vertrauensschutz darauf, dass Kostenerstattungen in der Schweiz bei anderen Versicherten und anderen Ärzten eine Verpflichtung der Kasse zur Folge haben, auch für den Kläger dessen dortige Kosten zu erstatten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers. Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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