Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 V 276/89
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 78/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein eintägiges Übungsschießen stellt, auch wenn es unter ungünstigen Witterungsverhältnissen stattfindet, keinesfalls eine außerordentliche kriegsähnliche Belastung dar, wie sie von der Rechtsprechung des BSG für das Vorliegen der Voraussetzungen gefordert wird, unter denen die allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers zur Kannversorgung bei Morbus Bechterew erteilt ist.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.1996 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.04.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06. 1989 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist es streitbefangen, ob beim Kläger ein "Morbus Bechterew" als Wehrdienstbeschädigungs-Folge (WDB- Folge) anzuerkennen ist und ihm hierfür ab September 1988 Rente gewährt werden kann.
Der Kläger, der ab 01.10.1968 Wehrdienst geleistet hat und zum 13.06.1984 im Dienstrang eines Oberfeldarztes aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, beantragte am 3./27.11.1986 beim Beklagten Antrag auf Versorgung wegen eines Morbus Bechterew, an dem er seit Juni 1973 leide. Dieser sei infolge eines militärischen Schießens im Juni 1973 bei nassem und kaltem Wetter aufgetreten, wobei zuvor am 13.06.1973 eine Tonsillektomie erfolgt sei. Der Morbus Bechterew sei erst am 13.12.1974 vom Sanitätsdienst der Bundeswehr diagnostiziert worden. Der Kläger legte hierzu eine Urkunde über die Ruhestandsversetzung und ein Dienstzeugnis des Jagdbombergeschwaders 49 über seine dienstlichen Tätigkeiten vor.
Mit Bescheid vom 21.04.1988 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, weil die Diagnose "Morbus Bechterew" nicht gesichert sei. Die Voraussetzungen für eine bei Morbus Bechterew infrage kommende "Kannversorgung" seien i.Ü. aber auch dann nicht gegeben, wenn die Diagnose als gesichert unterstellt würde. Denn beim Kläger hätten - wehrdienstbedingt - in der fraglichen Zeit weder infektiöse oder sonstige Krankheiten vorgelegen, die die Immunitätslage nachhaltig verändert haben könnten, noch sei der Kläger körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet gewesen seien, die Resistenz herabzusetzen.
Seinen Widerspruch dagegen begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass die Diagnose eines Morbus Bechterew durch mehrere Befunde begründet sei und er erstmals zwei bis drei Wochen nach dem Übungsschießen bei der Bundeswehr an Kreuzschmerzen gelitten habe. Hierzu legte er verschiedene Kopien von Arztbriefen und ein Schreiben an das Bayerische Verwaltungsgericht vor. Der Beklagte ließ den Kläger durch den Chirurgen Dr ... untersuchen, der unter dem 21.09.1988 ausführte, beim Kläger liege tatsächlich ein Morbus Bechterew vor. Dieser bedinge einen GdB von 10 bis 20 nach dem Schwerbehindertengesetz. Eine eintägige Schießübung im Sommer könne jedoch nicht als körperliche Belastung gewertet werden, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sei, die Immunitätslage erheblich herabzusetzen. Hierfür wäre nämlich ein mehrtägiger Aufenthalt in naßkalter Umgebung bei Mangelernährung Voraussetzung, wie dies unter Kriegsbedingungen vorstellbar sei. Nach den Akten sei außerdem ein großer diagnostischer Aufwand durchgeführt worden und eine fachgerechte Behandlung erfolgt. Es liege im Wesen der Erkrankung, dass sie im Frühstadium nicht sicher diagnostiziert werden könne. Auch dies dürfte dem Kläger, der kein wissenschaftliche Laie sei, bekannt sein. Insgesamt komme daher eine Anerkennung im Rahmen der "Kannversorgung" nicht in Betracht. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.05.1989 wies Dr ... darauf hin, dass im Hinblick auf die widersprüchlichen Aktenangaben derzeit ein Morbus Bechterew noch nicht gesichert sei.
Gestützt darauf wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.1989 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Das dagegen angerufene Sozialgericht München (Az.: S 11/V 276/89 SVG) hat die Röntgenaufnahmen und Szintigramme des Klägers beigezogen und diesen durch den Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr ... untersuchen lassen. In seinem Gutachten vom 29.05.1990 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, eine Bechterew sche Erkrankung sei nicht gesichert; für die vorhandenen rheumatischen Symptome des Klägers hätten Wehrdiensteinflüsse nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache, nicht aber einer wesentlichen Bedingung. Ein weiteres Gutachten von Amts wegen hat das Sozialgericht von Prof.Dr ... eingeholt, der in seiner Beurteilung vom 20.02.1991 zu dem Ergebnis gekommen ist, beim Kläger sei ein sogenannter Morbus Bechterew aufgrund der Anamnese, des Beschwerdebildes sowie der vorliegenden klinischen und laborchemischen Untersuchungsbefunde eindeutig gesichert. Diese Gesundheitsstörung sei mit großer Wahrscheinlichkeit durch die rezidivierenden eitrigen Tonsillitiden, die Tonsillektomie und das Übungsschießen in Kälte und Nässe in Erscheinung getreten. Da anzunehmen sei, dass der Kläger bei seinem Übungsschießen stark unterkühlt wurde, spreche deutlich mehr für als gegen eine Mitverursachung durch diese Ereignisse. Die Erkrankung habe nach Juni 1973 begonnen und der Kläger befinde sich in einem Übergangsstadium, wodurch nunmehr eine Gesamt-MdE von 30 v.H. verursacht würde. Im Rahmen zweier divergierender versorgungsärztlicher Stellungnahmen hat sich der Beklagte diesem Gutachten angeschlossen (Dr ... vom 25.04.1991) bzw. dem Vorliegen eines Morbus Bechterew widersprochen (Dr ... vom 04.05.1991).
In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.1995 sowie mit Anschreiben vom 06.03.1996 hat das Sozialgericht den Kläger zu seinem Gesundheitszustand, zum dienstlichen Übungsschießen während der Bundeswehr und zu dem außerdienstlichen Wasserskifahren gehört und anschließend Prof.Dr ... ergänzend befragt. In seiner Stellungnahme vom 21.05.1996 hat der Sachverständige festgestellt, beim Kläger liege ein deutlicher Funktionsverlust der Wirbelsäule vor, was zu den typischen Merkmalen eines Morbus Bechterew gehöre. Diese Diagnose sei erstmals im Dezember 1974 von Privatdozent Dr ... geäußert worden. Die Ursachen dieser Erkrankung hätten eine multifaktorielle Genese, d.h. eine anlagebedingte (= endogene, genetische) Ursache und mehrere umweltbedingte (= exogene) Ursachen. Aufgrund der Vorgeschichte sei eine erhebliche Resistenzherabsetzung beim Kläger durch die Schießübung anzunehmen, wohingegen privates Wasser-Ski-Fahren nicht allein ausreichend dafür sei, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Hierzu hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Anerkennung eines Morbus Bechterew im Rahmen einer Kannversorgung deshalb nicht möglich sei, weil die Schießübung nicht dazu geeignet gewesen sei, die Resistenz des Klägers erheblich herabzusetzen und im Übrigen eine zeitliche Verbindung bis zu 6 Monaten mit den wehrdienstbedingten Einflüssen nicht angenommen werden könne.
Mit Urteil vom 25.07.1996 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, den Morbus Bechterew als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihn u.a. ab September 1988 mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. In den Urteilsgründen hat es darauf abgestellt, das Vorliegen eines Morbus Bechterew sei beim Kläger nachgewiesen. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Prof.Dr ... , das der Beklagte zumindest in seiner Stellungnahme vom 21.09.1988 bestätigt habe. Der Kläger habe zudem im Laufe des Jahres 1973 wiederholt an schweren und fieberhaften Mandelentzündungen gelitten, weshalb am 13.06.1973 eine Mandeloperation durchgeführt worden sei. Dies spreche dafür, dass die Wehrübung vom Juni 1973 die Resistenz des Klägers erheblich herabgesetzt habe. Der Kläger sei zudem im September 1973 nicht nur von Dr ... behandelt worden, sondern habe auch Laborärzte aufgesucht, die bereits Entzündungswerte festgestellt hätten. Auf einen Beginn der Morbus-Bechterew-Erkrankung in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten nach dieser Wehrübung könne daher begründet geschlossen werden. Der Kläger sei zwar als Träger des Gen-Markers HLA-B 27 Träger einer "ruhenden Anlage", jedoch stehe dem das schädigende Ereignis zumindest gleichwertig gegenüber. Damit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Morbus Bechterew als durch den Wehrdienst hervorgerufen anzusehen. Hinsichtlich der MdE-Einschätzung erscheine ein Gesamtgrad von 30 v.H. ab September 1988 als angemessen. Diese Einschätzung entspreche dem Gutachten von Prof.Dr ... , aber auch den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht. Der Klage sei daher antragsgemäß stattzugeben.
Seine dagegen beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen damit begründet, dass die eintägige Schießübung des Klägers im Sommer 1973 nicht dazu geeignet gewesen sei, seine Resistenz erheblich herabzusetzen. Außerdem könne nicht begründet von einem Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten nach dieser eintägigen Schießübung ausgegangen werden. Die Diagnose eines Morbus Bechterew sei nämlich erstmals im Dezember 1974 als Verdacht erhoben worden, weil eine Diagnose nicht früher gestellt habe werden können. Eine Anwendung der "Kann-Vorschrift" sei daher nicht gerechtfertigt. Der Beklagte stützte sich dabei auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr ... vom 10.10. 1996, die seiner Berufungsbegründung beilag.
Auf Anforderung des Senats hat die Beigeladene eine Stellungnahme des Instituts für Wehr-Geophysik vom 07.02.1997 vorgelegt sowie die Kopie eines Schießbefehls vom 07.01.1997. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass als Zeitpunkt seiner Wehrübung 1. Juli 1973 anzusehen und der vom Beklagten als weiterer Sachverständiger vorgeschlagene Prof.Dr ... ungeeignet sei. Der daraufhin von Amts wegen beauftragte Sachverständige Prof.Dr ... hat in seinem Gutachten, das am 16.02.1998 hier eingegangen ist, darauf abgestellt, dass beim Kläger ein Morbus Bechterew mit geringer Prozessaktivität und milder, limitierter Verlaufsform vorliege. Diese Erkrankung hätte der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auch dann bekommen, wenn das Übungsschießen bei der Bundeswehr nicht stattgefunden hätte. Es sei dabei zwar möglich, dass diese Erkrankung in einem zeitlichen Zusammenhang von sechs Monaten mit dem Übungsschießen stehe, doch habe die Herstellung eines Zusammenhangs immer den Makel der Unbeweisbarkeit und Zufälligkeit. Hinsichtlich der MdE-Einschätzung sei eine Reduzierung des MdE-Grades seit etwa 1991 bei weiter abnehmenden Beschwerden auf 20 v.H. gerechtfertigt. Der im Anschluss daran auf Antrag des Klägers gehörte Prof.Dr ... ist in seinem Gutachten vom 03.11.1999 von einer mit Prof.Dr ... übereinstimmenden Auffassung ausgegangen. Die Intensität der mit der Schießübung ablaufenden Einflüsse auf den Krankheitsverlauf sei gering gewesen, so dass ein ursächlicher Zusammenhang ausscheide und damit ein wichtiges Kriterium für die Kannversorgung entfalle. Beigeladene und Beklagter haben an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.1996 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.04. 1988 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 08.06.1989 abzuweisen.
Für die Beigeladene ist in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Schriftlich hatte sie sich dem Antrag des Beklagten angeschlossen.
Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.1996 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die WDB-Akten der Beigeladenen, die Versorgungsakte der Beklagten sowie die Akte des vorausgegangenen Streitverfahrens vor dem Sozialgericht München. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten übrigen Inhalt der Akten, insbesondere die vorläufige Urteilsausführung des Sozialgerichts München mit Benachrichtigung vom 10.09.1996, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die genannten Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 88 Abs.7 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; einer Zulassung der Berufung nach § 144 Abs.1 Satz 1 SGG i.d.F. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 hat es im Hinblick auf Satz 2 dieser Vorschrift nicht bedurft. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG), damit auch sonst zulässig und erweist sich auch als begründet.
Nach § 80 erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs.1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt nach § 81 Abs.6 Satz 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann nach § 81 Abs.6 Satz 2 SVG mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
Die allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers ist nach S.309 (Rdnr.140) der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz "(1996) - AP 96 - bei Morbus Bechterew für den Fall erteilt, dass 1. infektiöse oder andere Krankheiten, die die Immunitätslage nachhaltig verändert haben oder 2. körperliche Belastungen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind, die Resistenz erheblich herabzusetzen,
als Schädigungstatbestände vorgelegen haben und auf einen Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung zu diesen Einwirkungen bis zu 6 Monaten danach begründet geschlossen werden kann.
Die gehörten Sachverständigen Prof.Dr ... , Prof.Dr ... und Prof.Dr ... haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, beim Kläger liege ein Morbus Bechterew vor, über dessen Ursache in der medizinischen Wissenschaft allgemein Ungewissheit bestehe. Diese Auffassung teilt der Beklagte auch im Rahmen der Stellungnahme von Dr ... , so dass insoweit von einer gesicherten Diagnose auszugehen ist.
Da über die Genese des Morbus Bechterew Ungewissheit besteht, ist eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der hier diskutierten exogenen Faktoren mit der Erkrankung des Klägers iSv § 81 Abs.6 Satz 1 SVG nicht möglich. Ein Ausnahmefall iSV Rdr.39 Abs.2b) der AP 96 (S.182 f) liegt nicht vor. Die z.T. widersprüchlichen Ausführungen von Prof.Dr ... sind, soweit sie den Kausalzusammenhang mit Wahrscheinlichkeit bejahen (S.47 - 49 seines Gutachtens vom 20.02.1991) nicht schlüssig.
Versorgung kommt daher nur als "Kannversorgung" gemäß § 81 Abs.6 Satz 2 SVG infrage. Deren Voraussetzungen, die sich - exklusiv - aus den o.a. Bedingungen, unter denen die allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers bei Morbus Bechterew erteilt ist (BSG in SozR 3-3200 § 81 Nr.9 = BSG, 10.11.1993, 9/9a RVG 41/92), ergeben, sind jedoch nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei dem Übungsschießen im Juni/Juli 1973 nicht um eine körperliche Belastung, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet war, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Prof.Dr ... und insbesondere der auf Antrag des Klägers als Sachverständiger gehörte Prof.Dr ... haben schlüssig und überzeugend dargelegt, dass ein im Sommer abgehaltenes eintägiges Übungsschießen, auch wenn es bei relativ kühler Temperatur und Regen stattfindet, eine derartige Reduzierung der Widerstandskraft nicht zu bewirken vermag.
Im Übrigen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der mit § 1 Abs.3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eingeführten "Kannversorgung" - also der Anerkennung von Leiden, die nur möglicherweise auf bestimmte kriegsbedingte Belastungen zurückgehen - das Ziel verfolgte, eine Beweiserleichterung für außerordentliche Belastungen zu schaffen, die regelmäßig nur im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft zu ertragen sind. Mit der hier einschlägigen Vorschrift des § 81 Abs.6 Satz 2 SVG sollte die Beweiserleichterung auch auf solche Verhältnisse übertragen werden, in denen im Frieden kriegsähnliche Anforderungen gestellt werden (BSG in SozR 3-3200 § 81 Nr.9; BSG, 19.06.1996, 9 BV 105/95; BSG, 11.10.1994, 9 BV 55/94). Die Beschränkung auf kriegsähnliche Belastungen entspricht auch dem Charakter dieser Vorschrift als Härtefallregelung (BSG, aaO). Das streitgegenständliche Übungsschießen erfüllt auch keinesfalls die ohne Berücksichtigung der individuellen Konstitution des jeweiligen Antragstellers nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Anforderungen, die für die Annahme einer außerordentlichen kriegsähnlichen Belastung gegeben sein müssen. Wegen des Fehlens dieser zwingenden Voraussetzung kann dahingestellt bleiben, ob die körperlichen Belastungen des Übungsschießens im Falle des Klägers ausnahmsweise wegen einer eventuell vorbestehenden Resistenzminderung infolge Tonsillitiden/Tonsillektomie zu einer insgesamt erheblichen Minderung der Widerstandskraft geführt haben konnten. Eine möglicherweise z.Z. des Übungsschießens negativ veränderte Immunitätslage des Klägers infolge der vorausgegangenen Tonsillitiden/Tonsillektomie kann - im Sinn der 1. Alternativbedingung, unter der der Bundesarbeitsminister die allgemeine Zustimmung bei Morbus Bechterew erteilt hat - ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da es sich bei den Mandelentzündungen und der Mandelentfernung nicht um Schädigungstatbestände, also wehrdienstbedingte Erkrankungen, gehandelt hat.
Nach alldem musste daher das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München aufgehoben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abgewiesen werden.
Die Benachrichtigung des Beklagten vom 10.09.1996 ist im Hinblick auf ihren vorläufigen Charakter nicht gemäß §§ 96 Abs.1, 153 Abs.1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Ihrer Aufhebung bedurfte es deshalb nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG sowie dem Umstand, dass dem Begehren des Klägers nicht Rechnung getragen werden konnte.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch der Senat von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist es streitbefangen, ob beim Kläger ein "Morbus Bechterew" als Wehrdienstbeschädigungs-Folge (WDB- Folge) anzuerkennen ist und ihm hierfür ab September 1988 Rente gewährt werden kann.
Der Kläger, der ab 01.10.1968 Wehrdienst geleistet hat und zum 13.06.1984 im Dienstrang eines Oberfeldarztes aus der Bundeswehr ausgeschieden ist, beantragte am 3./27.11.1986 beim Beklagten Antrag auf Versorgung wegen eines Morbus Bechterew, an dem er seit Juni 1973 leide. Dieser sei infolge eines militärischen Schießens im Juni 1973 bei nassem und kaltem Wetter aufgetreten, wobei zuvor am 13.06.1973 eine Tonsillektomie erfolgt sei. Der Morbus Bechterew sei erst am 13.12.1974 vom Sanitätsdienst der Bundeswehr diagnostiziert worden. Der Kläger legte hierzu eine Urkunde über die Ruhestandsversetzung und ein Dienstzeugnis des Jagdbombergeschwaders 49 über seine dienstlichen Tätigkeiten vor.
Mit Bescheid vom 21.04.1988 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab, weil die Diagnose "Morbus Bechterew" nicht gesichert sei. Die Voraussetzungen für eine bei Morbus Bechterew infrage kommende "Kannversorgung" seien i.Ü. aber auch dann nicht gegeben, wenn die Diagnose als gesichert unterstellt würde. Denn beim Kläger hätten - wehrdienstbedingt - in der fraglichen Zeit weder infektiöse oder sonstige Krankheiten vorgelegen, die die Immunitätslage nachhaltig verändert haben könnten, noch sei der Kläger körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet gewesen seien, die Resistenz herabzusetzen.
Seinen Widerspruch dagegen begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass die Diagnose eines Morbus Bechterew durch mehrere Befunde begründet sei und er erstmals zwei bis drei Wochen nach dem Übungsschießen bei der Bundeswehr an Kreuzschmerzen gelitten habe. Hierzu legte er verschiedene Kopien von Arztbriefen und ein Schreiben an das Bayerische Verwaltungsgericht vor. Der Beklagte ließ den Kläger durch den Chirurgen Dr ... untersuchen, der unter dem 21.09.1988 ausführte, beim Kläger liege tatsächlich ein Morbus Bechterew vor. Dieser bedinge einen GdB von 10 bis 20 nach dem Schwerbehindertengesetz. Eine eintägige Schießübung im Sommer könne jedoch nicht als körperliche Belastung gewertet werden, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sei, die Immunitätslage erheblich herabzusetzen. Hierfür wäre nämlich ein mehrtägiger Aufenthalt in naßkalter Umgebung bei Mangelernährung Voraussetzung, wie dies unter Kriegsbedingungen vorstellbar sei. Nach den Akten sei außerdem ein großer diagnostischer Aufwand durchgeführt worden und eine fachgerechte Behandlung erfolgt. Es liege im Wesen der Erkrankung, dass sie im Frühstadium nicht sicher diagnostiziert werden könne. Auch dies dürfte dem Kläger, der kein wissenschaftliche Laie sei, bekannt sein. Insgesamt komme daher eine Anerkennung im Rahmen der "Kannversorgung" nicht in Betracht. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.05.1989 wies Dr ... darauf hin, dass im Hinblick auf die widersprüchlichen Aktenangaben derzeit ein Morbus Bechterew noch nicht gesichert sei.
Gestützt darauf wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.1989 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Das dagegen angerufene Sozialgericht München (Az.: S 11/V 276/89 SVG) hat die Röntgenaufnahmen und Szintigramme des Klägers beigezogen und diesen durch den Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr ... untersuchen lassen. In seinem Gutachten vom 29.05.1990 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, eine Bechterew sche Erkrankung sei nicht gesichert; für die vorhandenen rheumatischen Symptome des Klägers hätten Wehrdiensteinflüsse nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache, nicht aber einer wesentlichen Bedingung. Ein weiteres Gutachten von Amts wegen hat das Sozialgericht von Prof.Dr ... eingeholt, der in seiner Beurteilung vom 20.02.1991 zu dem Ergebnis gekommen ist, beim Kläger sei ein sogenannter Morbus Bechterew aufgrund der Anamnese, des Beschwerdebildes sowie der vorliegenden klinischen und laborchemischen Untersuchungsbefunde eindeutig gesichert. Diese Gesundheitsstörung sei mit großer Wahrscheinlichkeit durch die rezidivierenden eitrigen Tonsillitiden, die Tonsillektomie und das Übungsschießen in Kälte und Nässe in Erscheinung getreten. Da anzunehmen sei, dass der Kläger bei seinem Übungsschießen stark unterkühlt wurde, spreche deutlich mehr für als gegen eine Mitverursachung durch diese Ereignisse. Die Erkrankung habe nach Juni 1973 begonnen und der Kläger befinde sich in einem Übergangsstadium, wodurch nunmehr eine Gesamt-MdE von 30 v.H. verursacht würde. Im Rahmen zweier divergierender versorgungsärztlicher Stellungnahmen hat sich der Beklagte diesem Gutachten angeschlossen (Dr ... vom 25.04.1991) bzw. dem Vorliegen eines Morbus Bechterew widersprochen (Dr ... vom 04.05.1991).
In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.1995 sowie mit Anschreiben vom 06.03.1996 hat das Sozialgericht den Kläger zu seinem Gesundheitszustand, zum dienstlichen Übungsschießen während der Bundeswehr und zu dem außerdienstlichen Wasserskifahren gehört und anschließend Prof.Dr ... ergänzend befragt. In seiner Stellungnahme vom 21.05.1996 hat der Sachverständige festgestellt, beim Kläger liege ein deutlicher Funktionsverlust der Wirbelsäule vor, was zu den typischen Merkmalen eines Morbus Bechterew gehöre. Diese Diagnose sei erstmals im Dezember 1974 von Privatdozent Dr ... geäußert worden. Die Ursachen dieser Erkrankung hätten eine multifaktorielle Genese, d.h. eine anlagebedingte (= endogene, genetische) Ursache und mehrere umweltbedingte (= exogene) Ursachen. Aufgrund der Vorgeschichte sei eine erhebliche Resistenzherabsetzung beim Kläger durch die Schießübung anzunehmen, wohingegen privates Wasser-Ski-Fahren nicht allein ausreichend dafür sei, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Hierzu hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Anerkennung eines Morbus Bechterew im Rahmen einer Kannversorgung deshalb nicht möglich sei, weil die Schießübung nicht dazu geeignet gewesen sei, die Resistenz des Klägers erheblich herabzusetzen und im Übrigen eine zeitliche Verbindung bis zu 6 Monaten mit den wehrdienstbedingten Einflüssen nicht angenommen werden könne.
Mit Urteil vom 25.07.1996 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, den Morbus Bechterew als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihn u.a. ab September 1988 mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten. In den Urteilsgründen hat es darauf abgestellt, das Vorliegen eines Morbus Bechterew sei beim Kläger nachgewiesen. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Prof.Dr ... , das der Beklagte zumindest in seiner Stellungnahme vom 21.09.1988 bestätigt habe. Der Kläger habe zudem im Laufe des Jahres 1973 wiederholt an schweren und fieberhaften Mandelentzündungen gelitten, weshalb am 13.06.1973 eine Mandeloperation durchgeführt worden sei. Dies spreche dafür, dass die Wehrübung vom Juni 1973 die Resistenz des Klägers erheblich herabgesetzt habe. Der Kläger sei zudem im September 1973 nicht nur von Dr ... behandelt worden, sondern habe auch Laborärzte aufgesucht, die bereits Entzündungswerte festgestellt hätten. Auf einen Beginn der Morbus-Bechterew-Erkrankung in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten nach dieser Wehrübung könne daher begründet geschlossen werden. Der Kläger sei zwar als Träger des Gen-Markers HLA-B 27 Träger einer "ruhenden Anlage", jedoch stehe dem das schädigende Ereignis zumindest gleichwertig gegenüber. Damit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Morbus Bechterew als durch den Wehrdienst hervorgerufen anzusehen. Hinsichtlich der MdE-Einschätzung erscheine ein Gesamtgrad von 30 v.H. ab September 1988 als angemessen. Diese Einschätzung entspreche dem Gutachten von Prof.Dr ... , aber auch den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht. Der Klage sei daher antragsgemäß stattzugeben.
Seine dagegen beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen damit begründet, dass die eintägige Schießübung des Klägers im Sommer 1973 nicht dazu geeignet gewesen sei, seine Resistenz erheblich herabzusetzen. Außerdem könne nicht begründet von einem Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten nach dieser eintägigen Schießübung ausgegangen werden. Die Diagnose eines Morbus Bechterew sei nämlich erstmals im Dezember 1974 als Verdacht erhoben worden, weil eine Diagnose nicht früher gestellt habe werden können. Eine Anwendung der "Kann-Vorschrift" sei daher nicht gerechtfertigt. Der Beklagte stützte sich dabei auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr ... vom 10.10. 1996, die seiner Berufungsbegründung beilag.
Auf Anforderung des Senats hat die Beigeladene eine Stellungnahme des Instituts für Wehr-Geophysik vom 07.02.1997 vorgelegt sowie die Kopie eines Schießbefehls vom 07.01.1997. Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass als Zeitpunkt seiner Wehrübung 1. Juli 1973 anzusehen und der vom Beklagten als weiterer Sachverständiger vorgeschlagene Prof.Dr ... ungeeignet sei. Der daraufhin von Amts wegen beauftragte Sachverständige Prof.Dr ... hat in seinem Gutachten, das am 16.02.1998 hier eingegangen ist, darauf abgestellt, dass beim Kläger ein Morbus Bechterew mit geringer Prozessaktivität und milder, limitierter Verlaufsform vorliege. Diese Erkrankung hätte der Kläger mit großer Wahrscheinlichkeit auch dann bekommen, wenn das Übungsschießen bei der Bundeswehr nicht stattgefunden hätte. Es sei dabei zwar möglich, dass diese Erkrankung in einem zeitlichen Zusammenhang von sechs Monaten mit dem Übungsschießen stehe, doch habe die Herstellung eines Zusammenhangs immer den Makel der Unbeweisbarkeit und Zufälligkeit. Hinsichtlich der MdE-Einschätzung sei eine Reduzierung des MdE-Grades seit etwa 1991 bei weiter abnehmenden Beschwerden auf 20 v.H. gerechtfertigt. Der im Anschluss daran auf Antrag des Klägers gehörte Prof.Dr ... ist in seinem Gutachten vom 03.11.1999 von einer mit Prof.Dr ... übereinstimmenden Auffassung ausgegangen. Die Intensität der mit der Schießübung ablaufenden Einflüsse auf den Krankheitsverlauf sei gering gewesen, so dass ein ursächlicher Zusammenhang ausscheide und damit ein wichtiges Kriterium für die Kannversorgung entfalle. Beigeladene und Beklagter haben an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.1996 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 21.04. 1988 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 08.06.1989 abzuweisen.
Für die Beigeladene ist in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Schriftlich hatte sie sich dem Antrag des Beklagten angeschlossen.
Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.07.1996 zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die WDB-Akten der Beigeladenen, die Versorgungsakte der Beklagten sowie die Akte des vorausgegangenen Streitverfahrens vor dem Sozialgericht München. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den gesamten übrigen Inhalt der Akten, insbesondere die vorläufige Urteilsausführung des Sozialgerichts München mit Benachrichtigung vom 10.09.1996, die Schriftsätze der Beteiligten sowie die genannten Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 88 Abs.7 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; einer Zulassung der Berufung nach § 144 Abs.1 Satz 1 SGG i.d.F. des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 hat es im Hinblick auf Satz 2 dieser Vorschrift nicht bedurft. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG), damit auch sonst zulässig und erweist sich auch als begründet.
Nach § 80 erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs.1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt nach § 81 Abs.6 Satz 1 SVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann nach § 81 Abs.6 Satz 2 SVG mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
Die allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers ist nach S.309 (Rdnr.140) der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz "(1996) - AP 96 - bei Morbus Bechterew für den Fall erteilt, dass 1. infektiöse oder andere Krankheiten, die die Immunitätslage nachhaltig verändert haben oder 2. körperliche Belastungen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind, die Resistenz erheblich herabzusetzen,
als Schädigungstatbestände vorgelegen haben und auf einen Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung zu diesen Einwirkungen bis zu 6 Monaten danach begründet geschlossen werden kann.
Die gehörten Sachverständigen Prof.Dr ... , Prof.Dr ... und Prof.Dr ... haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, beim Kläger liege ein Morbus Bechterew vor, über dessen Ursache in der medizinischen Wissenschaft allgemein Ungewissheit bestehe. Diese Auffassung teilt der Beklagte auch im Rahmen der Stellungnahme von Dr ... , so dass insoweit von einer gesicherten Diagnose auszugehen ist.
Da über die Genese des Morbus Bechterew Ungewissheit besteht, ist eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs der hier diskutierten exogenen Faktoren mit der Erkrankung des Klägers iSv § 81 Abs.6 Satz 1 SVG nicht möglich. Ein Ausnahmefall iSV Rdr.39 Abs.2b) der AP 96 (S.182 f) liegt nicht vor. Die z.T. widersprüchlichen Ausführungen von Prof.Dr ... sind, soweit sie den Kausalzusammenhang mit Wahrscheinlichkeit bejahen (S.47 - 49 seines Gutachtens vom 20.02.1991) nicht schlüssig.
Versorgung kommt daher nur als "Kannversorgung" gemäß § 81 Abs.6 Satz 2 SVG infrage. Deren Voraussetzungen, die sich - exklusiv - aus den o.a. Bedingungen, unter denen die allgemeine Zustimmung des Bundesarbeitsministers bei Morbus Bechterew erteilt ist (BSG in SozR 3-3200 § 81 Nr.9 = BSG, 10.11.1993, 9/9a RVG 41/92), ergeben, sind jedoch nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich bei dem Übungsschießen im Juni/Juli 1973 nicht um eine körperliche Belastung, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet war, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Prof.Dr ... und insbesondere der auf Antrag des Klägers als Sachverständiger gehörte Prof.Dr ... haben schlüssig und überzeugend dargelegt, dass ein im Sommer abgehaltenes eintägiges Übungsschießen, auch wenn es bei relativ kühler Temperatur und Regen stattfindet, eine derartige Reduzierung der Widerstandskraft nicht zu bewirken vermag.
Im Übrigen ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der mit § 1 Abs.3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eingeführten "Kannversorgung" - also der Anerkennung von Leiden, die nur möglicherweise auf bestimmte kriegsbedingte Belastungen zurückgehen - das Ziel verfolgte, eine Beweiserleichterung für außerordentliche Belastungen zu schaffen, die regelmäßig nur im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft zu ertragen sind. Mit der hier einschlägigen Vorschrift des § 81 Abs.6 Satz 2 SVG sollte die Beweiserleichterung auch auf solche Verhältnisse übertragen werden, in denen im Frieden kriegsähnliche Anforderungen gestellt werden (BSG in SozR 3-3200 § 81 Nr.9; BSG, 19.06.1996, 9 BV 105/95; BSG, 11.10.1994, 9 BV 55/94). Die Beschränkung auf kriegsähnliche Belastungen entspricht auch dem Charakter dieser Vorschrift als Härtefallregelung (BSG, aaO). Das streitgegenständliche Übungsschießen erfüllt auch keinesfalls die ohne Berücksichtigung der individuellen Konstitution des jeweiligen Antragstellers nach objektiven Kriterien zu beurteilenden Anforderungen, die für die Annahme einer außerordentlichen kriegsähnlichen Belastung gegeben sein müssen. Wegen des Fehlens dieser zwingenden Voraussetzung kann dahingestellt bleiben, ob die körperlichen Belastungen des Übungsschießens im Falle des Klägers ausnahmsweise wegen einer eventuell vorbestehenden Resistenzminderung infolge Tonsillitiden/Tonsillektomie zu einer insgesamt erheblichen Minderung der Widerstandskraft geführt haben konnten. Eine möglicherweise z.Z. des Übungsschießens negativ veränderte Immunitätslage des Klägers infolge der vorausgegangenen Tonsillitiden/Tonsillektomie kann - im Sinn der 1. Alternativbedingung, unter der der Bundesarbeitsminister die allgemeine Zustimmung bei Morbus Bechterew erteilt hat - ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da es sich bei den Mandelentzündungen und der Mandelentfernung nicht um Schädigungstatbestände, also wehrdienstbedingte Erkrankungen, gehandelt hat.
Nach alldem musste daher das angefochtene Urteil des Sozialgerichts München aufgehoben und die Klage gegen die angefochtenen Bescheide abgewiesen werden.
Die Benachrichtigung des Beklagten vom 10.09.1996 ist im Hinblick auf ihren vorläufigen Charakter nicht gemäß §§ 96 Abs.1, 153 Abs.1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Ihrer Aufhebung bedurfte es deshalb nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG sowie dem Umstand, dass dem Begehren des Klägers nicht Rechnung getragen werden konnte.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.1 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch der Senat von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
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