L 10 AL 430/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 1009/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 430/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 45/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.09.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose (im Folgenden: Lohnkostenzuschuss) nach den Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zur Durchführung der "Aktion Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose 1995 bis 1999" der Bundesregierung vom 16.02.1995 (bekannt gegeben im Bundesanzeiger Nr.36 S.1686 vom 21.02.1995) in der Fassung der 2.Änderung vom 12.12.1996 (bekannt gegeben im Bundesanzeiger Nr.243, S.13391 vom 31.12.1996, i.F.: Richtlinien).

Die Klägerin beantragte am 05.01.1998 einen Lohnkostenzuschuss für 12 Monate für die Einstellung der in Polen geborenen Beigeladenen. Die Stelle war für eine Bürokauffrau in der Produktionsüberwachung, Absatzsteuerung und Überwachung und mit polnischen, slowakischen und russischen Sprachkenntnissen ausgeschrieben worden. Außerdem sollte Bereitschaft zu einer Auslandstätigkeit in Ostblockländern bestehen.

Die Beigeladene war u.a. vom 02.11.1993 bis 31.08.1994 als kaufmännische Angestellte bei der Firma W. GmbH (Geschäftsführer und Gesellschafter: W. H.) in Vollzeit und in der Folge dort in Nebentätigkeit mit Schreibarbeiten und Telefondienst tätig gewesen. Seit 25.08.1997 übte sie diese Nebentätigkeit für die Klägerin aus. Gegenüber der Beklagten gab die Beigeladene an, dass sich zwar Name und Anschrift des Betriebes geändert habe, der Arbeitgeber und die auszuübende Tätigkeit jedoch gleich geblieben seien. Bei einem Beratungsgespräch am 21.10.1997 erklärte die Beigeladene, sie habe Chancen, bei der Klägerin ab Januar 1998 eingestellt zu werden. Ab November 1998 war die Beigeladene mehr als geringfügig bei der Klägerin beschäftigt und meldete sich bei der Beklagten aus dem Leistungsbezug ab.

Mit Bescheid vom 12.02.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Lohnkostenzuschusses ab. Es handele sich um eine Wiedereinstellung und das Beschäftigungsverhältnis könne auch ohne Förderungsleistung zustande kommen.

Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, die Beigeladene habe sich bisher Mühe gegeben und sei zuverlässig gewesen. Deshalb sei überlegt worden, sie einzustellen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.1998 zurückgewiesen. Faktisch liege keine Neueinstellung vor. Auf Grund der langjährigen Nebentätigkeit für die Klägerin sei die Beigeladene bei einer Einstellung trotz formal bestehender Arbeitslosigkeit nicht benachteiligt. Vielmehr könne ein besonderes Interesse der Klägerin an der Weiterführung bzw. Ausweitung der Beschäftigung unterstellt werden.

Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, sie existiere erst seit September 1997. Es handele sich nicht um eine Wiedereinstellung der Beigeladenen und das Stellenangebot stimme mit den Fähigkeiten, Neigungen und der beruflichen Motivation der Beigeladenen überein. Die bisherige, im Rahmen der Nebenverdienstbeschäftigung ausgeübte Tätigkeit habe mit dem Stellenangebot ebensowenig zu tun wie der frühere Arbeitgeber der Beigeladenen - Firma W. H. GmbH - mit der Klägerin. Geschäftsführer der Klägerin sei W. H ... Es handele sich bei ihr um eine unselbstständige Niederlassung, die als "M. GmbH Privatgesellschaft mbH" (nach belgischem Recht) bei der Stadt W. ab 25.09.1997 ein Gewerbe angemeldet habe. Die Klägerin übersandte einen Auszug aus dem Handelsregisterblatt (HRB) E. (Belgien) Nr.64155 bezüglich der Firma M. GmbH, die zunächst aus den Gesellschaftern Dr.H. und W. H. bestand. Ab 01.01.1998 war W. H. der alleinige Anteilseigner.

Mit Urteil vom 19.09.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Das arbeitsmarktpolitische Interesse an einer Beschäftigung der Beigeladenen, die bereits in der Vorgängerfirma gearbeitet habe, sei nicht größer als das Interesse des Arbeitgebers an einer Einstellung.

Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Beigeladene habe am 21.10.1997 nicht mitgeteilt, demnächst bei der Klägerin eingestellt zu werden. Lediglich die Geschäftsführer der Firma W. H. GmbH und der Klägerin seien identisch. Die Firma W. H. GmbH existiere noch. Das mit der Beigeladenen beabsichtigte unbefristete Arbeitsverhältnis habe sich auf eine andere Tätigkeit, nämlich die Aufnahme von Geschäftskontakten im europäischen Ausland, die Teilabwicklung des Einkaufs, Buchhaltung sowie Produktionsüberwachung und Absatzsteuerung bezogen. Die Beigeladene habe zwar nicht diesem Anforderungsprofil entsprochen, es sei aber auf ihr Drängen hin das Risiko eines möglichen Misserfolges bei dieser Tätigkeit einzugehen beabsichtigt gewesen. Die Beigeladene sei nicht als eingearbeitete Kraft anzusehen, nachdem sie erst drei Monate bei der Klägerin tätig gewesen sei. Die neu einzustellende Arbeitskraft hätte auch die Aufgaben der Beigeladenen mit übernehmen müssen, so dass die Beigeladene - bei Einstellung einer fremden Arbeitskraft - sich dann wieder vom Arbeitsmarkt entfernt hätte. Die Klägerin hat hierzu eine Stellungnahme der Beigeladenen und ein Schreiben ihrerseits an die Beigeladene vom 12.01.1998 vorgelegt, wonach die Beigeladene probeweise für das besprochene Aufgabengebiet "vorbehaltlich der Zustimmung des Arbeitsamtszuschusses" eingestellt werden solle. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt bzw. missbraucht, denn bei der Beigeladenen hätten alle Bedingungen vorgelegen, die nach den Durchführungsrichtlinien Voraussetzung für eine vorrangige Förderung gewesen seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.09.2001 sowie den Bescheid vom 12.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Beigeladene sei bereits früher bei der Firma W. H. GmbH in Vollzeit und später stundenweise beschäftigt gewesen. Aus dieser Firma sei die spätere Arbeitgeberin der Beigeladenen hervorgegangen, bei der diese ebenfalls stundenweise ab 25.08.1997 tätig gewesen sei. Seit 01.11.1998 sei sie dort sogar mehr als geringfügig beschäftigt. Es handele sich zwar um unterschiedliche Arbeitgeber, die handelnden Personen und Tätigkeitsfelder seien jedoch identisch. Bei der Beigeladenen handele es sich somit um eine eingearbeitete Person.

Der Senat hat Unterlagen des Handels- und Gewerberegisters W. , D. und E. (Belgien) sowie Auszüge aus der Zentralen Unternehmerdatenbank Belgien angefordert. Hiernach war und ist lediglich eine Firma M. GmbH eingetragen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten betreffend die Klägerin und die Beigeladene sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz, insbesondere auf die übersandten Handels- und Gewerberegisterauszüge, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 12.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung eines Lohnkostenzuschusses weder für die beabsichtigte Einstellung der Beigeladenen im Januar 1998 noch für die tatsächliche Einstellung im November 1998.

Gemäß § 2 der Richtlinien kann einem Arbeitgeber ein Lohnkostenzuschuss gewährt werden, wenn er mit einem Arbeitnehmer, der unmittelbar vor der Einstellung ein Jahr oder länger beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet war, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 18 Stunden begründet und der Lohnkostenzuschuss für die berufliche Eingliederung des Langzeitarbeitslosen erforderlich ist. Ziel dieser Leistungen des Bundes ist es, die Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in das Arbeitsleben zu erleichtern (§ 1 Abs.1 der Richtlinien). Die Bundesanstalt für Arbeit kann nach diesen Richtlinien ... die Einstellung Langzeitarbeitsloser in ein Beschäftigungsverhältnis in den Jahren 1995 bis 1998 fördern, das sonst nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt begründet worden wäre (§ 1 Abs.2 der Richtlinien). Ein Rechtsanspruch auf Förderung besteht nicht (§ 1 Abs.3 Satz 1 der Richtlinien). Gefördert werden Beschäftigungsverhältnisse, die bis zum 31.12.1998 begonnen werden (§ 5 der Richtlinien).

Mit der Klägerin wurde ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis spätestens am 01.11.1998 eingegangen. Die Beigeladene war vor der beabsichtigten sowie tatsächlichen Einstellung bereits ein Jahr arbeitslos gemeldet und sie sollte einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten.

Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen hat die Beklagte eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob sie einen Lohnkostenzuschuss gewährt. Dieses Ermessen hat die Beklagte ausgeübt. Sie führt aus, es handele sich um eine Wiedereinstellung bzw. es liege faktisch keine Neueinstellung vor. Die Klägerin habe ein besonderes Interesse an der Fortsetzung bzw. Ausweitung der Beschäftigung der Beigeladenen. Ein Nachteil, der auszugleichen sei, bestehe nicht. Das Beschäftigungsverhältnis komme auch ohne die Förderung zustande. Die Beklagte hat damit das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt (§ 39 Abs.1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I). Die von ihr herangezogenen Erwägungen sind nachvollziehbar, wobei der Senat grundsätzlich keine Zweckmäßigkeitsprüfung vornehmen darf (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl., § 54 Rd.Nr.29). Es ist lediglich zu prüfen, ob ein Ermessensnichtgebrauch, -missbrauch oder eine Ermessensüber- oder -unterschreitung vorliegt. Hierfür finden sich jedoch keine Anhaltspunkte. Der Lohnkostenzuschuss ist nicht für die Eingliederung der Beigeladenen erforderlich, er erleichtert die Wiedereingliederung nicht. Die Beigeladene war nämlich, was sich aus ihrer Leistungsakte entnehmen lässt, bereits bei der Firma W. H. GmbH als kaufmännische Angestellte vom 02.11.1993 bis 31.08.1994 in Vollzeit und später in geringfügigem Umfang mit Schreibarbeiten - PC/Telefondienst - beschäftigt. Ab 25.08.1997 übte sie diese Tätigkeit für die Klägerin aus, bei der sie nunmehr seit 01.11.1998 mehr als geringfügig tätig ist.

Der damalige Geschäftsführer der Klägerin war ebenfalls Geschäftsführer der Firma W.H. GmbH gewesen, bei der die Beigeladene bis 22.08.1997 beschäftigt gewesen war. Die Klägerin ist zumindest ab 25.08.1997 bei der Firma M. GmbH - nicht M. Maschinenbau GmbH - beschäftigt gewesen. Wegen ihrer Motivation und auf ihr Drängen hin sollte sie dort einen Dauerarbeitsplatz erhalten, dessen Anforderungsprofil sie nicht erfüllte. Allerdings hatte die Klägerin zur Begründung ihrer Klage angegeben, das Stellenangebot stimme mit den Fähigkeiten der Beigeladenen überein. Die Beigeladene hätte als unbefristet Beschäftigte auch Tätigkeiten übernehmen müssen, die sie bisher ausgeübt hatte. Die Arbeit der Beigeladenen wäre innerhalb der Teilzeitbeschäftigung von der neuen Kraft übernommen worden und die Beigeladene hätte sich damit wieder einen Schritt vom Arbeitsmarkt entfernt. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung.

Aus der Vorbeschäftigung in der Firma W.H. GmbH und ab 25.08.1997 bei der Klägerin sowie aus der Auskunft der Arbeitgeberin zum bisherigen Engagement der Beigeladenen in ihrer beruflichen Tätigkeit und der Tatsache, dass die Beigeladene im Rahmen des beabsichtigten unbefristeten Arbeitsverhältnisses zumindest auch ihre bisherige Tätigkeit weiter ausüben sollte, ergibt sich für den Senat, dass der beabsichtigte Lohnkostenzuschuss für die berufliche Eingliederung der Beigeladenen unabhängig davon nicht erforderlich war, ob die Beigeladene dem Anforderungsprofil der entsprechenden Stelle entsprochen hat. Die Beigeladene hatte nämlich bereits entsprechende Vorkenntnisse in der Firma W. H. GmbH und später bei der Klägerin erworben, wobei das Tätigkeitsfeld beider Firmen identisch war. Laut Stempel der Firma W. H. GmbH betrieb diese Maschinenbau sowie An- und Verkauf, die Klägerin hatte im Briefkopf vermerkt: Maschinenbau, Handel und Vertrieb. Der Beigeladenen war daher die Art der Tätigkeit bereits geläufig und bekannt. Ein Zuschuss zur Eingliederung ist deshalb nicht mehr erforderlich, die Langzeitarbeitslosigkeit der Beigeladenen wirkt sich nicht nachteilig (mangelnde aktuelle berufliche Kenntnisse) auf die unbefristete Einstellung aus.

Damit hat die Beklagte unter Berücksichtigung dieser Umstände ermessensfehlerfrei den Antrag auf Gewährung eines Lohnkostenzuschusses abgelehnt. Auf weitere, insbesondere missbräuchliche Erwägungen hat die Beklagte sich nicht gestützt. Sie hat einen Lohnkostenzuschuss für die Klägerin nicht allgemein, sondern lediglich für den vorliegenden Sachverhalt nachvollziehbar begründet ausgeschlossen.

Die Berufung ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gerichtskosten sind nicht angefallen (§ 183 SGG in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung i.V.m. Artikel 17 Abs.1 Satz 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6.SGG-ÄndG - vom 17.08.2001, BGBl.I S.2144).

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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