Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Kr 56/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 217/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 6/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Wobe-Mugos E.
Der 1950 geborene Kläger leidet nach dem Arztbrief des C.-Krankenhaus S. (R.) vom 25.04.2001 unter anderem an einem Prostata-Karzinom. Am 19.04.2001 erfolgte eine transurethrale Resektion der Harnblase.
Die M. Emulsionsgesellschaft mbH (G.) hatte am 20.06.1978 beim Bundesgesundheitsamt das Fertigarzneimittel Enzym-Klistier-Tabletten mit Hydrolysat aus Kalbsthymus zur Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen, der Langzeitbehandlung bei malignen Tumoren und der Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie sowie Metastasenprophylaxe angezeigt. Der neue Hersteller hatte am 11.12. 1989 beim Bundesgesundheitsamt die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels Wobe-Mugos mit dem Hinweis beantragt, es handele sich um Tabletten zum Einnehmen. Unter den sog. anderen Bestandteilen war der Bestandteil Schellack aufgeführt und in Teil B des Antrags war angegeben worden, es handele sich um ein pflanzliches Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen sowie um ein apothekenpflichtiges Kombinationspräparat mit vier arzneilichen Wirkstoffen. Am 06.03.1991 hatte der Hersteller eine Änderung der Deklaration der arzneilich wirksamen Bestandteile angezeigt. Hierbei hatte er bei der Gegenüberstellung der alten bzw. neuen Bestandteile die Überschrift "magensaftresistente Tabletten" verwendet. Bei der Änderungsanzeige vom 15.10. 1991 ist der Bestandteil Enzymfraktion aus Kalbsthymus weggefallen und das Medikament ist in Wobe-Mugos E umbenannt worden. Die arzneilich wirksamen Bestandteile waren nur noch Papain, Trypsin und Chymotrypsin.
Die Regierung von Oberbayern hatte am 30.04.1997 dem Hersteller mitgeteilt, das Präparat besitze keine Zulassung mehr; wegen der geänderten Darreichung sei eine Neuzulassung erforderlich. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im Schreiben vom 01.09.1997 gegenüber dem Hersteller geäußert, dass zwischen 1978 und 1989 eine nach Auflösen rektal anzuwendende Tablette in eine oral einzunehmende Tablette geändert worden sei; eine solche Änderung sei neuzulassungspflichtig. Mit Bescheid vom 09.06.1998 hatte es den Antrag auf Verlängerung der Zulassung zurückgewiesen. Am 21.08.2001 hatte die Regierung von Oberbayern dem Sozialgericht Stuttgart mitgeteilt, Wobe-Mugos E Tabletten seien bis auf weiteres verkehrsfähig.
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin wies mit Urteil vom 18.12. 2001 die Klage des Herstellers auf Verlängerung der Zulassung ab. Die Verländerung der Zulassung sei zu versagen, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E fehle. Sie setze ein fristgerecht angezeigtes Arzneimittel voraus; an einer den gesetzlich geregelten Anforderungen genügenden Anmeldung fehle es. Mit der Umwandlung der ursprünglich vertriebenen Klistier-Tablette in eine hiervon zu unterscheidende Filmtablette zur oralen Einnahme sei eine Änderung der Darreichungsform verbunden gewesen, die eine Neuzulassungspflicht nach sich gezogen hätte.
Gegen dieses Urteil legte der Hersteller Berufung zum OVG Berlin ein. Das Gericht beschloss am 29.07.2002, dass die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 09.06.1998 erhobenen Klage fortdauere und ließ mit Beschluss vom 06.03.2003 das Rechtsmittel zu.
Der Kläger erwarb in der Zeit von Mai bis Dezember 2001 bei der S.-Apotheke in G. 21-mal das Präparat Wobe-Mugos E (N3) zu einem Stückpreis von 145,45 EUR. Mit Bescheid vom 25.05.2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Hiergegen legte der Kläger am 08.06.2001 Widerspruch ein.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.06.2001 noch einmal eine Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für Wobe-Mugos E mit der Begründung ab, das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz habe mit Urteil vom 22.10.1998 die Klage auf Kostenerstattung von Wobe-Mugos E wegen der fehlenden Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz abgewiesen. Auch hiergegen legte der Kläger am 30.08. 2001 Widerspruch ein; das Arzneimittel Wobe-Mugos E befinde sich in der Nachzulassung und es sei verkehrsfähig, bis dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung stattgegeben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen werde.
Die Beklagte erließ am 04.09.2001 einen weiteren ablehnenden Bescheid, gegen den der Kläger wieder Widerspruch einlegte. Mit der am 29.01.2002 eingegangenen Rechnung bescheinigte die S.-Apotheke (G.) die Zahlung des Betrages durch den Kläger in Höhe von 3.054,45 EUR.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2002 den Widerspruch zurück. Ein Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln setze deren Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz voraus. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe mit Bescheid vom 09.06.1998 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung für Wobe-Mugos E abgelehnt. Damit sei das Medikament spätestens ab 1998 nicht mehr verkehrsfähig gewesen, so dass es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden durfte.
Hiergegen hat der Kläger am 02.04.2002 Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und mit Schriftsatz vom 17.05.2002 beantragt, das Ruhen wegen mehrerer beim Senat anhängiger Verfahren anzuordnen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.06.2002 die Wirksamkeit und den therapeutischen Nutzen von Wobe-Mugos E und dessen Verkehrsfähigkeit bestritten. Es sei im Übrigen durch die Negativliste von der Verordnung ausgeschlossen.
Das SG hat mit Urteil vom 27.06.2002 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, da die Zulassung für Wobe-Mugos E versagt worden sei. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe mit Bescheid vom 09.06. 1998 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung abgelehnt. Damit sei das Medikament spätestens ab 1998 nicht mehr verkehrsfähig gewesen, so dass es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht hätte verordnet werden dürfen. Ob der Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte rechtkräftig sei oder nicht, spiele im vorliegenden Fall keine Rolle, da die Darreichungsform geändert und deswegen eine Neuzulassung erforderlich gewesen sei. Diese Neuzulassung sei bisher nicht erfolgt. Im Übrigen habe auch das VG Berlin im Urteil vom 18.12. 2001 entschieden, dass die Versagung der begehrten Zulassungsverlängerung mangels Vorliegens einer fiktiven Zulassung nicht in einen durch das Eigentumsrecht des Artikel 14 Grundgesetz geschützten Bestand eingreife. In den Gründen des Urteils hat das SG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 12.11.2002. Das Urteil des VG Berlin sei fehlerhaft; Wobe Mugos E besitze eine fiktive Zulassung und dürfe daher verordnet werden. Die für die fiktive Zulassung vorausgesetzte Anzeige betreffe nur die arzneilich wirksamen Bestandteile, nicht die Hilfsstoffe. Selbst wenn die Anzeige fehlerhaft gewesen wäre, wäre eine Heilung möglich. Die Darreichungsform des Präparates sei entgegen dem VG Berlin nicht geändert worden; außerdem genieße der Hersteller Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.06.2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25.05.2001, 12.06.2001 und 04.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das zwischen dem 01.06.2001 und 07.11.2001 beschaffte Medikament Wobe-Mugos E in Höhe von DM 3.414,00 (entsprechend in Euro) abzüglich der Zuzahlung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 EUR (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG). Die Zulassung der Berufung war nicht erforderlich (§ 144 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Kostenerstattung ist § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Es spricht hier nichts für eine unaufschiebbare Leistung, die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) stehen der Kostenerstattung nicht entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Präparate, die von der Grunddefinition des § 2 Abs.1 AMG erfasst werden, regelmäßig auch Arzneimittel im Sinne der §§ 27, 31 SGB V (BSG vom 28.03.2000 a.a.O. = SozR 3-2500 § 135 Nr.14). Das BSG hat außerdem entschieden, dass ein zulassungspflichtiges Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht verordnet werden darf, wenn ihm im Sinne des Arzneimittelgesetzes die Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist (BSG vom 08.06.1993, BSGE 72, 252 = SozR 3-2200 § 182 Nr.17 - Goldnerz Aufbaucreme), selbst wenn diese Versagensentscheidung noch nicht bestandskräftig geworden ist (BSG vom 08.03.1995, SozR 3-2500 § 31 Nr.3). Das gleiche gilt, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde oder weil der Hersteller die Zulassung überhaupt nicht beantragt hat (BSG vom 23.07.1998, BSGE 82, 232 = SozR 3-2500 § 31 Nr.5 - Jomol). Dies wurde vom BSG auch für den Fall einer indikationsfremden Verordnung befürwortet, wenn also das Mittel zwar arzneimittelrechtlich zugelassen ist, jedoch nur für bestimmte Indikationen, und das Medikament gemäß § 31 SGB V für andere Anwendungsgebiete begehrt wird (BSG vom 30.09. 1999, BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr.11 - Off-Label-Use).
Unter den letztgenannten Gesichtspunkten trägt der Senat keine Bedenken gegen die Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E für den Kläger. Nach den Herstellerinformationen in der "Roten Liste" (Nr.86 124) besteht der Anwendungsbereich von Wobe-Mugos E Tabletten in der Langzeitbehandlung bei Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe und in der Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen.
Hinsichtlich der Frage der Zulassung von Wobe-Mugos E ist auf das Urteil des VG Berlin vom 18.12.2001 (VG 14 A 218.98) abzustellen. Dort hat das Gericht die Verpflichtungsklage des Herstellers gegen den Bescheid des Bundesinstitutes für Arzneimittel- und Medizinprodukte vom 09.06.1998 mit der Begründung abgewiesen, dass die nach § 105 Abs.3 Satz 1 AMG begehrte Verlängerung der Zulassung schon deswegen zu versagen gewesen sei, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E gefehlt habe. § 105 Abs.3 Satz 1 AMG setze ein nach Abs.2 fristgerecht angezeigtes Arzneimittel voraus und nütze damit die mit § 105 Abs.2 Satz 1 AMG identische Übergangsregelung des Art.3 § 7 Abs.2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.08.1976 (BGBl.I, S.2445) - AMNG 1976 - aus. An einer den darin geregelten Anforderungen genügenden Anmeldung fehle es hier. Nach Art.3 § 7 Abs.2 Satz 1 AMNG 1976 (= § 105 Abs.2 Satz 1 AMG) hätten Fertigarzneimittel innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit In-Kraft-Treten des Gesetzes am 01.01.1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsbereiche angezeigt werden müssen. Die Anmeldepflicht bezog sich nicht nur auf die arzneilich wirksamen Bestandteile, sondern betraf auch arzneilich unwirksame, aber pharmakologisch relevante sog. Hilfsstoffe. Bestandteile zur Herbeiführung der Magensaftresistenz - mit der Folge der Löslichkeit des Arzneimittels erst im Dünndarm - hätten im Hinblick auf diese Funktion pharmakologische Relevanz, so dass die Anmeldung filmbildender Stoffe wie Schellack und Methacrylsäure erforderlich gewesen wäre. Es sei von einer Verletzung der Anmeldepflicht nach § 105 Abs.2 AMG auszugehen. Auch wenn die Mucos-Emulsionsgesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Anzeige im Jahre 1978 das Arzneimittel Klistier-Tabletten aus Hydrolysat mit Kalbsthymus als magensaftresistente Tablette vertrieben habe, sei die Verwendung der magensaftresistenten Hilfstoffe dem damaligen Bundesgesundheitsamt erst mit dem Verlängerungsantrag der Klägerin vom Dezember 1989 mitgeteilt worden. Mit der Umwandlung der ursprünglich vertriebenen Klistier-Tablette in eine hiervon zu unterscheidende Filmtablette zur oralen Einnahme sei jedoch eine Änderung der Darreichungsform verbunden gewesen, die gemäß § 29 Abs.3 Satz 1 Nr.2 AMG die Neuzulassungspflicht nach sich gezogen hätte. Das OVG Berlin habe eine Heilung der ursprünglichen mängelbehafteten Anzeige abgelehnt.
Entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten muss im vorliegenden Fall von einer Verkehrsfähigkeit von Wobe-Mugos E zumindest im Zeitpunkt der ärztlichen Verordung und Selbstbeschaffung ausgegangen werden. Denn die Klage des Herstellers gegen den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 09.06.1998 hatte aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei dieser Klage um eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (so das VG Berlin) handelt. Denn der Gesetzgeber hat in § 105 Abs.5b Satz 2 AMG geregelt, dass die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs.2 Nr.4 VwGO angeordnet werden soll, es sei denn, dass die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Damit ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass zunächst die Klage aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs.1 VwGO hat, so lange nicht die sofortige Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet wird. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den vom BSG entschiedenen Fällen insoweit, als es hier um ein in der Nachzulassung befindliches Arzneimittel geht, über dessen Nachzulassung entweder noch nicht entschieden wurde oder bei dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuvor mit Bescheid die Verlängerung der Zulassung versagt hat und diese Entscheidung auch aufgrund einer vom Hersteller erhobenen Klage oder aufgrund eines Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig geworden ist. Der grundsätzliche Unterschied der in der Nachzulassung befindlichen Arzneimittel zu den einer Neuzulassung bedürfenden Arzmitteln liegt in der Verkehrsfähigkeit des sog. Altpräparates bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Gegensatz zur Nichtverkehrsfähigkeit der Präparate, für die ein Neuzulassungsantrag gestellt wurde bzw. hätte gestellt werden müssen. Diese Altpräparate sind verkehrsfähig, bis dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 Abs.3 AMG stattgegeben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen wird. Der Sofortvollzug wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur in den Fällen angeordnet, in denen der begründete Verdacht gemäß § 25 Abs.2 Nr.5 AMG besteht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 23.07.1998 (BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr.5 - Edelfosin) haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die Existenz der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs.1 VwGO zu beachten und bei ihrer Entscheidung zur Frage der Verordnungs- bzw. Erstattungsfähigkeit nach wie vor von der Verkehrsfähigkeit des betroffenen Arzneimittels auszugehen (von Czettritz, Pharma Recht (1999) Heft 1, 2 ff.; diese Auffassung wird auch von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in den Schreiben vom 29.03.2000 und 07.03.2001 sowie im Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 15.12.1999 vertreten, vgl. Streitsache BayLSG L 4 KR 191/01). Damit waren im Zeitpunkt der Verordnung und Selbstbeschaffung des Arzneimittels alle Einwendungen der Beklagten ausgeschlossen, die im Zusammenhang mit der Verkehrsfähigkeit von Wobe-Mugos E stehen.
Die Beklagte beruft sich aber zu Recht auf die sog. "Negativ- liste", das heißt die Verordnung (VO) über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.02. 1990 (BGBl.I, S.301)in der Fassung der VO vom 16.11.2000 (BGBl.I, S.1593), die am 17.11.2000 in Kraft getreten ist (s. Art.2). Nach deren § 3 sind von der Versorgung nach § 31 Abs.1 SGB V Arzneimittel als unwirtschaftlich ausgeschlossen, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Dies sind Arzneimittel, die einen oder mehrere der in Anlage 2 genannten arzneilich wirksamen Bestandteile enthalten. Der Ausschluss gilt jeweils nur für die in Anlage 2 bezeichnete Therapierichtung. Die Anlage 2 Nr.5 (Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Phytotherapie) enthält den in Wobe-Mugos E verwendeten Stoff Papainum crudum (Rohpapain) und papainhaltige Enzymgemische.
Damit wird durch die "Negativliste" die Verordnung von Wobe Mugos E als unwirtschaftlich ausgeschlossen. Zwar lässt § 4 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Ausnahme für Arzneimittel zu, die seit dem 01.02.1987 von der Zulassungsbehörde zugelassen sind oder zugelassen werden und für die ein Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels ausreichend begründet ist. Diese Bestimmung greift aber hier nicht ein. Denn das Präparat ist seit dem 1. Februar 1987 jedenfalls im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung nicht ausdrücklich zugelassen gewesen; außerdem hat die Beratungsapothekerin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Auskunft gegeben, dass ein Beitrag über die positive Beurteilung der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels nicht vorliegt.
Der Senat trägt im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Gültigkeit der "Negativliste" (BSG vom 16.07.1996 BSGE 79, 41; BVerfG vom 20.09.1991 SozR 3-2500 § 34 Nr.1). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung für Recht erkannt, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der "Negativliste" (§ 34 Abs.3 SGB V) als Berufsausübungsregelung mit Art.12 Abs.1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist, da die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Range darstellt. Mit der Einschätzung, dass unwirtschaftliche Arzneimittel grundsätzlich teurer sind und die Krankenversicherung mehr belasten als wirtschaftliche, hält sich der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Prärogative. Es fehlt auch nicht an der Erforderlichkeit der Regelung; denn es ist nicht erkennbar, dass die gleiche Eindämmung der Arzneimittelkosten ohne stärkere Belastung Dritter auch durch ein für die Hersteller weniger fühlbares Mittel hätte bewirkt werden können, da Ausgabenkürzungen bei der Arzneimittelversorgung spiegelbildlich immer Umsatzeinbußen der Hersteller nach sich ziehen. § 34 Abs.3 SGB V belastet die Berufsgruppe der Arzneimittelhersteller insgesamt nicht schwer, wobei die Tatsache, dass einzelne Hersteller mit speziellem und engem Sortiment stärker betroffen werden, als notwendige Nebenfolge der typisierenden Anknüpfung an sachgerechte Tatbestandsmerkmale die die Unwirtschaftlichkeit begründen, nicht gegen Art.3 Abs.1 GG (Gleichheitssatz) verstößt. Zur Begründung des Gesetzgebers aus Art.14 Abs.1 Satz 2 GG, den Inhalt des Eigentums zu bestimmen, gehört auch die Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Ausnutzbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsposition. Er ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für jedes nach § 25 AMG 1976 zugelassene Arzneimittel die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu garantieren. § 34 Abs.3 Satz 2 3. Variante SGB V ist eine zulässige Inhaltsbestimmung in diesem Sinne; denn es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten eines Arzneimittels nur übernimmt, wenn der therapeutische Nutzen nachgewiesen ist. Das BSG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und darüber hinaus im oben genannten Urteil vom 16.07.1996 festgestellt, dass die für den Erlass der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung ("Negativliste") maßgeblichen Ermächtigungsnormen des § 34 Abs.3 und Abs.2 Satz 3 SGB V den Anforderungen des Art.80 Abs.1 Satz 1, 2 GG entsprechen. Denn für den Arzneimittelhersteller bleibt voraussehbar und berechenbar, dass bei fehlendem Nachweis eines therapeutischen Nutzens von einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs.1 SGB V) auszugehen ist. Dies gilt sowohl für § 2 Abs.1 als auch für § 3 der Verordnung, zumal diese Vorschrift in Satz 1 sinngemäß die Ermächtigungsgrundlage wiederholt. Dass die in der Anlage 2 der Verordnung aufgeführten Stoffe auch nicht andeutungsweise in der Ermächtigungsnorm bezeichnet sind, ist hinzunehmen. Denn es ist nach dem BSG gerade der Sinn der Ermächtigung, dem Verordnungsgeber, der mit der Materie mehr vertraut ist, die Regelung der Einzelheiten zu überlassen. Aus dem im Gesetz gesetzten Rahmen soll lediglich deutlich werden, welchen Inhalt die Rechtsverordnung haben kann.
Der Senat kann damit offen lassen, ob die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Arzneimittel durch den Kläger ihm gegenüber noch einwenden kann, die Verordnung sei außerdem wegen Verstoßes gegen die Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzmittel-Richtlinien in der Fassung vom 31.08.1993, BAnz Nr.246, S.1155) unwirtschaftlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, nämlich der Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln als Voraussetzung für die Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung und wegen der Vielzahl ähnlicher Streitigkeiten, die Revision zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für Wobe-Mugos E.
Der 1950 geborene Kläger leidet nach dem Arztbrief des C.-Krankenhaus S. (R.) vom 25.04.2001 unter anderem an einem Prostata-Karzinom. Am 19.04.2001 erfolgte eine transurethrale Resektion der Harnblase.
Die M. Emulsionsgesellschaft mbH (G.) hatte am 20.06.1978 beim Bundesgesundheitsamt das Fertigarzneimittel Enzym-Klistier-Tabletten mit Hydrolysat aus Kalbsthymus zur Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen, der Langzeitbehandlung bei malignen Tumoren und der Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie sowie Metastasenprophylaxe angezeigt. Der neue Hersteller hatte am 11.12. 1989 beim Bundesgesundheitsamt die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels Wobe-Mugos mit dem Hinweis beantragt, es handele sich um Tabletten zum Einnehmen. Unter den sog. anderen Bestandteilen war der Bestandteil Schellack aufgeführt und in Teil B des Antrags war angegeben worden, es handele sich um ein pflanzliches Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen sowie um ein apothekenpflichtiges Kombinationspräparat mit vier arzneilichen Wirkstoffen. Am 06.03.1991 hatte der Hersteller eine Änderung der Deklaration der arzneilich wirksamen Bestandteile angezeigt. Hierbei hatte er bei der Gegenüberstellung der alten bzw. neuen Bestandteile die Überschrift "magensaftresistente Tabletten" verwendet. Bei der Änderungsanzeige vom 15.10. 1991 ist der Bestandteil Enzymfraktion aus Kalbsthymus weggefallen und das Medikament ist in Wobe-Mugos E umbenannt worden. Die arzneilich wirksamen Bestandteile waren nur noch Papain, Trypsin und Chymotrypsin.
Die Regierung von Oberbayern hatte am 30.04.1997 dem Hersteller mitgeteilt, das Präparat besitze keine Zulassung mehr; wegen der geänderten Darreichung sei eine Neuzulassung erforderlich. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im Schreiben vom 01.09.1997 gegenüber dem Hersteller geäußert, dass zwischen 1978 und 1989 eine nach Auflösen rektal anzuwendende Tablette in eine oral einzunehmende Tablette geändert worden sei; eine solche Änderung sei neuzulassungspflichtig. Mit Bescheid vom 09.06.1998 hatte es den Antrag auf Verlängerung der Zulassung zurückgewiesen. Am 21.08.2001 hatte die Regierung von Oberbayern dem Sozialgericht Stuttgart mitgeteilt, Wobe-Mugos E Tabletten seien bis auf weiteres verkehrsfähig.
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin wies mit Urteil vom 18.12. 2001 die Klage des Herstellers auf Verlängerung der Zulassung ab. Die Verländerung der Zulassung sei zu versagen, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E fehle. Sie setze ein fristgerecht angezeigtes Arzneimittel voraus; an einer den gesetzlich geregelten Anforderungen genügenden Anmeldung fehle es. Mit der Umwandlung der ursprünglich vertriebenen Klistier-Tablette in eine hiervon zu unterscheidende Filmtablette zur oralen Einnahme sei eine Änderung der Darreichungsform verbunden gewesen, die eine Neuzulassungspflicht nach sich gezogen hätte.
Gegen dieses Urteil legte der Hersteller Berufung zum OVG Berlin ein. Das Gericht beschloss am 29.07.2002, dass die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 09.06.1998 erhobenen Klage fortdauere und ließ mit Beschluss vom 06.03.2003 das Rechtsmittel zu.
Der Kläger erwarb in der Zeit von Mai bis Dezember 2001 bei der S.-Apotheke in G. 21-mal das Präparat Wobe-Mugos E (N3) zu einem Stückpreis von 145,45 EUR. Mit Bescheid vom 25.05.2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Hiergegen legte der Kläger am 08.06.2001 Widerspruch ein.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.06.2001 noch einmal eine Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für Wobe-Mugos E mit der Begründung ab, das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz habe mit Urteil vom 22.10.1998 die Klage auf Kostenerstattung von Wobe-Mugos E wegen der fehlenden Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz abgewiesen. Auch hiergegen legte der Kläger am 30.08. 2001 Widerspruch ein; das Arzneimittel Wobe-Mugos E befinde sich in der Nachzulassung und es sei verkehrsfähig, bis dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung stattgegeben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen werde.
Die Beklagte erließ am 04.09.2001 einen weiteren ablehnenden Bescheid, gegen den der Kläger wieder Widerspruch einlegte. Mit der am 29.01.2002 eingegangenen Rechnung bescheinigte die S.-Apotheke (G.) die Zahlung des Betrages durch den Kläger in Höhe von 3.054,45 EUR.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2002 den Widerspruch zurück. Ein Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Arzneimitteln setze deren Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz voraus. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe mit Bescheid vom 09.06.1998 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung für Wobe-Mugos E abgelehnt. Damit sei das Medikament spätestens ab 1998 nicht mehr verkehrsfähig gewesen, so dass es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden durfte.
Hiergegen hat der Kläger am 02.04.2002 Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und mit Schriftsatz vom 17.05.2002 beantragt, das Ruhen wegen mehrerer beim Senat anhängiger Verfahren anzuordnen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.06.2002 die Wirksamkeit und den therapeutischen Nutzen von Wobe-Mugos E und dessen Verkehrsfähigkeit bestritten. Es sei im Übrigen durch die Negativliste von der Verordnung ausgeschlossen.
Das SG hat mit Urteil vom 27.06.2002 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe nicht, da die Zulassung für Wobe-Mugos E versagt worden sei. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe mit Bescheid vom 09.06. 1998 den Antrag auf Verlängerung der Zulassung abgelehnt. Damit sei das Medikament spätestens ab 1998 nicht mehr verkehrsfähig gewesen, so dass es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht hätte verordnet werden dürfen. Ob der Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte rechtkräftig sei oder nicht, spiele im vorliegenden Fall keine Rolle, da die Darreichungsform geändert und deswegen eine Neuzulassung erforderlich gewesen sei. Diese Neuzulassung sei bisher nicht erfolgt. Im Übrigen habe auch das VG Berlin im Urteil vom 18.12. 2001 entschieden, dass die Versagung der begehrten Zulassungsverlängerung mangels Vorliegens einer fiktiven Zulassung nicht in einen durch das Eigentumsrecht des Artikel 14 Grundgesetz geschützten Bestand eingreife. In den Gründen des Urteils hat das SG die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 12.11.2002. Das Urteil des VG Berlin sei fehlerhaft; Wobe Mugos E besitze eine fiktive Zulassung und dürfe daher verordnet werden. Die für die fiktive Zulassung vorausgesetzte Anzeige betreffe nur die arzneilich wirksamen Bestandteile, nicht die Hilfsstoffe. Selbst wenn die Anzeige fehlerhaft gewesen wäre, wäre eine Heilung möglich. Die Darreichungsform des Präparates sei entgegen dem VG Berlin nicht geändert worden; außerdem genieße der Hersteller Vertrauensschutz.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.06.2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25.05.2001, 12.06.2001 und 04.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das zwischen dem 01.06.2001 und 07.11.2001 beschaffte Medikament Wobe-Mugos E in Höhe von DM 3.414,00 (entsprechend in Euro) abzüglich der Zuzahlung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 EUR (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG). Die Zulassung der Berufung war nicht erforderlich (§ 144 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Kostenerstattung ist § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Es spricht hier nichts für eine unaufschiebbare Leistung, die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) stehen der Kostenerstattung nicht entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Präparate, die von der Grunddefinition des § 2 Abs.1 AMG erfasst werden, regelmäßig auch Arzneimittel im Sinne der §§ 27, 31 SGB V (BSG vom 28.03.2000 a.a.O. = SozR 3-2500 § 135 Nr.14). Das BSG hat außerdem entschieden, dass ein zulassungspflichtiges Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht verordnet werden darf, wenn ihm im Sinne des Arzneimittelgesetzes die Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist (BSG vom 08.06.1993, BSGE 72, 252 = SozR 3-2200 § 182 Nr.17 - Goldnerz Aufbaucreme), selbst wenn diese Versagensentscheidung noch nicht bestandskräftig geworden ist (BSG vom 08.03.1995, SozR 3-2500 § 31 Nr.3). Das gleiche gilt, wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde oder weil der Hersteller die Zulassung überhaupt nicht beantragt hat (BSG vom 23.07.1998, BSGE 82, 232 = SozR 3-2500 § 31 Nr.5 - Jomol). Dies wurde vom BSG auch für den Fall einer indikationsfremden Verordnung befürwortet, wenn also das Mittel zwar arzneimittelrechtlich zugelassen ist, jedoch nur für bestimmte Indikationen, und das Medikament gemäß § 31 SGB V für andere Anwendungsgebiete begehrt wird (BSG vom 30.09. 1999, BSGE 85, 36 = SozR 3-2500 § 27 Nr.11 - Off-Label-Use).
Unter den letztgenannten Gesichtspunkten trägt der Senat keine Bedenken gegen die Verordnungsfähigkeit von Wobe-Mugos E für den Kläger. Nach den Herstellerinformationen in der "Roten Liste" (Nr.86 124) besteht der Anwendungsbereich von Wobe-Mugos E Tabletten in der Langzeitbehandlung bei Tumoren, Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, Metastasenprophylaxe und in der Unterstützung der Langzeitbehandlung bei Entzündungen und Virusinfektionen.
Hinsichtlich der Frage der Zulassung von Wobe-Mugos E ist auf das Urteil des VG Berlin vom 18.12.2001 (VG 14 A 218.98) abzustellen. Dort hat das Gericht die Verpflichtungsklage des Herstellers gegen den Bescheid des Bundesinstitutes für Arzneimittel- und Medizinprodukte vom 09.06.1998 mit der Begründung abgewiesen, dass die nach § 105 Abs.3 Satz 1 AMG begehrte Verlängerung der Zulassung schon deswegen zu versagen gewesen sei, weil es an einer verlängerbaren fiktiven Zulassung der Filmtabletten Wobe-Mugos E gefehlt habe. § 105 Abs.3 Satz 1 AMG setze ein nach Abs.2 fristgerecht angezeigtes Arzneimittel voraus und nütze damit die mit § 105 Abs.2 Satz 1 AMG identische Übergangsregelung des Art.3 § 7 Abs.2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.08.1976 (BGBl.I, S.2445) - AMNG 1976 - aus. An einer den darin geregelten Anforderungen genügenden Anmeldung fehle es hier. Nach Art.3 § 7 Abs.2 Satz 1 AMNG 1976 (= § 105 Abs.2 Satz 1 AMG) hätten Fertigarzneimittel innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit In-Kraft-Treten des Gesetzes am 01.01.1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsbereiche angezeigt werden müssen. Die Anmeldepflicht bezog sich nicht nur auf die arzneilich wirksamen Bestandteile, sondern betraf auch arzneilich unwirksame, aber pharmakologisch relevante sog. Hilfsstoffe. Bestandteile zur Herbeiführung der Magensaftresistenz - mit der Folge der Löslichkeit des Arzneimittels erst im Dünndarm - hätten im Hinblick auf diese Funktion pharmakologische Relevanz, so dass die Anmeldung filmbildender Stoffe wie Schellack und Methacrylsäure erforderlich gewesen wäre. Es sei von einer Verletzung der Anmeldepflicht nach § 105 Abs.2 AMG auszugehen. Auch wenn die Mucos-Emulsionsgesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Anzeige im Jahre 1978 das Arzneimittel Klistier-Tabletten aus Hydrolysat mit Kalbsthymus als magensaftresistente Tablette vertrieben habe, sei die Verwendung der magensaftresistenten Hilfstoffe dem damaligen Bundesgesundheitsamt erst mit dem Verlängerungsantrag der Klägerin vom Dezember 1989 mitgeteilt worden. Mit der Umwandlung der ursprünglich vertriebenen Klistier-Tablette in eine hiervon zu unterscheidende Filmtablette zur oralen Einnahme sei jedoch eine Änderung der Darreichungsform verbunden gewesen, die gemäß § 29 Abs.3 Satz 1 Nr.2 AMG die Neuzulassungspflicht nach sich gezogen hätte. Das OVG Berlin habe eine Heilung der ursprünglichen mängelbehafteten Anzeige abgelehnt.
Entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten muss im vorliegenden Fall von einer Verkehrsfähigkeit von Wobe-Mugos E zumindest im Zeitpunkt der ärztlichen Verordung und Selbstbeschaffung ausgegangen werden. Denn die Klage des Herstellers gegen den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 09.06.1998 hatte aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei dieser Klage um eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (so das VG Berlin) handelt. Denn der Gesetzgeber hat in § 105 Abs.5b Satz 2 AMG geregelt, dass die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs.2 Nr.4 VwGO angeordnet werden soll, es sei denn, dass die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Damit ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass zunächst die Klage aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs.1 VwGO hat, so lange nicht die sofortige Vollziehung im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet wird. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den vom BSG entschiedenen Fällen insoweit, als es hier um ein in der Nachzulassung befindliches Arzneimittel geht, über dessen Nachzulassung entweder noch nicht entschieden wurde oder bei dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuvor mit Bescheid die Verlängerung der Zulassung versagt hat und diese Entscheidung auch aufgrund einer vom Hersteller erhobenen Klage oder aufgrund eines Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig geworden ist. Der grundsätzliche Unterschied der in der Nachzulassung befindlichen Arzneimittel zu den einer Neuzulassung bedürfenden Arzmitteln liegt in der Verkehrsfähigkeit des sog. Altpräparates bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Gegensatz zur Nichtverkehrsfähigkeit der Präparate, für die ein Neuzulassungsantrag gestellt wurde bzw. hätte gestellt werden müssen. Diese Altpräparate sind verkehrsfähig, bis dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach § 105 Abs.3 AMG stattgegeben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen wird. Der Sofortvollzug wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur in den Fällen angeordnet, in denen der begründete Verdacht gemäß § 25 Abs.2 Nr.5 AMG besteht, dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Im Anschluss an die Entscheidung des BSG vom 23.07.1998 (BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr.5 - Edelfosin) haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die Existenz der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs.1 VwGO zu beachten und bei ihrer Entscheidung zur Frage der Verordnungs- bzw. Erstattungsfähigkeit nach wie vor von der Verkehrsfähigkeit des betroffenen Arzneimittels auszugehen (von Czettritz, Pharma Recht (1999) Heft 1, 2 ff.; diese Auffassung wird auch von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in den Schreiben vom 29.03.2000 und 07.03.2001 sowie im Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 15.12.1999 vertreten, vgl. Streitsache BayLSG L 4 KR 191/01). Damit waren im Zeitpunkt der Verordnung und Selbstbeschaffung des Arzneimittels alle Einwendungen der Beklagten ausgeschlossen, die im Zusammenhang mit der Verkehrsfähigkeit von Wobe-Mugos E stehen.
Die Beklagte beruft sich aber zu Recht auf die sog. "Negativ- liste", das heißt die Verordnung (VO) über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.02. 1990 (BGBl.I, S.301)in der Fassung der VO vom 16.11.2000 (BGBl.I, S.1593), die am 17.11.2000 in Kraft getreten ist (s. Art.2). Nach deren § 3 sind von der Versorgung nach § 31 Abs.1 SGB V Arzneimittel als unwirtschaftlich ausgeschlossen, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Dies sind Arzneimittel, die einen oder mehrere der in Anlage 2 genannten arzneilich wirksamen Bestandteile enthalten. Der Ausschluss gilt jeweils nur für die in Anlage 2 bezeichnete Therapierichtung. Die Anlage 2 Nr.5 (Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Phytotherapie) enthält den in Wobe-Mugos E verwendeten Stoff Papainum crudum (Rohpapain) und papainhaltige Enzymgemische.
Damit wird durch die "Negativliste" die Verordnung von Wobe Mugos E als unwirtschaftlich ausgeschlossen. Zwar lässt § 4 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Ausnahme für Arzneimittel zu, die seit dem 01.02.1987 von der Zulassungsbehörde zugelassen sind oder zugelassen werden und für die ein Beitrag jedes arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels ausreichend begründet ist. Diese Bestimmung greift aber hier nicht ein. Denn das Präparat ist seit dem 1. Februar 1987 jedenfalls im Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung nicht ausdrücklich zugelassen gewesen; außerdem hat die Beratungsapothekerin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Auskunft gegeben, dass ein Beitrag über die positive Beurteilung der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels nicht vorliegt.
Der Senat trägt im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Gültigkeit der "Negativliste" (BSG vom 16.07.1996 BSGE 79, 41; BVerfG vom 20.09.1991 SozR 3-2500 § 34 Nr.1). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung für Recht erkannt, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage der "Negativliste" (§ 34 Abs.3 SGB V) als Berufsausübungsregelung mit Art.12 Abs.1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist, da die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Range darstellt. Mit der Einschätzung, dass unwirtschaftliche Arzneimittel grundsätzlich teurer sind und die Krankenversicherung mehr belasten als wirtschaftliche, hält sich der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Prärogative. Es fehlt auch nicht an der Erforderlichkeit der Regelung; denn es ist nicht erkennbar, dass die gleiche Eindämmung der Arzneimittelkosten ohne stärkere Belastung Dritter auch durch ein für die Hersteller weniger fühlbares Mittel hätte bewirkt werden können, da Ausgabenkürzungen bei der Arzneimittelversorgung spiegelbildlich immer Umsatzeinbußen der Hersteller nach sich ziehen. § 34 Abs.3 SGB V belastet die Berufsgruppe der Arzneimittelhersteller insgesamt nicht schwer, wobei die Tatsache, dass einzelne Hersteller mit speziellem und engem Sortiment stärker betroffen werden, als notwendige Nebenfolge der typisierenden Anknüpfung an sachgerechte Tatbestandsmerkmale die die Unwirtschaftlichkeit begründen, nicht gegen Art.3 Abs.1 GG (Gleichheitssatz) verstößt. Zur Begründung des Gesetzgebers aus Art.14 Abs.1 Satz 2 GG, den Inhalt des Eigentums zu bestimmen, gehört auch die Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Ausnutzbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsposition. Er ist von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für jedes nach § 25 AMG 1976 zugelassene Arzneimittel die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu garantieren. § 34 Abs.3 Satz 2 3. Variante SGB V ist eine zulässige Inhaltsbestimmung in diesem Sinne; denn es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten eines Arzneimittels nur übernimmt, wenn der therapeutische Nutzen nachgewiesen ist. Das BSG hat sich dieser Auffassung angeschlossen und darüber hinaus im oben genannten Urteil vom 16.07.1996 festgestellt, dass die für den Erlass der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung ("Negativliste") maßgeblichen Ermächtigungsnormen des § 34 Abs.3 und Abs.2 Satz 3 SGB V den Anforderungen des Art.80 Abs.1 Satz 1, 2 GG entsprechen. Denn für den Arzneimittelhersteller bleibt voraussehbar und berechenbar, dass bei fehlendem Nachweis eines therapeutischen Nutzens von einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs.1 SGB V) auszugehen ist. Dies gilt sowohl für § 2 Abs.1 als auch für § 3 der Verordnung, zumal diese Vorschrift in Satz 1 sinngemäß die Ermächtigungsgrundlage wiederholt. Dass die in der Anlage 2 der Verordnung aufgeführten Stoffe auch nicht andeutungsweise in der Ermächtigungsnorm bezeichnet sind, ist hinzunehmen. Denn es ist nach dem BSG gerade der Sinn der Ermächtigung, dem Verordnungsgeber, der mit der Materie mehr vertraut ist, die Regelung der Einzelheiten zu überlassen. Aus dem im Gesetz gesetzten Rahmen soll lediglich deutlich werden, welchen Inhalt die Rechtsverordnung haben kann.
Der Senat kann damit offen lassen, ob die Beklagte nach der Selbstbeschaffung der Arzneimittel durch den Kläger ihm gegenüber noch einwenden kann, die Verordnung sei außerdem wegen Verstoßes gegen die Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzmittel-Richtlinien in der Fassung vom 31.08.1993, BAnz Nr.246, S.1155) unwirtschaftlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, nämlich der Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln als Voraussetzung für die Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung und wegen der Vielzahl ähnlicher Streitigkeiten, die Revision zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
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