Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 325/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 57/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Beiträgen gemäß § 128 Abs 1, 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Höhe von insgesamt 20.864,64 DM.
Die Klägerin, ein Gebäudereinigungsunternehmen, kündigte das seit 01.02.1982 bestehende Arbeitsverhältnis der 1935 geborenen M.L. (L.) - diese war als Reinigungsfrau beschäftigt worden - zum 28.02.1993. Die Beklagte zahlte L. ab 03.03.1993 Alg (wöchentlich 124,80 DM). Nach Anhörung der Klägerin wegen der beabsichtigten Geltendmachung des gezahlten Alg s erließ die Beklagte den Erstattungsbescheid vom 06.07.1994, mit dem sie gemäß § 128 AFG eine Erstattungspflicht der Klägerin dem Grunde nach ab 17.07.1993 (Vollendung des 58. Lebensjahres der L.) für längstens 624 Tage feststellte. Mit Abrechnungsbescheid vom 05.09.1994 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 17.07.1993 bis 16.07.1994 9.206,61 DM. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 09.07.1996 zurück. Die Klägerin habe das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht nachweisen können. Mit weiterem Bescheid vom 31.07.1996 forderte die Beklagte Erstattung auch für die Zeit vom 17.07.1994 bis 31.07.1995 in Höhe von 11.658,03 DM.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 06.07.1994 und 05.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1996 aufzuheben. Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG seien erfüllt, da am 01.08.1992 die Anzahl der Mitarbeiter, die das 56. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, 699 und die der Mitarbeiter mit vollendetem 56. Lebensjahr 123 betragen habe. Am 31.07.1993 sei somit das Verhältnis 453 zu 56 gewesen. Im Berechnungszeitraum sei eine 33 %ige Reduzierung der Belegschaft erfolgt, die der über 56-jährigen habe 16 % betragen. Erfüllt seien auch die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG. Wegen ihrer Erkrankung hätte Frau L. die in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen erhalten können oder die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt.
Nach Anhörung der Klägerin und nach nochmaliger Überprüfung von Amts wegen erließ die Beklagte den Bescheid vom 07.12.1998, mit dem die Bescheide vom 05.09.1994/09.07.1996 inhaltlich bestätigt wurden und der nach dem Willen der Beklagten Gegenstand des anhängigen Verfahrens werden sollte.
Mit Urteil vom 10.11.1999 wies das SG die Klage ab, da die Klägerin den Nachweis über die erforderliche Belegschaftsreduzierung nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht erbracht und L. die Voraussetzungen des § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG bzw einer Berufsunfähigkeitsrente nicht erfüllt habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Das SG habe bezüglich des Befreiungstatbestandes § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG keine eigene Prüfung vorgenommen, sondern sich allein auf den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 26.07.1999 - L 11 B 68/97 AL-ER - bezogen, in dem das LSG lediglich eine summarische Prüfung angestellt habe. Im Übrigen habe Frau L. Leistungen gemäß § 118 AFG erhalten bzw die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt. Die angebotene Zeugin L. habe das SG nicht vernommen. Fehlende Aufklärungsmöglichkeiten - L. hat ihre behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbunden - gingen zu Lasten der Beklagten.
Die Klägerin übersandte am 05.09.2003 weitere Zusammenstellungen des Personalbestandes nach dem Stand vom 01.08.1992/ 31.07.1993 sowie eine Beschäftigtenliste und am 25.11.2003 einen ausgefüllten Erhebungsbogen zur Feststellung des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.1999 sowie die Bescheide vom 06.07.1994/05.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1996 und die Bescheide vom 31.07.1996/07.12.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es fehle weiterhin an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Aufstellung der Belegschaft unter Berücksichtigung des § 10 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG). Anhaltspunkte für einen Anspruch der L. auf eine andere Sozialleistung im Sinne § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG bzw auf Berufsunfähigkeitsrente bestünden nicht. L. habe bei der Arbeitslosmeldung keinerlei gesundheitliche Einschränkungen gemacht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nicht nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte böten. Auch mit dem Zahlenwerk vom 05.09.2003 sei das Vorliegen des Befreiungstatbestandes weiterhin nicht belegt. Den maßgeblichen Erhebungsbogen - der Vordruck sei der Klägerin bereits am 05.04.1995 zugesandt worden - habe diese nicht wieder vorgelegt. Im Erhebungsbogen vom 25.11.2003 sei unzulässigerweise wiederum eine Berechnung nach Köpfen erfolgt. Bereits eine stichprobenweise Prüfung ergebe, dass auch dieser Erhebungsbogen nicht verwertbar sei, weil wiederum geringverdienende ältere Arbeitnehmer mit eingerechnet worden seien. Auch habe die Klägerin die angegebenen Arbeitszeiten mit "nicht mehr genau feststellbar" bezeichnet.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Leistungsakte der Beklagten, auf die Rentenakten der L. von der LVA Unterfranken, auf die Beschwerdeakte L 11 B 68/97 AL-ER sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Klägerin ist zur Erstattung des geforderten Betrages in Höhe von 20.864,64 DM verpflichtet.
Gegenstand des Verfahrens ist sowohl der Bescheid vom 31.07.1996 als auch der Bescheid vom 07.12.1998, mit dem die Bescheide vom 05.09.1994/09.07.1996 inhaltlich bestätigt wurden (§ 96 SGG).
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs der Beklagten ist § 128 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992, BGBl I 2044). Diese Vorschrift ist zwar durch Art 11 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I 594) aufgehoben worden. Auf Erstattungsansprüche für Zeiten bis zum 31.03.1997, um die es hier ausschließlich geht, wirken sich die Aufhebung der Vorschrift und die mit ihr erlassenen Übergangsvorschriften (§ 242 x Abs 6 AFG und § 431 SGB III) aber nicht aus, denn die Aufhebungsvorschrift ist erst am 01.04.1997 in Kraft getreten (Art 83 Abs 3 AFRG).
Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin liegen vor. Nach § 128 Abs 1 Satz 1, Abs 4 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage.
Frau L. stand innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird - hier der 03.03.1993 - mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bei der Klägerin. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres (ab 17.07.1993). Die Höchstdauer von 624 Tagen ist nicht überschritten.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG die Erstattungspflicht für die Zeit nicht eintritt, für die die Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen der L., die einen Anspruch auf Leistungen wie Krankengeld oder eine Rente wegen Erwerbsminderung hätten begründen können, liegen nicht vor. Eine Erwerbsminderung bestand nicht. So hat L. in ihrem Leistungsantrag keinerlei gesundheitliche Einschränkungen gemacht und im maßgeblichen Zeitraum auch kein Krankengeld bezogen. Der Versicherungsverlauf der L. weist in dem hier maßgebenden Zeitraum keine längeren Krankheitszeiten aus. Die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lagen nach den Feststellungen der LVA Unterfranken erst ab 01.08.1995 vor (Bescheid vom 06.07.1995) und das für die Altersrente erforderliche 65. Lebensjahr vollendete L. erst 2000. Auch wenn L. ihre Ärzte von der Schweigepflicht nicht entbunden hat (zur Mitwirkungspflicht s. § 128 Abs 8 AFG; ihre Weigerung bleibt folgenlos - Brand in Niesel, AFG, 2. Auflage, § 128 RdNr 71) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Voraussetzungen anderer Sozialleistungen nicht vorgelegen haben.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG tritt die Erstattungspflicht ferner nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass sich die Zahl der Arbeitnehmer in dem Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens 2 Jahre beschäftigt war, um mehr als 3 vH innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist, als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraums entspricht. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG ist "unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben", zu ermitteln und dieser Anteil dem Anteil der älteren Arbeitnehmer der Gesamtzahl der Beschäftigten zu Beginn des Zeitraums gegenüber zu stellen. Vorliegend hat die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen, dass der Befreiungstatbestand der Nr 6 vorliegt. Zwar werden die Sozialgerichte durch die Formulierung des Gesetzes nicht aus der gesetzlichen Amtsermittlungspflicht entlassen. Die Klägerin muss aber an der Aufklärung des Sachverhalts verstärkt mitwirken und im Falle der Nichterweislichkeit die Nachteile tragen (Brand aaO § 128 RdNr 73).
Hier hat die Klägerin die Tatsachen nicht dargelegt, dh glaubhaft in das Verfahren eingeführt, die geeignet sind, den Anspruch zu begründen.
Die Klägerin ist seit 1993 nicht in der Lage, die Zahl der auf den von ihr selbst gewählten Jahreszeitraum (01.08.1992 bis 31.07.1993) entfallenden berücksichtigungsfähigen Arbeitnehmer über das reine Behaupten hinaus im Erhebungsbogen zur Feststellung des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG anzugeben. Insbesondere hat sie immer wieder unzulässigerweise geringfügig Beschäftigte einbezogen, die jedoch nicht zu den Beschäftigten im Sinne § 128 Abs 1 AFG zählen. Maßgebend ist nach der ausdrücklichen Regelung des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG nämlich nur eine die Beitragspflicht zur Beklagten begründende Beschäftigung (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 13; Brand aaO § 128 RdNr 6; Ausfüllungshinweis 2 zum Erhebungsbogen). Dies hat die Beklagte zu Recht beanstandet. Bei dem in der Liste der Klägerin vom 21.11.2003 mit "0,5" bezeichneten Beschäftigten (mit 0,5 werden die Beschäftigten bezeichnet, die 10 bis 20 Stunden/ Woche arbeiten) handelt es sich zum Teil um Teilzeitbeschäftigte mit unter 10 Wochenstunden, die nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht einbezogen werden dürfen. Auch differieren die im Laufe des Verwaltungs- bzw Gerichtsverfahrens von der Klägerin angegebenen Beschäftigungszahlen für den genannten Jahreszeitraum erheblich. Die Verwertbarkeit der zuletzt angegebenen Zahlen (Anlagen zum Schriftsatz vom 21.11.2003) scheitert auch daran, dass sich nach den eigenen Angaben der Klägerin die wöchentliche Arbeitszeit der aufgeführten älteren Arbeitnehmer nicht mehr genau feststellen lässt. Weitere Ermittlungen des Senats könnten daher bei fehlenden Unterlagen der Klägerin zu keinen neuen Erkenntnissen führen.
Die Klägerin muss daher die Nachteile der Nichterweislichkeit der Tatsachen tragen, für die ihr kraft Gesetzes die Nachweispflicht obliegt (Brand aaO § 128 RdNr 73).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.1999 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie von Beiträgen gemäß § 128 Abs 1, 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Höhe von insgesamt 20.864,64 DM.
Die Klägerin, ein Gebäudereinigungsunternehmen, kündigte das seit 01.02.1982 bestehende Arbeitsverhältnis der 1935 geborenen M.L. (L.) - diese war als Reinigungsfrau beschäftigt worden - zum 28.02.1993. Die Beklagte zahlte L. ab 03.03.1993 Alg (wöchentlich 124,80 DM). Nach Anhörung der Klägerin wegen der beabsichtigten Geltendmachung des gezahlten Alg s erließ die Beklagte den Erstattungsbescheid vom 06.07.1994, mit dem sie gemäß § 128 AFG eine Erstattungspflicht der Klägerin dem Grunde nach ab 17.07.1993 (Vollendung des 58. Lebensjahres der L.) für längstens 624 Tage feststellte. Mit Abrechnungsbescheid vom 05.09.1994 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 17.07.1993 bis 16.07.1994 9.206,61 DM. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 09.07.1996 zurück. Die Klägerin habe das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht nachweisen können. Mit weiterem Bescheid vom 31.07.1996 forderte die Beklagte Erstattung auch für die Zeit vom 17.07.1994 bis 31.07.1995 in Höhe von 11.658,03 DM.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 06.07.1994 und 05.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1996 aufzuheben. Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG seien erfüllt, da am 01.08.1992 die Anzahl der Mitarbeiter, die das 56. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, 699 und die der Mitarbeiter mit vollendetem 56. Lebensjahr 123 betragen habe. Am 31.07.1993 sei somit das Verhältnis 453 zu 56 gewesen. Im Berechnungszeitraum sei eine 33 %ige Reduzierung der Belegschaft erfolgt, die der über 56-jährigen habe 16 % betragen. Erfüllt seien auch die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG. Wegen ihrer Erkrankung hätte Frau L. die in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen erhalten können oder die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt.
Nach Anhörung der Klägerin und nach nochmaliger Überprüfung von Amts wegen erließ die Beklagte den Bescheid vom 07.12.1998, mit dem die Bescheide vom 05.09.1994/09.07.1996 inhaltlich bestätigt wurden und der nach dem Willen der Beklagten Gegenstand des anhängigen Verfahrens werden sollte.
Mit Urteil vom 10.11.1999 wies das SG die Klage ab, da die Klägerin den Nachweis über die erforderliche Belegschaftsreduzierung nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG nicht erbracht und L. die Voraussetzungen des § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG bzw einer Berufsunfähigkeitsrente nicht erfüllt habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Das SG habe bezüglich des Befreiungstatbestandes § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG keine eigene Prüfung vorgenommen, sondern sich allein auf den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 26.07.1999 - L 11 B 68/97 AL-ER - bezogen, in dem das LSG lediglich eine summarische Prüfung angestellt habe. Im Übrigen habe Frau L. Leistungen gemäß § 118 AFG erhalten bzw die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeitsrente erfüllt. Die angebotene Zeugin L. habe das SG nicht vernommen. Fehlende Aufklärungsmöglichkeiten - L. hat ihre behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbunden - gingen zu Lasten der Beklagten.
Die Klägerin übersandte am 05.09.2003 weitere Zusammenstellungen des Personalbestandes nach dem Stand vom 01.08.1992/ 31.07.1993 sowie eine Beschäftigtenliste und am 25.11.2003 einen ausgefüllten Erhebungsbogen zur Feststellung des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.1999 sowie die Bescheide vom 06.07.1994/05.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.1996 und die Bescheide vom 31.07.1996/07.12.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es fehle weiterhin an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Aufstellung der Belegschaft unter Berücksichtigung des § 10 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG). Anhaltspunkte für einen Anspruch der L. auf eine andere Sozialleistung im Sinne § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG bzw auf Berufsunfähigkeitsrente bestünden nicht. L. habe bei der Arbeitslosmeldung keinerlei gesundheitliche Einschränkungen gemacht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei nicht nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte böten. Auch mit dem Zahlenwerk vom 05.09.2003 sei das Vorliegen des Befreiungstatbestandes weiterhin nicht belegt. Den maßgeblichen Erhebungsbogen - der Vordruck sei der Klägerin bereits am 05.04.1995 zugesandt worden - habe diese nicht wieder vorgelegt. Im Erhebungsbogen vom 25.11.2003 sei unzulässigerweise wiederum eine Berechnung nach Köpfen erfolgt. Bereits eine stichprobenweise Prüfung ergebe, dass auch dieser Erhebungsbogen nicht verwertbar sei, weil wiederum geringverdienende ältere Arbeitnehmer mit eingerechnet worden seien. Auch habe die Klägerin die angegebenen Arbeitszeiten mit "nicht mehr genau feststellbar" bezeichnet.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Leistungsakte der Beklagten, auf die Rentenakten der L. von der LVA Unterfranken, auf die Beschwerdeakte L 11 B 68/97 AL-ER sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Klägerin ist zur Erstattung des geforderten Betrages in Höhe von 20.864,64 DM verpflichtet.
Gegenstand des Verfahrens ist sowohl der Bescheid vom 31.07.1996 als auch der Bescheid vom 07.12.1998, mit dem die Bescheide vom 05.09.1994/09.07.1996 inhaltlich bestätigt wurden (§ 96 SGG).
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs der Beklagten ist § 128 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992, BGBl I 2044). Diese Vorschrift ist zwar durch Art 11 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I 594) aufgehoben worden. Auf Erstattungsansprüche für Zeiten bis zum 31.03.1997, um die es hier ausschließlich geht, wirken sich die Aufhebung der Vorschrift und die mit ihr erlassenen Übergangsvorschriften (§ 242 x Abs 6 AFG und § 431 SGB III) aber nicht aus, denn die Aufhebungsvorschrift ist erst am 01.04.1997 in Kraft getreten (Art 83 Abs 3 AFRG).
Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin liegen vor. Nach § 128 Abs 1 Satz 1, Abs 4 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage.
Frau L. stand innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird - hier der 03.03.1993 - mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bei der Klägerin. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres (ab 17.07.1993). Die Höchstdauer von 624 Tagen ist nicht überschritten.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass nach § 128 Abs 1 Satz 2 AFG die Erstattungspflicht für die Zeit nicht eintritt, für die die Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen der L., die einen Anspruch auf Leistungen wie Krankengeld oder eine Rente wegen Erwerbsminderung hätten begründen können, liegen nicht vor. Eine Erwerbsminderung bestand nicht. So hat L. in ihrem Leistungsantrag keinerlei gesundheitliche Einschränkungen gemacht und im maßgeblichen Zeitraum auch kein Krankengeld bezogen. Der Versicherungsverlauf der L. weist in dem hier maßgebenden Zeitraum keine längeren Krankheitszeiten aus. Die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lagen nach den Feststellungen der LVA Unterfranken erst ab 01.08.1995 vor (Bescheid vom 06.07.1995) und das für die Altersrente erforderliche 65. Lebensjahr vollendete L. erst 2000. Auch wenn L. ihre Ärzte von der Schweigepflicht nicht entbunden hat (zur Mitwirkungspflicht s. § 128 Abs 8 AFG; ihre Weigerung bleibt folgenlos - Brand in Niesel, AFG, 2. Auflage, § 128 RdNr 71) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Voraussetzungen anderer Sozialleistungen nicht vorgelegen haben.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG tritt die Erstattungspflicht ferner nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass sich die Zahl der Arbeitnehmer in dem Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens 2 Jahre beschäftigt war, um mehr als 3 vH innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist, als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraums entspricht. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG ist "unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben", zu ermitteln und dieser Anteil dem Anteil der älteren Arbeitnehmer der Gesamtzahl der Beschäftigten zu Beginn des Zeitraums gegenüber zu stellen. Vorliegend hat die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen, dass der Befreiungstatbestand der Nr 6 vorliegt. Zwar werden die Sozialgerichte durch die Formulierung des Gesetzes nicht aus der gesetzlichen Amtsermittlungspflicht entlassen. Die Klägerin muss aber an der Aufklärung des Sachverhalts verstärkt mitwirken und im Falle der Nichterweislichkeit die Nachteile tragen (Brand aaO § 128 RdNr 73).
Hier hat die Klägerin die Tatsachen nicht dargelegt, dh glaubhaft in das Verfahren eingeführt, die geeignet sind, den Anspruch zu begründen.
Die Klägerin ist seit 1993 nicht in der Lage, die Zahl der auf den von ihr selbst gewählten Jahreszeitraum (01.08.1992 bis 31.07.1993) entfallenden berücksichtigungsfähigen Arbeitnehmer über das reine Behaupten hinaus im Erhebungsbogen zur Feststellung des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG anzugeben. Insbesondere hat sie immer wieder unzulässigerweise geringfügig Beschäftigte einbezogen, die jedoch nicht zu den Beschäftigten im Sinne § 128 Abs 1 AFG zählen. Maßgebend ist nach der ausdrücklichen Regelung des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG nämlich nur eine die Beitragspflicht zur Beklagten begründende Beschäftigung (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 13; Brand aaO § 128 RdNr 6; Ausfüllungshinweis 2 zum Erhebungsbogen). Dies hat die Beklagte zu Recht beanstandet. Bei dem in der Liste der Klägerin vom 21.11.2003 mit "0,5" bezeichneten Beschäftigten (mit 0,5 werden die Beschäftigten bezeichnet, die 10 bis 20 Stunden/ Woche arbeiten) handelt es sich zum Teil um Teilzeitbeschäftigte mit unter 10 Wochenstunden, die nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht einbezogen werden dürfen. Auch differieren die im Laufe des Verwaltungs- bzw Gerichtsverfahrens von der Klägerin angegebenen Beschäftigungszahlen für den genannten Jahreszeitraum erheblich. Die Verwertbarkeit der zuletzt angegebenen Zahlen (Anlagen zum Schriftsatz vom 21.11.2003) scheitert auch daran, dass sich nach den eigenen Angaben der Klägerin die wöchentliche Arbeitszeit der aufgeführten älteren Arbeitnehmer nicht mehr genau feststellen lässt. Weitere Ermittlungen des Senats könnten daher bei fehlenden Unterlagen der Klägerin zu keinen neuen Erkenntnissen führen.
Die Klägerin muss daher die Nachteile der Nichterweislichkeit der Tatsachen tragen, für die ihr kraft Gesetzes die Nachweispflicht obliegt (Brand aaO § 128 RdNr 73).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 10.11.1999 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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