L 2 U 30/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5059/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 30/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1953 geborene Klägerin stürzte am 23.02.1999 nach dem Schneeräumen beim Streuen und verletzte sich das rechte Handgelenk.

Am gleichen Tag suchte sie den Allgemeinarzt Dr. W. auf. Der Orthopäde Dr. K. diagnostizierte am 19.04.1999 einen Zustand nach Handgelenksprellung rechts mit dringendem Verdacht auf Ruptur des Discus articularis. Im Krankenhaus Nabburg wurde am 08.04.1999 eine leichte Schwellung mit schmerzbedingt endgradig eingeschränkter Beweglichkeit festgestellt. Am 06.05.1999 berichtete Dr. K. über eine deutliche Reduzierung der Beschwerdesymptomatik. Ein MRT vom 28.09.1999 zeigte eine aktivierte Arthrose im Handgelenk mit subchondralen Geröllcysten. Der Neurologe und Psychiater Dr. T. stellte die Diagnose: mögliche Medianusirritation im Carpaltunnel, jedoch kein verifizierbarer Anhalt für ein Carpaltunnel-Syndrom. Am 07.03.2000 erfolgte eine Arthroskopie des rechten Handgelenks im Universitätsklinikum R ... Dort zeigte sich im Bereich des Discus triangularis ein radialer Einriss. Die Diagnose lautete: TFCC-Läsion radial, Knorpelschaden Grad II am Radius des rechten Handgelenkes. Im Bericht des Klinikums vom 30.05.2000 wurde ausgeführt, die Klägerin gebe an, die Situation habe sich durch die Handgelenksarthroskopie mit Shaving leichtgradig verbessert. Es bestehe weiterhin der Verdacht auf ein Carpaltunnel-Syndrom. Die Handgelenksbeweglichkeit sei noch eingeschränkt, die grobe Kraft noch deutlich vermindert. Nach Untersuchung der Klägerin am 18.07. 2000 äußerte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. , es handle sich um lokal bedingte Schmerzen im Bereich des Handgelenkes mit wechselnder Schmerzausstrahlung in die Finger 4 und 5. Eine umschriebene Schädigung eines peripheren Nerven lasse sich nicht nachweisen. Im Zwischenbericht vom 09.08.2000 erklärten die Ärzte des Universitätsklinikums, die alte Handgelenksstützschiene sei vollkommen zerstört, so dass zu vermuten sei, dass die Patientin deutlich stärker, als ihr empfohlen sei, das Handgelenk einsetze. Es sei von einer ausgeprägten Noncompliance auszugehen. Auf die Dringlichkeit einer regelmäßig durchzuführenden krankengymnastischen Übungsbehandlung werde hingewiesen. Es sei eine MdE von unter 10 v.H. gegeben. Am 28.11.2000 erklärten die Ärzte, die Klägerin klage über erneut zunehmende Schmerzen im Handgelenk, verbunden mit deutlicher Kraftminderung. Bei näherer Befragung habe sie angegeben, die empfohlene Krankengymnastik seit Juli 2000 nicht mehr fortzuführen. Die Klägerin sei arbeitsfähig, die MdE liege unter 10 v.H.

Im Gutachten vom 21.12.2000 erläuterte der Orthopäde Dr. G. , mit TFCC sei der trianguläre fibro-cartilaginäre Komplex gemeint. Hier habe eine traumatische Läsion stattgefunden; die Prellung oder Zerrung des Handgelenks sei ein geeigneter Ereignisablauf, eine solche Discusverletzung zu verursachen. Nach arthroskopischer Revision mit Glättung des Knorpelschadens und des Einrisses am TFCC habe die Klägerin eine Besserung der Beschwerden angegeben. Das Handgelenk sei gut beweglich, lediglich die Hohlhandwärtsführung sei diskret eingeschränkt. Zeichen des Mindergebrauchs des rechten Arms bestünden bei seitengleichen Ober- und Unterarmumfängen und bei Rechtshändigkeit rechts stärker ausgeprägten Schwielenbildungen nicht. Röntgenologisch zeigten sich seitengleiche regelrechte Verhältnisse ohne Hinweis für arthrotische Veränderungen, auch keine Minderung des Kalksalzgehaltes rechts, der bei deutlichem Mindergebrauch zu erwarten wäre. Die Klägerin gebe Sensibilitätsstörungen an, allerdings fänden sich keine sicheren Paresen, auch Dr. K. habe keinen Hinweis auf eine umschriebene Schädigung eines peripheren Nerven gefunden. Die MdE habe bis zum 24.03.1999 30 v.H., bis 24.08.1999 20 v.H., bis 06.03.2000 10 v.H., bis 21.03.2000 30 v.H., bis 30.05.2000 20 v.H. und seitdem bis 09.08.2000 10 v.H., danach unter 10 v.H. betragen.

Mit Bescheid vom 06.02.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Prellung und Zerrung des rechten Handgelenkes mit Schädigung des Gelenkknorpels der Speiche und Rissbildungen am Discus articularis und dessen Bandbefestigungen.

Mit Widerspruch vom 06.03.2001 wandte die Klägerin ein, der Umfang des Ober- und Unterarms sei links deutlich größer als rechts, denn sie könne bei körperlichen Arbeiten den rechten Arm nur eingeschränkt gebrauchen. Auch die Feinmotorik sei deutlich gemindert. Die MdE betrage mindestens 20 v.H.

Der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr. D. , erklärte in der Stellungnahme vom 16.04.2001, die Wertung von unter 10 v.H. auf Dauer sei auch in der Mitteilung der Chirurgischen Ambulanz des Universitätsklinikums R. enthalten. Fakten, die geeignet wären, die Bewertung der Begutachtung zu entkräften, seien nicht angegeben worden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2001 zurück.

Hiergegen hat sich die Klage zum Sozialgericht Regensburg gerichtet, zu deren Begründung die Klägerin ausgeführt hat, es treffe nicht zu, dass die Armumfänge rechts und links annähernd gleich seien. Außerdem sei die rechte Hand zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. G. deutlich geschwollen gewesen. Sie könne den rechten Arm nur ganz eingeschränkt gebrauchen, die Muskulatur sei deutlich zurückgebildet, auch die Feinmotorik sei deutlich gemindert. Die MdE sei mit mindestens 20 v.H. zu bewerten.

Mit Schreiben vom 23.10.2001 erklärte sich die Beklagte bereit, der Klägerin für die Zeit vom 01.05.2000 bis 30.05.2000 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Allgemeinarzt Dr. W. hat im Gutachten vom 27.04.2002 und der Stellungnahme vom 27.12.2001 ausgeführt, subjektiv würden deutliche Bewegungseinschränkungen und Schmerzempfindungen im Handgelenk angegeben, objektiv zeige sich eine leicht verstrichene Handgelenkskontur mit endgradiger Bewegungseinschränkung. Messtechnisch sei die Kraft der rechten gegenüber der linken Hand deutlich eingeschränkt. Der Umfang des rechten Handgelenkes mit anschließendem Unterarmbereich sei messtechnisch größer als links. Die Einschränkung der Beweglichkeit im rechten Handgelenk betrage 1/5 = 20 %. Eine MdE um 20 % sei gegeben.

Hierzu hat der beratende Arzt der Beklagten, Dr. D. , am 21.05.2002 ausgeführt, eine wesentliche Bewegungseinschränkung werde von Dr. W. nicht beschrieben. Die Messung der Kraft sei als zu subjektiv anzusehen und objektiv nicht verwertbar. Aufgrund der objektiv nach den üblichen Untersuchungsmethoden festgestellten Unfallfolgen sei die MdE mit unter 10 v.H. zu bewerten.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2002 abgewiesen. Aufgrund der Einschränkungen der Beweglichkeit im rechten Handgelenk, die Dr. W. als nur endgradig beschreibe, sei eine MdE von 20 v.H. nach den Beurteilungskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gegeben.

Zur Begründung der Berufung vom 10.02.2003 wendet die Klägerin ein, es sei unzulässig, unter Berücksichtigung der von der Beklagtenseite vorgelegten parteiischen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes die Klage abzuweisen. Dr. W. habe eine MdE von 20 v.H. festgestellt.

Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 07.04.2003, sowohl Dr. G. als auch Dr. D. hätten die MdE ab 10.08.2000 mit unter 10 v.H. eingeschätzt. Auch im Bericht des Klinikums der Universität R. vom 28.11.2000 werde die MdE mit unter 10 v.H. angegeben.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.03.2004 wiederholte die Vertreterin der Beklagten das Teilanerkenntnis vom 23.10. 2001. Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm das Teilanerkenntnis an.

Die Klägerin beantragt darüber hinaus, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 12.12.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 entsprechend abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die übrige Zeit seit 17.05.1999 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Klägerin hat unstreitig am 23.02.1999 einen Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) erlitten. Eine MdE von mindestens 20 v.H. der Vollrente, die Voraussetzung für einen Anspruch auf Verletztenrente wäre (§ 56 SGB VII) liegt aber über den 31.05.2000 hinaus nicht vor. Der ärztliche Sachverständige Dr. G. , dessen im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, hat überzeugend erläutert, dass eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß wegen der Folgen des Unfalls vom 23.02.1999 über den 31.05.2000 hinaus nicht verblieben ist.

Die Klägerin hat sich bei dem Sturz am 23.02.1999 eine Prellung und Zerrung des rechten Handgelenkes mit Schädigung des Gelenkknorpels und Rissbildungen am Discus articularis und dessen Bandbefestigungen zugezogen. Diese Unfallfolgen hat die Beklagte im Bescheid vom 06.02.2001 anerkannt, auch der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Allgemeinmediziner Dr. W. hat sie bestätigt. Zu Recht hat Dr. G. darauf hingewiesen, dass eine wesentliche Gebrauchsminderung der rechten Hand nicht gegeben ist. Insofern besteht Übereinstimmung mit Dr. W. , der eine lediglich endgradige Beuge- und Flexionshemmung bestätigt hat. Gegen einen deutlichen Mindergebrauch des rechten Arms sprechen die seiten- gleichen Ober- und Unterarmumfänge, ebenso wie die Schwielenbildungen und Belastungsspuren, die an der rechten Hand stärker ausgeprägt sind als links. Insbesondere zeigten sich röntgenologisch keine Anzeichen für eine Minderung des Kalksalzgehaltes, der bei deutlichem Mindergebrauch zu erwarten wäre. Auch Dr. W. hat bei der Messung an Handgelenk und Unterarm keine wesentlichen Muskelminderungen festgestellt. Die Muskulatur des rechten Handgelenkes und des rechten Unterarms war sogar deutlich mehr ausgeprägt als die des linken Handgelenkes und Unterarms. Objektive Anzeichen der von der Klägerin angegebenen Einschränkung der Kraft und der Beweglichkeit konnten auch von Dr. W. nicht festgestellt werden. Im Hinblick darauf, dass nach den Erfahrungswerten im Unfallversicherungsrecht zum Beispiel ein Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 40° mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten ist, erscheint die Beurteilung von Dr. G. und Dr. D. , die auch von den behandelnden Ärzten des Universitätsklinikums R. bestätigt wurde, überzeugend. Eine MdE in rentenberechtigendem Grad ist über den 31.05.2000 nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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