L 7 P 37/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 98/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 37/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.06.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen wegen häuslicher Pflege nach der Pflegestufe II streitig.

Der 1939 geborene Kläger ist Geschäftsführer einer Innung. Er leidet an einer diabetischen arteriellen Verschlusskrankheit, die im November 1995 die Amputation des linken Oberschenkels erforderlich machte. Auf den Antrag vom 28.08.1997 hin wurde der Kläger durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) untersucht; in dem Gutachten heißt es, im Bereich der Grundpflege betrage der tägliche Hilfebedarf 90 Minuten.

Mit Bescheid vom 05.02.1998 bewilligte die Beklagte Pflegegeld nach Stufe I. Den Widerspruch, mit dem höhere Leistungen geltend gemacht wurden, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.1998 als unbegründet zurück.

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Regensburg (SG) hat am 21.10.1999 die Tochter des Klägers als Zeugin vernommen. In dem sodann vom MDK eingeholten Gutachten vom 22.11.1999 ist der Grundpflegebedarf mit 99 Minuten bewertet worden.

Auf Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - hat das SG den Neurologen Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20.09.2000 hat der Sachverständige den Hilfebedarf in der Grundpflege auf mehr als 120 Minuten eingeschätzt. In dem sodann vom MDK erstellten Gutachten vom 06.04.2000 hingegen ist der Grundpflegebedarf nur mit 86 Minuten bewertet worden.

Mit Urteil vom 17.06.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beurteilung des Sachverständigen Dr.M. könne nicht gefolgt werden, da bei den einzelnen Verrichtungen nicht die volle Übernahme, sondern nur Teilhilfe erforderlich sei. Der Hilfebedarf betrage im Bereicht der Körperpflege 46 und im Bereich der Mobilität 40 Minuten.

Mit seiner Berufung verweist der Kläger auf das Gutachten des Dr.M. , das er für zutreffend hält.

Im Auftrag des Senats hat die Sachverständige Dr.B. den Kläger am 14.05.2002 zu Hause aufgesucht. In ihrem Gutachten vom 15.05.2002 hat sie einen Grundpflegebedarf von 103 Minuten täglich, bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 100 Minuten errechnet. Nachdem der Kläger unter anderem darauf hingewiesen hat, wegen der Vielzahl der einzunehmenden Medikamente unter häufigem Durchfall zu leiden, hat Dr.B. in der angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 22.11.2002 dargelegt, für die Darm- und Blasenentleerung könnten insgesamt 27 Minuten und damit sechs mehr als bisher angesetzt werden. Für das tägliche Treppensteigen sei eine weitere Erhöhung um vier Minuten anzunehmen, so dass sich ein Grundpflegebedarf von 113 Minuten ergebe.

Auf den Vortrag des Klägers hin, es komme des öfteren zu Durchfällen mit Verschmutzung der Kleidung, ist Pflegeperson S. am 15.07.2003 als Zeugin vernommen worden. Hierzu hat die Sachverständige Dr.B. am 19.09.2003 dahingehend Stellung genommen, dass für den sich aus diesen Durchfällen ergebenden zusätzlichen Pflegebedarf von einmal wöchentlich 26 Minuten zusätzlich ein täglicher Aufwand von 4 Minuten zu berücksichtigen sei, weshalb sich der Grundpflegebedarf auf 117 Minuten erhöhe.

Der Kläger hält diese Bewertung für nicht ausreichend und ist der Meinung, dass bei ihm ein täglicher Grundpflegebedarf von wenigstens 120 Minuten besteht.

Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 07.06.2001 und des Bescheides vom 05.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.1998 zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II ab Juni 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Dem Kläger steht gegenwärtig keine höhere Leistung als die der Pflegestufe I zu.

Voraussetzung für die beantragten Leistungen nach Pflegestufe II ist gem. § 15 Abs.3 Nr.2 SGB XI, dass bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs.4 Nrn.1 bis 3 SGB XI ein täglicher Pflegebedarf von mindestens zwei Stunden und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 14 Abs.4 Nr.4 SGB XI von wenigstens einer Stunde besteht. Dies ist beim Kläger gegenwärtig jedenfalls noch nicht der Fall. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens der Sachverständigen Dr.B. vom 15.05.2002 und der ergänzenden Stellungnahmen vom 22.11.2002 und 19.09.2003 fest.

Danach ist für das tägliche Reinigen des Beinstumpfes ein Aufwand von 10 Minuten und für die teilweise Übernahme des täglichen Duschens von 30 Minuten erforderlich. Die Hilfe bei der Zahnpflege umfasst zwei, beim Rasieren eine Minute. Die maximal dreimal täglich anfallende Hilfe bei der Blasenentleerung ist mit 15 Minuten und die Hilfe bei der Darmentleerung, die sich aus dem Zeitaufwand für die Intimhygiene, dem Richten der Bekleidung und dem Gehen zusammensetzt, mit sechs Minuten und, bei Annahme einer zweimal täglich anfallenden Verrichtung, mit 12 Minuten anzusetzen. Die nach Aussage der Zeugin S. etwa einmal wöchentlich anfallende Verschmutzung der Wäsche infolge Durchfalls führt nach der zutreffenden Bewertung durch Dr.B. zu einem wöchentlichen Hilfebedarf von 26 Minuten und einem täglichen von etwas weniger als vier Minuten. Jedoch läßt sich damit eine Erhöhung des bereits vorher festgestellten Hilfebedarfs nicht begründen. Denn Dr.B. ist in ihrer Stellungnahme vom 22.11.2002 von einer zweimal täglichen Darmentleerung ausgegangen und hat hierfür jeweils sechs Minuten angesetzt. Wie die Zeugin ausgesagt hat, kommt es aber trotz Medikamenteneinahme vor, dass der Kläger ein bis zwei Tage keinen Stuhlgang hat, während es andererseits zu dem nächtlichen Durchfall mit Verschmutzung kommt. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass neben dem täglichen zweimaligen Stuhlgang zusätzlich einmal pro Woche nächtlicher Durchfall mit Kleiderverschmutzung anfällt. Allenfalls kann hierfür bei einer Gesamtbewertung ein zusätzlicher täglicher Mehraufwand von zwei Minuten und damit in der Körperpflege ein solcher von insgesamt 72 Minuten angenommen werden.

Im Gegensatz zur Auffassung von Dr.B. kann ein Grundpflegebedarf bei der Ernährung, den sie mit vier Minuten bewertet hat, nicht berücksichtigt werden. Dr.B. rechnet hier das Bereitstellen der Mahlzeiten und Getränke, was der Kläger wegen seiner Unterarmgehstützen selbst nicht kann, der Grundpflege zu. Insoweit handelt es sich aber um Hilfe, die der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen ist. Hilfe im Bereich der Ernährung im Sinne des § 14 Abs.4 Nr.2 SGB XI ist nur die mundgerechte Zubereitung und Hilfeleistung bei der Nahrungsaufnahme selbst, die dazu dient, die bereits zubereitete Nahrung so aufzubereiten, dass eine abschließende Aufnahme durch den Pflegebedürftigen erfolgen kann (Udsching, SGB XI, 2. Auflage, RdNr.23 zu § 14). Als Hilfe in diesem Sinne wäre das Zerkleinern der Nahrung, das Heraustrennen eines Knochens, das Entfernen von Gräten sowie das Einfüllen von Getränken anzusehen. Da beim Kläger die Funktionsfähigkeit der Arme und Hände nicht eingeschränkt ist, benötigt er insoweit keinerlei Hilfe bei der Nahrungsaufnahme.

Die Hilfe beim Aufstehen hat die Sachverständige zutreffend mit drei Minuten und die für das dreimalige Anlegen und Abnehmen der Prothese mit neun Minuten bewertet. Für die zweimal täglich anfallende teilweise Übernahme des allgemeinen An- und Auskleidens sowie Anlegens des Kompressionsstrumpfes sind 15 Minuten großzügig berechnet. Für die Beaufsichtigung beim Gehen im Zusammenhang mit den Verrichtungen i.S. des § 14 Abs.4 SGB XI sind vier Minuten anzusetzen; die in dem ursprünglichen Gutachten enthaltenen zehn Minuten beinhalten bereits sechs Minuten für die Hilfe beim Gang zur Toilette, die die Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme in die 27 Minuten Hilfe bei der Darm- und Blasenentleerung miteingerechnet hat. Für das zweimalige Treppensteigen fällt Hilfe von täglich acht Minuten an.

Somit ergibt sich bei genauer Durchsicht ein grunpflegerischer täglicher Bedarf von 111 Minuten, der die für die Pflegestufe II erforderlichen zwei Stunden gegenwärtig nicht erreicht.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.06.2001 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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