Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 268/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 247/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 106/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von sechs Wochen wegen des Ausschlusses aus einer beruflichen Bildungsmaßnahme.
Der 1968 geborene Kläger, der bei der Beklagten im Leistungsbezug stand, beantragte am 15.07.1999 die Förderung der Fortbildung zur Buchhaltungsfachkraft mit Telebanking durch die Beklagte. Die Maßnahme sollte durch das Bildungs- und Schulungs-Institut S. (BSI) als Maßnahmeträger durchgeführt werden und vom 19.07.1999 bis 25.02.2000 dauern. Mit Bescheid vom 04.08.1999 bewilligte die Beklagte ab 19.07.1999 Unterhaltsgeld (Uhg) sowie mit Bescheid vom 29.07.1999 die Übernahme der Lehrgangsgebühren und Fahrtkosten.
Am 22.12.1999 wurde der Kläger durch den Maßnahmeträger mit sofortiger Wirkung von der Maßnahme ausgeschlossen, weil er in den Unterrichtsräumen eine Mitschülerin während der Mittagspause zweimal geschlagen habe. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 30.04.2002 schilderte der Kläger den Vorfall wie folgt: Er sei, nachdem die Kursteilnehmerin an den Tisch, hinter dem er auf zwei Stühlen gelegen habe, gestoßen sei, aufgesprungen und habe der Teilnehmerin mit der flachen Hand einen leichten Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Anschließend habe sich diese umgedreht und ihn mit der Hand auf die Schulter geschlagen. Daraufhin habe er nochmals mit der flachen Hand auf den Hinterkopf der Teilnehmerin geschlagen. Er halte seine Schläge unter dem Gesichtspunkt der Notwehr für gerechtfertigt. Durch den Stoß der Kursteilnehmerin an den Tisch sei er an seiner Nase getroffen worden, so dass diese geschmerzt habe.
Am 23.12.1999 beantragte der Kläger die Fortzahlung des Arbeitlosengeldes (Alg). Mit Bescheid vom 09.02.2000 stellte die Beklagte für die Zeit vom 23.12.1999 bis 02.02.2000 den Eintritt einer Sperrzeit fest. Der Kläger habe durch ein maßnahmewidriges Verhalten (Handgreiflichkeit) ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes Anlass zum Ausschluss aus der Maßnahme gegeben. Auf Grund der Minderung der Anspruchsdauer bestehe kein Restanspruch mehr, so dass auch nach Ablauf der Sperrzeit Alg nicht gezahlt werden könne.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.05.2000 zurück. Nach der Rechtsprechung berechtige ein tätlicher Angriff einen Arbeitgeber ohne vorherig Abmahnung zur Kündigung. Dies müsse auch für den Maßnahmeträger gelten.
Am 26.05.2000 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 09.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben. Der Vorfall habe sich nicht während des Unterrichts, sondern in der Mittagspause zugetragen, so dass der Ausschluss zu Unrecht erfolgt sei. Auswirkungen auf das Alg dürften sich daraus nicht ergeben.
Mit Urteil vom 30.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen seines maßnahmewidrigen Verhaltens, das ihm subjektiv vorzuwerfen sei, habe der Kläger ausgeschlossen werden können. Wenigstens der zweite Schlag sei als vorsätzliche Körperverletzung zu bewerten. Über die Rechtsfolgen seines maßnahmewidrigen Verhaltens sei der Kläger durch das Merkblatt der Beklagten "Berufliche Fortbildung und Umschulung" belehrt worden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Für sein Verhalten habe er einen wichtigen Grund gehabt, denn er habe zunächst im Affekt und dann in Notwehr gehandelt. Zur mündlichen Verhandlung sei ein Amtsarzt, der seinen Gesundheitszustand feststellen solle, hinzuzuziehen. Das SG sei diesem schon damals begehrten Verlangen nicht nachgekommen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2002 sowie den Bescheid vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Merkblatt für Arbeitslose sei der Kläger über die Folgen eines Maßnahmeausschlusses (Sperrzeit) belehrt worden. Die Teilnahmebedingungen des Maßnahmeträgers, in denen auf die Möglichkeit des Maßnahmeausschlusses hingewiesen werde, habe der Kläger unterschrieben. Für sein Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Erstmals in der Stellungnahme des Maßnahmeträgers vom 12.01.2000 werde auf große private Probleme des Klägers hingewiesen, die es möglicherweise sinnvoll erscheinen ließen, den zuständigen Amtsarzt zu Rate zu ziehen. Darauf komme es vorliegend jedoch nicht an, da diese Stellungnahme erst nach dem Abbruch der Maßnahme abgegeben worden sei. Für eine ärztliche Untersuchung im Nachhinein habe kein Anlass bestanden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht für die Zeit vom 23.12.1999 bis 02.02.2000 den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Nach § 144 Abs 1 Nr 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung vom 24.03.1997 (gültig ab 01.01.1998 bis 30.06.2001) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme abgebrochen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus dieser Maßnahme gegeben hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (Sperrzeit wegen Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme). Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (Abs 2 Satz 2). Würde die Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten, so umfasst die Sperrzeit sechs Wochen (Abs 3 Satz 1).
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit waren im vorliegenden Fall gegeben.
An der Zumutbarkeit der Maßnahme bestehen keine Zweifel. Nach der Beurteilung der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung der Beklagten vom 15.07.1999 war die Maßnahme notwendig im Sinne § 77 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 SGB III (fehlender Berufsabschluss; berufliche Eingliederung bei Arbeitslosigkeit) und die wirtschaftlichste und am besten geeignete Leistung der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SGB III).
Der Kläger hat sich maßnahmewidrig verhalten, denn bei den Tätlichkeiten handelte es sich um grobe Pflichtverletzungen, die geeignet waren, zu einer Störung im Schulbereich zu führen und die Schulordnung zu verletzen. Der Kläger hat nach seiner maßgeblichen Darstellung des Sachverhalts vor dem SG zuerst geschlagen. Dieses Verhalten war schuldhaft, denn es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Dabei kann er sich nicht auf eine Affekthandlung berufen, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass seine Tat nicht willensgemäß gelenkt war. So kann nicht von einer hochgradigen Erregung des Klägers ausgegangen werden. Er musste nämlich angesichts seiner äußerst ungewöhnlichen Ruhestätte - er lag im Unterrichtsraum auf zwei Stühlen hinter seinem Tisch - ständig damit rechnen, dass der Tisch beim Aufstehen der vor ihm sitzenden Kursteilnehmerin zurückgeschoben würde. Selbst wenn man für den ersten Schlag des Klägers eine Affekthandlung annehmen könnte, gilt dies jedenfalls nicht für die zweite Tätlichkeit. Eventuell vorhandene private Probleme haben den Kläger möglicherweise in seinem Verhalten in der Gruppe beeinflusst, seine Schuldfähigkeit jedoch nicht entfallen lassen. Auch eine von ihm geltend gemachte Notwehrsituation (§§ 227 Bürgerliches Gesetzbuch, 32 Strafgesetzbuch) ist auszuschließen, denn das Zurücksetzen des Tisches war kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff gegen seine Person. Der Kläger handelte vielmehr aus Rache. Eine Rachehandlung stellt aber keine Notwehrsituation dar. Auch war die Tätlichkeit nicht erforderlich, um dem "Angriff" zu begegnen, denn dieser war mit dem Zurückschieben des Tisches beendet. Beim zweiten Zuschlagen des Klägers war die Affekthandlung der Mitschülerin (Schlag gegen den Kläger) ebenfalls bereits beendet, so dass Notwehr auch für diesen Fall ausscheidet.
Der Maßnahmeträger durfte den Kläger mit sofortiger Wirkung ausschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - die auf den vorliegenden Fall anwendbar ist - bedürfen besonders schwere Verstöße keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. So stellt eine Tätlichkeit eine derart grobe Pflichtverletzung dar, dass eine Abmahnung entbehrlich ist (BAG NZA 1985, 96; BAG NZA 1988, 137 - 138; BSG SozR 4100 § 119 Nr 26, 32; Hess.LSG, Urteil vom 22.10.1999 - L 10 AL 933/98).
Nach Aktenlage ist zweifelhaft, ob der Kläger von der Beklagten vor Maßnahmeantritt über die Rechtsfolgen eines Abbruchs der Maßnahme durch ihn oder eines Ausschlusses von der Maßnahme belehrt wurde. Das BSG fordert eine Belehrung, die den Maßnahmeteilnehmer in allgemeiner Form vorwarnen soll (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 19; BSG SozR 4100 § 119 Nr 31). Dabei ist eine schriftliche Belehrung nicht erforderlich, eine mündliche reicht aus. Sie muss dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen vorwerfbares maßnahmewidriges Verhalten auf den Leistungsanspruch hat. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf das am 11.08.1998/17.05.1999 ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose Nr 1. Darin heißt es: "Außerdem tritt beim Leistungsbezug eine Sperrzeit ein, ... wenn Sie sich weigern, an einer Trainingsmaßnahme oder an einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen; wenn Sie die Teilnahme an einer der vorstehend genannten Maßnahmen abbrechen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer Maßnahme geben."
Ob die Hinweise des Merkblatts den Anforderungen des BSG an eine Belehrung entsprechen, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Eine Belehrung ist nämlich entbehrlich, wenn es sich um eine Verfehlung handelt, die die weitere Teilnahme des Arbeitslosen an der Maßnahme für die übrigen Teilnehmer oder das Lehrpersonal im Sinne eines wichtigen Grundes unzumutbar macht (Winkler in Gagel, SGB III, § 144 RdNr 214). Dies war hier der Fall, denn der Maßnahmeträger hatte die Verpflichtung gegenüber allen Teilnehmern, dafür Sorge zu tragen, dass sie unbelästigt ihrer Fortbildung nachgehen können und nicht Tätlichkeiten ausgesetzt werden. Dieser Verpflichtung kann der Maßnahmeträger nur gerecht werden, wenn er Tätlichkeiten der vorliegenden Art mit dem Ausschluss aus der Maßnahme ahndet (vgl. BAG NZA 1985, 96).
Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte der Kläger nicht. Dies folgt schon daraus, dass das maßnahmewidrige Verhalten zum Ausschluss geführt hat, folglich kein wichtiger Grund vorliegen kann, denn ein schwerwiegendes maßnahmewidriges Verhalten, das allein eine Sperrzeit nach Nr 4 begründet, kann nicht durch andere Umstände gerechtfertigt werden (Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 144 RdNr 88 unter Hinweis auf Kunze VSSR, 1997, 259, 295).
Die Beklagte hat somit zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Eine weitere Verkürzung der mit sechs Wochen festgestellten Sperrzeit kommt nicht in Betracht, da die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Hinblick auf die Restlaufzeit der Maßnahme von 9 Wochen in Anwendung der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-4100 § 119 a Nr 3) zutreffend bereits eine besondere Härte angenommen und die Dauer der Sperrzeit halbiert hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 30.04.2002 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 SGG Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von sechs Wochen wegen des Ausschlusses aus einer beruflichen Bildungsmaßnahme.
Der 1968 geborene Kläger, der bei der Beklagten im Leistungsbezug stand, beantragte am 15.07.1999 die Förderung der Fortbildung zur Buchhaltungsfachkraft mit Telebanking durch die Beklagte. Die Maßnahme sollte durch das Bildungs- und Schulungs-Institut S. (BSI) als Maßnahmeträger durchgeführt werden und vom 19.07.1999 bis 25.02.2000 dauern. Mit Bescheid vom 04.08.1999 bewilligte die Beklagte ab 19.07.1999 Unterhaltsgeld (Uhg) sowie mit Bescheid vom 29.07.1999 die Übernahme der Lehrgangsgebühren und Fahrtkosten.
Am 22.12.1999 wurde der Kläger durch den Maßnahmeträger mit sofortiger Wirkung von der Maßnahme ausgeschlossen, weil er in den Unterrichtsräumen eine Mitschülerin während der Mittagspause zweimal geschlagen habe. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Würzburg (SG) vom 30.04.2002 schilderte der Kläger den Vorfall wie folgt: Er sei, nachdem die Kursteilnehmerin an den Tisch, hinter dem er auf zwei Stühlen gelegen habe, gestoßen sei, aufgesprungen und habe der Teilnehmerin mit der flachen Hand einen leichten Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Anschließend habe sich diese umgedreht und ihn mit der Hand auf die Schulter geschlagen. Daraufhin habe er nochmals mit der flachen Hand auf den Hinterkopf der Teilnehmerin geschlagen. Er halte seine Schläge unter dem Gesichtspunkt der Notwehr für gerechtfertigt. Durch den Stoß der Kursteilnehmerin an den Tisch sei er an seiner Nase getroffen worden, so dass diese geschmerzt habe.
Am 23.12.1999 beantragte der Kläger die Fortzahlung des Arbeitlosengeldes (Alg). Mit Bescheid vom 09.02.2000 stellte die Beklagte für die Zeit vom 23.12.1999 bis 02.02.2000 den Eintritt einer Sperrzeit fest. Der Kläger habe durch ein maßnahmewidriges Verhalten (Handgreiflichkeit) ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes Anlass zum Ausschluss aus der Maßnahme gegeben. Auf Grund der Minderung der Anspruchsdauer bestehe kein Restanspruch mehr, so dass auch nach Ablauf der Sperrzeit Alg nicht gezahlt werden könne.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.05.2000 zurück. Nach der Rechtsprechung berechtige ein tätlicher Angriff einen Arbeitgeber ohne vorherig Abmahnung zur Kündigung. Dies müsse auch für den Maßnahmeträger gelten.
Am 26.05.2000 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 09.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben. Der Vorfall habe sich nicht während des Unterrichts, sondern in der Mittagspause zugetragen, so dass der Ausschluss zu Unrecht erfolgt sei. Auswirkungen auf das Alg dürften sich daraus nicht ergeben.
Mit Urteil vom 30.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen seines maßnahmewidrigen Verhaltens, das ihm subjektiv vorzuwerfen sei, habe der Kläger ausgeschlossen werden können. Wenigstens der zweite Schlag sei als vorsätzliche Körperverletzung zu bewerten. Über die Rechtsfolgen seines maßnahmewidrigen Verhaltens sei der Kläger durch das Merkblatt der Beklagten "Berufliche Fortbildung und Umschulung" belehrt worden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Für sein Verhalten habe er einen wichtigen Grund gehabt, denn er habe zunächst im Affekt und dann in Notwehr gehandelt. Zur mündlichen Verhandlung sei ein Amtsarzt, der seinen Gesundheitszustand feststellen solle, hinzuzuziehen. Das SG sei diesem schon damals begehrten Verlangen nicht nachgekommen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.04.2002 sowie den Bescheid vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Merkblatt für Arbeitslose sei der Kläger über die Folgen eines Maßnahmeausschlusses (Sperrzeit) belehrt worden. Die Teilnahmebedingungen des Maßnahmeträgers, in denen auf die Möglichkeit des Maßnahmeausschlusses hingewiesen werde, habe der Kläger unterschrieben. Für sein Verhalten habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Erstmals in der Stellungnahme des Maßnahmeträgers vom 12.01.2000 werde auf große private Probleme des Klägers hingewiesen, die es möglicherweise sinnvoll erscheinen ließen, den zuständigen Amtsarzt zu Rate zu ziehen. Darauf komme es vorliegend jedoch nicht an, da diese Stellungnahme erst nach dem Abbruch der Maßnahme abgegeben worden sei. Für eine ärztliche Untersuchung im Nachhinein habe kein Anlass bestanden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden, denn die Beklagte hat zu Recht für die Zeit vom 23.12.1999 bis 02.02.2000 den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Nach § 144 Abs 1 Nr 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung vom 24.03.1997 (gültig ab 01.01.1998 bis 30.06.2001) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme abgebrochen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus dieser Maßnahme gegeben hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (Sperrzeit wegen Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme). Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (Abs 2 Satz 2). Würde die Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten, so umfasst die Sperrzeit sechs Wochen (Abs 3 Satz 1).
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit waren im vorliegenden Fall gegeben.
An der Zumutbarkeit der Maßnahme bestehen keine Zweifel. Nach der Beurteilung der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung der Beklagten vom 15.07.1999 war die Maßnahme notwendig im Sinne § 77 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 SGB III (fehlender Berufsabschluss; berufliche Eingliederung bei Arbeitslosigkeit) und die wirtschaftlichste und am besten geeignete Leistung der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SGB III).
Der Kläger hat sich maßnahmewidrig verhalten, denn bei den Tätlichkeiten handelte es sich um grobe Pflichtverletzungen, die geeignet waren, zu einer Störung im Schulbereich zu führen und die Schulordnung zu verletzen. Der Kläger hat nach seiner maßgeblichen Darstellung des Sachverhalts vor dem SG zuerst geschlagen. Dieses Verhalten war schuldhaft, denn es liegen keine Schuldausschließungsgründe vor. Dabei kann er sich nicht auf eine Affekthandlung berufen, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass seine Tat nicht willensgemäß gelenkt war. So kann nicht von einer hochgradigen Erregung des Klägers ausgegangen werden. Er musste nämlich angesichts seiner äußerst ungewöhnlichen Ruhestätte - er lag im Unterrichtsraum auf zwei Stühlen hinter seinem Tisch - ständig damit rechnen, dass der Tisch beim Aufstehen der vor ihm sitzenden Kursteilnehmerin zurückgeschoben würde. Selbst wenn man für den ersten Schlag des Klägers eine Affekthandlung annehmen könnte, gilt dies jedenfalls nicht für die zweite Tätlichkeit. Eventuell vorhandene private Probleme haben den Kläger möglicherweise in seinem Verhalten in der Gruppe beeinflusst, seine Schuldfähigkeit jedoch nicht entfallen lassen. Auch eine von ihm geltend gemachte Notwehrsituation (§§ 227 Bürgerliches Gesetzbuch, 32 Strafgesetzbuch) ist auszuschließen, denn das Zurücksetzen des Tisches war kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff gegen seine Person. Der Kläger handelte vielmehr aus Rache. Eine Rachehandlung stellt aber keine Notwehrsituation dar. Auch war die Tätlichkeit nicht erforderlich, um dem "Angriff" zu begegnen, denn dieser war mit dem Zurückschieben des Tisches beendet. Beim zweiten Zuschlagen des Klägers war die Affekthandlung der Mitschülerin (Schlag gegen den Kläger) ebenfalls bereits beendet, so dass Notwehr auch für diesen Fall ausscheidet.
Der Maßnahmeträger durfte den Kläger mit sofortiger Wirkung ausschließen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - die auf den vorliegenden Fall anwendbar ist - bedürfen besonders schwere Verstöße keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt. So stellt eine Tätlichkeit eine derart grobe Pflichtverletzung dar, dass eine Abmahnung entbehrlich ist (BAG NZA 1985, 96; BAG NZA 1988, 137 - 138; BSG SozR 4100 § 119 Nr 26, 32; Hess.LSG, Urteil vom 22.10.1999 - L 10 AL 933/98).
Nach Aktenlage ist zweifelhaft, ob der Kläger von der Beklagten vor Maßnahmeantritt über die Rechtsfolgen eines Abbruchs der Maßnahme durch ihn oder eines Ausschlusses von der Maßnahme belehrt wurde. Das BSG fordert eine Belehrung, die den Maßnahmeteilnehmer in allgemeiner Form vorwarnen soll (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 19; BSG SozR 4100 § 119 Nr 31). Dabei ist eine schriftliche Belehrung nicht erforderlich, eine mündliche reicht aus. Sie muss dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen vorwerfbares maßnahmewidriges Verhalten auf den Leistungsanspruch hat. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf das am 11.08.1998/17.05.1999 ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose Nr 1. Darin heißt es: "Außerdem tritt beim Leistungsbezug eine Sperrzeit ein, ... wenn Sie sich weigern, an einer Trainingsmaßnahme oder an einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen; wenn Sie die Teilnahme an einer der vorstehend genannten Maßnahmen abbrechen oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer Maßnahme geben."
Ob die Hinweise des Merkblatts den Anforderungen des BSG an eine Belehrung entsprechen, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Eine Belehrung ist nämlich entbehrlich, wenn es sich um eine Verfehlung handelt, die die weitere Teilnahme des Arbeitslosen an der Maßnahme für die übrigen Teilnehmer oder das Lehrpersonal im Sinne eines wichtigen Grundes unzumutbar macht (Winkler in Gagel, SGB III, § 144 RdNr 214). Dies war hier der Fall, denn der Maßnahmeträger hatte die Verpflichtung gegenüber allen Teilnehmern, dafür Sorge zu tragen, dass sie unbelästigt ihrer Fortbildung nachgehen können und nicht Tätlichkeiten ausgesetzt werden. Dieser Verpflichtung kann der Maßnahmeträger nur gerecht werden, wenn er Tätlichkeiten der vorliegenden Art mit dem Ausschluss aus der Maßnahme ahndet (vgl. BAG NZA 1985, 96).
Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hatte der Kläger nicht. Dies folgt schon daraus, dass das maßnahmewidrige Verhalten zum Ausschluss geführt hat, folglich kein wichtiger Grund vorliegen kann, denn ein schwerwiegendes maßnahmewidriges Verhalten, das allein eine Sperrzeit nach Nr 4 begründet, kann nicht durch andere Umstände gerechtfertigt werden (Niesel, SGB III, 2.Aufl, § 144 RdNr 88 unter Hinweis auf Kunze VSSR, 1997, 259, 295).
Die Beklagte hat somit zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Eine weitere Verkürzung der mit sechs Wochen festgestellten Sperrzeit kommt nicht in Betracht, da die Beklagte bei ihrer Entscheidung im Hinblick auf die Restlaufzeit der Maßnahme von 9 Wochen in Anwendung der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-4100 § 119 a Nr 3) zutreffend bereits eine besondere Härte angenommen und die Dauer der Sperrzeit halbiert hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 30.04.2002 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gem. § 160 SGG Abs 2 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
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