Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 719/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 413/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.10.2002 wird zurückgewiesen.
I. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung der erbrachten Leistungen für die Zeit vom 04.09.2000 bis 28.02.2001 in Höhe von insgesamt 5.332,32 DM.
Die 1969 geborene Klägerin war vom 01.04.1987 bis 10.04.2000 in Vollzeit als Verkaufssachbearbeiterin beschäftigt. In der Zeit vom 27.08.1994 bis 10.04.2000 befand sie sich in Mutterschutz bzw. im Erziehungsurlaub. Am 04.09.2000 meldete sie sich persönlich arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, in der Vermittlungsfähigkeit auf Grund der Betreuung ihres Sohnes eingeschränkt zu sein. Als wöchentliche Arbeitszeit komme höchstens eine Anzahl von 15 Stunden in Betracht. Weiter bestätigte sie unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose "Dienste und Leistungen" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Die Beklagte gewährte ihr daraufhin mit Bescheid vom 09.10.2000 Alg ab dem 04.09.2000 für eine Dauer von 360 Kalendertagen in Höhe von 317,73 DM wöchentlich. Die Beklagte ermittelte das maßgebliche Bemessungsentgelt "fiktiv", da innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Alg-Anspruches ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt nicht festgestellt werden konnte. Unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden errechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.451,57 DM als monatliches Bemessungsentgelt, den sie allerdings bei der Bewilligungsverfügung als wöchentliches Bemessungsentgelt der Berechnung des Alg zugrunde legte.
Auf Grund einer internen Prüfung bemerkte die Beklagte unter dem 19.03.2001, dass als wöchentliches Bemessungsentgelt nicht ein Betrag in Höhe von 1.451,57 DM, sondern von 334,97 DM zu berücksichtigen gewesen wäre. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung des überzahlten Alg an. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie das "Merkblatt für Arbeitslose" erhalten, durchgelesen und zur Kenntnis genommen habe. Sie habe sich bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes ganz auf die Beklagte verlassen.
Mit Änderungsbescheid vom 22.03.2001 bewilligte die Beklagte unter Neufestsetzung des Bemessungsentgeltes in Höhe von gerundet 330,00 DM der Klägerin Alg ab dem 01.03.2001 in Höhe von wöchentlich 118,23 DM.
Mit Bescheid vom 24.04.2001 nahm die Beklagte die Alg-Bewilligung vom 09.10.2000 teilweise zurück und zwar für die Zeit vom 04.09.2000 bis 31.12.2000 in Höhe von 205,80 DM wöchentlich und für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.02.2001 in Höhe von 217,56 DM wöchentlich. Der Klägerin hätte Alg nur in Höhe von wöchentlich 111,93 DM (bewilligt: 317,73 DM) und ab dem 01.01.2001 in Höhe von wöchentlich 118,23 DM (bewilligt: 335,79 DM) zugestanden. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Erstattung des überzahlten Alg in Höhe von 5.332,32 DM.
Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 22.03.2001 und 24.04.2001 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.08.2001 zurück. Die Klägerin habe in grob fahrlässiger Weise die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 09.10.2000 nicht erkannt. Sie hätte erkennen müssen, dass der Berechnung des Alg ein deutlich zu hohes Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden sei. Im Merkblatt, das die Klägerin zur Kenntnis genommen habe, sei darauf hingewiesen worden, dass sich das Alg verringere, wenn wegen Betreuung eines Kindes nicht mehr die Zahl der Arbeitsstunden geleistet werden könne, die im Bemessungszeitraum geleistet worden seien. Bei Anstellung ganz naheliegender Überlegungen hätte die Klägerin zunächst erkennen können, dass der Bemessung des Alg ein wöchentliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.451,57 DM zugrunde liege und dieser Betrag das wöchentliche Bruttoentgelt übersteige, das sie in ihrer letzten Tätigkeit als Verkaufssachbearbeiterin habe erzielen können. Weiter hätte der Klägerin bei einfachster Betrachtungsweise auffallen müssen, dass das Bemessungsentgelt auch noch auf Grund der Einschränkung ihrer Verfügbarkeit auf wöchentlich 15 Stunden im Verhältnis zu einer Vollzeitbeschäftigung zu vermindern sei. Ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.451,57 DM für eine wöchentlich 15 Stunden umfassende Tätigkeit errechne sich für eine Vollzeitbeschäftigung ein Bruttoverdienst in Höhe von monatlich 16.126,00 DM.
Dagegen hat die Klägerin am 30.08.2001 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Bescheid vom 09.10.2000 allein auf Grund eines Bearbeitungsfehlers der Beklagten rechtswidrig sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides habe sie schlichtweg keine Ahnung davon gehabt, dass der Beklagten dieser Fehler unterlaufen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 09.10.2002 die angefochtenen Bescheide antragsgemäß aufgehoben. Für die Klägerin sei die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht erkennbar gewesen. Angesichts des Umstands, dass die Unrichtigkeit des Bescheides weder dem Sachbearbeiter der Beklagten noch dessen Vorgesetzten aufgefallen sei, könne von der Klägerin als juristischen Laien nicht erwartet werden, dass sie den Fehler bemerke. Es komme hinzu, dass die Klägerin lediglich wöchentlich 317,73 DM bezogen habe und dies erheblich weniger sei als das zuvor im Jahr 1994 bezogene Entgelt. Nach so langer Zeit sei es auch glaubhaft, dass die Klägerin sich über die Höhe der ihr zustehenden Leistungen keine Gedanken gemacht und angenommen habe, auf Grund des vorangegangenen Erziehungsurlaubs diese Leistungen nunmehr zu Recht zu erhalten.
Am 22.11.2002 hat die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es hätte der Klägerin ohne weiteres auffallen müssen, dass der im Bescheid vom 09.10.2000 ausgewiesene Betrag des wöchentlichen Bemessungsentgeltes in keinem Verhältnis zum Betrag ihres früheren Bruttoarbeitsentgeltes stehe und ihre Teilzeiteinschränkung nicht berücksichtige. Denn bereits eine laienhafte Multiplikation des Wochenbetrages mit 4 hätte zu einem Monatsbetrag in Höhe von etwa 5.800,00 DM geführt. Angesichts des im Jahr 1994 erzielten Arbeitsentgeltes, das ca. 3.600,00 DM monatlich betragen habe, springe es ins Auge, dass die Teilzeiteinschränkung nicht eingerechnet worden sei. Die Klägerin habe die Rechtswidrigkeit der Regelung auch im Hinblick auf ihre individuelle Urteils- und Kritikfähigkeit kennen müssen. Sie habe eine Berufsausbildung als Verkäuferin abgeschlossen und sei langjährig als Sachbearbeiterin tätig gewesen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Sie habe das Alg nach dem Ende ihres Erziehungsurlaubes beantragt, so dass für sie keine Möglichkeit bestanden habe, die Höhe des Alg mit einem bestimmten Gehalt zu vergleichen. Der Umstand, dass der Fehler zwei sachkundigen Mitarbeitern der Beklagten nicht aufgefallen sei, schließe es aus, ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2001 rechtswidrig ist und daher aufzuheben war. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung des Alg teilweise zurückzunehmen und die überzahlten Leistungen zurückzufordern.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 45 Abs 1 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Regelung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Zutreffend ist die Beklagte im Bescheid vom 24.04.2001 von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg der Höhe nach von Beginn an ausgegangen. Auf Grund einer fehlerhaften Bearbeitung durch das Arbeitsamt bezog die Klägerin Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.451,57 DM anstatt von 334,97 DM.
Indes ist nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten für die Vergangenheit nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X möglich. Von den Tatbeständen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X kommt hier allein die Nr 3 in Betracht, denn die Klägerin hat den Verwaltungsakt weder durch arglistige Täuschung erwirkt (Nr 1), noch hat sie unrichtige/unvollständige Angaben im Sinne der Nr 2 gemacht. Beim Tatbestand der Nr 3, der insbesondere dann eingreift, wenn der Begünstigte nicht am Zustandekommen des fehlerhaften Verwaltungsaktes mitgewirkt hat, scheidet positive Kenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ebenfalls aus. Mithin kommt es darauf an, ob die Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
Nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2.HS SGB X ist grobe Fahrlässigkeit nur gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 08.02.2001, Az: B 11 AL 21/0 R, SozR 3-1300 § 45 Nr 45 S 152 f mwN). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (sog. subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff).
Bezugspunkt für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei der Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Dies setzt voraus, dass die Fehlerhaftigkeit sich entweder aus dem Verwaltungsakt selbst oder aus anderen - im Bescheid nicht unmittelbar erwähnten - Gründen ergibt und für den Begünstigten derart erkennbar ist, dass ihm die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden kann (BSG aaO, S 153).
Aus dem Bewilligungsbescheid vom 09.10.2000 selbst ergaben sich für die Klägerin keine Anhaltspunkte, an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu zweifeln. Zwar wird im Bescheid darauf hingewiesen, dass ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.451,57 DM dem Alg-Anspruch zugrunde gelegt wird. Jedoch ist aus dem Bescheid nicht erkennbar - wovon auch die Beklagte ausgeht -, wie sich der Betrag des Bemessungsentgeltes berechnet. Insofern enthält der Bescheid keinen Hinweis auf die fehlerhafte Heranziehung des fiktiven monatlichen Bemessungsentgeltes als wöchentliches Bemessungsentgelt oder auf die Nichtberücksichtigung der Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin. Demnach konnte die Klägerin die Fehlerhaftigkeit nicht schon anhand der Angaben im Bescheid feststellen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, die Klägerin hätte auf Grund des ihr ausgehändigten Merkblattes von einer deutlichen Überhöhung des zur Bemessung herangezogenen Arbeitsentgeltes ausgehen müssen. Richtig ist allerdings, dass die Klägerin bei der Arbeitslosmeldung angegeben hat, in der Vermittlungsfähigkeit auf Grund der Betreuung ihres Sohnes auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden eingeschränkt zu sein. In dem entsprechenden Merkblatt (Dienste und Leistungen des Arbeitsamtes - Ihre Rechte Ihre Pflichten, S 33, Stand April 2000) wird auch ausgeführt, dass sich das Alg verringere, wenn der Arbeitslose nicht mehr die Zahl von Arbeitsstunden leisten könne, die er im Bemessungszeitraum geleistet habe (z.B. wenn er wegen Betreuung eines Kindes nur noch halbtags arbeiten könne). Aber selbst wenn deshalb der Klägerin der Zusammenhang zwischen der Anzahl der leistbaren Arbeitsstunden und der Höhe des Bemessungsentgeltes deutlich gewesen sein sollte, konnte sie nicht von der Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten herangezogenen Bemessungsentgeltes ausgehen. Sie konnte vielmehr erwarten, dass die Beklagte die von ihr gemachten wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. In diesem Sinne hat sie im Rahmen der Anhörung der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosenentgeltes ganz auf die Beklagte verlassen habe. In der mündlichen Verhandlung des SG am 09.10.2002 hat sie angegeben, dass sie sich bei Erhalt des Bewilligungsbescheides vom 09.10.2000 keine Gedanken über die Berechnung der Höhe des Alg gemacht habe. Mehr kann von der Klägerin im Hinblick auf das ihr ausgehändigte Merkblatt auch nicht verlangt werden. Denn es ist die Aufgabe der Beklagten, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies dem Betroffenen in der Begründung des Bescheides deutlich zu machen. Dies ist hier nicht geschehen. Durch Merkblätter kann das Risiko der sachgerechten Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen nicht dem Begünstigten aufgebürdet werden (BSG aaO, S 154). Mithin kann allein aus der Kenntnis des Merkblatts nicht auf ein Kennenmüssen der Fehlerhaftigkeit des Bescheides geschlossen werden, da die fehlerhafte Berechnung des Bemessungsentgeltes der Klägerin verborgen geblieben ist.
Da der Klägerin die Fehlerhaftigkeit des wöchentlichen Bemessungsentgeltes nicht unmittelbar aus dem Bescheid erkennbar war, ist ihr grobe Fahrlässigkeit nur vorzuwerfen, wenn die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides für sie aus anderen Gründen augenfällig war. Nach ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten muss ihr die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung geradezu "in die Augen springen" (vgl. BSG aaO S 155). Die Beklagte meint zwar, dass angesichts des von der Klägerin im Jahr 1994 erzielten Arbeitsentgeltes, das ca. 3.600,00 DM monatlich betragen habe, die Rechtswidrigkeit des Bescheides offensichtlich gewesen sei. Allerdings ergibt sich dies nicht im Hinblick auf den Alg-Zahlbetrag von wöchentlich 317,73 DM. Dieser steht nicht außer Verhältnis zu einem Bruttoarbeitsentgelt von 3.600,00 DM monatlich (entspricht 835,00 DM wöchentlich). Ohne nähere Kenntnis von Bemessungsvorschriften war es für die Klägerin auch nicht augenfällig, dass sich der Zahlbetrag auf eine Vollzeitbeschäftigung bezieht. Sie konnte davon ausgehen, dass die Beklagte die von ihr im Antrag angegebene Einschränkung der Verfügbarkeit entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen bei der Bemessung des Alg berücksichtigt hat. Genaue Kenntnisse darüber, in welchem Umfang eine Verminderung des Alg-Zahlbetrages eintritt, können von der Klägerin nicht erwartet werden, so dass sich hieraus eine "in die Augen springende" Rechtswidrigkeit nicht ergibt.
Nach alledem ist der Klägerin nicht grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so dass die Beklagte zur teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung nicht berechtigt war und die Erstattung des überzahlten Alg nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht von der Klägerin fordern konnte.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
I. Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung der erbrachten Leistungen für die Zeit vom 04.09.2000 bis 28.02.2001 in Höhe von insgesamt 5.332,32 DM.
Die 1969 geborene Klägerin war vom 01.04.1987 bis 10.04.2000 in Vollzeit als Verkaufssachbearbeiterin beschäftigt. In der Zeit vom 27.08.1994 bis 10.04.2000 befand sie sich in Mutterschutz bzw. im Erziehungsurlaub. Am 04.09.2000 meldete sie sich persönlich arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, in der Vermittlungsfähigkeit auf Grund der Betreuung ihres Sohnes eingeschränkt zu sein. Als wöchentliche Arbeitszeit komme höchstens eine Anzahl von 15 Stunden in Betracht. Weiter bestätigte sie unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose "Dienste und Leistungen" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Die Beklagte gewährte ihr daraufhin mit Bescheid vom 09.10.2000 Alg ab dem 04.09.2000 für eine Dauer von 360 Kalendertagen in Höhe von 317,73 DM wöchentlich. Die Beklagte ermittelte das maßgebliche Bemessungsentgelt "fiktiv", da innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Alg-Anspruches ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt nicht festgestellt werden konnte. Unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden errechnete die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.451,57 DM als monatliches Bemessungsentgelt, den sie allerdings bei der Bewilligungsverfügung als wöchentliches Bemessungsentgelt der Berechnung des Alg zugrunde legte.
Auf Grund einer internen Prüfung bemerkte die Beklagte unter dem 19.03.2001, dass als wöchentliches Bemessungsentgelt nicht ein Betrag in Höhe von 1.451,57 DM, sondern von 334,97 DM zu berücksichtigen gewesen wäre. Daraufhin hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung des überzahlten Alg an. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie das "Merkblatt für Arbeitslose" erhalten, durchgelesen und zur Kenntnis genommen habe. Sie habe sich bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes ganz auf die Beklagte verlassen.
Mit Änderungsbescheid vom 22.03.2001 bewilligte die Beklagte unter Neufestsetzung des Bemessungsentgeltes in Höhe von gerundet 330,00 DM der Klägerin Alg ab dem 01.03.2001 in Höhe von wöchentlich 118,23 DM.
Mit Bescheid vom 24.04.2001 nahm die Beklagte die Alg-Bewilligung vom 09.10.2000 teilweise zurück und zwar für die Zeit vom 04.09.2000 bis 31.12.2000 in Höhe von 205,80 DM wöchentlich und für die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 28.02.2001 in Höhe von 217,56 DM wöchentlich. Der Klägerin hätte Alg nur in Höhe von wöchentlich 111,93 DM (bewilligt: 317,73 DM) und ab dem 01.01.2001 in Höhe von wöchentlich 118,23 DM (bewilligt: 335,79 DM) zugestanden. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Erstattung des überzahlten Alg in Höhe von 5.332,32 DM.
Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 22.03.2001 und 24.04.2001 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.08.2001 zurück. Die Klägerin habe in grob fahrlässiger Weise die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 09.10.2000 nicht erkannt. Sie hätte erkennen müssen, dass der Berechnung des Alg ein deutlich zu hohes Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden sei. Im Merkblatt, das die Klägerin zur Kenntnis genommen habe, sei darauf hingewiesen worden, dass sich das Alg verringere, wenn wegen Betreuung eines Kindes nicht mehr die Zahl der Arbeitsstunden geleistet werden könne, die im Bemessungszeitraum geleistet worden seien. Bei Anstellung ganz naheliegender Überlegungen hätte die Klägerin zunächst erkennen können, dass der Bemessung des Alg ein wöchentliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.451,57 DM zugrunde liege und dieser Betrag das wöchentliche Bruttoentgelt übersteige, das sie in ihrer letzten Tätigkeit als Verkaufssachbearbeiterin habe erzielen können. Weiter hätte der Klägerin bei einfachster Betrachtungsweise auffallen müssen, dass das Bemessungsentgelt auch noch auf Grund der Einschränkung ihrer Verfügbarkeit auf wöchentlich 15 Stunden im Verhältnis zu einer Vollzeitbeschäftigung zu vermindern sei. Ausgehend von einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.451,57 DM für eine wöchentlich 15 Stunden umfassende Tätigkeit errechne sich für eine Vollzeitbeschäftigung ein Bruttoverdienst in Höhe von monatlich 16.126,00 DM.
Dagegen hat die Klägerin am 30.08.2001 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, dass der Bescheid vom 09.10.2000 allein auf Grund eines Bearbeitungsfehlers der Beklagten rechtswidrig sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides habe sie schlichtweg keine Ahnung davon gehabt, dass der Beklagten dieser Fehler unterlaufen sei.
Das SG hat mit Urteil vom 09.10.2002 die angefochtenen Bescheide antragsgemäß aufgehoben. Für die Klägerin sei die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht erkennbar gewesen. Angesichts des Umstands, dass die Unrichtigkeit des Bescheides weder dem Sachbearbeiter der Beklagten noch dessen Vorgesetzten aufgefallen sei, könne von der Klägerin als juristischen Laien nicht erwartet werden, dass sie den Fehler bemerke. Es komme hinzu, dass die Klägerin lediglich wöchentlich 317,73 DM bezogen habe und dies erheblich weniger sei als das zuvor im Jahr 1994 bezogene Entgelt. Nach so langer Zeit sei es auch glaubhaft, dass die Klägerin sich über die Höhe der ihr zustehenden Leistungen keine Gedanken gemacht und angenommen habe, auf Grund des vorangegangenen Erziehungsurlaubs diese Leistungen nunmehr zu Recht zu erhalten.
Am 22.11.2002 hat die Beklagte Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es hätte der Klägerin ohne weiteres auffallen müssen, dass der im Bescheid vom 09.10.2000 ausgewiesene Betrag des wöchentlichen Bemessungsentgeltes in keinem Verhältnis zum Betrag ihres früheren Bruttoarbeitsentgeltes stehe und ihre Teilzeiteinschränkung nicht berücksichtige. Denn bereits eine laienhafte Multiplikation des Wochenbetrages mit 4 hätte zu einem Monatsbetrag in Höhe von etwa 5.800,00 DM geführt. Angesichts des im Jahr 1994 erzielten Arbeitsentgeltes, das ca. 3.600,00 DM monatlich betragen habe, springe es ins Auge, dass die Teilzeiteinschränkung nicht eingerechnet worden sei. Die Klägerin habe die Rechtswidrigkeit der Regelung auch im Hinblick auf ihre individuelle Urteils- und Kritikfähigkeit kennen müssen. Sie habe eine Berufsausbildung als Verkäuferin abgeschlossen und sei langjährig als Sachbearbeiterin tätig gewesen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.10.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Sie habe das Alg nach dem Ende ihres Erziehungsurlaubes beantragt, so dass für sie keine Möglichkeit bestanden habe, die Höhe des Alg mit einem bestimmten Gehalt zu vergleichen. Der Umstand, dass der Fehler zwei sachkundigen Mitarbeitern der Beklagten nicht aufgefallen sei, schließe es aus, ihr grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2001 rechtswidrig ist und daher aufzuheben war. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Bewilligung des Alg teilweise zurückzunehmen und die überzahlten Leistungen zurückzufordern.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 45 Abs 1 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Regelung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit er rechtswidrig ist. Zutreffend ist die Beklagte im Bescheid vom 24.04.2001 von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Alg der Höhe nach von Beginn an ausgegangen. Auf Grund einer fehlerhaften Bearbeitung durch das Arbeitsamt bezog die Klägerin Alg nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.451,57 DM anstatt von 334,97 DM.
Indes ist nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten für die Vergangenheit nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X möglich. Von den Tatbeständen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X kommt hier allein die Nr 3 in Betracht, denn die Klägerin hat den Verwaltungsakt weder durch arglistige Täuschung erwirkt (Nr 1), noch hat sie unrichtige/unvollständige Angaben im Sinne der Nr 2 gemacht. Beim Tatbestand der Nr 3, der insbesondere dann eingreift, wenn der Begünstigte nicht am Zustandekommen des fehlerhaften Verwaltungsaktes mitgewirkt hat, scheidet positive Kenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ebenfalls aus. Mithin kommt es darauf an, ob die Unkenntnis der Klägerin von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
Nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2.HS SGB X ist grobe Fahrlässigkeit nur gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 08.02.2001, Az: B 11 AL 21/0 R, SozR 3-1300 § 45 Nr 45 S 152 f mwN). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Begünstigten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (sog. subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff).
Bezugspunkt für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei der Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist nach dem Wortlaut des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes. Dies setzt voraus, dass die Fehlerhaftigkeit sich entweder aus dem Verwaltungsakt selbst oder aus anderen - im Bescheid nicht unmittelbar erwähnten - Gründen ergibt und für den Begünstigten derart erkennbar ist, dass ihm die Unkenntnis der Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden kann (BSG aaO, S 153).
Aus dem Bewilligungsbescheid vom 09.10.2000 selbst ergaben sich für die Klägerin keine Anhaltspunkte, an der Rechtmäßigkeit des Bescheides zu zweifeln. Zwar wird im Bescheid darauf hingewiesen, dass ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.451,57 DM dem Alg-Anspruch zugrunde gelegt wird. Jedoch ist aus dem Bescheid nicht erkennbar - wovon auch die Beklagte ausgeht -, wie sich der Betrag des Bemessungsentgeltes berechnet. Insofern enthält der Bescheid keinen Hinweis auf die fehlerhafte Heranziehung des fiktiven monatlichen Bemessungsentgeltes als wöchentliches Bemessungsentgelt oder auf die Nichtberücksichtigung der Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin. Demnach konnte die Klägerin die Fehlerhaftigkeit nicht schon anhand der Angaben im Bescheid feststellen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, die Klägerin hätte auf Grund des ihr ausgehändigten Merkblattes von einer deutlichen Überhöhung des zur Bemessung herangezogenen Arbeitsentgeltes ausgehen müssen. Richtig ist allerdings, dass die Klägerin bei der Arbeitslosmeldung angegeben hat, in der Vermittlungsfähigkeit auf Grund der Betreuung ihres Sohnes auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 15 Stunden eingeschränkt zu sein. In dem entsprechenden Merkblatt (Dienste und Leistungen des Arbeitsamtes - Ihre Rechte Ihre Pflichten, S 33, Stand April 2000) wird auch ausgeführt, dass sich das Alg verringere, wenn der Arbeitslose nicht mehr die Zahl von Arbeitsstunden leisten könne, die er im Bemessungszeitraum geleistet habe (z.B. wenn er wegen Betreuung eines Kindes nur noch halbtags arbeiten könne). Aber selbst wenn deshalb der Klägerin der Zusammenhang zwischen der Anzahl der leistbaren Arbeitsstunden und der Höhe des Bemessungsentgeltes deutlich gewesen sein sollte, konnte sie nicht von der Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten herangezogenen Bemessungsentgeltes ausgehen. Sie konnte vielmehr erwarten, dass die Beklagte die von ihr gemachten wahrheitsgemäßen Angaben zutreffend umsetzt. In diesem Sinne hat sie im Rahmen der Anhörung der Beklagten mitgeteilt, dass sie sich bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosenentgeltes ganz auf die Beklagte verlassen habe. In der mündlichen Verhandlung des SG am 09.10.2002 hat sie angegeben, dass sie sich bei Erhalt des Bewilligungsbescheides vom 09.10.2000 keine Gedanken über die Berechnung der Höhe des Alg gemacht habe. Mehr kann von der Klägerin im Hinblick auf das ihr ausgehändigte Merkblatt auch nicht verlangt werden. Denn es ist die Aufgabe der Beklagten, wahrheitsgemäße tatsächliche Angaben von Antragstellern rechtlich einwandfrei umzusetzen und dies dem Betroffenen in der Begründung des Bescheides deutlich zu machen. Dies ist hier nicht geschehen. Durch Merkblätter kann das Risiko der sachgerechten Berücksichtigung von eindeutigen Tatsachen nicht dem Begünstigten aufgebürdet werden (BSG aaO, S 154). Mithin kann allein aus der Kenntnis des Merkblatts nicht auf ein Kennenmüssen der Fehlerhaftigkeit des Bescheides geschlossen werden, da die fehlerhafte Berechnung des Bemessungsentgeltes der Klägerin verborgen geblieben ist.
Da der Klägerin die Fehlerhaftigkeit des wöchentlichen Bemessungsentgeltes nicht unmittelbar aus dem Bescheid erkennbar war, ist ihr grobe Fahrlässigkeit nur vorzuwerfen, wenn die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides für sie aus anderen Gründen augenfällig war. Nach ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten muss ihr die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung geradezu "in die Augen springen" (vgl. BSG aaO S 155). Die Beklagte meint zwar, dass angesichts des von der Klägerin im Jahr 1994 erzielten Arbeitsentgeltes, das ca. 3.600,00 DM monatlich betragen habe, die Rechtswidrigkeit des Bescheides offensichtlich gewesen sei. Allerdings ergibt sich dies nicht im Hinblick auf den Alg-Zahlbetrag von wöchentlich 317,73 DM. Dieser steht nicht außer Verhältnis zu einem Bruttoarbeitsentgelt von 3.600,00 DM monatlich (entspricht 835,00 DM wöchentlich). Ohne nähere Kenntnis von Bemessungsvorschriften war es für die Klägerin auch nicht augenfällig, dass sich der Zahlbetrag auf eine Vollzeitbeschäftigung bezieht. Sie konnte davon ausgehen, dass die Beklagte die von ihr im Antrag angegebene Einschränkung der Verfügbarkeit entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen bei der Bemessung des Alg berücksichtigt hat. Genaue Kenntnisse darüber, in welchem Umfang eine Verminderung des Alg-Zahlbetrages eintritt, können von der Klägerin nicht erwartet werden, so dass sich hieraus eine "in die Augen springende" Rechtswidrigkeit nicht ergibt.
Nach alledem ist der Klägerin nicht grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so dass die Beklagte zur teilweisen Rücknahme der Leistungsbewilligung nicht berechtigt war und die Erstattung des überzahlten Alg nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht von der Klägerin fordern konnte.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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