Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 99/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 48/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Pflegegeld nach Stufe II ab Juli 2001 streitig.
Die 1996 geborene Klägerin leidet an einem körperlichen und geistigen Entwicklungsrückstand unklarer Genese. Sie bezieht seit September 2000 Leistungen der Pflegestufe I.
Auf den Höherstufungsantrag vom 12.07.2001 hin in Pflegestufe II erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein Gutachten, in dem ein Gesamtpflegebedarf von 116 Minuten pro Tag (Grundpflege 71 Minuten pro Tag und hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten pro Tag) festgestellt wurde. Aufgrund des Ergebnisses des eingeholten Gutachtens teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2001 mit, es sei beabsichtigt, weiterhin Leistungen nach Pflegestufe I zu erbringen. Unter Hinweis auf ein Pflegetagebuch beantragte die Klägerin eine Überprüfung.
In der daraufhin veranlassten Stellungnahme führte der MDK am 19.12.2001 aus, dass bei Kindern im Alter von fünf Jahren nach wie vor ein hoher Anleitungsbedarf bestehe, auch wenn Verrichtungen teilweise schon selbst durchgeführt würden. Die im Pflegetagebuch angegebenen Zeiten könnten bei der Bemessung der Gesamtgrundpflegeaufwendungen nicht herangezogen werden, da keinerlei altersphysiologischer Abzug erfolgt sei. Des Weiteren sei auch keine Trennung zwischen hauswirtschaftlicher Versorgung und der Grundpflege vorgenommen worden. Tätigkeiten wie Kassettenhören, Malen oder Spielen seien keine Verrichtungen im Sinne von § 14 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).
Mit Bescheid vom 28.12.2001 lehnte die Beklagte den Höherstufungsantrag ab. Mit Widerspruch wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf ein Pflegetagebuch geltend gemacht, sie werde von 6.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends durchgehend betreut und versorgt. In der dazu eingeholten ergänzenden Stellungnahme des MDK wurde am 04.09.2002 im Wesentlichen ausgeführt, es seien nur sog. "Katalogverrichtungen" im Sinne von § 14 Abs.4 SGB XI berücksichtigungsfähig, soweit diese im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind einen Mehrbedarf darstellen würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, die für die Grundpflege in Ansatz gebrachten 71 Minuten seien unzureichend. Trotz ihres Alters von sechs Jahren müsse sie ständig beaufsichtigt werden, da sie extrem hyperkinetisch sei und zu sinnlosen Handlungen neige. Beim Gehen fehle es an einer klaren Orientierung. Sie könne nicht eigenständig auf die Toilette gehen, weshalb sie mehrmals am Tag gewickelt werden müsse. Auch könne sie sich nicht allein waschen. Hilfe benötige sie auch bei der Zahnpflege und beim An- und Auskleiden. Insgesamt lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Pflegestufe II ab Antragstellung vor.
Die Beklagte hat auf ein weiteres Gutachten vom 09.04.2003 verwiesen, in dem weiterhin die Pflegestufe I angenommen wurde (Grundpflege 105 Minuten täglich, Hauswirtschaft 45 Minuten täglich). Die Zeiten der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung seien für die Pflegezeiten nicht heranzuziehen. Bei der Ermittlung der wöchentlichen Pflegezeit sei der werktägliche Aufenthalt in der Förderschule M. berücksichtigt worden.
Im Auftrag des SG hat die Sachverständige B. R. in ihrem Gutachten vom 07.05.2003 einen Zeitbedarf in der Körperpflege von 101 Minuten, einen Zeitbedarf im Bereich der Ernährung von 34 Minuten, im Bereich der Mobilität von 51 Minuten und in der hauswirtschaftlichen Versorgung einen solchen von 45 Minuten festgestellt. Von dem Gesamtzeitbedarf in der Grundpflege von 186 Minuten seien 88 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind in Abzug zu bringen, so dass ein Zeitbedarf von 98 Minuten verbleibe. Durch den zusätzlichen Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten errechne sich ein Gesamtzeitbedarf von 143 Minuten. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich nach Angaben der Mutter leicht verbessert. Sie sei älter geworden und habe inzwischen gelernt, sich in der Schule und den Schulkameraden anzupassen und zu lernen. Ihre schon bekannte Hyperaktivität und die Verweigerungshaltung sei noch vorhanden und der Umgang mit ihr sei teilweise schwierig.
Zum Gutachten hat die Klägerin vorgetragen, gegenüber gleichaltrigen Kindern sei im Gutachten ein Abzug von 88 Minuten vorgenommen worden. Die Höhe des Abzugs ergebe sich aus den Zeitrichtwerten der Begutachtungsrichtlinien. Bei diesen Zeitrichtwerten handele es sich nicht um wissenschaftlich ermittelte Werte, sondern lediglich um Schätzwerte. Gemäß einem Urteil des SG Mannheim vom 15.03.2002 - S 4 P 1197/01 - seien die Zeitrichtwerte der Begutachtungsrichtlinien für gesunde Kinder und für behinderte Kinder ab sechs Jahren nicht anzuwenden. Der pflegebedingte Mehraufwand sei vielmehr durch einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln, was vorliegend nicht geschehen sei. In dem zitierten Urteil seien lediglich 33 Minuten gegengerechnet worden.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, das eingeholte Gutachten von Frau B. R. entspreche auch dem MDK-Gutachten vom 22.04.2003. Es würden sich für die Grundpflege fast identische anrechenbare Pflegezeiten ergeben. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits zu §§ 53 ff. SGB V a.F. entschieden, dass die Verwendung allgemeiner Erfahrenswerte zu der Frage, von welchem Alter an die Verrichtungen der Grundpflege von gesunden Kindern eigenständig erbracht werden, sachgerecht sein könne (BSG-Urteile vom 14.12.1994 - 3 RK 14/94 und vom 26.11.1998 - B 3 P 20/97 B).
Mit Urteil vom 23.09.2003 hat das SG den Bescheid vom 28.12. 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2001 insoweit abgeändert und ihn teilweise aufgehoben, als Leistungen nach der Pflegestufe II ab 01.09.2003 zu bewilligen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Kernproblem dieser Entscheidung sei, wie der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind gemäß § 15 Abs.2 SGB XI festzustellen sei. § 15 Abs.2 SGB XI gestatte wohl den pflegebedingten Mehraufwand durch eine einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln, als auch pauschale Abzüge entsprechend den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vorzunehmen. Somit seien auch pauschale Abzüge in Hinblick auf § 15 Abs.2 SGB XI, wie sie auf Seite 44 und 45 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vorgegeben seien, möglich und nicht zu beanstanden. Der pauschale Abzug von 88 Minuten täglich im Gutachten von Frau B. R. sei somit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Hier liege jedoch eine Ausnahmesituation vor. Die Kläger besuche seit dem Herbst 2002 die erste Klasse der Förderschule mit angeschlossener Tagesstätte in M ... Nach den Angaben der Mutter habe sich die Klägerin seit dem Schulbesuch etwas entwickelt und verbessert. Wenn sich der berücksichtigungsfähige Grundpflegebedarf im Laufe der letzten beiden Jahre dennoch um 20 Minuten erhöht habe, bedeute dies im Umkehrschluss, dass die Schere im Verhältnis zu einem gesunden gleichaltrigen Kind immer weiter auseinander gehe. Nachdem dies mit jedem Schuljahr deutlicher werde, habe es das erkennende Gericht für sachdienlich erachtet, in diesem Ausnahmefall auf den Beginn des zweiten Schuljahres im September 2003 abzustellen und ab dem 01.09.2003 Leistungen nach den Pflegestufe II zuzusprechen. Nachdem es sich bei den Zeitrichtwerten nicht um wissenschaftlich ermittelte Werte, sondern lediglich um Schätzwerte handle, sei es hier gerechtfertigt, nicht auf die absehbare Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe II mit Erreichen des 18. Lebensjahres abzustellen, sondern entsprechend den tatsächlichen Lebensumständen auf den Beginn des zweiten Schuljahres an der Förderschule im September 2003 (Fortführung von BSG mit Urteil vom 29.04. 1999 - B 3 P 7/9 R zur Ermittlung des Mehraufwandes für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung bei Kindern).
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II ab Antragstellung. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein pauschaler Zeitabzug nicht statthaft sei, sondern durch einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.09.2003 abzuändern und die Beklagte unter vollständiger Aufhebung des Bescheides vom 28.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2002 zu verurteilen, ihr Leistungen nach der Pflegestufe II bereits für die Zeit ab dem 01.07. 2001 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein pauschaler Zeitabzug gemäß den Zeitrichtwerten der Begutachtungsrichtlinien statthaft sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 23.09.2003 der Klägerin erst ab 01.09.2003 Leistungen nach der Pflegestufe II bewilligt. Denn für die Zeit zuvor - Antragstellung vom 13.07. 2001 bis zum Bewilligungszeitpunkt - lagen die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht vor.
Dies ist zu folgern aus den eingeholten Gutachten des MDK, welche die gerichtlich bestellte Sachverständige B. R. insgesamt in ihrem Gutachten bestätigt hat. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden, dass von den Sachverständigen ein Zeitabzug von 88 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind vorgenommen wurde. Dies entspricht den Vorgaben in den Begutachtungsrichtlinien. Diese sind zwar für die Gerichte nicht bindend, jedoch sind sie dann zu beachten, wenn sie sich an der maßgebenden gesetzlichen Grundlage orientieren und keine Aspekte erkennbar sind, die einer Anwendung der Richtlinien entgegen stehen. So spiegelt insbesondere das Gutachten von Frau B. R. den vorliegenden Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens wieder. Die maßgeblichen Defizite wurden dabei ausreichend berücksichtigt, so dass der abgezogene zeitliche Bedarf an Hilfe gesunder und altersentsprechend entwickelter Kinder nicht zu hoch angesetzt wurde. Bei dem festgelegten Höchstbedarf an Hilfe bei Kindern verschiedener Altersstufen in den maßgeblichen Bereichen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität handelt es sich um einen kalkulierten Bedarf, welcher nicht individuell angepasst werden kann, da auch gesunde gleichaltrige Kinder einen unterschiedlichen Entwicklungsstand bzw. Selbständigkeitsgrad haben können.
Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.09.2003 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Pflegegeld nach Stufe II ab Juli 2001 streitig.
Die 1996 geborene Klägerin leidet an einem körperlichen und geistigen Entwicklungsrückstand unklarer Genese. Sie bezieht seit September 2000 Leistungen der Pflegestufe I.
Auf den Höherstufungsantrag vom 12.07.2001 hin in Pflegestufe II erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein Gutachten, in dem ein Gesamtpflegebedarf von 116 Minuten pro Tag (Grundpflege 71 Minuten pro Tag und hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten pro Tag) festgestellt wurde. Aufgrund des Ergebnisses des eingeholten Gutachtens teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2001 mit, es sei beabsichtigt, weiterhin Leistungen nach Pflegestufe I zu erbringen. Unter Hinweis auf ein Pflegetagebuch beantragte die Klägerin eine Überprüfung.
In der daraufhin veranlassten Stellungnahme führte der MDK am 19.12.2001 aus, dass bei Kindern im Alter von fünf Jahren nach wie vor ein hoher Anleitungsbedarf bestehe, auch wenn Verrichtungen teilweise schon selbst durchgeführt würden. Die im Pflegetagebuch angegebenen Zeiten könnten bei der Bemessung der Gesamtgrundpflegeaufwendungen nicht herangezogen werden, da keinerlei altersphysiologischer Abzug erfolgt sei. Des Weiteren sei auch keine Trennung zwischen hauswirtschaftlicher Versorgung und der Grundpflege vorgenommen worden. Tätigkeiten wie Kassettenhören, Malen oder Spielen seien keine Verrichtungen im Sinne von § 14 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI).
Mit Bescheid vom 28.12.2001 lehnte die Beklagte den Höherstufungsantrag ab. Mit Widerspruch wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf ein Pflegetagebuch geltend gemacht, sie werde von 6.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends durchgehend betreut und versorgt. In der dazu eingeholten ergänzenden Stellungnahme des MDK wurde am 04.09.2002 im Wesentlichen ausgeführt, es seien nur sog. "Katalogverrichtungen" im Sinne von § 14 Abs.4 SGB XI berücksichtigungsfähig, soweit diese im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind einen Mehrbedarf darstellen würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, die für die Grundpflege in Ansatz gebrachten 71 Minuten seien unzureichend. Trotz ihres Alters von sechs Jahren müsse sie ständig beaufsichtigt werden, da sie extrem hyperkinetisch sei und zu sinnlosen Handlungen neige. Beim Gehen fehle es an einer klaren Orientierung. Sie könne nicht eigenständig auf die Toilette gehen, weshalb sie mehrmals am Tag gewickelt werden müsse. Auch könne sie sich nicht allein waschen. Hilfe benötige sie auch bei der Zahnpflege und beim An- und Auskleiden. Insgesamt lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Pflegestufe II ab Antragstellung vor.
Die Beklagte hat auf ein weiteres Gutachten vom 09.04.2003 verwiesen, in dem weiterhin die Pflegestufe I angenommen wurde (Grundpflege 105 Minuten täglich, Hauswirtschaft 45 Minuten täglich). Die Zeiten der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung seien für die Pflegezeiten nicht heranzuziehen. Bei der Ermittlung der wöchentlichen Pflegezeit sei der werktägliche Aufenthalt in der Förderschule M. berücksichtigt worden.
Im Auftrag des SG hat die Sachverständige B. R. in ihrem Gutachten vom 07.05.2003 einen Zeitbedarf in der Körperpflege von 101 Minuten, einen Zeitbedarf im Bereich der Ernährung von 34 Minuten, im Bereich der Mobilität von 51 Minuten und in der hauswirtschaftlichen Versorgung einen solchen von 45 Minuten festgestellt. Von dem Gesamtzeitbedarf in der Grundpflege von 186 Minuten seien 88 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind in Abzug zu bringen, so dass ein Zeitbedarf von 98 Minuten verbleibe. Durch den zusätzlichen Zeitbedarf für die hauswirtschaftliche Versorgung von 45 Minuten errechne sich ein Gesamtzeitbedarf von 143 Minuten. Der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich nach Angaben der Mutter leicht verbessert. Sie sei älter geworden und habe inzwischen gelernt, sich in der Schule und den Schulkameraden anzupassen und zu lernen. Ihre schon bekannte Hyperaktivität und die Verweigerungshaltung sei noch vorhanden und der Umgang mit ihr sei teilweise schwierig.
Zum Gutachten hat die Klägerin vorgetragen, gegenüber gleichaltrigen Kindern sei im Gutachten ein Abzug von 88 Minuten vorgenommen worden. Die Höhe des Abzugs ergebe sich aus den Zeitrichtwerten der Begutachtungsrichtlinien. Bei diesen Zeitrichtwerten handele es sich nicht um wissenschaftlich ermittelte Werte, sondern lediglich um Schätzwerte. Gemäß einem Urteil des SG Mannheim vom 15.03.2002 - S 4 P 1197/01 - seien die Zeitrichtwerte der Begutachtungsrichtlinien für gesunde Kinder und für behinderte Kinder ab sechs Jahren nicht anzuwenden. Der pflegebedingte Mehraufwand sei vielmehr durch einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln, was vorliegend nicht geschehen sei. In dem zitierten Urteil seien lediglich 33 Minuten gegengerechnet worden.
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, das eingeholte Gutachten von Frau B. R. entspreche auch dem MDK-Gutachten vom 22.04.2003. Es würden sich für die Grundpflege fast identische anrechenbare Pflegezeiten ergeben. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits zu §§ 53 ff. SGB V a.F. entschieden, dass die Verwendung allgemeiner Erfahrenswerte zu der Frage, von welchem Alter an die Verrichtungen der Grundpflege von gesunden Kindern eigenständig erbracht werden, sachgerecht sein könne (BSG-Urteile vom 14.12.1994 - 3 RK 14/94 und vom 26.11.1998 - B 3 P 20/97 B).
Mit Urteil vom 23.09.2003 hat das SG den Bescheid vom 28.12. 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2001 insoweit abgeändert und ihn teilweise aufgehoben, als Leistungen nach der Pflegestufe II ab 01.09.2003 zu bewilligen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Kernproblem dieser Entscheidung sei, wie der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind gemäß § 15 Abs.2 SGB XI festzustellen sei. § 15 Abs.2 SGB XI gestatte wohl den pflegebedingten Mehraufwand durch eine einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln, als auch pauschale Abzüge entsprechend den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vorzunehmen. Somit seien auch pauschale Abzüge in Hinblick auf § 15 Abs.2 SGB XI, wie sie auf Seite 44 und 45 der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vorgegeben seien, möglich und nicht zu beanstanden. Der pauschale Abzug von 88 Minuten täglich im Gutachten von Frau B. R. sei somit grundsätzlich nicht zu beanstanden. Hier liege jedoch eine Ausnahmesituation vor. Die Kläger besuche seit dem Herbst 2002 die erste Klasse der Förderschule mit angeschlossener Tagesstätte in M ... Nach den Angaben der Mutter habe sich die Klägerin seit dem Schulbesuch etwas entwickelt und verbessert. Wenn sich der berücksichtigungsfähige Grundpflegebedarf im Laufe der letzten beiden Jahre dennoch um 20 Minuten erhöht habe, bedeute dies im Umkehrschluss, dass die Schere im Verhältnis zu einem gesunden gleichaltrigen Kind immer weiter auseinander gehe. Nachdem dies mit jedem Schuljahr deutlicher werde, habe es das erkennende Gericht für sachdienlich erachtet, in diesem Ausnahmefall auf den Beginn des zweiten Schuljahres im September 2003 abzustellen und ab dem 01.09.2003 Leistungen nach den Pflegestufe II zuzusprechen. Nachdem es sich bei den Zeitrichtwerten nicht um wissenschaftlich ermittelte Werte, sondern lediglich um Schätzwerte handle, sei es hier gerechtfertigt, nicht auf die absehbare Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe II mit Erreichen des 18. Lebensjahres abzustellen, sondern entsprechend den tatsächlichen Lebensumständen auf den Beginn des zweiten Schuljahres an der Förderschule im September 2003 (Fortführung von BSG mit Urteil vom 29.04. 1999 - B 3 P 7/9 R zur Ermittlung des Mehraufwandes für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung bei Kindern).
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiterhin Leistungen nach der Pflegestufe II ab Antragstellung. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein pauschaler Zeitabzug nicht statthaft sei, sondern durch einzelfallbezogene Schätzung zu ermitteln sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.09.2003 abzuändern und die Beklagte unter vollständiger Aufhebung des Bescheides vom 28.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2002 zu verurteilen, ihr Leistungen nach der Pflegestufe II bereits für die Zeit ab dem 01.07. 2001 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein pauschaler Zeitabzug gemäß den Zeitrichtwerten der Begutachtungsrichtlinien statthaft sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 23.09.2003 der Klägerin erst ab 01.09.2003 Leistungen nach der Pflegestufe II bewilligt. Denn für die Zeit zuvor - Antragstellung vom 13.07. 2001 bis zum Bewilligungszeitpunkt - lagen die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht vor.
Dies ist zu folgern aus den eingeholten Gutachten des MDK, welche die gerichtlich bestellte Sachverständige B. R. insgesamt in ihrem Gutachten bestätigt hat. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden, dass von den Sachverständigen ein Zeitabzug von 88 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind vorgenommen wurde. Dies entspricht den Vorgaben in den Begutachtungsrichtlinien. Diese sind zwar für die Gerichte nicht bindend, jedoch sind sie dann zu beachten, wenn sie sich an der maßgebenden gesetzlichen Grundlage orientieren und keine Aspekte erkennbar sind, die einer Anwendung der Richtlinien entgegen stehen. So spiegelt insbesondere das Gutachten von Frau B. R. den vorliegenden Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens wieder. Die maßgeblichen Defizite wurden dabei ausreichend berücksichtigt, so dass der abgezogene zeitliche Bedarf an Hilfe gesunder und altersentsprechend entwickelter Kinder nicht zu hoch angesetzt wurde. Bei dem festgelegten Höchstbedarf an Hilfe bei Kindern verschiedener Altersstufen in den maßgeblichen Bereichen der Körperpflege, Ernährung und Mobilität handelt es sich um einen kalkulierten Bedarf, welcher nicht individuell angepasst werden kann, da auch gesunde gleichaltrige Kinder einen unterschiedlichen Entwicklungsstand bzw. Selbständigkeitsgrad haben können.
Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.09.2003 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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