L 4 KR 111/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 796/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 111/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 13/04 R
Datum
Kategorie
Urteil

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Juni 2001 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2.908,67 EUR zuzüglich 4 % Zinsen aus - 252,88 EUR seit 01.08.1996 - 134,86 EUR seit 01.11.1996 - 392,16 EUR seit 01.11.1997 - 219,18 EUR seit 01.03.1998 - 196,34 EUR seit 01.04.1998 - 207,80 EUR seit 01.02.1999 - 146,11 EUR seit 01.10.1999 - 173,84 EUR seit 01.04.2000 - 146,17 EUR seit 01.10.2000 - 283,58 EUR seit 01.04.2001 - 166,10 EUR seit 01.10.2001 - 414,03 EUR seit 01.05.2002 - 175,62 EUR seit 01.01.2003 zu bezahlen.

III. Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Sonstige Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Behandlungskosten.

Die 1950 geborene Klägerin, die ihren Wohnsitz in T. (Israel) hat, ist seit 01.04.1971 als Ortskraft beim Beklagten versicherungspflichtig beschäftigt und arbeitet als Bibliothekarin in Teilzeit. Sie ist Pflichtmitglied bei der beigeladenen AOK Bayern.

Die Klägerin hat sich nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit von den israelischen Vorschriften befreien lassen. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (AOK-Bundesverband) hat mit Schreiben vom 16.02.1990 dem Beklagten mitgeteilt, dass die Klägerin seit 01.07.1989 für die Dauer ihrer Beschäftigung nach Zustimmung der zuständigen israelischen Behörde nicht den israelischen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit untersteht, sondern den deutschen Rechtsvorschriften unterstellt bleibt.

Zwischen dem Beklagten und der (damaligen) Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft - GEW - wurde am 19.11.1973 ein "Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten" geschlossen. Nach dessen § 2 Abs.1 gelten für die in § 1 genannten Angestellten die für die unter den Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland beschäf- tigten deutschen nicht entsandten Angestellten (TV Ang Ausland) vom 28.09.1973 fallenden Angestellten jeweils geltenden Tarifvorschriften als vereinbart, soweit nachstehend nicht etwas Abweichendes bestimmt ist. Bei der Anwendung der Vorschriften nach Satz 1 tritt an die Stelle des Bundes (Geschäftsbereich Auswärtiges Amt) das Goethe-Instut als Arbeitgeber. Dieser Tarifvertrag vom 28.09.1973 sieht in § 2 vor, dass für die in § 1 genannten Angestellten die für unter den Geltungsbereich der Anlage 2d zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) - Sonderregelung für Angestellte, die zu Auslandsdienststellen des Bundes entsandt sind - fallende Angestellte des Bundes jeweils geltenden Tarifvorschriften als vereinbart gelten, soweit nicht in diesem Tarifvertrag etwas Abweichendes bestimmt ist. Am 19.04. 1994 wurde zwischen dem Beklagten und der GEW ein neuer Tarifvertrag (TV Ang Auslang GI) geschlossen, der in § 6 eine Übergangsvorschrift für Beschäftigte enthält, die vom Tarifvertrag vom 19.11.1973 erfasst waren.

Nach dem Schreiben des Beklagten vom 12.12.1990 an die damalige AOK München, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist, haben die Beteiligten am 11.12.1990 zur abrechnungstechnischen Abwicklung der Kostenerstattung durch die AOK und die Beihilfeleistungen des Beklagten für die bei der Kasse versicherten Mitarbeiter des Beklagten im Ausland Folgendes vereinbart: "1. Die bei der AOK versicherten Mitarbeiter des Goethe-Instituts mit Dienstort im Ausland reichen der AOK zu Ihren Händen die Krankenkostenbelege zur Erstattung ein. Das Goethe-Institut informiert seine Mitarbeiter über die beim Antragsverfahren zu beachtenden Maßgaben (Spezifizierung der Belege, Angabe der Fremdwährung, Umrechnungskurse usw.). 2. Die Kostenerstattung durch die AOK erfolgt direkt an das Kassenmitglied. 3. Die AOK übersendet dem Goethe-Institut, Personalreferat/ Beihilfestelle, ..., die Leistungsabrechnung, die vom Goethe-Institut für die Festsetzung der Krankenbeihilfe herangezogen wird.

Damit die unter Ziffer 2) vereinbarte direkte Leistungsabwicklung zwischen AOK und Kassenmitglied wirksam werden kann, übersenden wir Ihnen als Anlage eine Erklärung, mit der das Goethe-Institut den Erstattungsanspruch gegenüber der AOK an die bei Ihnen versicherten Mitarbeiter des Goethe-Instituts abtritt. Eine Kopie unserer Mitarbeiterinformation über das vereinbarte Abrechnungsverfahren erhalten Sie in Kürze".

Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte der Beklagte der AOK München im Zusammenhang mit einer Erläuterung des § 17 Sozialgesetzbuch V noch Folgendes mit: "Da das Goethe-Institut für seine Mitarbeiter das Beihilferecht anwendet, sind wir aus abrechnungstechnischen Gründen damit einverstanden, den Erstattungsanspruch gegenüber der AOK an die bei Ihnen versicherten Mitarbeiter des Goethe-Instituts abzutreten, so dass die Leistungsabwicklung direkt zwischen AOK und den Kassenmitgliedern erfolgt".

Die Klägerin hielt sich an diese Abrechnungspraxis und die Beigeladene erstattete 70 % der Kosten. Die Restkosten wurden nur zur Hälfte vom Beklagten nach den Beihilferegelungen übernommen.

Die Klägerin erhob am 30.12.1999 Klage beim Sozialgericht München (SG) und beantragte, über die von der Beigeladenen erstatteten hinausgehenden Kosten für ärztliche Behandlungen 3.758,01 DM zuzüglich Zinsen zu erstatten. Der Beklagte habe ihr nur einen Teil der Kosten nach einer Beihilferegelung erstattet. Zum Beispiel habe die Beigeladene von den ärztlichen Behandlungskosten in Höhe von 5.572,49 DM 4.729,51 DM erstattet und der Beklagte 760,52 DM, so dass noch ein Betrag von 82,46 DM offen sei. Mit Schriftsatz vom 29.06.2000 hat die Klägerin für weitere Behandlungen 899,99 DM zuzüglich Zinsen gefordert.

Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 29.03.1999 und 18.07. 2000 eingewendet, die Klägerin habe als Angestellte in Krankheitsfällen Beihilfe in sinngemäßer Anwendung der Beihilfevorschriften erhalten. Bei deutschen, nicht entsandten Arbeitnehmern, die nach deutschem Recht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert seien, erhöhe sich der Beihilfebemessungssatz auf 100 %. Vor Berechnung der Beihilfe seien gewährte Leistungen abzuziehen. Damit seien nur die nach Erstattung der Krankenversicherung verbleibenden Restkosten beihilfefähig. Grundsätzlich würden auch im Ausland als Ortskräfte beschäftigte vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer des Beklagten 100 % der Restkosten erstattet erhalten. Jedoch bestimme § 40 Abs.2 BAT, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Beihilfe lediglich anteilig zu ihrem Beschäftigungsumfang erhalten. Die von der Klägerin herangezogene Anspruchsgrundlage des § 17 SGB V sei auf sie nicht anzuwenden, da sie als Ortskraft und damit freiwillig im Ausland tätig und nicht entsandt worden sei. Vorsorglich werde auch die Höhe des Anspruchs bestritten, die Einrede der Verjährung geltend gemacht und im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Ansprüche nach § 70 BAT nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 18.08.2000 mitgeteilt, sie habe ihre Erstattungen zeitnah und mit befreiender Wirkung jeweils direkt an die Klägerin vorgenommen. Zum Klageinhalt könne sie keine weiteren Stellungnahmen abgeben.

Das SG hat mit Urteil vom 06.06.2001 die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin werde als im Ausland ansässige und dort angestellte Arbeitnehmerin vom Anwendungsbereich des § 17 SGB V nicht erfasst. Sinn dieser Vorschrift sei es, den- jenigen Arbeitnehmern, die durch Anordnung des Arbeitgebers außerhalb des Geltungsbereiches des SGB V beschäftigt würden, ihre Ansprüche nach dem SGB V zu erhalten. Ursache für die der Klägerin bisher verbliebenen Eigenanteile sei außerdem nicht ein Leistungsausfall der Beigeladenen, sondern die Kürzung des Beihilfeanspruches der Klägerin gemäß § 40 BAT infolge der Teilzeitbeschäftigung. Vorliegend bestehe eine Leistungsverpflichtung infolge des hinzutretenden Beihilfeanspruchs der Klägerin nur zu 70 %. In dieser Höhe sei der Beklagte bzw. die Beigeladene ihrer Leistungspflicht bereits vollständig nachgekommen. Ein Leistunsausfall, der über § 17 SGB V zu beheben wäre, könne nicht erkannt werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 16.07. 2001, mit der sie an ihrer bisherigen Auffassung festhält. Sie macht geltend, der Beklagte habe ihr wegen weiterer nicht erstatteter Behandlungskosten 5.035,32 EUR zuzüglich Zinsen zu erstatten. § 17 SGB V sei auch auf so genannte Ortskräfte, also Arbeitnehmer, die nicht entsandt worden seien, anzuwenden.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.05.2003 dieser Ansicht erneut widersprochen. Zwar erhöhe sich bei den deutschen nicht entsandten Angestellten, die nach deutschem Recht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert seien, der Beihilfesatz auf 100 %, aber nach § 40 Abs.2 BAT würden teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer Beihilfe lediglich anteilig zu ihrem Beschäftigungsumfang erhalten. § 17 SGB V sei auf den Fall der Klägerin nicht anzuwenden. Außerdem sei die Ausschlussfrist gemäß § 70 BAT zu berücksichtigen und es werde auch Verjährung eingewendet. Dies gelte insbesondere für die geltend gemachte Erstattung in Höhe von 232,05 EUR (Antrag vom 28.05.1996) sowie in Höhe von 532,39 EUR (Antrag vom 16.06. 1999), die erst mit der Berufung geltend gemacht worden seien.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13.12.2003 nunmehr Behandlungskosten in Höhe von 2.908,67 EUR nebst Zinsen geltend gemacht und, soweit ein höherer Erstattungsbetrag beantragt war, diesen Antrag zurückgenommen. Die für die Berechnung der Beihilfe berücksichtigten Leistungseinschränkungen seien unstreitig. Es seien nur noch restliche Erstattungen für erstattungsfähige Anteile von Behandlungskosten anhängig, die der Beklagte als beihilfefähig erkannt habe. Die Beihilferegelungen seien nur subsidiär anzuwenden. Sie kämen dann zum Tragen, wenn und soweit sie günstiger als die gesetzlichen Leistungen seien, die nicht durch die Krankenversicherung oder durch Leistungen gedeckt seien, die dem Arbeitgeber gesetzlich auferlegt seien. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin und der Beklagte die Höhe der Behandlungskosten (2.908,67 EUR) unstreitig gestellt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.06.2001 auf- zuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 2.908,67 EUR nebst jeweils 4 % Zinsen aus 252,88EUR seit 01.08.1996, 134,86 EUR seit 01.11.1996, 392,16 EUR seit 01.11.1997, 219,18 EUR seit 01.03.1998, 196,34 EUR seit 01.04.1998, 207,80 EUR seit 01.02.1999, 146,11 EUR seit 01.10.1999, 173,84 EUR seit 01.04.2000, 146,17 EUR seit 01.10.2000, 283,58 EUR seit 01.04.2001, 166,10 EUR seit 01.10.2001, 414,03 EUR seit 01.05.2002 und 175,62 EUR seit 01.01.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten des SG und der Beigeladenen. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.). Da es sich im vorliegenden Fall um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich der Erstattung von Behandlungskosten auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches V (SGB V), handelt, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (§ 51 Abs.1 Nr.2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin die geltend gemachten Behandlungskosten von 2.908,67 EUR, deren Höhe unstreitig ist, zuzüglich der geforderten Zinsen zu erstatten.

Anspruchsgrundlage ist § 17 Abs.1 SGB V. Danach erhalten Mitglieder, die im Ausland beschäftigt sind und während dieser Beschäftigung erkranken, die ihnen nach diesem Kapitel zustehenden Leistungen von ihrem Arbeitgeber. Satz 1 gilt entsprechend für die nach § 10 versicherten Familienangehörigen, soweit sie das Mitglied für die Zeit dieser Beschäftigung begleiten oder besuchen. § 17 Abs.2 SGB V regelt, dass die Krankenkasse dem Arbeitgeber die ihm nach Abs.1 entstandenen Kosten bis zu der Höhe zu erstatten hat, in der sie im Inland entstanden wären.

Obwohl die Klägerin ihren Wohnsitz in Israel hat und eine Entsendung durch den Beklagte nach Israel nicht vorliegt (§ 3 Nr.1, § 4 Abs.1 Sozialgesetzbuch IV), ist § 17 SGB V anwendbar. Die Klägerin wird von der Beigeladenen zu Recht als pflichtversichertes Mitglied geführt. Denn sie hat nach Art.10 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17.12.1973 (vgl. Gesetz zu dem Abkommen vom 03.03.1975, BGBl.II Nr.14/1975 S.245) die Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechts gewählt. Nach dieser Vorschrift kann auf gemeinsamen Antrag des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers oder auf Antrag der gleichgestellten Person im Sinne des Art.8 die zuständige Behörde oder die von ihr bezeichnete Stelle des Vertragsstaates, dessen Rechtsvorschriften nach den Art.5 bis 9 anzuwenden wären, die Befreiung von diesen Rechtsvorschriften zulassen, wenn die in Betracht kommende Person den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates unterstellt wird. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahme zu Art.5 des Abkommens, wonach die Versicherungspflicht von Arbeitnehmern sich grundsätzlich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates richtet, in dessen Gebiet sie beschäftigt sind; dies gilt auch, wenn sich der Arbeitgeber im Gebiet des anderen Vertragsstaates befindet.

§ 17 Abs.1 SGB V, der eine begrenzte Ausnahme zu dem Ruhenstatbestand des § 16 Abs.1 Nr.1 SGB V enthält, hat folgenden Zweck: Da die Krankenkassen auf die Leistungserbringung im Ausland keinen Einfluss haben, wird der Arbeitgeber in die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht genommen und hat seinerseits einen Anspruch auf Ausgleich des finanziellen Aufwandes gegen die Krankenkasse seines Arbeitnehmers. Hierbei ist § 17 SGB V grundsätzlich auf Staaten begrenzt, mit denen keine Sozialversicherungsabkommen bestehen (Kasseler Kommentar-Peters, § 17 SGB V, Rdnr.2; Hauck-Haines, § 17 SGB V, Rdnr.1b; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 17 Rz.8 m.w.N. und Hinweisen auf die Vorgängervorschriften der §§ 221, 222 Reichsversicherungsordnung). Auch wenn im vorliegenden Fall ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel geschlossen worden ist, wird dadurch die Anwendung des § 17 SGB V nicht ausgeschlossen, da die Klägerin nach der oben genannten Bestimmung des Abkommens die Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts gewählt und damit einen Zustand herbeigeführt hat, der dem Fehlen eines Sozialversicherungsabkommens gleichzustellen ist.

Nach der Konzeption des Gesetzgebers enthält § 17 Abs.1 SGB V einen besonderen Fall der Leistungsaushilfe durch den Arbeitgeber, der im begrenzten Umfang die Funktion der Krankenkasse übernimmt. Denn die Krankenkasse kann im Ausland Sachleistungen kaum erbringen und der Versicherte hat bei einer Beschäftigung im vertragslosen Ausland engere Beziehungen zu seinem Arbeitgeber aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht, als zur Krankenkasse (Kasseler Kommentar-Peters, a.a.O.; Hauck-Haines, a.a.O., Rdnr.7; Igl, GK-SGB V, § 17, Rz.4; Peters, a.a.O., Rdnr.8; zum früheren Recht Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Februar 1975, § 221 RVO, Anm.1.). Daher hat es der Arbeitgeber in der Hand, etwa durch ortsansässige Vertragsbehandler oder andere Maßnahmen auf die Behandlungskosten Einfluss zu nehmen.

Die hier noch offenen Restkosten der ärztlichen Behandlungen sind dadurch entstanden, dass die Beihilfe des Beklagten aufgrund der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin nicht die vollen Kosten der Krankenbehandlung übernommen hat und der der Klägerin abgetretene Erstattungsanspruch gemäß § 17 Abs.2 SGB V gegen ihre Krankenkasse sich der Höhe nach nicht mit dem originären Erstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber nach § 17 Abs.1 SGB V deckt. Nach dem Tarifvertragsrecht hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Beihilfeanspruch (§ 6 Abs.1 Satz 2 Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten des Goethe-Instituts vom 19.04.1994 - TV Ang Ausland GI - i.V.m. § 2 Abs.1 des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten vom 19.11.1973 und § 2 Abs.1 des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei Auslandsvertretungen in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten vom 28.09. 1973 - TV Ang Ausland -). Danach hat der Beklagte § 40 BAT angewendet, der nicht voll beschäftigten Angestellten von der errechneten Beihilfe den Teil gewährt, der dem Verhältnis entspricht, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten zu der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit steht.

Ob diese Vorschrift eine unzulässige Differenzierung darstellt (vgl. Hamer, Bundes-Angestelltentarifvertrag, 2. Auflage, § 40 Rdnr.4 m.w.N.) kann hier dahinstehen, da der Beklagte die noch offenen Behandlungskosten über § 17 Abs.1 SGB V zu erstatten hat. Der auf Erstattung der Restkosten gerichtete Anspruch ist durch die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Beklagten nach § 17 Abs.2 SGB V an die Klägerin nicht erloschen. Zwar ergibt sich aus den Akten keine ausdrückliche Erklärung, dass die Klägerin mit dieser Abtretung einverstanden gewesen ist, aber da sie ihre Ansprüche offensichtlich jahrelang gegen die Beigeladene geltend gemacht hat, ergibt sich konkludent ihr Einverständnis mit der Abtretungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und der AOK München.

Diese Abtretung steht auch im Einklang mit § 53 Abs.2 Nrn.1 und 2 Sozialgesetzbuch I (SGB I) und ist somit rechtlich nicht zu beanstanden. Danach können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen werden: 1. Zur Erfüllung oder Sicherung von Ansprüchen aus Rückzahlung von Darlehen und Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind, oder 2. wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit dieser Abtretung ist konkludent der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten nach § 17 Abs.1 SGB V in der Höhe erloschen, soweit er mit dem abgetretenen Anspruch nach § 17 Abs.2 SGB V deckungsgleich ist. Denn Sinn der Abtretungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und der AOK München ist eine Verwaltungsvereinfachung für den Beklagten und die Krankenkasse. Die Verwaltungsvereinbarung sollte jedoch nicht dazu führen, der Klägerin einen zusätzlichen Anspruch auf Kostenerstattung der ärztlichen Behandlung zu verschaffen. Die Vereinbarung wirkt sich auf die versicherten Ortskräfte in dem Sinn aus, dass sie den Kostenerstattungsanspruch nicht mehr gegen den Arbeitgeber, sondern unmittelbar gegen die Krankenkasse geltend zu machen haben. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch nach § 17 Abs.1 SGB V gegen den Arbeitgeber nicht mehr in der Höhe bestehen kann, als die Krankenkasse die Kosten der ärztlichen Behandlung übernimmt. Bezüglich der restlichen Kosten bleibt der Anspruch nach § 17 Abs.1 SGB V erhalten.

Die Ansprüche nach § 17 Abs.1 und Abs.2 SGB V sind nicht deckungsgleich, so dass auch durch die hier vorgenommene Abtretung des Anspruchs nach § 17 Abs.2 SGB V für den Versicherten, wie hier, noch ein Restanspruch nach § 17 Abs.1 SGB V gegen den Arbeitgeber verbleibt. Für diese Auffassung des Senats sprechen folgende Gründe: Der Arbeitgeber ist nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 17 Abs.1 SGB V originärer Schuldner des Anspruchs auf Kostenerstattung und nicht nur eine Anlaufstelle des Versicherten zur Bearbeitung dessen krankenversicherungsrechtlicher Angelegenheiten. Anderenfalls hätte es der Konstruktion der Erstattungsansprüche des Versicherten gegen den Arbeitgeber gemäß § 17 Abs.1 SGB V und des Arbeitgebers gegen die Krankenkasse gemäß § 17 Abs.2 SGB V nicht bedurft. Vielmehr enthält § 17 Abs.1 SGB V als Ausnahme vom Sachleistungsprinzip (§ 2 SGB V) eine krankenversicherungsrechtliche Einstands- pflicht des Arbeitgebers. Der Erstattungsanspruch gemäß § 17 Abs.1 SGB V ist die Folge der Leistungsverpflichtung für eine privatärztliche Behandlung, also eine selbstbeschaffte Leistung, die nicht auf der Grundlage der GOÄ abgerechnet wird. Insoweit geht dieser Anspruch über den allgemeinen Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs.3 SGB V hinaus. Daraus wird deutlich, dass er zu einer Kostenbelastung des Arbeitgebers führen kann, die die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse überschreitet. § 17 Abs.1 SGB V regelt daher den Ausgleich einer Systemstörung, die darin besteht, dass die Krankenkasse ihren durch Beiträge finanzierten Sicherstellungsauftrag zur Durchführung der Krankenbehandlung nach dem Sachleistungsprinzip (§§ 2 Abs.1, 2, 4 Abs.4 i.V.m. § 72 Abs.1, 2 SGB V) im Ausland nicht erfüllen kann, während der Arbeitgeber durch den Auslandseinsatz des in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmers in der Regel einen wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteil hat. Durch die Tätigkeit eines in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmers im Ausland kann im Allgemeinen für die Krankenkassen ein höheres Risiko bezüglich der Erkrankungen und der Höhe der Behandlungs- kosten eintreten, das von dem typischen Risiko abweicht, das die gesetzlichen Krankenkassen für ihre Mitglieder im Inland übernehmen. Da aber die Krankenversicherungsbeiträge lediglich auf die Sicherstellung der Krankenversorgung im Inland abgestellt sind, soll der Arbeitgeber als Nutznießer der Arbeitskraft für das durch den Auslandseinsatz erhöhte Risiko die Kosten tragen, die generell dadurch verursacht sind. Für das Abweichen der Ansprüche nach § 17 Abs.1 und Abs.2 SGB V spricht auch der Wortlaut des § 17 Abs.2 SGB V, wonach die Krankenkasse dem Arbeitgeber die Kosten "bis zu der Höhe zu erstatten hat, in der sie im Inland entstanden wären". Auch hieraus ergibt sich, dass die Ansprüche in der Höhe nicht deckungsgleich sein müssen.

Auch im Schriftum wird verschiedentlich angenommen, dass der Erstattungsanspruch des Versicherten gegen den Arbeitnehmer gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V über den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Krankenkasse nach § 17 Abs.2 SGB V hinausgehen kann (z.B. Kasseler Kommentar-Peters, a.a.O., Rdnr.7; GKV-Kommentar (Zipperer), § 17, Rdnr.8a, 9; anderer Ansicht offensichtlich Hauck-Haines, a.a.O., Rdnr.9; Peters, a.a.O., Rdnr.28). Das BSG hat bereits mit Urteil vom 09.03.1982 (BSGE 53, 150 = USK 82184) zur früheren Rechtslage (§§ 221, 222 RVO) entschieden, dass der Versicherte die Kostenerstattung unmittelbar von der Krankenkasse verlangen kann, wenn die Kosten von ihm, also nicht von seinem Arbeitgeber getragen worden sind. In der Literatur wird daraus die Folgerung gezogen, es wäre unvernünftig, zwei Erstattungsvorgänge (Arbeitgeber an Versicherten, Krankenkasse an Arbeitgeber) ablaufen zu lassen und daher die direkte Erstattung für zulässig gehalten (Peters, a.a.O., Rdnr.29; Hauck-Haines, a.a.O., Rdnr.10; Heinze, Gesamtkommentar, SGB V, § 17 Anm.5; Igl, GK-SGB V, § 17 Rz.14; aA Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 17 SGB V, Rdnr.4 unter Hinweis auf BT-Drucksache 11/3480 S.147).

Dagegen kann nicht mit Recht eingewendet werden, dass unter § 17 SGB V nur vom Arbeitgeber in das Ausland entsandte Versicherte fallen und die Klägerin als sogenannte Ortskraft vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeschlossen ist. Denn der dargelegte Normzweck gilt auch für nicht entsandte Mitglieder, da es im Rahmen des § 17 Abs.1 SGB V nach dem Wortlaut der Bestimmung insoweit lediglich auf die Beschäftigung im Ausland ankommt und nicht darauf, ob der Versicherte entsandt worden ist oder bereits vor Beginn der Beschäftigung seinen Wohnsitz im Ausland gehabt hat.

Dass es auf die Frage der Entsendung nicht ankommt, ergibt sich ebenso aus § 17 Abs.1 Satz 2 SGB V, wonach der Kostenerstattungsanspruch auch für die familienversicherten Angehörigen besteht, soweit sie das Mitglied für die Zeit dieser Beschäftigung begleiten oder besuchen. Damit hat der Gesetzgeber Versicherten einen Kostenerstattungsanspruch zugestanden, die vom Arbeitgeber nicht entsandt worden sind. Würde den nicht entsandten im Ausland beschäftigten Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch nach § 17 Abs.1 SGB V von vornherein versagt werden, läge ein mit Art.3 Abs.1 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbarender Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, da es an einem ausreichenden Differenzierungsgrund, d.h. jedweder vernünftigen Erwägung (Jarass/Pieroth, GG, 2004, Art.3, Rdnr.14 ff., m.w.N. der Rspr. des BVerfG) fehlt, einem im Ausland beschäftigten, aber nicht entstandten Mitglied, das Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlt (§ 3 Sätze 1, 2 SGB V), die Erstattung der Krankenbehandlungskosten zu verweigern, während der familienversicherte Angehörige eines entsandten Mitglieds, der beitragsfrei versichert ist (§ 3 Satz 3 SGB V), die entsprechenden Kosten erstattet erhielte.

Im vorliegenden Fall sind die Leistungsvoraussetzungen des § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V bezüglich der noch offenen Restkosten erfüllt. Die Klägerin ist Pflichtmitglied bei der Beigeladenen und von ihrem Arbeitgeber (Beklagten) im Ausland beschäftigt. Sie ist dort erkrankt und hat Aufwendungen für die Krankenbehandlung getätigt, wobei es in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung ist, ober der Versicherungsfall Krankheit im In- oder Ausland eingetreten ist. Rechtsfolge, d.h. Inhalt des Erstattungsanspruch nach § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V, ist die Erstattung der Kosten für die Krankenbehandlung der Klägerin, aber nicht ihrer Familienangehörigen, da für sie der Tatbestand des § 17 Abs.1 Satz 2 SGB V (Begleitung in das Ausland oder Besuch) nicht zutrifft. Die Leistungsverpflichtung erstreckt sich nach dem Wortlaut des § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V auf die den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung "nach diesem Kapitel zustehenden Leistungen". Da § 17 SGB V als eine der "Gemeinsamen Vorschriften" im 3. Kapitel "Leistungen der Krankenversicherung" enthalten ist, umfasst der Erstattungsanspruch sämtliche der gleichfalls im 3. Kapitel in § 11 SGB V geregelten Leistungsarten, also im vorliegenden Fall die Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52; vgl. § 11 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB V). Damit gelten die in §§ 27 ff. geregelten Leistungseinschränkungen und -modifikationen wie Eigenanteile, Zuzahlungen, Festbeträge für den Erstattungsanspruch nach § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V.

Allerdings kann der Beklagte der Klägerin nicht mit Recht entgegenhalten, dass er gemäß § 40 Abs.2 BAT für nicht vollbeschäftige Angestellte nur eine geringere Beihilfe bei Krankheitsfällen und zwar im Verhältnis der persönlichen wöchentlichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit zu zahlen habe. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine im SGB V geregelte Leistungseinschränkung bzw. -modifikation. Wegen des verfassungsrechtlichen Vorranges des Gesetzes (Art.20 Abs.3 GG) ist der Beklagte an § 17 Abs.1 Satz 1 SGB V gebunden, ohne dass er seine Leistungsverpflichtung aufgrund des § 40 Abs.2 BAT vermindern könnte. Die tarifvertraglichen Vorschriften des BAT können mit gesetzlichen Bestimmungen in Konkurrenz stehen. Von gesetzlichen Vorschriften können Tarifverträge immer zu Gunsten des Arbeitnehmers abweichen. Es gelten dann die günstigeren Tarifnormen. Ein Gesetz, das dies verbieten wollte, würde gegen Art.9 Abs.3 GG verstoßen und wäre insofern nichtig. Weicht ein Tarifvertrag zu Ungunsten des Arbeitnehmers von zwingendem Gesetzesrecht ab, werden seine für den Arbeitnehmer ungünstigeren Normen insoweit von der gesetzlichen Schutzvorschrift verdrängt (Hamer, a.a.O., § 1, Rdnr.5). Die nach § 17 Abs.1 SGB V gegebenen Ansprüche sind nicht verjährt (§ 45 SGB I), da sie innerhalb von vier Jahren geltend gemacht wurden.

Der außerdem geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf § 44 SGB I. Nach Abs.1 dieser Bestimmung sind Ansprüche aus Geld- leistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Nach Abs.2 beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts- sache die Revision zugelassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).

Rechtskraft
Aus
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