L 14 RA 251/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 180/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 251/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung des 1927 geborenen und am 07.01.2000 verstorbenen ehemaligen Ehegatten der Klägerin streitig.

Die 1933 geborene Klägerin, eine gelernte Kauffrau, war seit dem 31.08.1957 mit dem Versicherten H. , einem Exportkaufmann, verheiratet. Durch das am 04.04.1968 rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts Köln vom 04.04. 1968 wurde die Ehe aus beiderseitigem (gleichen) Verschulden geschieden. Die elterliche Gewalt für das gemeinsame, 1958 geborene Kind R. wurde - entsprechend einer früheren Vereinbarung - der Mutter mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 05.12.1968 übertragen. In dem dem Landgericht Köln für den Fall der rechtskräftigen Scheidung vorgelegten Vergleich verzichteten die Klägerin und der Versicherte beiderseits auf Unterhalt für die Vergangenheit und für die Zukunft. Daneben verpflichtete sich der Versicherte zur Unterhaltszahlung in Höhe von 200,00 DM monatlich an das Kind R. sowie zur Zahlung des Zugewinnausgleichs an die Klägerin in Höhe von insgesamt 2.000,00 DM. Daneben erhielt die Klägerin einen Teil des Hausrats und elf Aktien zum Nennwert von je 50,00 DM.

Laut Versicherungsverlauf der Beklagten und den sonstigen vom Versicherten an die Beklagte eingereichten Unterlagen stand der frühere Ehemann, ein Vertriebener, seit dem 01.09.1947 im Erwerbsleben (Arbeiterrentenversicherung von September 1947 bis Juni 1951, Angestelltenversicherung von Juli 1951 bis Okto- ber 1980), und zwar durchgehend vom 01.07.1958 bis 31.03.1971 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B. AG (ab 15.09.1969 bei der Tochterfirma S.) und vom 01.04.1971 bis 31.10.1980 bei der Firma T ... Beruflich bedingt hielt er sich mehrmals im Ausland auf, von August 1954 bis November 1955 in Canada, von Februar 1961 bis Februar 1964 sowie von April 1965 bis September 1966 in Nigeria und von September 1969 bis Februar 1971 in Südafrika.

Der Versicherte, seit März 1976 als Schwerbehinderter bei einem GdB um 50 anerkannt, erzielte im Jahre 1968 ein versicherungspflichtiges Jahresentgelt von 19.200,00 DM und vom 01.01. bis 31.10.1980 ein Entgelt von 41.300,00 DM, damit im Jahre 1968 1.600,00 DM brutto (laut Sozialgericht irrigerweise 1.600,00 DM netto).

Ab 01.07.1980 bezog er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in anfänglicher Höhe von 941,20 DM und ab 01.01.1993 eine Altersrente von anfänglich 1.587,19 DM (2.167,61 DM Altersrente abzüglich Krankenversicherungsbeitrag und abzüglich eines Teils der zwischenzeitlich bezogenen Rente wegen Berufskrankheit von damals 2.822,60 DM). Das Altersruhegeld betrug vor seinem Tode am 07.01.2000 1.304,70 DM netto bei anteiliger Anrechnung einer Verletztenrente von 3.941,49 DM.

Laut Akten der Berufsgenossenschaft wurde bei ihm wegen einer im Jahre 1962 erlittenen Amöbenruhr eine Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse als Berufskrankheit festgestellt (MdE 30 v.H. ab April 1963, 50 v.H. ab Sepember 1966, 30 v.H. ab März 1967, 50 v.H. ab August 1977, 70 v.H. ab September 1978, 80 v.H. ab Februar 1980, 90 v.H. ab September 1995 und 100 v.H. ab Februar 1996); seitens der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie erfolgten nach Rentenvorschüssen im Mai und Juli 1968 erstmals im November 1968 die Einweisung einer laufenden Rente sowie die Rentennachzahlung. Vor dem Tode bezog er (ab 01.07.1999) Rente von 3.941,49 DM monatlich zuzüglich 871,97 DM monatlich Pflegegeld wegen einer im März 1999 erfolgten Vorfußamputation.

Die Klägerin hatte von August 1947 bis Januar 1958 eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt; nach der Scheidung war sie im Mai und Juni 1968 teilzeitbeschäftigt bei einem monatlichen Entgelt von 350,00 DM. Im Juli verzog sie mit ihrem Kind von Köln nach Nürnberg, weil ihre Eltern dort lebten und das Kind beaufsichtigen konnten. Vom 05.08.1968 bis 30.09.1980 war sie in Vollzeit beschäftigt bei der Firma S. als Disponentin; weiterhin war sie vom 01.10.1980 bis 30.04.1995 selbständig als Vermittlerin von Versicherungs- und Bausparverträgen tätig (freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung vom 01.01.1984 bis 31.08.1993).

Seit 01.04.1996 bezieht sie eine Altersrente für langjährig Versicherte von anfänglich 1.166,13 DM netto; die Rente betrug vor dem Tode des Versicherten 1.124,15 DM nach Abzug von Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Außerdem kam ihr der halbe Mietwert einer im Jahre 1997 gemeinsam mit dem Lebensgefährten erworbenen und benutzten Eigentumswohnung in Nürnberg mit 70 Quadratmeter zugute.

Im Oktober 1998 fragte die Klägerin bei der Beklagten unter Bezug auf einen Artikel in der "Bild am Sonntag" wegen künftiger Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, unter anderem mit notariellem Partnervertrag mit dem Lebensgefährten und eventuell späterer Heirat, bei der Beklagten an, ob sie im Fall des Ablebens des Versicherten Geschiedenenwitwenrente erhalte. Sie legte hierzu Unterlagen vor und gab zur Begründung des gegenseitigen Unterhaltsverzichts im Jahre 1968 an, der Versicherte habe sie indirekt zum Verzicht gezwungen mit der Drohung, anderenfalls seine Anstellung aufzugeben und die Dauer der Scheidung unnötig und erschwerend in die Länge zu ziehen. Es sei ihr damals klar gewesen, dass sie ihren Unterhalt allein bestreiten könne. Mit Schreiben vom 29.10.1998 teilte ihr die Beklagte mit, dass Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach Sachlage nicht zustehe, und begründete dies.

Am 18.01.2000 beantragte die nicht wieder verheiratete Klägerin unter Vorlage von Unterlagen Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen und bis zum Tode ebenfalls nicht wieder verheirateten Ehegattens. Im Zusatzfragebogen gab sie an, dass sie zwangsläufig auf den Unterhalt verzichtet habe, weil der Verstorbene sonst der Scheidung nicht zugestimmt hätte. Auch der psychische Druck, die Beschleunigung des Scheidungsverfahrens und die Empfehlung des Rechtsanwalts seien hierfür ausschlaggebend gewesen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.03.2000 lehnte die Beklagte die Rentengewährung gemäß § 243 des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI) ab, weil in den Fällen, in denen aufgrund eines Unterhaltsverzichts zu Lebzeiten des Versicherten ein Unterhaltsanspruch nicht bestanden habe, die Geschiedenenrente nicht an die Stelle eines bis zum Tode des Versicherten bestehenden Unterhaltsanspruchs treten könne. Etwas anderes könne nur für die Fälle gelten, in denen der Unterhaltsverzicht eine rein deklaratorische Wirkung habe, das heißt, in denen auch ohne einen Verzicht ein Unterhaltsanspruch nicht bestanden hätte. Hiervon sei jedoch vorliegend gerade nicht auszugehen, da - ent- sprechend den Schilderungen der Klägerin - ihr früherer Ehemann einen entscheidenden Wert auf die Abgabe dieser Erklärung gelegt habe. Des Weiteren bestehe ein Anspruch auch noch aus einem anderen Grunde nicht. Die Ehe sei aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden. In einem solchen Falle bestehe nach dem damaligen Scheidungsfolgenrecht ein Unterhaltsanspruch nur im Rahmen der sog. Billigkeit. Ein solcher Billigkeitsanspruch sei in der Regel zeitlich eng befristet gewesen und daher im vorliegenden Falle auszuschließen, da zwischen dem Zeitpunkt der Scheidung und dem Tod des Versicherten mehr als 30 Jahre lägen.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass ihr Unterhaltsverzicht rentenunschädlich gewesen sei. Sie habe weder zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Unterhaltsverzichts noch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten einen Unterhaltsanspruch gegen diesen gehabt, weil sie sich stets selbst versorgt habe und nicht unterhaltsbedürftig gewesen sei. Der Versicherte sei damals auch nicht leistungsfähig gewesen, weil er einen erheblichen Eigenanteil der Behandlungskosten für eine medizinische Spezialbehandlung seiner chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung habe tragen müssen. Ein Vermögen sei damals nicht gebildet worden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.03.2001 zurückgewiesen und zur Ergänzung der Begründung eines rentenschädlichen Unterhaltsverzichts angegeben, dass nicht nachgewiesen sei, dass im April 1968 für die Klägerin und für den Versicherten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen gewesen sei, dass es einmal in der Zukunft - ohne Verzicht - zu einem Unterhaltsanspruch hätte kommen können. Aus den von der Klägerin geschilderten Umständen werde vielmehr deutlich, dass der Versicherte einen entscheidenden Wert auf den Verzicht gelegt habe, um auch in Zukunft vor Unterhaltsansprüchen sicher zu sein.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg verfolgte die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter und betonte erneut, der Unterhaltsverzicht sei nicht rentenschädlich gewesen, weil ein Unterhaltsanspruch ihrerseits mangels Bedürftigkeit zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Bereits vier Monate nach Rechtskraft des Scheidungsurteils habe sie in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis gestanden. Damit habe sie auf nichts verzichtet, auf das sie realiter einen Anspruch gehabt hätte. Ihr Unterhaltsanspruch sei ausschließlich aufgrund ihrer eigenen Erwerbstätigkeit entfallen und weder durch den Verzichtsvertrag noch durch das Scheidungsurteil bei beiderseitigem Verschulden ausgeschlossen. Maßgebender Grund für ihren Verzicht sei gewesen, dass sie nicht gegenüber dem Ehemann unterhaltspflichtig werde, zumal dieser gedroht habe, seine Anstellung aufzugeben.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 19.10.2001 ab. Hierbei ging es unter anderem davon aus, dass im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten nicht nur wegen fehlender eigener Bedürftigkeit (Bezug von Altersrente aus eigener Versicherung) nicht bestanden habe, sondern auch wegen § 60 des Ehegesetzes (EheG), nach dem bei Scheidung aus beiderseitigem gleichen Verschulden dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten könne, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugesprochen werde, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspreche. In erster Linie und grundsätzlich bestehe aber eine Unterhaltspflicht der Verwandten und nur subsidiär des geschiedenen Ehegatten. Falls die Klägerin im Jahre 1999 bedürftig gewesen wäre, wäre daher zunächst ihr Sohn R. zum Unterhalt verpflichtet gewesen. In Hinblick auf seine Tätigkeit als Diplom-Ingenieur bei der E. sowie der auch zum Teil erwerbstätigen Ehefrau (selbständige Diplom-Psychologin) bestünden auch unter Berücksichtigung der Geburt eines Kindes am 11.09.1999 keinerlei Anhaltspunkte für eine Leistungsunfähigkeit des Sohnes. Zum anderen stehe einem Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente auch der Unterhaltsverzicht entgegen, der sich nicht als "leere Hülse" darstelle und daher unbeachtlich sei. Die hierfür vom Bundessozialgericht aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Allein Erwerbseinkommen oder eine entsprechende Ersatzleistung (Regelaltersrente) seien nicht Ursache dafür gewesen, dass sie am 04.04.1968 oder im Jahre 1999 gegen den Versicherten keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gehabt habe. So habe sie zum Zeitpunkt der Scheidung infolge der lediglich stundenweisen Erwerbstätigkeit über kein erhebliches Arbeitseinkommen verfügt. Der Unterhaltsanspruch sei daher nicht wegen eigenen Erwerbseinkommens, sondern wegen des Erhalts eines Teils des Zugewinnausgleichs in Höhe von 1.000,00 DM entfallen. Im Übrigen wären nach § 60 EheG auch ihre Eltern, die nach den Angaben der Klägerin keine weiteren Kinder mehr zu unterhalten hatten, vorrangig unterhaltspflichtig gewesen. Anhaltspunkte für eine fehlende Leistungsfähigkeit lägen nicht vor, und im Jahre 1999 wäre bei Wegdenken des laufenden Bezugs der Regelaltersrente auch der Sohn der Klägerin, wie bereits ausgeführt, unterhaltspflichtig gewesen. Ferner hätten die Klägerin und der Versicherte bei der erforderlichen Prognose für die Zukunft den Wegfall des Einkommens aus Erwerbstätigkeit als ausgeschlossen betrachten müssen. Dies sei hier gerade aber nicht der Fall gewesen. Da der Versicherte nach den mehrfach glaubhaften Angaben der Klägerin drohte, nach der Scheidung seine Anstellung aufzugeben, sei es jener vielmehr gerade darauf angekommen, die ihr drohende Unterhaltspflicht für den Versicherten als Risiko auszuschalten. Gewollt sei daher ein unbedingter konstitutiver Unterhaltsverzicht gewesen.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht die Bevollmächtigte der Klägerin geltend, es hätten vielfältige Motive zum Abschluss des Verzichtsvertrags vom 04.04.1968 bestanden, die das Sozialgericht in seinem Urteil zwar nicht falsch, jedoch auch nicht abschließend berücksichtigt habe. Vorliegend komme es auf die eigene Versichertenrente der Klägerin ebenso wenig an wie auf die Einkunftsverhältnisse ihres Sohnes, vielmehr müssten die Anspruchsvoraussetzungen des § 243 SGB VI erfüllt sein. Diese lägen vor. Der Unterhaltsverzicht sei unerheblich, weil im Zeitraum der Verzichtserklärung objektiv nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass die Klägerin jemals einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten haben würde. Den Versicherten habe es bereits nach dem Krieg für ein Jahr nach Canada verschlagen, und im Anschluss daran sei er einige Monate arbeitslos und von 1956 bis 1958 immerhin bei vier Arbeitgebern beschäftigt gewesen, ein Zeichen dafür, dass er in seinem Arbeitsleben nicht konstant gewesen sei. Seit 1958 sei er bei der Firma B. AG beschäftigt gewesen, jedoch nur kurz in Deutschland, danach habe es ihn wieder ins Ausland gezogen, und zwar von 1961 bis 1966 mit kurzer Unterbrechung nach Nigeria. Sein unstetes, dem Familienleben nicht förderliches Leben sei es nicht allein gewesen, was zur Zerrüttung der Ehe beigetragen habe. Der Versicherte habe auch dem Alkohol zugesprochen, wie aus dem Scheidungsurteil hervorgehe. Bereits damals sei die Klägerin eine Person gewesen, die ihr Leben und ihr Schicksal selbst in die Hand genommen habe. Sie sei sich bereits damals klar gewesen, dass sie wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen musste und wollte, schließlich galt es, nicht nur sich selbst, sondern auch ein Kind zu versorgen. Dementsprechend habe die Klägerin unmittelbar nach der Scheidung eine Teilzeitbeschäftigung (ihr Sohn sei damals zehn Jahre alt gewesen) begonnen und sei seit August 1968 durchgehend immer in einer Vollzeitbeschäftigung gestanden. Demgegenüber sei der Versicherte bereits ab 1976, im Alter von nicht einmal 50 Jahren, zu 50 % schwerbehindert gewesen; er habe seit 1962 eine Verletztenrente erhalten und bereits mit einem Schreiben vom 20.02.1979 wegen einer Erwerbsunfähigkeitsrente nachgefragt. Auch nach der Scheidung sei er für einige Jahre im Ausland gewesen, diesmal in Südafrika. Er habe deshalb sein wechselvolles, nicht konstantes Leben fortgeführt. Aus einer Gesamtschau des Arbeitslebens des Versicherten ergebe sich vor der Scheidung kein anderes Bild als danach. Er sei eher ein Lebenskünstler gewesen, der sich lieber im Ausland aufgehalten habe.

Die Beklagte hingegen bringt vor, der erklärte Unterhaltsverzicht wäre nur dann rein deklaratorisch bzw. eine "leere Hülse", wenn es bei Abschluss des Unterhaltsverzichtes vernünftigerweise auszuschließen gewesen wäre, dass künftig einmal Unterhaltsansprüche entstehen könnten. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen. Zum Zeitpunkt der Scheidung und Abschluss des Unterhaltsverzichts habe die Klägerin nur stundenweise gearbeitet; darüber hinaus habe sie das Sorgerecht des zum Zeitpunkt der Scheidung noch minderjährigen Kindes zugesprochen bekommen, so dass ihr im Falle eines bestehenden Unterhaltsanspruchs eine vollschichtige Tätigkeit nicht hätte zugemutet werden können. Dass sie kurze Zeit nach der Scheidung dennoch eine vollschichtige Tätigkeit aufgenommen habe, sei hierbei unbeachtlich. Das Landessozialgericht München habe in seinem Urteil vom 12.03.1992 - L 16 Ar 238/90 - dazu ausgeführt, dass selbst eine zwischen Trennung und Scheidung der Eheleute aufgenommene bzw. beträchtlich erweiterte Erwerbstätigkeit der Frau nur dann berücksichtigt werden könne, wenn sie auch ohne Trennung der Parteien aufgenommen bzw. erweitert worden wäre. Dies sei aber vorliegend zu bezweifeln. Außerdem sei nicht auszuschließen gewesen, dass sich das Einkommen der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen oder infolge von Arbeitslosigkeit vermindert hätte oder ganz weggefallen wäre und so Unterhaltsbedürftigkeit eingetreten wäre (vgl. Urteil des BSG vom 16.06.1994 - 13 RJ 23/93). Einkommensmindernden Wechselfällen wie dem Eintritt von Krankheit und Arbeitslosigkeit bei der Prognose im Rahmen künftig zu berücksichtigender Einkommensverhältnisse müsse grundsätzlich Rechnung getragen werden, denn sie gehörten zum normalen Ablauf eines Arbeitslebens und könnten nur unter besonderen Umständen ausgeschlossen werden (BSG vom 16.12.1993 - 13 RJ 01/93).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19.10.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Geschiedenenwitwenrente aus der Versicherung von R. H. ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Streitakten beider Rechtszüge sowie die zu Beweiszwecken beigezogenen Versichertenakten der Beklagten (für den Verstorbenen und die Klägerin) vor, weiterhin die für den geschiedenen Ehemann von der Berufsgenossenschaft Chemie geführten Akten wegen Berufskrankheit. Zur Ergänzung des Tatbestands im Einzelnen wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -) ist zulässig, aber in der Hauptsache unbegründet.

Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Witwenrente für Geschiedene nicht zusteht.

Nicht maßgebend war allerdings hierbei der vom Sozialgericht unter anderem herangezogene Ausschluss eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegenüber dem geschiedenen Ehegatten in den Jahren 1968 und 1999 durch vorrangige Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern und später gegenüber dem volljährigen Sohn R ... In der Rechtsprechung der Zivilgerichte und im Schrifttum war stets umstritten, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen im Falle der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden Verwandte zum Unterhalt vorrangig heranzuziehen sind. Einen Vorrang hat das Bundessozialgericht (Urteil vom 26.11.1981 - 5b/5 RJ 86/89 in SozR 2200 § 1265 Nr.59) verneint und ergänzend hierzu auch angeführt, dass ohnehin wegen der Eigenart der Regelung über Geschiedenenrente (damals § 1265 der Reichsversicherungsordnung) Ansprüche gegenüber Verwandten außer Betracht blieben.

Gleichwohl erscheint aber ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nicht begründet. Ein derartiger Anspruch kommt vorliegend in zwei Fällen in Betracht:

1. Anspruch auf die kleine oder große Witwenrente besteht nach der ersten Alternative (§ 243 Abs.1 und Abs.2 SGB VI) für geschiedene Ehegatten,
1. deren Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden ist,
2. die nicht wieder geheiratet haben und
3. die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherten) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatten 4 ... (zusätzliche Voraussetzungen für die Gewährung der großen anstelle der kleinen Witwenrente).

Ein Rentenanspruch nach diesen Vorschriften scheitert daran, dass die Klägerin tatsächlich im Jahre 1999 keine Unterhaltsleistungen erhalten hat und auch ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Versicherten aus drei voneinander unabhängigen Gründen nicht in Frage kommt. Zum einen lag ein wirksamer Unterhaltsverzichtsvertrag im Sinne von § 72 EheG vor. Zum anderen war die Klägerin im Jahre 1999 fähig, sich selbst zu unterhalten. § 60 Satz 1 EheG sieht dem Wortlaut nach einen eingeschränkten Unterhaltsanspruch bei Scheidung aus beiderseitigem Verschulden vor: "Sind beide Ehegatten schuld an der Scheidung, trägt aber keiner die überwiegende Schuld, so kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 63 unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspricht. Die Beitragspflicht kann zeitlich beschränkt werden; § 59 Abs.1 Satz 2 findet entsprechende Anwendung." Eine solche Einschränkung findet sich auch in § 58 EheG. Nach Abs.1 hat der allein ober überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Nach Abs.2 hingegen hat die allein oder überwiegend für schuldig erklärte Frau dem geschiedenen Mann angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit dieser außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten.

Das "außer Stande sein, sich selbst zu unterhalten" (§ 60 Satz 1 EheG) ist hauptsächlich auf die Erwerbsfähigkeit bezogen, wenn auch andere Umstände zu berücksichtigen sind. Die aus beiderseitigem Verschulden Geschiedenen werden zunächst auf ihre eigene Erwerbsfähigkeit und Erwerbstätigkeit verwiesen. Eine Verwertung der eigenen Arbeitskraft kann aber zum Beispiel ausgeschlossen sein bei Kränklichkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit, hohem Alter, Bedürfnis nach einer Berufsausbildung entsprechend den vorhandenen Fähigkeiten, (zeitweiser oder dauernder) Nichtvermittelbarkeit in eine geeignete Arbeit oder Kinderbetreuung (Palandt, BGB, 35. Auflage, Anm.2 zu § 60 und Anm.3 zu § 59 EheG; RGRK, 11. Auflage, Anm.8 und 12 zu § 60 EheG; OLG Hamm vom 01.12.1977- 4 UF 264/77).

Bei der Klägerin erscheint eine (zumutbare) Erwerbstätigkeit - mit 66 Lebensjahren im Jahre 1999 - ausgeschlossen; das "außer Stande sein" zum Selbstunterhalt ist aber am "Einkommen und Vermögen" zu messen. Insoweit bezog sie im Jahre 1999 eine hinreichend hohe Altersrente bei daneben bestehender Absicherung der Krankenbehandlung und des Wohnbedarfs, und besondere Bedürfnisse auf erhöhten Unterhalt sind weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Sie selbst hat ausdrücklich wiederholt vorgetragen, vom Jahre 1968 an bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 07.01.2000 stets im Stande gewesen zu sein, sich selbst zu unterhalten. Auf das objektiv sehr hohe und auch im Vergleich zu den Einkünften der Klägerin unverhältnismäßig hohe Einkommen des Versicherten im Jahre 1999 (über 5.000,00 DM) kam es vorliegend nicht an, da bei Fähigkeit zum Selbstunterhalt die (Bedürfnisse und die) Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des geschiedenen Ehemanns keine Rolle spielen (vgl. BGH vom 21.03.1984 - VIb ZR 68/82 in NJW 1984, 1816 zur strengen Trennung zwischen der strikten Tatbestandsvoraussetzung als ersten Stufe und der Billigkeitsregelung als zweiten Stufe).

Schließlich stand der Klägerin im Jahre 1999 deshalb kein Unterhaltsanspruch zu, weil - bei Hinwegdenken des Unterhaltsverzichts im Jahre 1968 - ein Billigkeitsanspruch damals nur zeitlich befristet zugestanden hätte. Auch Unterhaltsansprüche nach § 58 Abs.1 EheG (Scheidung wegen alleinigen oder überwiegenden Verschuldens) wurden oft befristet, im Allgemeinen auf acht Jahre nach der Scheidung; dies erschien ausreichend, um den erforderlichen Abstand von der Ehescheidung zu gewinnen und eine Zeit eines Minderverdienstes aufgrund einer neu aufgenommenen oder noch aufzunehmenden Erwerbstätigkeit (geringeres Einkommen als ehemals den angemessenen ehelichen Lebensverhältnissen entsprechende Situation) zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu § 58 EheG ist in § 60 Satz 2 EheG die zeitliche Einschränkung ausdrücklich vorgesehen, allerdings nicht als zwingende Folge (" ... kann zeitlich beschränkt werden"). Die Möglichkeit der Beschränkung war aber, wenn keine besonderen Umstände vorlagen, als Regelfall anzu- sehen (RGRK, a.a.O., Anm.34 zu § 60 EheG: Zu berücksichtigen ist die voraussichtlich vorübergehende Dauer von Erwerbshindernissen). Berücksichtigt muss werden, dass wegen des Sinn und Zwecks der Regelung nach §§ 59 ff. EheG grundsätzlich bei einer Scheidung aus beidseitig gleichem Verschulden jeglicher Unterhaltsanspruch entfällt und nach § 60 EheG Unterhalt nur gewährt wird, soweit und solange Billigkeitsgründe vorliegen. Krankheit, fehlende Vermittlungsmöglichkeit, fehlende Berufsausbildung, fehlende Arbeitsplätze (Verschlossenheit des Arbeitsmarkts) oder hohes Alter bestanden bei der Klägerin im Jahre 1968 nicht. Für den Unterhalt in Frage kam eine Übergangszeit (keinerlei Einkünfte der Klägerin im April und im Juli 1968) sowie der Umstand, dass ihr wegen Kindesbetreuung - noch für ca. fünf bis sechs Jahre nach der Scheidung - nur eine Halbtagstätigkeit zumutbar gewesen wäre (wobei Einkünfte aus einer unzumutbaren vollschichtigen Tätigkeit unberücksichtigt blieben - vgl. Palandt, a.a.O., Anm.3 zu § 58 EheG); ins Gewicht fiele aber wohl hier, dass die Klägerin ca. vier Monate nach Scheidung ihre Lebensverhältnisse durch Umzug an den Wohnort der Eltern und Aufnahme einer Arbeitstätigkeit dort so gestaltet hat, dass eine Betreuung des damalig zehnjährigen schulpflichtigen Sohnes nachmittags und eine Vollzeitbeschäftigung durchführbar gewesen sind, ohne dass dies auf Kosten des Kindeswohles oder der Arbeitskraft der Mutter gegangen wäre. Diese Frage kann letztlich offen bleiben. Gleichwohl, ob ein Anspruch gemäß § 60 EheG nur für einige Monate oder gar für fünf bis sechs Jahre bis zum 16. Lebensjahr des Sohnes in Frage gekommen wäre, lag bereits im Jahre 1968 kein Umstand vor, der einen Unterhalt im Sinne einer Dauerrente, wie zum Beispiel bei anfänglicher und anhaltender Erwerbsunfähigkeit, gerechtfertigt hätte, so dass die Klägerin auch noch im Jahre 1999 mit einem Unterhaltsanspruch hätte rechnen dürfen. Nach Ablauf der Frist für einen begrenzten Unterhaltsanspruch, sei diese mit einigen Monaten oder einigen Jahren zu bemessen, sind auch keine neuen Umstände vorgetragen worden oder nach Aktenlage bekannt, die - bei Hinwegdenken des Unterhaltsverzichtes - ein Wiederaufleben des ehemaligen Unterhaltsanspruchs nach § 323 ZPO und ein Bestehen im Jahre 1999 rechtfertigen könnten.

2. Ein Rentenanspruch gemäß § 243 Abs.1 und Abs.2 SGB VI ist damit aus drei Gründen nicht gegeben. Bei Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen (vgl. § 243 Abs.3 Nrn.2 und 3 sowie letzter Halbsatz SGB VI) besteht ein Witwenrentenanspruch darüber hinaus dann, wenn ein Unterhaltsanspruch nach § 243 Abs.2 Nr.3 (das heißt ein Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode) aa) entweder wegen Arbeitsentgelts, Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder aus selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen bb) oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht bestanden hatte.

Diese Vorschrift ist nach der Entstehungsgeschichte und der Rechtsprechung zu den Vorgängervorschriften (§ 1265 RVO, § 42 AVG) dahingehend zu verstehen, dass ein Unterhaltsanspruch (der Klägerin im Jahre 1999) allein aus dem Grund zu verneinen ist, weil der Verstorbene ein zu geringes Einkommen oder/und die Geschiedene (im Jahre 1999) zu hohe Einkünfte hatte. Das ist aber nicht der Fall. Unabhängig von den Einkünften der Klägerin wäre ein Unterhaltsanspruch sowohl wegen des Unterhaltverzichtes als auch - bei Hinwegdenken des Verzichtes - wegen der anzunehmenden zeitlichen Befristung eines Anspruchs nach § 60 EheG zu verneinen gewesen.

Damit steht der Klägerin kein Rentenanspruch zu. Auf die Frage, ob der Unterhaltsverzicht eine "leere Hülse" darstellt und daher unbeachtlich ist, kam es nicht mehr an. Denn auch bei fehlendem Unterhaltsverzicht wäre ein Unterhaltsanspruch im Jahre 1999 an der von vornherein vorzunehmenden zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs und nicht ausschließlich an den Einkommensverhältnissen der Klägerin gescheitert.

Im Übrigen lagen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen das Bundessozialgericht einen unbeachtlichen Verzicht angenommen hat. Die Klägerin hätte nämlich auf etwas verzichten müssen, worauf "vernünftigerweise" - nach gesicherter Prognose ex ante - im Jahre 1968 und für alle Zukunft kein Anspruch bestanden hätte, wobei die Wechselfälle des Lebens wie Krankheit und Arbeitslosigkeit aber grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Ein deklaratorischer Verzicht läge zum Beispiel vor, wenn bereits im Zeitpunkt des Verzichtsvertrags in begründeter Weise angenommen werden darf, dass infolge Krankheit (zum Beispiel Alkoholismus mit bereits eingetretenen psychischen oder/und physischen Dauerschäden) eine einkommensträchtige Erwerbstätigkeit voraussichtlich nie wieder aufgenommen werden kann (zum Alkoholismus vgl. BSG vom 21.01.1993 - 12 RJ 19/91 in SozR 3-2200 § 1265 Nr.9). So aber lag der Fall nicht. Die Klägerin hat lediglich einen Alkoholmissbrauch, keine Abhängigkeit des Klägers, im Jahre 1964 vorgetragen sowie eine Pankreatitis (Schwerbehinderung erst im Jahre 1979) und einen "Unfallschaden" (Berufskrankheit mit damaliger MdE um 30 v.H.), was den Versicherten jedoch damals in einer Erwerbstätigkeit nicht gehindert hatte. Allein die Möglichkeit der künftigen Leidensverschlimmerung und des frühzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben ist nicht hinreichend, eine Unfähigkeit zur Erwerbstätigkeit und zur Leistung von Unterhalt bereits ab April 1968 darzulegen; dies ist schon durch die tatsächlich bestehenden Verhältnisse zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Unterhaltsverzichts widerlegt.

Entsprechendes gilt für das angeblich unstete Arbeitsleben des Versicherten, das im Übrigen bereits in der Zeit ab 01.07.1958 mit einer festen Anstellung bei der B. AG nicht mehr vorlag; die Tatsache allein, dass der Kläger im Rahmen einer festen Anstellung entsprechend seinem Beruf sowie den beruflichen Möglichkeiten und persönlichen Neigungen Inlandsdienst oder Auslandsdienst verrichtete, ist unbeachtlich.

Nicht folgen konnte der Senat der Klägerin hinsichtlich des Arguments, sie sei zum Verzicht auch durch die Drohung des Versicherten, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, motiviert worden. Ein ganz erheblicher psychischer Druck oder gar ein Zwang, deswegen einen Unterhaltsverzicht zu vereinbaren, ist vorliegend daraus nicht abzuleiten. Drohungen, wie von der Klägerin geschildert, werden bei Ehestreitigkeiten und bei Verhandlungen über Scheidungsvereinbarungen üblicherweise oft geäußert, wobei die Ernsthaftigkeit hinterfragt werden muss. Vorliegend hätte der Versicherte sich wegen Unterhaltpflichtverletzung zumindest gegenüber seinem Sohn strafbar gemacht und seinen eigenen Unterhalt gefährdet oder zumindest erheblich geschmälert; mithin wären bestehende Unterhaltsansprüche ohne die ungerechtfertigte Schmälerung bzw. Aufgabe des Erwerbseinkommen zu berechnen gewesen. Begründete Anhaltspunkte, dass der Versicherte im Alter von 41 Jahren vorgehabt hätte, sich für die Dauer seines Lebens mit Einkünften unterhalb den pfändbaren Grenzen zu verbescheiden, sind nicht ersichtlich; vielmehr weist sein Versicherungsverlauf (Schule, militärischer Dienst, Vertreibung, Pflichtbeiträge ab 10.09.1947 mit nur einer Lücke vom 01.03. bis 21.04. 1952) aus, dass er - auch in den schlechten Nachkriegsjahren - stets um Arbeit bemüht gewesen ist und Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld und Krankengeld nicht in Anspruch genommen hat. Eine gesicherte Prognose der Einstellung oder wesentlichen Einschränkung der Erwerbstätigkeit ab April 1968 konnte jedenfalls nicht gestellt werden. Ebenso war seitens der Klägerin ein Unterhaltsanspruch bereits ab April 1968 und für alle Zukunft, zumindest für die folgenden Jahre der Kinderbetreuung, nicht auszuschließen gewesen. Somit sprechen alle Umstände für einen konstitutiven und nicht einen deklaratorischen Unterhaltsverzicht.

Auf die Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.11.1988 - 5/5b RJ 100/86 - kann sich die Klägerin nicht berufen, wobei es ihr wiederholt insbesondere um den in der Presse veröffentlichten (verkürzten) Passus ging, dass "eine Unterhaltsverpflichtung seinerzeit mangels Masse (beim Mann) oder wegen des gesicherten Einkommens (der geschiedenen Ehefrau) nicht bestanden hat". Das genannte BSG-Urteil wurde in der Presse oft vereinfachend und missverständlich wiedergegeben, außerdem von den unter Umständen Betroffenen missverstanden oder zumindest mit allzu großer Hoffnung aufgenommen. Tatsächlich befasste sich die Entscheidung nur - bei feststehendem und nicht in der Revision überprüften und auch nicht überprüfbarem Sachverhalt - allein mit der Rechtsfrage, ob - bei bisher widersprüchlichen Urteilen verschiedener Senate des Bundessozialgerichts - ein Unterhaltsverzicht stets einen Rentenanspruch ausschließt oder es hierzu auch Ausnahmen ("Unterhaltsverzicht als leere Hülse") gibt. Letzteres wurde bejaht. Das Urteil aus dem Jahre 1988 erging seitens des 5. Senats des Bundessozialgerichts. Dieser hat dann in zahlreichen Entscheidungen ab 1988 präzisiert und einengend definiert, unter welchen Voraussetzungen ein Unterhaltsverzicht als "leere Hülse" zu werten ist (kein Bestehen eines Anspruchs auf Unterhalt und objektive Aussichtslosigkeit des Entstehens eines Anspruchs für die gesamte Zukunft, vgl. hierzu auch BSG vom 21.01.1993, a.a.O.). Wird ohne Beachtung der Fortentwicklung der Rechtsprechung allein auf das Urteil des BSG vom 23.11.1988 Bezug genommen, muss auch gesehen werden, dass sich damals der 5. Senat zu dem konkreten Sachverhalt aus der Vorinstanz (nicht realisierbare Unterhaltsansprüche wegen sehr schlechter Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des früheren Ehemanns, "zumindest" zur Zeit des Verzichts laut Vorinstanz) nur sehr vage geäußert und zu den "nicht realisierbaren Unterhaltsansprüchen" die frühere Rechtsprechung zitiert hat, dass "zu Lebzeiten des Versicherten", also nicht nur zum Zeitpunkt des Verzichtsvertrags, ein Anspruch auf Dauer - zum Beispiel wegen Aufenthalts in der DDR - nicht realisierbar gewesen sei. Im Übrigen ist gerade im jetzigen Streitfall zum Zeitpunkt des Verzichtsvertrags das Nichtbestehen eines Unterhaltsanspruchs wegen fehlender Masse auf seiten des Versicherten oder/und hinreichender Einkünfte der geschiedenen Ehefrau gerade nicht anzunehmen gewesen; zumindest für einige Monate hat ein Anspruch bestanden.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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