L 10 AL 169/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 199/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 169/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 139/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.02.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Die Klägerin, eine durch Formwechsel aus einer GmbH entstandene GmbH & Co KG (Eintragung vom 05.03.1999), begehrte mit Schreiben vom 26.06.1996 von der Beklagten eine Vorausentscheidung darüber, ob und in welcher Höhe sie von der Beklagten an ihre ehemaligen Mitarbeiter gezahltes Alg zu erstatten habe. Eine Erstattungspflicht könnte evtl gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 bzw 6 AFG nicht eingetreten sein. Sie gab in dem ihr hierzu von der Beklagten übersandten Erhebungsbogen an, sie habe in dem von ihr gewählten Zeitraum vom 01.05.1996 bis 30.04.1997 65 3/4 Arbeitnehmer - davon 14, die das 56. Lebensjahr bereits vollendet hätten - beschäftigt. In diesem Zeitraum hätte sie 19 Arbeitnehmer eingestellt und 21 seien ausgetreten. Unter den ausgeschiedenen Arbeitnehmern befänden sich zwei Arbeitnehmerinnen, die das 56. Lebensjahr bereits vollendet hätten. So sei mit der Arbeitnehmerin T. (T.; geb. 1938, beschäftigt bei der Klägerin seit 01.10.1970) ein Aufhebungsvertrag zum 31.07.1996 geschlossen worden. Ohne diesen wäre ihr aus betriebsbedingten Gründen unter Einhaltung sozialer Auswahlkriterien gekündigt worden, so dass § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG eingreifen würde. Die Arbeitnehmerin E. (E.; geb. 1927, beschäftigt bei der Klägerin seit 01.08.1996 als Teilzeitkraft mit weniger als 10 Stunden wöchentlich) sei zum 31.12.1996 entlassen worden. Zusätzlich zu den 21 ausgeschiedenen Beschäftigen sei der Arbeitnehmerin M. P. (P.; geb. 1938, beschäftigt bei der Klägerin seit 06.03.1978) durch Schreiben vom 24.02.1997 zum 31.08.1997 gekündigt worden, so dass sich eine Personalminderung von 3 Personen ergebe.

Nachdem eine Bitte um ergänzende Auskünfte zum Erhebungsbogen erfolglos geblieben war, teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 29.10.1998 (adressiert an die damalige GmbH) mit, dem Antrag auf allgemeine Befreiung von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 AFG könne nicht entsprochen werden. Es habe kein Personalabbau von mehr als 3 vH stattgefunden. Von der Klägerin müssten daher individuelle Befreiungstatbestände - soweit noch nicht geschehen - dargelegt und diese dann im Rahmen von Einzelfallentscheidungen geprüft werden.

Den hiergegen am 11.12.1998 eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.1999 wegen Verfristung als unzulässig. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor.

Gleichzeitig legte die Beklagte den Widerspruch als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 29.10.1998 aus und wies diesen Antrag nach nochmaliger Überprüfung zurück (Bescheid vom 09.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999). Der Bescheid vom 29.10.1998 sei nicht zu beanstanden. Neue Erkenntnisse seien nicht bekannt geworden.

Gegen die Bescheide vom 29.10.1998 und 09.03.1999 idG der Widerspruchsbescheide vom 29.01.1999 und 29.06.1999 hat die Klägerin Klagen zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und die Aufhebung dieser Bescheide begehrt. Die Voraussetzungen des allein streitbefangenen § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG lägen vor. Bei den Personalaustritten sei der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entscheidend.

Das SG hat mit Urteil vom 05.02.2002 die Klagen abgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 29.10.1998 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 sei unzulässig, denn ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren sei wegen des zu spät eingelegten Widerspruches nicht durchgeführt worden. Dies sei aber Prozessvoraussetzung. Die Klage gegen den Bescheid vom 09.03.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 sei unbegründet. Ohne jede weitere Sachprüfung habe sich die Beklagte auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 29.10.1998 berufen können, denn die Klägerin habe keine neuen Tatsachen vorgebracht, die für die Unrichtigkeit des erlassenen Bescheides sprechen könne. Unabhängig hiervon halte der Bescheid vom 29.10.1998 auch einer sachlichen Prüfung stand, denn der Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG greife bei einem Aufhebungsvertrag nicht ein. Ein Aufhebungsvertrag sei einer sozial gerechtfertigten Kündigung nicht gleichzusetzen. Hinsichtlich des allgemeinen Befreiungstatbestandes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG fehle es an einer 3 %igen Personalminderung innerhalb des von der Klägerin frei gewählten Zeitraumes. E. sei nicht zu berücksichtigen, denn sie sei erst während des betreffenden Zeitraumes eingestellt worden, P. sei nicht zu berücksichtigen, denn diese sei - worauf allein abzustellen sei - erst nach Ablauf des Zeitraumes ausgeschieden.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt.

Die Klägerin beantragt, das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.02.2002 Az: S 15 AL 199/99 aufzuheben und die Bescheide des Arbeitsamtes Nürnberg vom 29.10.1998 wie auch 09.03.1999 Az: III 412-7128 BA, in der Gestalt der Widerspruchsentscheidungen vom 29.01.1999 wie auch 29.06.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auf die am 08.03.2004 zugegangene Ladung zur mündlichen Verhandlung am 01.04.2004, 11.30 Uhr, hat der Klägervertreter per Telefax am 16.03.2004 mitgeteilt, er sei wegen eines anderweitigen Termins verhindert, ein Vertreter stehe nicht zur Verfügung. Ein Termin möge mit seiner Sekretärin abgesprochen werden. Er hat diesbezüglich eine Ladung zu einem Termin vor dem Arbeitsgericht Nürnberg (01.04.2004, 10.30 Uhr) übersandt, aus der weder hervorgeht, ob diese Ladung gerade dem sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten betrifft, noch wann er die Sozietät des Prozessvertreters für dieses Verfahren bevollmächtigt worden war. Trotz entsprechender Zusage hat der Klägerbevollmächtigte sich telefonisch nicht gemeldet. Mit Schreiben vom 18.03.2004 hat der Senat den Klägerbevollmächtigten darauf hingewiesen, eine entsprechende Verhinderung seiner Person wie auch der anderen Sozietätsmitglieder - die Vollmacht, die dem SG vorlag, war auf die gesamte Sozietät ausgestellt - sei noch nachzuweisen; evtl. könne der Termin auch zeitlich nach hinten verschoben werden. Es handele sich um eine einfache Sach- und Rechtslage. Am Tag der mündlichen Verhandlung erklärte der Prozessbevollmächtigte per Telefax, er habe von dem gerichtlichen Schreiben vom 18.03.2004 erst am 26.03.2004 Kenntnis genommen. Eine Terminsverlegung sei aus den bereits genannten Gründen erforderlich, ein anderes Mitglied der Sozietät stünde nicht zur Verfügung und wäre zur Vertretung auch nicht berufen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten, die Akte des Verfahrens des SG - S 5 AL 131/01 ER -, die eine Aufstellung der Beschäftigten der Klägerin enthält,sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Bescheid vom 09.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 ist rechtmäßig. Der Bescheid vom 29.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 ist nämlich ebenfalls rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine Rücknahme kommt daher nicht in Betracht.

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens des Klägerbevollmächtigten verhandeln und entscheiden. Hierauf war in der Ladung hingewiesen worden. Einer Terminsverlegung bzw Vertagung bedurfte es nicht. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist dadurch nicht verletzt (§§ 62, 128 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz). Unabhängig davon, dass die von der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten angekündigten telefonischen Rückrufe nicht in der vereinbarten Zeit erfolgt sind, obwohl auf jeden Fall eine Kontaktaufnahme mit der Vermittlung bzw der Geschäftsstelle des Gerichts möglich gewesen wäre, das erste Verlegungsgesuch erst 8 Tage nach Erhalt der Ladung gestellt wurde und eine Reaktion auf das gerichtliche Anschreiben vom 18.03.2004 erst am Sitzungstag erfolgte (der Klägerbevollmächtigte hat diese Schreiben erst am 26.03.2004 zur Kenntnis genommen, was jedoch nicht bedeutet, dass dieses Schreiben nicht bereits - wie üblich - am Montag, den 22.03.2004, die Kanzlei erreicht haben dürfte), fehlt es am Vorliegen eines erheblichen Grundes, der zu einer Verlegung oder Vertagung führen würde (§ 202 SGG iVm § 227 Zivilprozessordnung - ZPO -), zumindest aber an dessen Glaubhaftmachung (vgl hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 11.Aufl, § 102 RdNr 6; auch OLG Schleswig in: NJW 1994, 1227). Ein Termin beim Arbeitsgericht Nürnberg am 01.04.2004 um 10.30 Uhr hindert eine Wahrnehmung des Termins vor dem Senat um 11.30 bzw bei angebotener zeitlicher Verschiebung nach hinten nicht. Weitere Termine am 01.04.2004 werden vom Prozessbevollmächtigten zwar behauptet, wobei es sich aber offensichtlich nicht um Gerichtstermine handelt, jedoch in keinster Weise - wie gefordert - glaubhaft gemacht. An dieser Glaubhaftmachung fehlt es auch hinsichtlich der Verhinderung der anderen Sozietätsmitglieder, die ebenfalls bevollmächtigt waren und eine Vertretung hätten übernehmen können, denn es handelt sich lediglich um eine im Sachverhalt geklärte Rechtsfrage, die bereits höchstrichterlich in den wesentlichen Punkten entschieden ist und lediglich eine einzige Vorschrift des AFG betrifft. Eine - selbst kurzfristige - Einarbeitung ist durch ein anderes Sozietätsmitglied wäre möglich gewesen. Weitere Gründe, die eine Vertretung durch ein anderes Sozietätsmitglied als nicht zumutbar erscheinen lassen, werden nicht vorgetragen (vgl zur Vertretung durch Sozietätsmitglieder, nicht aber durch einen "fremden" Anwalt: BSG, Beschluss vom 18.06.2003 - B 13 RJ 223/02 B, veröffentlicht in Juris; BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 = MDR 1996, 633, wobei dort allein - im Gegensatz zum vorliegenden Sachverhalt - auf die Kurzfristigkeit der Ladung zu einem anderweitigen Termin abgestellt worden war; BSG SozR 1750 § 227 Nr 2; BVerwG NJW 1995, 1231; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62.Aufl, § 227 RdNr 23; Zöller/Stöber, ZPO, 23.Aufl, § 227 RdNr 6; Kopp/Schenke aaO). Die vom Prozessbevollmächtigten angeführte Rechtsprechung und Literatur ist unzutreffend. Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36, 102 ff) betrifft die vorliegende Streitfrage nicht. Das BSG hat in MDR 1996, 633 (nicht: S 33) auf die Kurzfristigkeit einer anderweitigen Ladung Bezug genommen. Ein solcher Sachverhalt liegt hier ebenfalls nicht vor. Stöber hält in seiner Kommentierung in Zöller, ZPO, einen wichtigen Grund nicht für gegeben, wenn eine anderweitige Vertretung durch ein Mitglied der Sozietät möglich ist. Das OLG Schleswig in NJW 1994, 1227 betrifft wesentlich die Frage der Richterablehnung, verlangt ebenfalls die Glaubhaftmachung der Verhinderung und steht in der Eindeutigkeit seiner Aussage nicht im Einklang mit der Literatur und der anderweitigen Rechtsprechung insbesondere des BSG.

Verhinderungsgründe sind daher zumindest nicht glaubhaft gemacht worden. Eine Verlegung oder Vertagung war somit nicht erforderlich.

Die angegriffenen Bescheide sind zu Recht ergangen. Die Bescheide sind der Klägerin zutreffend bekannt gegeben worden (§ 37 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -) und auch nach dem Formwechsel wirksam geblieben (§ 39 Abs 1 SGB X). Bei Umwandlung gemäß §§ 190, 202 Abs 1 Nr 1 Umwandlungsgesetz besteht die Gesellschaft in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Form weiter (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17.Aufl, § 60 RdNr 4). Es liegt mithin überhaupt keine Rechtsnachfolge vor (vgl Schaupp in Münchner Kommentar, BGB, 3.Aufl, § 613 a RdNr 208). Der Rechtsträger neuer Rechtsform darf seine bisher geführte Firma beibehalten (§ 200 Abs 1 Satz 1 Unmwandlungsgesetz).

Die Klage gegen den Bescheid vom 29.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 war als unbegründet abzuweisen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.1999 hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.10.1998 als unzulässig - weil verfristet - verworfen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 84 Abs 2 Satz 3, 67 SGG seien nicht erkennbar gewesen und seien auch nicht vorgebracht worden. Damit ist ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, allerdings mit dem Ergebnis, dass der Widerspruch wegen Verfristung unzulässig sei. Hiergegen kann die Klägerin Klage erheben, um prüfen zu lassen, ob die Verfristung zu Recht von der Beklagten angenommen worden ist. Bei Unzulässigkeit einer solchen Klage stände der Klägerin kein Rechtsmittel zur Verfügung, um die Frage der Verfristung klären zu lassen.

Eine Rücknahme des Bescheides vom 29.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 kommt auch nicht aufgrund der Regelung des § 44 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) SGB X in Betracht. Gemäß § 44 Abs 2 SGB X - Abs 1 greift mangels in Streit stehender Sozialleistung oder Beiträge nicht ein - ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 330 Abs 4 SGB III hat die Beklagte bei der Frage der Rücknahme für die Vergangenheit kein Ermessen auszuüben. Der Bescheid vom 29.10.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 ist jedoch nicht rechtswidrig. Dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 09.03.1999 nach erneuter sachlicher Prüfung - so ihre Ausführungen - zutreffend ausgeführt. Unabhängig davon, ob sie sich auch im Rahmen des § 44 Abs 2 SGB X auf eine Bindungswirkung berufen könnte, hat sie dies nicht getan, ihre Entscheidung vielmehr erneut vollständig überprüft. Die Entscheidung, ob sie in diese Sachprüfung eintritt, lag nämlich im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (vgl BSGE 88, 75). Dieses Ermessen hatte die Beklagte iS einer vollständigen Sachprüfung ausgeübt, so dass der Streitstoff in vollem Umfang erneut zu prüfen ist (BSGE 63, 33).

Der Bescheid vom 29.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 ist sachlich zutreffend ergangen. Rechtsgrundlage für die Erstattungspflicht stellt § 128 Abs 1 Satz 1 der vom 01.01.1996 bis 31.03.1997 geltenden Fassung dar. Die Nachfolgeregelung des § 147 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -, die für die hier streitige Frage im Wesentlichen mit der Regelung des § 128 AFG übereinstimmt, greift erst ab 01.04.1999 ein (§ 242 x Abs 6 AFG, § 431 SGB III).

Gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten 4 Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die frist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen liegen hier bzgl der P. und T. vor. Sie waren seit 06.03.1978 bzw 01.10.1970 bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Hinsichtlich der E. tritt keine Erstattungspflicht ein, denn diese war erst ab 01.08.1996 als Teilzeitkraft mit weniger als 10 Wochenstunden beschäftigt worden. Es handelte sich dabei nicht um eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung, denn sie wurde weniger als 18 Stunden wöchentlich ausgeübt (§§ 169 a, 102 AFG). Im Übrigen hat E. das 65. Lebensjahr bereits vollendet und Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, so dass ein Anspruch auf Alg ruht (§ 118 AFG).

Die Erstattungspflicht tritt allerdings dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass sich die Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt mindestens zwei Jahre beschäftigt war, um mehr als 3 vH innerhalb eines Jahres vermindert und unter den in diesem Zeitraum ausscheidenden Arbeitnehmern der Anteil der Arbeitnehmer, die das 56. Lebensjahr vollendet haben, nicht höher ist als es ihrem Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraumes entspricht. Vermindert sich die Zahl der Beschäftigten im gleichen Zeitraum mindestens 10 vH, verdoppelt sich der Anteil der älteren Arbeitnehmer, der bei der Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer nicht überschritten werden darf. Rechnerische Bruchteile werden aufgerundet. Wird der gerundete Anteil überschritten, ist in allen Fällen eine Einzelfallentscheidung erforderlich (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG).

Die Voraussetzungen für eine pauschale Befreiung von der Erstattungspflicht liegen jedoch nicht vor, denn in dem von der Klägerin herangezogenen Zeitraum vom 01.05.1996 bis 30.04.1997 ist es nach ihren Angaben lediglich zu einer Personalminderung von einem Arbeitnehmer (20 Austritte, 19 Einstellungen) bei insgesamt 65 3/4 Beschäftigten gekommen. Der Austritt der Arbeitnehmerin P. zum 31.08.1997 ist nicht zu berücksichtigen, denn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte außerhalb des von der Klägerin gewählten Zeitraumes. Allein die Kündigungserklärung innerhalb dieses Zeitraumes genügt nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, das auf die tatsächliche Minderung des Personalstandes abstellt. Eine tatsächliche Personalminderung tritt jedoch erst mit dem endgültigen Ausscheiden der P. ein. Lediglich bei Wahl eines in die Zukunft gerichteten Zeitraumes zur Bemessung der Personalminderung könnte ein in der Zukunft liegender Austritt berücksichtigt werden, soweit bereits entsprechende Schritte durch den Arbeitgeber eingeleitet worden sind. Einen solchen Zeitraum hat die Klägerin jedoch nicht gewählt. Auch eine Verschiebung des Zeitraumes bis 31.08.1997 würde nicht zu einem anderen Ergebnis führen, denn dann wäre das Ausscheiden der T. am 31.07.1996 nicht mehr erfasst.

Bei der Berechnung der Personalminderung ist zudem E. nicht zu berücksichtigen, denn sie war - unabhängig von der Frage, wielange ihre Beschäftigungsverhältnis gedauert hat - lediglich kurzfristig (weniger als 18 Stunden wöchentlich) beschäftigt und zudem bereits 69 Jahre alt. Sie hatte somit bereits Anspruch auf Altersrente, also keinen Anspruch auf Alg (vgl oben). Sie ist damit bei der Personalminderung nicht zu berücksichtigen. Dafür, dass sie bei den Personaleintritten mit eingerechnet worden ist, fehlen Anhaltspunkte, denn trotz Hinweises auf der Rückseite des Erhebungsbogens und entsprechender Nachfrage der Beklagten bei der Klägerin (Schreiben vom 13.08.1998) ist diese in der Klagebegründung weiter von 19 Einstellungen ausgegangen. Es ist daher davon auszugehen, dass E. bei den angegebenen Einstellungen nicht berücksichtigt worden war.

Im von der Klägerin gewählten Zeitraum ist daher lediglich eine Personalminderung von einem Arbeitnehmer eingetreten. Dies entspricht 1,52 % des Personalstandes. Im Übrigen lassen sich aus der von der Klägerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens übersandten Personalaufstellung für den Zeitraum vom 01.05.1996 bis 30.04.1997 nicht die angegebenen Personalein- und -austritte entnehmen. Vielmehr ergeben sich - auch unter Berücksichtigung der E. - weniger Austritte als Einstellungen. Somit liegen die Voraussetzungen für eine pauschale Befreiung von der Erstattungspflicht nicht vor und es ist gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 letzter Satz AFG jeweils eine Einzelfallentscheidung erforderlich.

Diese Einzelfallentscheidung ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte hat auf Antrag der Klägerin vorab lediglich gemäß § 128 Abs 7 Satz 2 AFG über den Tatbestand des hier allein in Betracht kommenden § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 AFG zu entscheiden und auch entschieden. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG hinsichtlich der T. und die entsprechenden Bescheide der Beklagten sind deshalb im Rahmen des Verfahrens L 10 AL 246/02 zu überprüfen, nicht aber im vorliegenden Rechtsstreit.

Auf eine mündlichen Zusage des Nichteintrittes der Erstattungspflicht durch die Beklagte kann sich die Klägerin nicht berufen. Solche Zusicherungen bedürfen nämlich der Schriftform, um wirksam zu sein (§ 34 Abs 1 SGB X).

Nach alledem ist der Bescheid vom 29.10.1998 idG Widerspruchsbescheides vom 29.01.1999 rechtmäßig, so dass die Beklagte zutreffend mit Bescheid vom 29.01.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 deren Rücknahme abgelehnt hat. Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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