Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 131/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 255/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 161/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.04.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die rückwirkende Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die dem Kläger gezahlte Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Rückforderung eines überzahlten Betrages in Höhe von 13.346,61 DM.
Der 1939 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 05.07.1997 bis 14.10.1997, 03.02.1998 bis 29.02.2000, 01.03.2000 bis 09.07.2000 und 04.08.2000 bis 31.10.2000 Alhi. In den Fragebögen zur Bedürftigkeitsprüfung verneinte er jeweils laufende oder gelegentlich wiederkehrende Einnahmen. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 10.08.2000 zur beabsichtigten Aufrechnung einer durch den Leistungsbezug während einer Zwischenbeschäftigung verursachten Überzahlung erwähnte der Kläger erstmals den Bezug einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Ermittlungen bestätigten die Zahlung einer solchen Rente nach einer MdE von 20 vH in Höhe von monatlich 550,71 DM (Juli 1997) bis 562,51 DM (ab 01.07.2000). Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit, zur beabsichtigten Aufhebung der Alhi-Bewilligung und Anrechnung der Unfallrente Stellung zu nehmen, hob die Bewilligungen mit Bescheid vom 27.11.2000 für die Zeit vom 05.07.1997 bis 14.01.1997 / 03.02.1998 bis 09.07.2000 teilweise auf und forderte vom Kläger einen Betrag von 13.347,00 DM zurück. Die Unfallrente sei gemäß § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 194 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) auf die Alhi anzurechnen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 zurück. Dabei korrigierte sie den Forderungsbetrag auf 13.346,61 DM.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 27.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben und die Unfallrente in geringerem Umfange anzurechnen. Gemäß § 11 S 1 Nr 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) dürften bei einer MdE von 20 vH zwei Drittel der Unfallrente nicht auf die Alhi angerechnet werden. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung sei daher nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien Anrechnungen bis 09.07.2000 erfolgt, obwohl er ab 01.01.1999 rückwirkend Altersrente beziehe. Ab 01.09.1999 sei der Beklagten eine Anrechnung verwehrt.
Der Kläger erhielt aufgrund des Rentenbescheides vom 20.12.2000 (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) von der LVA Niederbayern-Oberpfalz für die Zeit vom 01.09.1999 bis 31.01.2001 eine Rentennachzahlung in Höhe von 9.193,07 DM. Davon befriedigte die LVA einen Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 8.676,65 DM. Die Beklagte hatte bei der LVA für den Zeitraum 01.09.1999 bis 31.10.2000 einen Betrag von 10.914,87 DM (9.408,96 DM Alhi, 1.333,34 DM Beiträge zur Krankenversicherung, 172,57 DM Beiträge zur Pflegeversicherung) geltend gemacht.
Mit Urteil vom 29.04.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Alhi-Bewilligung sei § 45 Abs 1 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X). Gemäß § 11 S 1 Nr 2 AlhiV sei die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nur eingeschränkt anrechenbar. Bei einer MdE von 20 vH sei ein Betrag von zwei Dritteln der Mindestgrundrente nach der Kriegsopferversorgung anrechnungsfrei. Die rückwirkende Zahlung der Altersrente ab 01.09.1999 ändere hieran nichts.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung übergab er der Geschäftsstelle des Senats den Rentenbescheid der LVA vom 20.12.2000 sowie ein Schreiben der LVA vom 13.03.2001 über eine einbehaltene Rentennachzahlung zur Befriedigung eines Erstattungsanspruchs der Beklagten in Höhe von 8.676,65 DM.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 29.04.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Beklagte war zur (teilweisen) Aufhebung der Alhi-Bewilligungen berechtigt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligungen für die Vergangenheit ist § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2, Abs 4 SGB X. Bereits der Bewilligungsbescheid vom 21.10.1997, mit dem Alhi ab 05.07.1997 gewährt wurde, als auch die nachfolgenden Bescheide bis zum Bescheid vom 16.05.2000 waren rechtswidrig, denn die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hätte auf die Alhi teilweise angerechnet werden müssen.
Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi ist u.a. Bedürftigkeit (§§ 134 Abs 1 S 1 Nr 3 AFG, 190 Abs 1 Nr 5 SGB III in der ab 01.01.1998 gültigen Fassung). Gemäß §§ 137 Abs 1 AFG, 193 Abs 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann. Welches Einkommen zu berücksichtigen ist bzw. unberücksichtigt zu bleiben hat, regeln §§ 138 Abs 1 bis 3 AFG, 194 SGB III. Die Verletztenrente ist in Abs 3 der genannten Bestimmungen ("nicht als Einkommen gelten ...") nicht erwähnt. Folglich unterliegt die gesetzliche Unfallrente der Einkommensanrechnung (Brandts in Niesel, SGB III, 2.Aufl., § 194 Rdnr 57; BSG SozR Nr 1 zu § 587 RVO).
Die Anrechnung ist jedoch gemäß § 11 S 1 Nr 2 der auf der Ermächtigung der §§ 137 Abs 3, 138 Abs 4 AFG erlassenen AlhiV 1974 (gültig bis 31.12.2000) begrenzt. Danach gilt die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE als Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage gewährt würde, nicht als Einkommen. Bei einer MdE um 20 vH ist ein Betrag von zwei Dritteln, bei einer MdE um 10 vH ein Betrag in Höhe von einem Drittel der Mindestgrundrente anzusetzen. Mit der Regelung des § 11 S 1 Nr 2 AlhiV sollen Bezieher von Verletztenrenten bei der Gewährung von Alhi den Grundrentenbeziehern nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) - vgl. hierzu §§ 138 Abs 3 Nr 5 AFG, 194 Abs 3 Nr 6 SGB III - gleichgestellt werden (BSG Urteil vom 16.03.1983 - 7 RAr 29/82 - SozSich 1983, 156). Da nach § 31 Abs 1 und 2 BVG ein Anspruch auf Grundrente erst ab einer MdE von 25 vH besteht, sind bei Verletztenrenten nach einer MdE von weniger als 25 vH die in § 11 S 1 Nr 2 2.HS AlhiV vorgesehenen Absenkungen des privilegierten Rentenanteils auf zwei Drittel oder ein Drittel der Mindestgrundrente vorzunehmen (Ebsen in Gagel, SGB III, § 194 Rdnr 109). Vorliegend ist, da die unfallbedingte MdE des Klägers lediglich 20 vH beträgt, § 11 S 1 Nr 2 2.HS AlhiV anzuwenden, so dass zwei Drittel einer (fiktiven) Grundrente der Kriegsopferversorgung nicht als Einkommen gelten. Zutreffend ist die Beklagte bei ihrer Berechnung von den monatlichen Mindestgrundrenten i.H.v. 216,00 DM (01.07.1997 - 30.06.1998), 217,00 DM (01.07.1998 - 30.06.1999), 220,00 DM (01.07.1999 - 30.06.2000) und 221,00 DM (01.07.2000 - 30.06.2001) ausgegangen. Zwei Drittel der genannten Beträge hat sie nicht als Einkommen berücksichtigt.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, auf den Bestand der Alhi-Bewilligungen vertraut zu haben, denn diese Verwaltungsakte beruhten auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X). Die Frage nach laufenden oder wiederkehrenden Einnahmen im Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" zu den Anträgen auf Alhi hat der Kläger - beginnend mit dem Antrag vom 06.10.1997 - verneint, obwohl er seit 01.07.1997 von der Südwestl. Bau-BG (Karlsruhe) laufend eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE um 20 vH bezog. Die falschen Angaben waren kausal für die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide (BSG SozR 4100 § 152 Nr 6, Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4.Aufl., § 45 Rdnr 22), denn bei Angabe des Bezugs der Verletztenrente wäre eine Anrechnung erfolgt und Überzahlungen vermieden worden. Dem Kläger ist wenigstens grobe Fahrlässigkeit (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2.HS SGB X) vorzuwerfen, denn aufgrund der Fragen im Zusatzbogen "Bedürftigkeitsprüfung" musste ihm klar sein, dass er die Verletztenrente als laufende Einnahme anzugeben hatte (BSG SozR 4100 § 152 Nr 10). Auch ist der Kläger im Merkblatt für Arbeitslose über die Bedeutung von Einkommen bei der Alhi belehrt worden. So heißt es auf S.40 des Merkblatts (Stand April 1997): "Die Bewilligung von Alhi hängt von Ihrer Bedürftigkeit ab. Bei der Bedürftigkeitsprüfung werden Vermögen, Einkommen und sonstige Möglichkeiten zur Einkommenserzielung berücksichtigt. Zu berücksichtigendes Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldwert, also nicht nur Arbeitsentgelt, sondern auch sonstiges Einkommen, z.B. Renten ...". Die Nichtbeachtung des nachweislich ausgehändigten Merkblatts begründet ebenfalls grobe Fahrlässigkeit, denn es sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, dass der Kläger den Inhalt des Merkblatts nicht verstanden haben könnte (Wiesner aaO Rdnr 24). Ggf. hätte sich der Kläger eines Übersetzers bedienen müssen, sofern er das Merkblatt nicht in seiner Sprache erhalten haben sollte.
Die für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu beachtende Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X hat die Beklagte eingehalten. Ermessen hatte sie in diesem Zusammenhang nicht auszuüben (§ 330 Abs 2 SGB III). Die zu Unrecht bezogene Alhi hat der Kläger der Beklagten gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X zu erstatten.
Irrig geht der Kläger offenbar davon aus, dass mit der Einbehaltung eines Betrages von 8.676,65 DM von der Rentennachzahlung zu Gunsten der Beklagten seine Schuld in vollem Umfang getilgt ist. Hierzu ist festzustellen, dass die Beklagte bei der LVA einen Erstattungsanspruch geltend gemacht hat, weil dem Kläger nachträglich ab 01.09.1999 Anspruch auf Altersrente zuerkannt wurde (Bescheid vom 20.12.2000), er jedoch für die Zeit vom 01.09.1999 bis 31.10.1999 von der Beklagten bereits Alhi bezogen hatte. Dieser Erstattungszeitraum deckt sich zum Teil mit dem des anhängigen Verfahrens (03.02.1998 bis 09.07.2000). Die vorliegend streitige Erstattungsforderung ist jedoch nicht bereits mit der einbehaltenen Rentennachzahlung erfüllt, da der im Berechnungsbogen für das Erstattungsersuchen jeweils eingesetzte Leistungssatz bereits um die Anrechnung der Verletztenrente vermindert ist, d.h. die hier streitige Forderung besteht weiterhin.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 29.04.2003 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die rückwirkende Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die dem Kläger gezahlte Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Rückforderung eines überzahlten Betrages in Höhe von 13.346,61 DM.
Der 1939 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 05.07.1997 bis 14.10.1997, 03.02.1998 bis 29.02.2000, 01.03.2000 bis 09.07.2000 und 04.08.2000 bis 31.10.2000 Alhi. In den Fragebögen zur Bedürftigkeitsprüfung verneinte er jeweils laufende oder gelegentlich wiederkehrende Einnahmen. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 10.08.2000 zur beabsichtigten Aufrechnung einer durch den Leistungsbezug während einer Zwischenbeschäftigung verursachten Überzahlung erwähnte der Kläger erstmals den Bezug einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Ermittlungen bestätigten die Zahlung einer solchen Rente nach einer MdE von 20 vH in Höhe von monatlich 550,71 DM (Juli 1997) bis 562,51 DM (ab 01.07.2000). Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit, zur beabsichtigten Aufhebung der Alhi-Bewilligung und Anrechnung der Unfallrente Stellung zu nehmen, hob die Bewilligungen mit Bescheid vom 27.11.2000 für die Zeit vom 05.07.1997 bis 14.01.1997 / 03.02.1998 bis 09.07.2000 teilweise auf und forderte vom Kläger einen Betrag von 13.347,00 DM zurück. Die Unfallrente sei gemäß § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 194 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) auf die Alhi anzurechnen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 zurück. Dabei korrigierte sie den Forderungsbetrag auf 13.346,61 DM.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 27.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben und die Unfallrente in geringerem Umfange anzurechnen. Gemäß § 11 S 1 Nr 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) dürften bei einer MdE von 20 vH zwei Drittel der Unfallrente nicht auf die Alhi angerechnet werden. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung sei daher nicht nachvollziehbar. Im Übrigen seien Anrechnungen bis 09.07.2000 erfolgt, obwohl er ab 01.01.1999 rückwirkend Altersrente beziehe. Ab 01.09.1999 sei der Beklagten eine Anrechnung verwehrt.
Der Kläger erhielt aufgrund des Rentenbescheides vom 20.12.2000 (Altersrente wegen Arbeitslosigkeit) von der LVA Niederbayern-Oberpfalz für die Zeit vom 01.09.1999 bis 31.01.2001 eine Rentennachzahlung in Höhe von 9.193,07 DM. Davon befriedigte die LVA einen Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 8.676,65 DM. Die Beklagte hatte bei der LVA für den Zeitraum 01.09.1999 bis 31.10.2000 einen Betrag von 10.914,87 DM (9.408,96 DM Alhi, 1.333,34 DM Beiträge zur Krankenversicherung, 172,57 DM Beiträge zur Pflegeversicherung) geltend gemacht.
Mit Urteil vom 29.04.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Alhi-Bewilligung sei § 45 Abs 1 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X). Gemäß § 11 S 1 Nr 2 AlhiV sei die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nur eingeschränkt anrechenbar. Bei einer MdE von 20 vH sei ein Betrag von zwei Dritteln der Mindestgrundrente nach der Kriegsopferversorgung anrechnungsfrei. Die rückwirkende Zahlung der Altersrente ab 01.09.1999 ändere hieran nichts.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung übergab er der Geschäftsstelle des Senats den Rentenbescheid der LVA vom 20.12.2000 sowie ein Schreiben der LVA vom 13.03.2001 über eine einbehaltene Rentennachzahlung zur Befriedigung eines Erstattungsanspruchs der Beklagten in Höhe von 8.676,65 DM.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 29.04.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Beklagte war zur (teilweisen) Aufhebung der Alhi-Bewilligungen berechtigt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligungen für die Vergangenheit ist § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2, Abs 4 SGB X. Bereits der Bewilligungsbescheid vom 21.10.1997, mit dem Alhi ab 05.07.1997 gewährt wurde, als auch die nachfolgenden Bescheide bis zum Bescheid vom 16.05.2000 waren rechtswidrig, denn die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hätte auf die Alhi teilweise angerechnet werden müssen.
Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi ist u.a. Bedürftigkeit (§§ 134 Abs 1 S 1 Nr 3 AFG, 190 Abs 1 Nr 5 SGB III in der ab 01.01.1998 gültigen Fassung). Gemäß §§ 137 Abs 1 AFG, 193 Abs 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann. Welches Einkommen zu berücksichtigen ist bzw. unberücksichtigt zu bleiben hat, regeln §§ 138 Abs 1 bis 3 AFG, 194 SGB III. Die Verletztenrente ist in Abs 3 der genannten Bestimmungen ("nicht als Einkommen gelten ...") nicht erwähnt. Folglich unterliegt die gesetzliche Unfallrente der Einkommensanrechnung (Brandts in Niesel, SGB III, 2.Aufl., § 194 Rdnr 57; BSG SozR Nr 1 zu § 587 RVO).
Die Anrechnung ist jedoch gemäß § 11 S 1 Nr 2 der auf der Ermächtigung der §§ 137 Abs 3, 138 Abs 4 AFG erlassenen AlhiV 1974 (gültig bis 31.12.2000) begrenzt. Danach gilt die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher MdE als Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage gewährt würde, nicht als Einkommen. Bei einer MdE um 20 vH ist ein Betrag von zwei Dritteln, bei einer MdE um 10 vH ein Betrag in Höhe von einem Drittel der Mindestgrundrente anzusetzen. Mit der Regelung des § 11 S 1 Nr 2 AlhiV sollen Bezieher von Verletztenrenten bei der Gewährung von Alhi den Grundrentenbeziehern nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) - vgl. hierzu §§ 138 Abs 3 Nr 5 AFG, 194 Abs 3 Nr 6 SGB III - gleichgestellt werden (BSG Urteil vom 16.03.1983 - 7 RAr 29/82 - SozSich 1983, 156). Da nach § 31 Abs 1 und 2 BVG ein Anspruch auf Grundrente erst ab einer MdE von 25 vH besteht, sind bei Verletztenrenten nach einer MdE von weniger als 25 vH die in § 11 S 1 Nr 2 2.HS AlhiV vorgesehenen Absenkungen des privilegierten Rentenanteils auf zwei Drittel oder ein Drittel der Mindestgrundrente vorzunehmen (Ebsen in Gagel, SGB III, § 194 Rdnr 109). Vorliegend ist, da die unfallbedingte MdE des Klägers lediglich 20 vH beträgt, § 11 S 1 Nr 2 2.HS AlhiV anzuwenden, so dass zwei Drittel einer (fiktiven) Grundrente der Kriegsopferversorgung nicht als Einkommen gelten. Zutreffend ist die Beklagte bei ihrer Berechnung von den monatlichen Mindestgrundrenten i.H.v. 216,00 DM (01.07.1997 - 30.06.1998), 217,00 DM (01.07.1998 - 30.06.1999), 220,00 DM (01.07.1999 - 30.06.2000) und 221,00 DM (01.07.2000 - 30.06.2001) ausgegangen. Zwei Drittel der genannten Beträge hat sie nicht als Einkommen berücksichtigt.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, auf den Bestand der Alhi-Bewilligungen vertraut zu haben, denn diese Verwaltungsakte beruhten auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X). Die Frage nach laufenden oder wiederkehrenden Einnahmen im Zusatzblatt "Bedürftigkeitsprüfung" zu den Anträgen auf Alhi hat der Kläger - beginnend mit dem Antrag vom 06.10.1997 - verneint, obwohl er seit 01.07.1997 von der Südwestl. Bau-BG (Karlsruhe) laufend eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE um 20 vH bezog. Die falschen Angaben waren kausal für die Fehlerhaftigkeit der Bewilligungsbescheide (BSG SozR 4100 § 152 Nr 6, Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4.Aufl., § 45 Rdnr 22), denn bei Angabe des Bezugs der Verletztenrente wäre eine Anrechnung erfolgt und Überzahlungen vermieden worden. Dem Kläger ist wenigstens grobe Fahrlässigkeit (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2.HS SGB X) vorzuwerfen, denn aufgrund der Fragen im Zusatzbogen "Bedürftigkeitsprüfung" musste ihm klar sein, dass er die Verletztenrente als laufende Einnahme anzugeben hatte (BSG SozR 4100 § 152 Nr 10). Auch ist der Kläger im Merkblatt für Arbeitslose über die Bedeutung von Einkommen bei der Alhi belehrt worden. So heißt es auf S.40 des Merkblatts (Stand April 1997): "Die Bewilligung von Alhi hängt von Ihrer Bedürftigkeit ab. Bei der Bedürftigkeitsprüfung werden Vermögen, Einkommen und sonstige Möglichkeiten zur Einkommenserzielung berücksichtigt. Zu berücksichtigendes Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldwert, also nicht nur Arbeitsentgelt, sondern auch sonstiges Einkommen, z.B. Renten ...". Die Nichtbeachtung des nachweislich ausgehändigten Merkblatts begründet ebenfalls grobe Fahrlässigkeit, denn es sind vorliegend keine Gründe ersichtlich, dass der Kläger den Inhalt des Merkblatts nicht verstanden haben könnte (Wiesner aaO Rdnr 24). Ggf. hätte sich der Kläger eines Übersetzers bedienen müssen, sofern er das Merkblatt nicht in seiner Sprache erhalten haben sollte.
Die für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu beachtende Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X hat die Beklagte eingehalten. Ermessen hatte sie in diesem Zusammenhang nicht auszuüben (§ 330 Abs 2 SGB III). Die zu Unrecht bezogene Alhi hat der Kläger der Beklagten gemäß § 50 Abs 1 S 1 SGB X zu erstatten.
Irrig geht der Kläger offenbar davon aus, dass mit der Einbehaltung eines Betrages von 8.676,65 DM von der Rentennachzahlung zu Gunsten der Beklagten seine Schuld in vollem Umfang getilgt ist. Hierzu ist festzustellen, dass die Beklagte bei der LVA einen Erstattungsanspruch geltend gemacht hat, weil dem Kläger nachträglich ab 01.09.1999 Anspruch auf Altersrente zuerkannt wurde (Bescheid vom 20.12.2000), er jedoch für die Zeit vom 01.09.1999 bis 31.10.1999 von der Beklagten bereits Alhi bezogen hatte. Dieser Erstattungszeitraum deckt sich zum Teil mit dem des anhängigen Verfahrens (03.02.1998 bis 09.07.2000). Die vorliegend streitige Erstattungsforderung ist jedoch nicht bereits mit der einbehaltenen Rentennachzahlung erfüllt, da der im Berechnungsbogen für das Erstattungsersuchen jeweils eingesetzte Leistungssatz bereits um die Anrechnung der Verletztenrente vermindert ist, d.h. die hier streitige Forderung besteht weiterhin.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 29.04.2003 ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved