L 8 AL 286/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 147/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 286/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Gegenstandswert wird auf 4.651,49 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung der Winterbau-Umlage ab Dezember 1996 dem Grunde nach streitig.

Die Beklagte führte bei der Klägerin, deren alleiniger Gesellschafter der Geschäftsführer ist, am 15.10.2001 eine Prüfung zur Feststellung der Umlagepflicht durch. In dem Prüfungsbericht heißt es, es würden bauliche Leistungen in Form der Montage von vorgefertigten Fenstern und Türen, Glas-/Alupfosten und Riegelfassaden erbracht.

Mit Bescheid vom 11.12.2001 stellte die Beklagte fest, dass im Rahmen der Verjährung ab Dezember 1996 für den gesamten Betrieb Umlagepflicht gegeben sei. In ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin auf eine Vereinbarung zwischen den Bau- und Metallberufsgenossenschaften aus dem Jahre 1999, nach der die Montage zum Baunebengewerbe gehöre, die Herstellung und Montage hingegen zum Geltungsbereich der Metallberufsgenossenschaften. Ihre Leistungen für die Auftraggeber seien als Herstellung und Montage von Fenstern, Türen und Toren sowie Fassaden einzuordnen. Sie erhalte ihre Aufträge als Subunternehmerin von Firmen, die sich als Auftragnehmer gegenüber dem Bauherrn zur Lieferung und zum Einbau/Montage von Fenstern, Fenster- und Fassadenbauteilen verpflichtet hätten. Schon hier müsse man die Tätigkeit der Klägerin als Teil des Gesamtauftrages sehen, der die Herstellung und Lieferung nebst Montage der Teile beinhalte. Zur Verarbeitung bzw. Vorbereitung der Montage und zur Herstellung der letztlich zu montierenden Teile verwende man Glasscheiben, Fensterrahmenteile, Fensterscheiben, Fensterflügel, Rollen mit Gummidichtung, Klemmleisten/Pressleisten, Pressleistengummi auf Rollen, Schrauben, Dübel und sonstige Kleinteile. Die Tätigkeit bestehe im Zuschneiden und Einarbeiten der Gummis in die Rahmenteile als so genannte Mitteldichtung sowie in dem Anbringen eines weiteren Gummis an Fensterscheiben, die dann in die Rahmen eingepasst würden. Die Scheiben würden auf Stapeln geliefert und von der Klägerin in die Rahmen eingesetzt, um sie dann außen an die Rahmen zu montieren und die Fenster- und Regenbleche anzubringen. Hierbei werde der äußere Rahmen verschraubt. Teilweise würden die Vorbereitungsarbeiten im Betrieb der Klägerin durchgeführt, teilweise auf der Baustelle. Ähnlich verhalte es sich mit den Fassadenelementen aus Glas.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Baubetriebe im Sinne des § 1 Abs.2 der Baubetriebeverordnung (BauBetrV) seien u.a. solche, die Fassadenbauarbeiten (Nr.11), Fertigbauarbeiten (Nr.12) und Trocken- und Montagearbeiten (Nr.36) durchführten. Laut BSG-Urteil vom 30.01.1996, 10 RAr 11/94, zählten zu den Bau- leistungen auch der Einbau der von Drittfirmen hergestellten genannten Fenster und Türen in Neu- und Altbauten, es sei denn, diese Tätigkeiten würden von zur Winterbauförderung nicht zugelassenen Betrieben des Glaser- oder des Schreinerhandwerks ausgeführt. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, die Einbauteile auch selbst herzustellen. Es würden lediglich Dichtungen und Glasscheiben in ansonsten vorgefertigte Elemente eingesetzt; damit erfolge keine Herstellung der Elemente, das Einsetzen von Dichtungen und Glasscheiben sei vielmehr Teil der Montage. Darüber hinaus sei das Herstellen von Fertigbauteilen, die danach selbst eingebaut würden, ebenfalls den baulichen Leistungen im Sinne des § 1 Abs.2 Nr.12 BauBetrV zuzuordnen. Da der Betrieb nicht in Betriebsabteilungen gegliedert sei, bestehe auch kein organisatorisch abgrenzbarer Betriebsteil, der sich ausschließlich mit der Herstellung der Fertigbauteile in einer massiven, ortsfesten und auf Dauer eingerichteten Arbeitsstätte nach Art stationärer Betriebe befasse. Auch über die Ausschlussvorschrift des § 1 Abs.5 BauBetrV entfalle die Förderungsfähigkeit/Umlagepflicht nicht, da keine gefestigte Rechtsprechung existiere, nach der diese Betriebe eine abgrenzbare und nennenswerte Gruppe bildeten, bei der eine Einbeziehung in die Winterbauförderung nicht zu einer Belebung der ganzjährigen Bautätigkeit führen würde und die deshalb von der Umlagepflicht ausgenommen wäre.

Mit ihrer zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Herstellungsarbeiten seien nicht Teil der Montagearbeiten. Es könne auch nicht richtig sein, dass Firmen aus den Bereichen des Glaser- und Schreinerhandwerks die gleichen Aufträge durchführen könnten, ohne zur Winterbauumlage herangezogen zu werden.

Mit Urteil vom 05.06.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Arbeiten, die die Klägerin als Herstellen bezeichne, seien reine Nebenarbeiten. Das Zurechtschneiden von Blechen oder Gummiteilen könne nicht unter den Begriff des Herstellens von Werken, die dann montiert würden, fallen. Diese Tätigkeit ließe sich nicht mit der Herstellung von Fenstern in Schreinereien vergleichen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass es eine nennenswerte abgrenzbare Gruppe von Betrieben gebe, welche der Verordnungsgeber wegen fehlender Förderungsfähigkeit aus der Produktiven Winterbauförderung hätte herausnehmen müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie darlegt, dass es vier Varianten gebe, nach denen sie ihre Arbeiten durchführe. Bei Variante 1 hätten die Maurer bereits Halteschienen eingesetzt, an denen die Klägerin mittels Halteschrauben die Fassadenelemente befestige. Bei Variante 2 hätten die Maurer so genannte Ankerplatten in das Mauerwerk eingesetzt, an denen die Klägerin sodann die Winkel für die Fassadenelemente festschweiße, um an diesen wiederum die gelieferten Fassadenelemente zu befestigen. Bei Variante 3 handele es sich um Stahlhallen, bei denen an den Trägern/Pfosten die Stahlwinkel angeschweißt und außen an den Fassadenelementen befestigt würden. Diese drei Varianten stellten mehr als 75% der Aufträge dar. Bei Variante 4 würden die Stahlwinkel per Dübel und Schrauben an dem Betonmauerwerk befestigt. Die Klägerin erbringe ihre Leistungen ausschließlich für den jeweiligten Hersteller der Fassadenelemente und stehe in keinen vertraglichen Beziehungen zu einem Bauherrn. Zusammen mit dem Hersteller erbringe sie die Leistung "Herstellen und Liefern von Fassaden".

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.06.2003 und den Bescheid vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis damit erklärt, dass Gegenstand des Verfahrens nur der Bescheid vom 11.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 sein soll und die übrigen Bescheide bezüglich der Höhe der Umlage von der Beklagten überprüft werden, falls die Umlagepflicht festgestellt werden sollte.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten, soweit sie die Feststellung der Umlagepflicht im Grunde nach betreffen, nicht zu beanstanden sind.

Die Klägerin ist für die Zeit ab Dezember 1996 gemäß § 186a Abs.1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 15.12.1995 (BGBl.I S.18 Nr.9) und ab 01.01. 1998 gemäß § 354 SGB III verpflichtet, die Mittel für die Produktive Winterbauförderung bzw. die in § 354 SGB III genannten Leistungen in Form einer Umlage mitaufzubringen. Sie ist Arbeitgeberin des Baugewerbes, in deren Betrieb die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß §§ 75 Abs.1 Nr.1 und 2 AFG, 211 Abs.1 Satz 1 SGB III Betriebe, die gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringen. Bauleistungen sind gemäß §§ 75 Abs.1 Nr.3 AFG, 211 Abs.1 Satz 2 SGB III alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Die Klägerin ist ein Betrieb des Baugewerbes in diesem Sinne. Der Einbau von Fenstern, Türen und sonstigen Fassadenelementen dient der Herstellung, Instandsetzung und im Falle der Sanierung der Instandhaltung von Bauwerken. Im welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist, ist in der gemäß §§ 76 Abs.2 AFG, 216 Abs.2 SGB III erlassenen BauBetrV vom 28.10.1980 (BGBl.I S.2033) in der Fassung der VO vom 13.12.1996 (BGBl.I S.1954) geregelt. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die von der Klägerin überwiegend verrichteten Tätigkeiten sowohl als Fassadenarbeiten im Sinne des § 1 Abs.2 Nr.11 als auch als Fertigbauarbeiten im Sinne der Nr.12 sowie als Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne der Nr.36 dieser Verordnung anzusehen sind. Dass das Einsetzen von Fenstern und Türen und das Anbringen von Fassadenbauteilen zu der Herstellung einer Fassade zu rechnen ist, ist offensichtlich. Aus der in der Berufungsbegründung erfolgten Schilderung der Arbeiten ergibt sich, dass es sich um Montagearbeiten handelt. Weiterhin sind die Arbeiten als Fertigbauarbeiten anzusehen, nämlich im Sinne der Nr.12 als das Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken.

Unerheblich ist, dass die Klägerin auch Arbeiten ausführt, die dem Herstellen zugerechnet werden könnten, wenn sie z.B. die Gummis zurecht schneidet und diese sodann in die gelieferten Rahmen einfügt; zum einen ist nach der Nr.12 auch das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb eingebaut werden, den Bauarbeiten im Sinne des § 1 BauBetr.V zuzurechnen, zum anderen überwiegen, bezogen auf die Arbeitszeit, die die Arbeitnehmer erbringen, die Montagearbeiten, also die Fertigbauarbeiten im eigentlichen Sinne, so dass der gesamte Betrieb, der nicht in Betriebsabteilungen gegliedert ist, als Baubetrieb anzusehen ist. Die Klägerin fällt auch nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 2 Nr.12 BauBetrV; zwar wird die ganzjährige Beschäftigung nicht in Betrieben des Schreinerhandwerks gefördert, jedoch gilt dies nach dieser Vorschrift unter anderem nicht, soweit überwiegend Fertigbauarbeiten verrichtet werden. Der Betrieb der Klägerin kann auch nicht als ein solcher des Glaserhandwerks im Sinne des § 2 Nr.5 dieser VO angesehen werden, da das Einsetzen der gelieferten Fensterscheiben nicht zu den typischen Glaserarbeiten gehört (Urteil des BAG vom 26.01.1994, 10 AZr 49/93). Im Übrigen hat auch das BSG im Urteil vom 30.01.1996, 10 RAr 11/94, für den Bereich der Winterbauförderung festgestellt, dass Betriebe, die von dritter Seite hergestellte und gelieferte Fenster einbauen, Betriebe des Baugewerbes sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin überwiegend als Subunternehmen für einen Betrieb tätig ist, der Fenster, Türen und Fassadenelemente herstellt und deshalb möglicherweise als Betrieb im Sinne des § 2 Nr.12 BauBetrV anzusehen ist. Denn die den Schreinerbetrieb charakterisierenden Merkmale müssen im Betrieb der Klägerin selbst gegeben sein, während es nicht genügt, wenn sie, ohne selbst überwiegend solche "privilegierten" Schreinerarbeiten zu verrichten, mit einem Betrieb verflochten ist, der solche Arbeiten überwiegend erbringt. Dies hat das BSG in dem Urteil vom 04.03.1999, SozR 3-4100 § 75 Nr.2, hinsichtlich der Definition des Baubetriebes entschieden. Gleiches hat naturgemäß bei der Begriffsbestimmung des Betriebes des Schreinerhandwerks im Sinne des § 2 Nr.12 BauBetrV zu gelten.

Der Betrieb der Klägerin ist auch nicht ausnahmsweise von der Umlagepflicht auszunehmen. Denn er gehört nicht zu einer nennenswerten, abgrenzbaren Gruppe von Betrieben, die durch Leis-tungen der Winterbauförderung nicht wesentlich gefördert werden könnte (vgl. BSG im Urteil vom 30.01.1996, 10 RAr 11/94). Inso- weit wäre es unerheblich, wenn der Betrieb der Klägerin für sich genommen individuell nicht förderungsfähig wäre (BSG, SozR 4100 § 186a Nr.23). Im Übrigen sind die in Betrieben wie dem der Klägerin beschäftigten Arbeiter auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen tätig, da sie während der Wintermonate den witterungsbedingten Erschwernissen ausgesetzt sind. Denn sowohl beim Einbau von Fenstern, Türen und Fassadenelementen in Neubauten als auch in Altbauten sind sie Witterungseinflüssen ausgesetzt, insbesondere den Einwirkungen von Kälte, Schnee, Regen und Wind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 07.12.1999, L 2 AL 52/96).

Da die Umlagepflicht von Gesetzes wegen eintritt, kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit die Umlagepflicht für die Vergangenheit im Rahmen der Verjährung festgestellt wird (vgl. BSG, SozR-4100 § 186a Nr.17). Weiterhin ist die berufsgenossenschaftliche Zuordnung nicht maßgebend für die Beurteilung, ob ein Baubetrieb im Sinne des § 1 Abs.2 BauBetrV vorliegt, da insoweit ausschließlich diese Vorschriften maßgebend sind.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 05.06.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17.08.2001 (BGBl.I S.2144) in Verbindung mit § 154 Abs.1, 2 VwGO. Der gemäß §§ 13, 25 des Gerichtskostengesetzes (GKG) festzusetzende Streitwert beträgt 4.651,49 EUR. Für die Bestimmung des maßgebenden wirtschaftlichen Wertes ist die sich für drei Jahre ergebende durchschnittliche Umlageforderung maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 20.06.1995, 10 RAr 7/94, Breithaupt 1996 S. 148 bis 150). Aus den von der Klägerin mitgeteilten Bruttolohnsummen der Jahre 1997 bis 2000 ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Bruttolohnsumme von 303.251,37 DM und bei einem Um- lagesatz von 1% eine jährliche Umlage von 3.032,51 DM, mithin für drei Jahre von 9.097,53 DM bzw. 4.651,49 EUR.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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