L 14 RA 271/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 959/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 271/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 151/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. November 2000 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch aus Witwenrente für die geschiedene Ehegattin.

Die im Jahre 1937 geborene Klägerin ist die frühere Ehefrau des 1938 geborenen und am 05.06.1989 verstorbenen Versicherten. Die am 29.09.1961 geschlossene Ehe wurde mit dem am 18.04.1964 rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 04.03.1964 wegen Zerrüttung der Ehe aus Verschulden des Versicherten geschieden. Das Sorgerecht für zwei in den Jahren 1962 und 1963 geborene Kinder wurde der Mutter übertragen (Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 02.11. 1964).

Der Versicherte ging am 03.07.1964 eine zweite Ehe ein, aus der ein 1965 geborenes Kind stammt. Er - seit April 1956 im Erwerbsleben - erzielte im Jahre 1964 ein Bruttoeinkommen von 13.068,96 DM, im Jahre 1968 ein solches von 18.840,00 DM und von Januar bis März 1987 16.805,- DM. Nach Arbeitslosigkeit vom 01.04.1987 bis 05.06.1989 bei in dieser Zeit bereits begonnener selbständiger Tätigkeit als frei beruflicher Design- Berater, gefördert vom Arbeitsamt mit Überbrückungsgeld (5.777,75 DM und Zuschuss zur Renten- und Krankenversicherung von 1.733,33 DM für die Zeit vom 01.02. bis 05.06.1989), verstarb er - ohne Rentenbezug - im Juni 1989.

Seine zweite Ehefrau A. , seit April 1955 erwerbstätig, erzielte in den Jahren 1964 und 1968 ein Bruttoeinkommen von 8.507,69 DM bzw. 8.024,16 DM. Vom 05.06.1989 bis zu ihrem Unfalltod am 11.10.1989 bezog sie eine Witwenrente nach dem Versicherten.

Die Klägerin selbst hatte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vom 01.04.1969 bis 01.05.1970 (10.268,68 DM und 5.287,50 DM), 01.02.1978 bis 30.06.1979, 01.01.1981 bis 30.06.1982, 15.09. bis 31.10.1982, 01.05. bis 31.05.1991 und vom 01.09.2001 bis zum Altersrentenbezug ab 01.07.2002, wobei sie nach ihren Angaben im Rentenverfahren zwischenzeitlich selbständig erwerbstätig gewesen ist. So soll sie auch im Zeitpunkt des Todes des Versicherten erwerbstätig und in der Lage gewesen sein, sich selbst zu unterhalten. Laut ihrem Versicherungsverlauf war sie - mit Ausnahme einer Lücke von einem Monat - vom 01.11.1982 bis 14.06.1994 arbeitslos und bezog laut den von ihr erst im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen des Arbeitsamts R. vom 07.07.1989 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 6.008,74 DM netto (7.639,30 DM brutto) von Juli bis Dezember 1988 und 5.894,65 DM netto (7.493,73 brutto) von Januar bis Juni 1989.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24.02.1964 verpflichtete sich der Versicherte, vom Tag der rechtskräftigen Ehescheidung an bis zur Wiederverheiratung der Klägerin dieser eine Unterhaltsrente von 230,- DM monatlich, bei Ermäßigung der Miete für die Wohnung der Ehefrau um mindestens 30,- DM noch einen Unterhaltsbetrag von 200,- DM monatlich zu zahlen; diese Verpflichtung sollte auch dann gelten, wenn dem Versicherten künftig neue Unterhaltsverpflichtungen infolge Wiederheirat oder aus anderen Gründen entstehen sollten (Verzicht auf die Rechte nach § 323 der Zivilprozessordnung - ZPO ). Daneben war noch ein Unterhalt von jeweils 100,- DM für beide Kinder vereinbart.

Am 06.05.1998 stellte die Klägerin unter Nachweis ihres Sozialhilfebezugs ab Januar 1998 bei der Beklagten einen Antrag auf Geschiedenenwitwenrente und verneinte die Frage nach einem Unterhaltsverzicht, reichte aber später nach Aufforderung der Beklagten unter anderem die notariell beurkundete Erklärung vom 03.10.1968 ein, in der sie unter Bezug auf die Unterhaltsverpflichtung im notariellen Vertrag vom 24.02.1964 unwiderruflich "auf die Zahlung des Unterhaltsbetrags von 230,- DM bzw. 200,- DM" verzichtete. Vorausgegangen waren Verhandlungen über den künftigen Unterhalt und unter anderem der Hinweis des Anwalts der Klägerin vom 20.05.1968, dass ohne Unterhaltsverzicht wohl eine 15 bis 20 Jahre lang dauernde Unterhaltsleistung des Versicherten in Frage stehe. Die Erklärung vom 03.10.1968 wurde vom Notar und Rechtsanwalt der Klägerin, Herrn A. , der Anwältin des Versicherten, Dr. B. , übersandt mit dem "Vorbehalt", dass von dieser Urkunde nur Gebrauch gemacht werden dürfe Zug um Zug gegen Zahlung des Abfindungsbetrags von 5.000,00 DM.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.09.1998 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab, weil die Klägerin im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten (Juli 1988 bis Juni 1989) keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verstorbenen gehabt habe (§ 243 Abs.1 und Abs.2 Sozialgesetzbuch Teil VI- SGB VI). Ohne diese Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs könne Hinterbliebenenrente gemäß § 243 Abs.3 SGB VI nicht gewährt werden, weil ein Anspruch auf Witwenrente bestanden habe.

Im Widerspruchsverfahren machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, der Unterhaltsverzicht sei nur unter laufenden Repressalien des Versicherten zustande gekommen und wegen der vorhersehbaren Belastung der Sozialhilfeverwaltung durch Leistungen an die Klägerin (ab Januar 1998) sittenwidrig gewesen. Die Klägerin sei stets unterhaltsbedürftig gewesen. Im Jahre 1964 habe sie vorwiegend Sorge für die zwei Kinder aus der Ehe mit dem Versicherten tragen müssen. Später, ab etwa 1967/68, habe sie hin und wieder ein Schaufenster dekorieren können. 1973 habe sie einen nichtehelichen Sohn geboren, der eine spastische Bronchitis gehabt und der besonderen Pflege über elf Lebensjahre bedurft habe. Die älteste Tochter sei ab dem zwölften Lebensjahr im Internat gewesen. Erziehungsbedingt habe sie, die Klägerin, nur zeitweise eine Teilzeitbeschäftigung bis 1980 ausüben können. Danach sei sie überwiegend arbeitslos gewesen. 1994 sei der Versuch gescheitert, eine selbständige Existenz aufzubauen.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.1999 zurück.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München machte die Klägerin geltend, der Verzicht auf Unterhaltsleistungen sei sittenwidrig und außerdem wegen des bereits anfangs zu erwartenden künftigen Sozialhilfebezugs unwirksam gewesen. Im Übrigen wies sie auf ihre anfänglich fehlende Unterhaltsbedürftigkeit hin - im Laufe der Zeit nach Scheidung habe sie höhere Einkünfte aus eigener Berufstätigkeit erzielt - und führte insoweit aus, der Unterhaltsverzicht sei rein deklaratorisch gewesen, weil der Verstorbene - unterhaltspflichtig gegenüber der zweiten Ehefrau und seinem dritten Kind (erstes Kind aus zweiter Ehe) - seine Unterhaltszahlung nach Abänderungsklage hätte einstellen können, zumal sie "entsprechend eigene Einkünfte" (gemeint eventuell: aus selbständiger Erwerbstätigkeit) bzw. vorübergehend höhere Einkünfte gehabt habe. Der Versicherte habe auf sie Druck ausgeübt, einen Unterhaltsverzicht abzugeben (u.a. Antrag auf Übertragung der elterlichen Gewalt für das Kind D. an ihn; Drängen auf das Ausüben einer Berufstätigkeit durch die Klägerin). Sie habe im Jahre 1968 das tatsächliche Einkommen des Versicherten nicht gekannt und geglaubt, dass dessen (zweite) Ehefrau nicht erwerbstätig gewesen sei. Der Unterhaltsverzicht sei zur Vermeidung einer Abänderungsklage und der damit verbundenen Kostenfolge abgegeben worden.

Die Beklagte wies darauf hin, dass der Verstorbene im Jahre 1968 ein sehr hohes versicherungspflichtiges, fast die Beitragsbemessungsgrenze erreichendes Arbeitseinkommen gehabt habe (18.840,-) und die zweite Ehefrau ein Einkommen von 8.024,14 DM, die Klägerin hingegen keines.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 09.11.2000 ab, weil eine Voraussetzung der Geschiedenenwitwenrente, der Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode, nicht bestanden habe. Der Unterhaltsverzicht sei nicht allein deklaratorischer Natur und damit nicht eine Verfügung ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz ("leere Hülse") gewesen.

Im Berufungsverfahren bringt die Klägerin vor, die Erklärung über den Unterhaltsverzicht sei von vornherein unwirksam gewesen. Nach heutigem Recht könne gemäß § 1614 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für die Zukunft nicht auf Unterhalt verzichtet werden; insbesondere gelte § 1614 BGB auch für die Unterhaltsansprüche von Ehegatten (Palandt-Diederichsen, BGB, 60. Auflage, Rdnrn.1 und 2 zu § 1614). Der unterhaltsverpflichtete Teil könne sich gemäß § 242 BGB nicht auf den Unterhaltsverzicht des sorgeberechtigten Ehegatten berufen, soweit das Kindeswohl (Betreuung) einen weiter bestehenden Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau gebiete (BGH in FamRZ 1997, 873 und 1992, 1403). Ein Unterhaltsanspruch habe bestanden, weil die Klägerin wegen Kinderbetreuung nicht bzw. nur zeitweise und in sehr begrenztem Umfang einer beruflichen Tätigkeit habe nachgehen können.

Außerdem werde die Verzichtserklärung gemäß § 122 Abs.1 BGB angefochten, weil die Klägerin durch arglistige Täuschung zur Abgabe der Erklärung durch unrichtige Angaben des Verstorbenen über seine Zahlungsverpflichtungen (Darlehen für Hypotheken) und über sein Vermögen (kein Zufluss von Barvermögen aus einer angeblich nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft) getäuscht worden sei. Anfang August 2000, vor ca. sieben Monaten, habe sie von ihrer Tochter G. erfahren, dass sich die Erbengemeinschaft bereits vor mehr als 30 Jahren auseinandergesetzt habe und dabei auf den Vater (Versicherten) und die Großmutter mindestens 200.000,- DM entfallen seien. Die ehemalige Behauptung des Versicherten, er müsse einen Kredit in Höhe von mindestens 30.000,- DM aufnehmen, um regelmäßige Unterhaltszahlungen an sie zu leisten, sei unzutreffend gewesen, sie habe diesen Ausführungen aber Glauben geschenkt.

Sie sei vom Ehemann und ihrem eigenen Anwalt vorsätzlich und wissentlich fehlgeleitet und gedrängt worden, die Verzichtserklärung abzugeben. Es liege im Sinne des Bundessozialgerichts ein verständiger Grund vor, der Glaube an "desolate wirtschaftliche Verhältnisse" des Ehemanns und daran, dass die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs mit erheblichen Schwierigkeiten, nämlich der Zahlungsunfähigkeit des Versicherten, verbunden oder gar aussichtslos gewesen wäre. Allein deshalb habe sie dem Unterhaltsverzicht zugestimmt.

Weiter führt der Bevollmächtigte der Klägerin aus (Schriftsätze vom 22.06.2001 und 03.06.2002), laut Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.06.2000 - B 4 RA 66/99 R könne eine Unterhaltsverzichtserklärung, eine einseitige gestaltende und empfangsbedürftige Willenserklärung, den Anspruch auf Sozialleistungen (gemeint: Zahlungsansprüche) erlöschen lassen, aber nicht das Stammrecht auf Rente; der Verzicht sei nicht für die Zeit nach dem Tode des Versicherten erklärt worden; er sei gemäß § 46 des Sozialgesetzbuches Teil I (SGB I) mit Wirkung für die Zukunft frei widerruflich und auch mit Rentenantrag widerrufen worden. Außerdem habe der Verzicht nur gegenüber dem Versicherten und nicht gegenüber der Beklagten gewirkt.

Sie, die Klägerin, habe auch nicht, wie es das BSG in NJWE-FIR 2000, 300 ff. fordere (Anmerkung: das Urteil ist zu § 46 SGB I ergangen), gewusst, in welchem Umfange sie Ansprüche aufgebe; außerdem habe sie nicht auf den Unterhalt insgesamt verzichtet, sondern nur auf die Zahlung von mtl. 230,- bzw. 200,- DM.

Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass ihr vom damaligen Ausgleichbetrag von 5.000,- DM wegen Verfahrenskosten nur 3.000,- DM geblieben seien; dies spreche gegen den Vollzug des Verzichts und sei auch aus heutiger Sicht unerträglich und unbillig. Zur Begründung ihres Vortrags hinsichtlich des Sachverhalts legt die Klägerin Schriftstücke aus den Jahren 1963, 1964, 1966 bis 1968 und 1970 vor.

Nach Wechsel des Bevollmächtigten lässt die Klägerin vortragen, sie habe nur auf die monatlichen Unterhaltsbeträge von 200,00 bzw. 230,00 DM, nicht aber auf darüber hinausgehende Unterhaltsbeträge und auch nicht auf den Notbedarf verzichtet, und nach dem Urteil des BSG vom 11.09.1980 - 5 RJ 60/79 - sei deswegen eine Geschiedenenrente nicht ausgeschlossen.

Außerdem handele es sich bei einem Unterhaltsverzicht nicht um eine einseitige Erklärung, sondern um einen Vertrag (§§ 1585c, 397 BGB), es ergebe sich aber nirgends, dass die Verzichtserklärung auch angenommen worden sei, wenn auch die Zahlung von 5.000,00 DM erfolgt sei. Es liege augenscheinlich ein offener Einigungsmangel (§ 154 BGB) vor, weil der Versicherte die gleichzeitige Übernahme der Kosten des Rechtsanwalts in voller Höhe oder zur Hälfte nicht akzeptiert habe und so eine Einigung nicht erfolgt sei (siehe Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 05.09. und 03.10.1968).

Im Übrigen bestünden auch Zweifel an einer Unterhaltsverzichtserklärung, weil sich an anderer Stelle (vorgelegter Schriftsatz der Anwältin des Versicherten vom 03.07.1970) ergebe, dass der Betrag von 5.000,-DM von der Klägerin wegen Existenzgründung gefordert worden sei, also nicht etwa im Hinblick auf eine Unterhaltsverzichtserklärung. Wenn man diesen Ausführungen aber nicht folgen wolle, bestünden vorliegend Zweifel, ob dann auf den Notbedarf verzichtet worden sei, weil sie, die Klägerin, nur auf die Zahlung früher vereinbarter Beträge verzichtet habe. Nach der Rechtsprechung des BSG werde nur dann ein Anspruch auf Geschiedenenrente verneint, wenn der Unterhaltsverzicht vollständig sei bzw. endgültig und umfassend erfolgt sei, also einschließlich des Verzichts auf den sogenannten Notbedarf.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Unterhaltsverzicht sei schon deshalb keine leere Hülse, weil zum Zeitpunkt des Verzichtsvertrages unwiderruflich auf einen konkretisierten Unterhaltsanspruch - ohne den Notbedarf auszunehmen - verzichtet worden sei, und die Beteiligten über eine Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen wirksam treffen könnten.

Die Beteiligten setzen sich dann dahingehend auseinander, dass für den Verzicht nicht der später in Kraft getretene § 1585c BGB, sondern der im Wesentlichen gleich lautende § 72 des Ehegesetzes (EheG) gegolten habe, wonach über die Unterhaltspflicht nach der Scheidung Vereinbarungen getroffen werden könnten; der Bevollmächtigte der Klägerin meint, dass angesichts eines bloßen Verzichts auf 200,00 bzw. 230,00 DM monatlich gerade die Einbeziehung des Notbedarfs in den Verzicht nicht gewollt gewesen sei.

Der Senat hat neben der Klageakte des Sozialgerichts die Versicherten- und Hinterbliebenenrentenakten der Beklagten, die Sozialhilfeakten des Landratsamts R. sowie den bisher nicht vorgelegten Unterhaltsvertrag vom 24.02.1964 beigezogen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.11.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 16.09.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Geschiedenenrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die oben genannten Akten vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der von der Klägerin vorgelegten Schriftstücke, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig, jedoch in der Hauptsache unbegründet. Auch der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht zusteht.

Nachdem aus derselben Versicherung bereits eine Witwenrente an die zweite Ehefrau des Versicherten gezahlt worden ist (§ 243 Abs.3 SGB VI), kommt ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente - mit Beginn des Kalendermonats nach Antragstellung - nur in Betracht für geschiedene Ehegatten

1. deren Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden ist und

2. die nicht wieder geheiratet haben und

3. die im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten

a) Unterhalt von diesem erhalten haben oder

b) im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatten.

Bei der Großen Witwenrente sind noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen (vgl. § 243 Abs.2 Nrn.4 Buchst.a bis Buchstabe c SGB VI).

Die unter Ziffer 3 genannte Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die Klägerin hat vom Versicherten im letzten Jahr vor dessen Tode keinen Unterhalt bezogen; es bestand auch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand - in Frage kam hier neben Juni 1988 bis Juni 1989 bei Bezug von Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld durch den Versicherten vor allem der Zeitraum vom 01.02. bis 05.06.1989 (Bezug von Überbrückungsgeld) - kein Anspruch auf Unterhalt.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Scheidung bestimmen sich die Unterhaltsansprüche nach §§ 58 ff. Ehegesetz vom 20.02.1946, vorliegend nach § 58 Abs.1 Ehegesetz, wonach der allein für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren hat, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit (Anmerkung: bzw. Erwerbsersatzeinkommen) nicht ausreichen. Bestimmend waren für den Unterhaltsanspruch Unterhaltsfähigkeit des Versicherten und Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, wobei eine Projektion des angemessenen Unterhaltbetrags auf die Zeit des Todes des Versicherten (nur) dann entfallen kann, wenn die individuelle Einkommensentwicklung im Wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen hat, das spätere Einkommen mithin im Großen und Ganzen noch das eheliche Lebensniveau widerspiegelte.

Ob ohne Unterhaltsverzicht der Unterhaltsanspruch zur Zeit des Todes des Versicherten bestanden hätte, kann nicht geklärt werden weil seine Einnahmen und Ausgaben unbekannt sind. Der Verstorbene hat ab 01.04.1987 Arbeitslosengeld und vom 01.02. bis 05.06.1989 Überbrückungsgeld (rund 1.444,00 DM netto monatlich) bezogen. Die Klägerin selbst hat vor dem Tode des Versicherten am 05.06.1989 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 982,00 DM netto monatlich (01.01.-30.06.1989: 5.894,65 DM netto, 7.493,73 DM brutto) bezogen. Im Hinblick auf das Überbrückungsgeld des verstorbenen Versicherten, das zum Aufbau einer selbständigen Existenz dienen sollte, also nicht allein für den Lebensunterhalt bestimmt war, und auf einen Erwerbstätigenbonus sieht der Senat keine maßgebliche Unterhaltsfähigkeit des Verstorbenen, und im Übrigen auch keine Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, zumal von ihren Abzügen die Kosten für Kranken- und Rentenversicherung gedeckt wurden.

Aber auch wenn sich für die damalige Zeit ein relevanter Unterhaltsanspruch der Klägerin - mindestens in Höhe von 25 % des Sozialhilfesatzes - errechnen ließe, hätte kein Unterhaltsanspruch bestanden. Dieser war vielmehr durch einen wirksamen Unterhaltsverzicht ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin im Jahre 1968 auf einen am 24.02.1964 vereinbarten Unterhaltsanspruch, der notariell beurkundet gewesen war, verzichtet hat, und auch deswegen mangels Unterhaltsanspruchs gegenüber dem geschiedenen Ehemann im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod kein Hinterbliebenenrentenanspruch gemäß § 243 Abs.1 oder Abs.2 SGB VI bestehen kann. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG). Das ergänzende Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz erschien auch nicht schlüssig. Der Unterhaltsverzicht ist wirksam zustande gekommen. Es handelt sich hierbei um einen Verzichtsvertrag gemäß § 72 Ehegesetz i.V.m. § 397 BGB, der durch zwei übereinstimmende Willenserklärung zustande kam; eine besondere Form, z.B. eine notarielle Beurkundung, war vom Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht vereinbart, so dass es unschädlich ist, dass nur die Erklärung der Klägerin notariell beurkundet worden war (§ 154 Abs.2 BGB).

Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin in zwei Schriftsätzen vom 22.06.2001 und 03.06.2002 ausführlichst dargelegt hat, dass der vorliegende Verzichtsvertrag im Sinne eines privatrechtlichen Vertrags in vielerlei Hinsicht nicht dem Verzicht im Sinne von § 46 SGB I mit den dort geregelten Voraussetzungen für das Zustandekommen und mit der gesetzlich begrenzten Wirkung entspreche und deshalb nicht zustande gekommen oder unwirksam oder nicht mehr (wegen Widerrufs) wirksam sei, so lag dies neben der Sache. § 46 SGB I regelt den einseitigen Verzicht auf Sozialleistungen (Verzicht auf einzelne Zahlungsansprüche durch eine einzige Willenserklärung), wohingegen Zustandekommen und Wirksamkeit des Unterhaltsverzichtsvertrags nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (§ 72 Ehegesetz und unter anderem §§ 116 ff., 145 ff. BGB) zu beurteilen sind. Wegen des grundverschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Sachverhalts erübrigen sich weitere diesbezügliche Ausführungen des Senats zu den zahlreichen Argumenten der Klagepartei oder gar eine Diskussion der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 46 SGB I.

Ein offener Einigungsmangel - die Klägerin machte einen Dissens im Sinne von § 154 Abs.1 BGB geltend - lag nicht vor. Es war keineswegs Bestandteil des Verzichtsvertrags, dass der Verstorbene die Kosten der notariellen Beurkundung der Erklärung der Ehefrau (dies waren 47, 48 DM laut Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 03.10.1968), oder die Kosten eines seit 1966 bestehenden außergerichtlichen Unterhaltsstreits, beendet durch Verzichts- und Abfindungsvertrag (dies waren 627,73 DM laut genanntem Schreiben vom 03.10.1968) tragen sollte; die von der Klägerin behaupteten 2.000,- DM an Unkosten sind ohnehin weder nachgewiesen noch glaubhaft.

Die Klägerin berief sich zur Begründung ihrer Auffassung zwar insbesondere auf das Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 05.09.1968 an die Anwältin des Versicherten. In diesem wurde angeboten, dass eine noch zu erstellende notarielle Verzichtserklärung gegen Zahlung von 5.000,- DM und gegen Übernahme sämtlicher der Klägerin entstandenen Kosten abgegeben werde; der Kostenpunkt wurde zur "Voraussetzung" der Gesamtvereinbarung gemacht. Insoweit darf jedoch nicht verkannt werden, dass es sich um Vertragsverhandlungen handelte, und die "Bedingung" nicht zum Bestandteil des später abgeschlossenen Vertrags wurde. Im späteren Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 03.10.1968 ist nämlich angeführt, dass von der inzwischen erstellten und beiliegenden Verzichtserklärung vom 03.10.1968 nur Gebrauch gemacht werden dürfe Zug um Zug gegen Zahlung des Abfindungsbetrags von 5.000,- DM auf sein Konto. Diese Zahlung ist auch, dies hat die Klägerin zweimal eingeräumt, erfolgt, so dass damit zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Zwar hat Rechtsanwalt A. in seinem Schreiben vom 03.10. 1968 noch gebeten, entsprechend einer angeblichen Bereiterklärung des Versicherten gegenüber der Klägerin nunmehr die Hälfte der Anwaltskosten von 337,61 DM auf sein Konto einzuzahlen, dies wurde aber ersichtlich nicht zur "Bedingung" bzw. zum Bestandteil des Verzichtsvertrags gemacht, weil hier das Zustandekommen laut ausdrücklicher Erklärung von der Zahlung von 5.000,- DM und nicht auch von der Hälfte der anwaltlichen Kosten abhängig gemacht worden ist. Unwesentlich ist es daher gewesen, ob der Versicherte auch den zusätzlichen Betrag von 337,61 DM gezahlt hat. Es ist vorher weder im Schreiben vom 03.10.1968 noch in der Verzichtserklärung ersichtlich gemacht worden, dass eine Verpflichtung des Versicherten zur Zahlung der Hälfte der Kosten erst noch erforderlich sei, d.h. erst noch vereinbart werden müsse, bzw. die Wirksamkeit der Erklärung der Klägerin von der Einzahlung des Kostenbeitrags auch abhänge. Gerade dies aber wäre, nachdem die Klägerin durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen war und auch damals ein besonderes Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf den Abfindungsvertrag von 5.000,- DM offenkundig gemacht hatte, zu erwarten gewesen.

Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Verzichts- und Abfindungsvertrag, gleich ob mit oder ohne Verpflichtung des Versicherten zur Übernahme der halben Anwaltskosten, zustandegekommen ist; allenfalls hätte die Klägerin, wenn der Versicherte die behauptete Verpflichtung zur Zahlung der Hälfte der anwaltlichen Kosten übernommen hatte, auf die Erfüllung dieser Verpflichtung hinwirken müssen. Dies berührt aber nicht die zustande gekommene Einigung; ein Punkt eines Vertrags, über den nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung (künftig) getroffen werden sollte, aber nicht erfolgt ist, ist dem Senat nicht erkennbar.

Der Verzichtsvertrag verstößt gegen kein gesetzliches Verbot und ist deswegen nicht unwirksam (§ 134 BGB). Im Rahmen der heute geltenden allgemeinen Vorschriften zur Unterhaltspflicht zwischen Verwandten (§§ 1601 ff. BGB) regelt § 1614 Abs.1 BGB, dass für die Zukunft auf den Unterhalt nicht verzichtet werden kann. Dies stellt ein Verbot gemäß § 134 BGB dar. § 1316a Abs.3 BGB bestimmt, dass §§ 1613 bis 1615 BGB entsprechend auf die Verpflichtung der Ehegatten zum angemessenen Unterhalt der Familie anzuwenden ist. Dies betrifft aber nur a) zusammen wohnende b) Ehegatten, d.h. nie Geschiedene. Bei getrennt lebenden Ehegatten ist die Sondervorschrift des § 1361 BGB anzuwenden. Im Übrigen gilt heutzutage § 1585c BGB, der bestimmt, dass die Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen können, wobei dies vor und während der Ehe und erst recht nach Scheidung erfolgen darf. Das Gesetz lässt also auch den Verzicht auf den künftigen Unterhalt gegenüber einem geschiedenen Ehegatten ausdrücklich zu. Diese Rechtslage bestand bereits im Jahre 1968; für den von der Klägerin damals geschlossenen Verzichtsvertrag gilt die zu § 1585c BGB identische Vorgängervorschrift des § 72 Ehegesetz.

Der Verzichtsvertrag war auch nicht deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam, weil hierin auf einen eventuell weitergehenden Anspruch auf "Betreuungsunterhalt" verzichtet worden ist. Gewisse Schranken für einen Unterhaltsverzichtvertrag bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), soweit und solange das Kindeswohl bzw. die Betreuungsbedürftigkeit eines gemeinsamen, nur von einem Elternteil betreuten Kindes den Fortbestand des Unterhaltsanspruchs des betreuenden Ehegatten, der auf den Unterhalt verzichtet hat, erfordern. Ein gewisser Kernbereich des Unterhalts ist nicht abdingbar.

Wird der Abfindungsbetrag von 5.000,- DM zu jeweils 200,- DM auf 25 Monate umgerechnet oder (wegen zwischenzeitlicher Einkünfte der Klägerin von bis zu 140,- DM monatlich) auf 50 Monate zu je 100,- DM, so hätte sich der abgefundene Unterhalt auf die Zeit bis ca. November 1970 oder bis Oktober 1973 erstreckt. Weil die gemeinsamen, in den Jahren 1962 und 1963 geborenen Kinder dann höchstens 10 Jahre alt gewesen wären, wäre wegen Kindesbetreuung eine vollschichtige Tätigkeit unzumutbar gewesen und hätte noch einige Jahre, z.B. bis zum 16. Lebensjahr der Kinder, Anspruch auf Betreuungsunterhalt bestehen können. Dies gilt jedoch nur bei Bedürftigkeit der Klägerin ab 1970 bzw. 1973 wegen Betreuung der gemeinsamen Kinder und nicht ihres dritten nichtehelichen, im Jahre 1973 geborenen Kindes. Eine Bedürftigkeit aus erstgenanntem Grunde hat die Klägerin aber nicht dargetan, geschweige denn nachgewiesen. Sie hat lediglich einmal behauptet, wegen des behinderten dritten Kindes bis ca. 1980 nicht in der Lage gewesen zu sein, vollschichtig zu arbeiten.

Bei Verzicht auf einen tatsächlich bestehenden (hier unterstellten) Unterhalt wegen Betreuung der zwei gemeinsamen Kinder ist der im Jahre 1968 abgeschlossene Verzichtsvertrag im Übrigen nicht als gesetzeswidrig (§ 134 BGB) oder gar als sittenwidrig (§ 138 BGB) anzusehen. Der durch Verzicht begünstigte Elternteil kann sich gemäß § 242 BGB (Rechtsmissbrauch) unter den genannten Umständen nur zeitweise nicht auf den Verzicht berufen (BGH vom 16.04.1997 - XII ZR 293/95 in NJW-RR 1997, 897 und FamRZ 1997, 873). Es tritt lediglich eine "Beschränkung" der Verzichtserklärung nach Dauer und Höhe ein, im Übrigen ist und bleibt der Verzicht in vollem Umfange wirksam.

Nachdem im letzten wirtschaftlichen Zustand vor dem Tode des Versicherten die zwei gemeinsamen Kinder bereits mehrere Jahre lang volljährig gewesen sind, bestehen nicht die geringsten Hinweise auf einen Betreuungsbedarf in dieser Zeit. Wenn es in der Zeit vor dem Tode des Versicherten an einem Unterhaltsanspruch der Klägerin gemangelt hat, so liegt das nach wie vor entweder an der fehlenden Bedürftigkeit der Klägerin wegen eigenen Einkommens, an dem zu geringen Einkommen des Versicherten (nur Überbrückungsgeld) oder an dem wirksamen Unterhaltsverzicht.

Der Verzichtsvertrag war auch nicht sittenwidrig und deswegen nichtig (§ 138 BGB). Eine Sittenwidrigkeit kann sich zum einen aus der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit ergeben, wobei grundsätzlich Voraussetzung ist, dass alle Vertragsbeteiligten sittenwidrig handeln. Zum anderen kann ein Verstoß gegen § 138 BGB dadurch begründet sein, dass lediglich einer der Vertragsbeteiligten benachteiligt wird, wenn sich aus dem Inhalt des Vertrags und den Begleitumständen (nachweisbar) ergibt, dass die Vermögensvorteile aus dem Vertrag in auffälligem Missverhältnis zur Leistung stehen und der Vertrag unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willenschwäche eines anderen zustande gekommen ist.

Ein Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht etwa schon deshalb sittenwidrig und nichtig, weil es sein könnte, dass deswegen irgendwann die Sozialhilfeverwaltung belastet wird. Vielmehr ist der aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck gegen die guten Sitten verstoßende Verzicht dann nichtig, wenn die Vertragsschließenden dadurch bewusst eine Unterstützungsbedürftigkeit zu Lasten der Sozialhilfe herbeiführen (vgl. BGH vom 09.07.1992 - XII ZR 57/91 in NJW 1992, 3164 = FamRZ 1992, 1403). Vorliegend fehlen aber jegliche Anhaltspunkte für eine dementsprechende Kollusion der Klägerin und des Versicherten im Jahre 1968.

Es war auch nicht bei Vertragsschluss im Jahre 1968 vorhersehbar, dass die Klägerin im Jahre 1998 sozialhilfebedürftig werden würde. Sie war zum Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung 31 Jahre alt, verfügte über eine Berufsausbildung und war vor Verehelichung bereits als Werbegestalterin tätig. Sie hat nicht erst wieder ab 01.04.1969 eine (nichtselbständige) Teilzeitbeschäftigung aufgenommen, sondern war bereits im Jahre 1966, wenn auch nicht vollschichtig, als Werbegestalterin tätig, wie aus dem Brief ihres Anwalts vom 20.10.1966 hervorgeht.

Die Kinder hinderten, solange sie kleiner waren, (aus damaliger Schau) eine Halbtagstätigkeit nicht. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Schriftverkehr geht hervor, dass das jüngere Kind ganztägig den Kindergarten besuchte und dann eingeschult worden ist sowie das ältere Kind zweitweise durch die Großmutter betreut und später im Internat untergebracht worden ist. Wenn die Kinder ein Alter von 15/16 Jahren (ca. 1978) erreicht hätten, wäre eine Ganztagstätigkeit möglich und zumutbar gewesen. Nach damaligem Stand erschien es also wahrscheinlich, dass die Klägerin sich eine die Sozialhilfebedürftigkeit ausschließende Stellung erarbeiten konnte, sei es durch Leistungen der Sozialversicherung (Rentenversicherung mit Absicherung gegen vorzeitige Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit, Arbeitslosengeld und Krankengeld), sei es durch Vorsorge im privaten Bereich bei selbständiger Tätigkeit. Hinreichend begründete Anhaltspunkte im Jahre 1968, dass die Klägerin bei zumutbarer Erwerbstätigkeit und vernünftiger Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse voraussehbar der Sozialhilfe zur Last fallen würde und im Bewusstsein dieser Umstände gleichwohl ein Verzichtsvertrag geschlossen worden ist, bestanden nicht.

Ferner sind keine persönlichen Defizite oder Eigenschaften (Willensschwäche usw.) der Klägerin, die der Ehemann - in ungleich stärkerer Position - in verwerflicher Weise hätte ausnutzen können, ersichtlich, ebenso keine erhebliche Zwangssituation, in der sich die Klägerin befunden hätte. Sie musste sich nicht auf eine Unterhaltsvereinbarung einlassen. Eine "Zwangslage" liegt keineswegs schon vor, wenn Befürchtungen bestehen oder Motive, irgend etwas für besser oder zweckmäßiger anzusehen, auch nicht, wenn das Verhalten eines anderen als Druck (Drohungen, den Unterhalt herabzusetzen; Äußerungen bzw. Behauptungen, dass Unterhalt wegen zumutbarer Erzielung von Einkünften nicht mehr oder alsbald nicht mehr geschuldet wird) empfunden wird. Zunächst ist durchaus zu sehen, dass die Klägerin ab dem Jahre 1964 dem "Druck" des Versicherten mit Hilfe ihres Rechtsanwalts stand hielt und im Gegenzug geltend machte, dass der geschiedene Ehemann über sehr gutes Einkommen verfügte und seit 1964 höheres Einkommen erzielen müsste, wohingegen ihr wegen Kindererziehung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht zumutbar wäre und wegen gestiegener Lebenshaltungskosten eigentlich höherer Unterhalt als bisher zustehen würde, so dass der Versicherte von der geplanten Kürzung des Unterhalts absah und eine Abfindung des künftigen Unterhalts vorschlug. Dies geht aus mehreren von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben aus der damaligen Zeit hervor.

Zum anderen ist eine Zwangslage im Sinne einer erheblichen wirtschaftlichen Bedrängnis oder im Sinne drohender sonstiger schwerer Nachteile (vgl. Bundesverfassungsgericht: besondere Zwangslage einer Schwangeren, die Eheschließung nur bei Unterhaltsverzicht zu erreichen, und ein bewusstes Ausnutzen dieser Zwangslage durch den Partner) nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte begründete Aussicht, auf längere Jahre hinaus Unterhalt wegen Betreuung der Kinder zu erhalten, sofern sie nicht - ohne Verpflichtung - eine vollschichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufnahm. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass der Versicherte immer wieder versucht hätte, den vereinbarten und von ihm geschuldeten Unterhalt zu mindern oder zu entziehen, wobei es dann der Klägerin auch zumutbar gewesen wäre, sich hiergegen zur Wehr zu setzen. Sie hatte dies vor Ehescheidung und danach getan; irgendeine Hilflosigkeit ist nicht ersichtlich, geschweige denn nachgewiesen; vielmehr zeigt ihr damaliges Verhalten (Unterhaltsvereinbarung im Jahre 1964 kurz vor der Scheidung; Unterhaltsstreit von 1966 bis 1968; Klage der Kinder, gesetzlich vertreten durch die Klägerin, im Jahre 1969 auf Erhöhung des Unterhalts - vgl. den Beweisbeschluss vom 03.07.1970) auf, dass die Klägerin durchaus ihre Rechte und die Ansprüche ihrer Kinder zu wahren wusste.

Der Einwand, dass der abgefundene Unterhalt eigentlich zu gering im Hinblick auf die an sich zu erwartenden Unterhaltsleistungen gewesen sei, ist unerheblich; dies wurde bereits damals vorgetragen und musste der Klägerin bewusst gewesen sein (vgl. Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 20.05.1968 mit der Berechnung eines jährlichen Unterhalts von von ca. 3.000,- DM Unterhalt für 15 bis 20 Jahre; vgl. Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 05.09.1968: Der Betrag werde für weit untersetzt gehalten, die Klägerin wünsche jedoch ihre Ruhe zu haben); gleichwohl hat die Klägerin sich hierauf eingelassen. Ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Abfindung - Verzicht) ist aber jedenfalls nicht nachgewiesen und damit feststellbar; dies wurde lediglich von der Klägerin behauptet, wobei dem wiederum die damaligen Behauptungen des Versicherten entgegenstehen. Beide wiederum haben ihre Einkünfte in anwaltlichen Schriftsätzen "klein gerechnet", zur Erteilung einer fundierten Auskunft ist es vor Abschluss des Verzichtsvertrags von beiden Seiten nicht gekommen.

Möglicherweise entspricht so die Leistung nicht der Gegenleistung. Ein eklatantes Missverhältnis, etwa im Sinne eines "Wuchergeschäfts", ist aber nicht dargetan. Darüber hinaus fehlt es jedenfalls an einer Zwangslage, Notlage oder an ähnlichen Umständen (objektive Umstände der Sittenwidrigkeit) und der (heute auch nicht mehr nachweisbaren) Absicht des Versicherten, eine Zwangslage (welche ?) oder ähnliches zum oder bei Abschluss eines Vertrags ausgenutzt zu haben (subjektive Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit). Auf den damaligen Versuch des Versicherten, dass ihm die elterliche Gewalt für ein Kind übertragen werde, und einen dadurch bedingten psychischen Druck zum Abschluss eines Unterhaltsverzichtsvertrags kann sich die Klägerin jedenfalls nicht berufen. Wie die von ihr vorgelegten Unterlagen beweisen, bestand im Jahre 1964 ein Streit um die elterliche Gewalt hinsichtlich eines von zwei Kindern, der damit endete, dass der Mutter am 02.11.1964 das Sorgerecht zugesprochen wurde; erst vier Jahre danach wurde aber der Verzichtsvertrag geschlossen.

Auch der weitere Vortrag der Klägerin in vielen Einzelpunkten erscheint nicht schlüssig. Der Unterhaltsabfindungsbetrag darf nicht um anwaltliche Kosten gemindert werden, sondern bleibt in Höhe von 5.000,- DM seiner Rechtsnatur nach Unterhalt.

Neben der Sache liegt der Hinweis, dass der Abfindungsbetrag wohl kein Unterhalt gewesen sein könnte, weil er zum Aufbau einer Existenz der Klägerin benötigt worden sei. Wie sich aus zahlreichen von der Klägerin vorgelegten Schreiben von 1966 bis 1968 sowie der Verzichtserklärung eindeutig ergibt, wurde ein Unterhaltsanspruch geregelt und nicht eine Art von Beihilfe zur Existenzsicherung außerhalb des Unterhaltsanspruchs. Wenn der Bevollmächtigte der Klägerin nunmehr darauf verwies, dass laut einem Schreiben der Rechtsanwältin B. vom 03.07.1970 der Betrag von 5.000,- DM von der Klägerin seinerzeit zur Existenzgründung gefordert worden sei, so wird hier allenfalls ein (zweites) Motiv der Klägerin zur Unterhaltsregelung im Sinne einer Abfindung dargelegt; es kann aber deswegen nicht schlüssig begründet werden, der Abfindungs- und Verzichtsvertrag habe ja gar nicht Unterhaltsansprüche betroffen.

Der Verzichtsvertrag war auch nicht wegen Anfechtung unwirksam. Die behauptete arglistige Täuschung ist nicht nachgewiesen, erscheint im Übrigen auch sehr zweifelhaft. Bei einem Streit um Unterhalt kommt es üblicherweise dazu, dass der Verpflichtete seine Unterhaltsfähigkeit abstreitet oder geringer als der Wirklichkeit entsprechend darzustellen versucht, wohingegen der Unterhaltsberechtigte seine Bedürftigkeit und damit seinen Anspruch möglichst hoch schrauben will. Dies hatte sich vorliegend auch so abgespielt, wie der von der Klägerin vorgelegte, die Jahre 1966 bis 1968 betreffende Schriftverkehr belegt. Keineswegs ergibt sich daraus, dass die Klägerin, wie sie heute behauptete, den Ausführungen des Versicherten über eine schlechte Vermögenslage (Hypotheken; Darlehen von 5.000,-DM zur Finanzierung der Abfindung, das jedoch damals vor Abschluss des Verzichtsvertrags nicht aufgenommen und einen Unterhaltsanspruch mindern konnte) schlichtweg glaubte. Vielmehr wurde der klägerische Vortrag ausdrücklich vom Rechtsanwalt der Klägerin bestritten und eine bessere Einkommenslage im Jahre 1968 im Vergleich zum Jahre 1964 geltend gemacht (vgl. u.a. die Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 20.10.1966 und 20.05.1968), wobei der Klägerin das Jahreseinkommen des Ehemanns zur Zeit der Scheidung genau bekannt gewesen ist (vgl. hierzu ihre Angaben im Rentenantrag) und der Versicherte im Oktober 1966 sogar zur Angabe seines Verdienstes in voller Höhe aufgefordert worden ist.

Weiterhin hat die Klägerin als gesetzliche Vertreterin der Kinder eine Erhöhung des Unterhalts von ehemals 100,- DM je Kind auf 125,- DM durchgesetzt und in einem im Jahre 1969 begonnenen Prozess eine weitere Erhöhung angestrebt, wobei eine (ungenügende) Einkommensauskunft des Versicherten vom 22.01.1970 gerichtlich geprüft werden und jener erklären sollte, warum er Ende des Jahres 1968 ein Darlehen von 5.000,- DM zur Finanzierung des Abfindungsbetrags aufgenommen habe, obwohl "er nach unbestrittenen Angaben der Klägerin im Jahre 1968 etwa 30.000,- DM geerbt habe" (s. Beweisbeschluss vom 03.02.1970); mit letzterem ist im Übrigen die Angabe der Klägerin im Schriftsatz vom 01.03.2001 nicht ganz vereinbar, sie habe erst Anfang August 2000 erfahren, dass der Versicherte geerbt und die Geldbeträge auch vor 30 Jahren erhalten habe.

Insgesamt stellt sich der Fall so dar, dass der Versicherte bis zum Abschluss des Verzichtsvertrags seine Einkünfte nicht offen legte und lediglich behauptete, durch ebenfalls nicht belegte Hypothekenschulden und sonstige Darlehen hoch belastet zu sein, die Klägerin dies jedoch - anwaltlich - bezweifelte. Eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der zweiten Ehefrau hätte die Klägerin nicht befürchten müssen, weil ihr im Jahre 1964 titulierter Unterhaltsanspruch vereinbarungsgemäß vorrangig zu behandeln gewesen wäre. In Unkenntnis der Hypotheken- und Darlehen (Wann aufgenommen ? In welcher Höhe ? Zu welchem Zweck ? Eheprägende Schulden ? Fälligkeit der Zahlungen ?) konnte auch nicht beurteilt werden, ob und inwieweit die angeblichen Schulden des Ehemanns unterhaltsrelevant sein konnten und ob ggf. ein Gegenwert, auf den zugegriffen werden konnte (Haus/Wohnung), vorhanden gewesen ist. Nach der gesamten Sachlage kann ein objektiver Dritter, auch wenn er Laie und nicht wie die Klägerin anwaltlich vertreten war, vernünftigerweise nicht davon ausgehen, dass die Angaben des Versicherten, mit dem bereits nicht nur ein Prozess ausgetragen worden ist, und der seit 1966 eine detaillierte Auskunft über Einnahmen und Ausgaben nicht abgeben wollte, selbstverständlich wahr sein mussten. Eine arglistige Täuschung, die auch ursächlich für die Verzichtserklärung der Klägerin war, erscheint damit wenig wahrscheinlich, wobei anzuführen bleibt, dass auch ohne die streitige Erbschaft eine mangelnde Unterhaltsfähigkeit des Versicherten, der nahezu das Doppelte des Durchschnittsentgelts aller Versicherten verdient hat, nicht besonders plausibel erscheint.

Im Übrigen hatte die Klägerin die arglistige, den Unterhaltsverzicht herbeiführende Täuschung durch den Versicherten nachzuweisen, was nach so vielen Jahren nicht gelingen konnte. Weiterhin musste die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dem Versicherten selbst bzw. den Erben gegenüber erklärt werden (§§ 130, 132 BGB), was ebenfalls nicht geschehen ist; mangels Zugang der Anfechtungserklärung an den richtigen Adressaten ist die im Rentenstreit erklärte Anfechtung unwirksam. Außerdem ist eine Anfechtung binnen Jahresfrist nach Entdeckung der Täuschung (laut Klägerin erst im Anfang August 2000) im Prinzip möglich, aber gesetzlich ausgeschlossen, wenn - wie hier - seit Abgabe der Willenserklärung (hier: 1968) 30 Jahre verstrichen sind (§ 124 Abs.2 und 3 BGB); die Klägerin hat die Unwirksamkeit wegen arglistiger Täuschung aber erst nach Ablauf der genannten Frist geltend gemacht.

Es ist nicht nur von einem wirksamen Unterhaltsverzicht der Klägerin auszugehen, sondern auch von einem Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt einschließlich des Notbedarfs; es bedurfte daher keiner Nachprüfung des Senats, ob die Klägerin in der Zeit vor dem 05.06.1989 hinreichend Einkommen hatte, um sich selbst unterhalten zu können, so dass auch dann ein Witwenrentenanspruch nicht in Frage gekommen wäre.

Wird ein Unterhaltsverzicht erklärt, umfasst dieser auch den Notbedarf. Der besonderen Erwähnung des Notbedarfs in einer Vereinbarung bedarf es nicht (ständige Rechtsprechung des BGH). Etwas anderes würde dann gelten, wenn ein Unterhaltsverzicht verschiedene Unterhaltstatbestände mit Ausnahme des Notbedarfs ausdrücklich erwähnt, wie der Klägerbevollmächtigte richtigerweise unter Angabe von Kommentarstellen darauf hingewiesen hat. Jedoch ist dessen Schluss, dass ein derartiger Fall im jetzigen Rechtsstreit vorliege, unzutreffend. Die Erklärung der Klägerin vom 03.10.1968 beinhaltet nicht einen Verzicht unter Aufzählung von verschiedenen Tatbeständen (z.B. Unterhalt für den Fall des Alters, der Krankheit, der Berufsunfähigkeit, Aufstockungsunterhalt, Betreuungsunterhalt usw.) bei Weglassen des Notbedarfs, so dass daraus geschlossen werden könnte, es läge nur ein eingeschränkter bzw. teilweiser Verzicht vor.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat ferner zahlreiche Urteile des Bundessozialgerichts zum Unterhaltsverzicht in einer Weise zitiert, dass hieraus der Eindruck entstand, es liege nur dann ein allumfassender Verzicht vor, wenn ausdrücklich in diesem erwähnt werde, dass auch der Notbedarf umfasst sei. Tatsächlich hat sich aber das Bundessozialgericht nicht so geäußert; zum Unterhaltsverzicht nahm es stets Bezug auf die Rechtsprechung im Zivilrecht, vor allem auf die Rechtsprechung des BGH, und hat keine gesonderte bzw. abweichende Meinung vertreten. Entschieden hatte das Bundessozialgericht lediglich mehrere Fälle, in denen es sich so verhielt, dass die Parteien Verzichtserklärungen unter besonderer Erwähnung, dass auch der Notbedarf in den Verzicht eingeschlossen sei, abgegeben haben, so dass das BSG vom "endgültigen und umfassenden Verzicht auf Unterhalt" sprach (vgl. z.B. BSG vom 19.01.1989 - 4/11 a RA 72/87 in SozR 2200 § 1265 Nr.93). Ebenso wurden auch Fälle entschieden, in denen bei der Verzichtserklärung der Notbedarfsfall ausdrücklich ausgenommen worden ist (vgl. z.B. BSG vom 11.09.1980 - 5 RJ 60/79 in SozR 2200 § 1265 Nr.50). Mögliche Unklarheiten seitens der Klägerin könnte das weitere Urteil vom 23.11.1988 - 5/5b RJ 100/86 (SozR 2200 § 1265 Nr.90) beseitigen. Hier ist zwar im Leitsatz ebenfalls die Rede vom umfassenden und endgültigen Verzicht auf Unterhalt, der dann im Text unter anderem auch damit erklärt wird, dass ein allumfassender Unterhaltsverzicht nicht vorliegt, wenn der Notbedarf vom Verzicht (ausdrücklich) ausgenommen wurde, was im Gegenschluss bedeutet, dass auch nach Ansicht des BSG bei "pauschalem" Verzicht auf Unterhalt ohne besondere Erwähnung des Notbedarfs ein allumfassender Verzicht vorliegt. Eine von der Rechtsprechung des BGH abweichende Meinung des BSG ist dem Senat nicht ersichtlich.

Der Unterhaltsverzicht führt nach herrschender Meinung zum Erlöschen des Unterhaltsstammrechts (Palandt-Brudermüller, BGB, Rdnr.5 zu § 1585 c). Offenbar aus diesem Grunde hat der Bevollmächtigte der Klägerin die Rechtsauffassung vertreten, die Klägerin habe mit ihrer Erklärung vom 03.10.1968 nur auf einzelne Zahlungsansprüche (und nicht auf das Stammrecht und den daraus folgenden Notbedarf) verzichtet. Dafür könnte auf den ersten Blick die Erklärung vom 03.10.1968 sprechen, in der es heißt: "Am 24. Februar 1964 ist mein geschiedener Ehemann, der Werbegestalter J. U. , unter der Urkundenrolle-Nummer 48/1964 des Notars W. B. in W. eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an mich eingegangen. Ich verzichte hiermit unwiderruflich auf die Zahlung des Unterhaltsbetrages von 230,- DM bzw. 200,- DM gemäß § 2 der oben genannten Urkunde."

Diese Erklärung ist jedoch unter Beachtung der Begleitumstände auszulegen. Im Schreiben des Rechtsanwalts A. vom 03.10.1968 zur Erklärung der Klägerin heißt es ausdrücklich, dass es sich um einen Unterhaltsverzicht gegen Zahlung eines Abfindunbsbetrages handelt. Dies bedeutet üblicherweise, dass über den Abfindungsbetrag hinaus keinerlei Ansprüche mehr geltend gemacht werden dürfen. Für einen dementsprechenden Parteiwillen spricht insbesondere auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags. Der Versicherte hatte versucht, den vereinbarten Unterhaltsanspruch der Klägerin herabzusetzen, und im Zuge der Streitigkeiten und anschließenden Verhandlungen einen Unterhaltsverzicht vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde dann, wie der Schriftverkehr belegt, diskutiert, worauf Rechtsanwalt A. mit Schreiben vom 05.09.1968 für die Klägerin erklärte: "Frau U. kann sich erwartungsgemäß nicht mit dem Vorschlag vom 27. August 1968 befreunden. Nach langer Überlegung hat mir Frau U. jedoch erklärt, gegen Zahlung eines Betrags von 5.000,- DM bar Zug um Zug gegen Übergabe der notariellen Verzichtserklärung sich für die Zukunft einschließlich des Notbedarfs abgefunden zu erklären. Sobald Sie mir mitteilen, dass die 5.000,- DM bei Ihnen auf Anderkonto liegen, werde ich Frau U. bitten, die Erklärung abzugeben, und werde Ihnen die Erklärung sofort übersenden."

In diesem Sinne ist dann später verfahren worden, so dass davon ausgegangen werden muss, dass hier eine Grundvoraussetzung (Abfindung gegen Verzicht auch auf den Notbedarf) fixiert worden ist, auf der die spätere Erklärung der Klägerin fußte. Nur eine solche Auslegung erscheint dem Senat möglich.

Der Verzicht ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil er "rein deklaratorisch" gewesen ist und nur eine "leere Hülse" dargestellt hat, mithin unter Beachtung aller Umstände ein Unterhaltsanspruch "vernünftigerweise" von der Zeit des Abschlusses des Verzichtsvertrags bis zum Tode des möglichen Unterhaltsschuldners ausgeschlossen werden durfte (vgl. hierzu u.a. BSG vom 16.06.1994 - 13 RJ 23/93). In diesem Sinne musste ein Ehegatte auf etwas verzichtet haben, worauf realiter kein Anspruch bestanden hatte oder noch entstehen konnte. In älteren Entscheidungen des BSG ist des öfteren noch die Rede vom "verständigen Grund" für den Verzicht (vgl. BSG vom 23.11.1988- 5/5b RJ 100/86 in SozR 2200 § 1265 Nr.90).

Wenn die Klägerin als "verständigen Grund" den vom Ehemann ausgeübten psychischen Druck und die Täuschung bzw. "Irreleitung" durch den Ehemann und ihren eigenen Anwalt hinsichtlich der aktuellen und künftigen Einkommensverhältnisse des Unterhaltschuldners geltend machte, so ist dies nicht nachvollziehbar. Eine ursächliche Täuschungshandlung ist nicht nachgewiesen, ebenso wenig, dass die Klägerin auf Angaben zu einer schlechten Vermögenslage des Ehemanns vertraut hat und vertrauen durfte. Vernünftigerweise war, wenn sie nicht eigene Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verschleiern wollte, zu erwarten, dass die Einnahmen und Ausgaben des Versicherten aus allen Einkommensarten detailliert und systematisch zusammengestellt werden und darüber hinaus die diesbezüglichen Belege zur Einsicht gegeben oder zumindest in Kopie übersandt werden. Hierauf bestand ein gesetzlicher Anspruch. Die Klägerin hätte sich dann ebenfalls entsprechend verhalten müssen.

Keineswegs schlüssig ist ihre Behauptung hinsichtlich der Schulden des Ehemanns. So hat die Klägerin durchaus bezweifelt, ob er überhaupt ein Darlehen (von seiner Mutter) zur Tilgung eines Abfindungsbetrags von 5.000,- DM aufnehmen musste (s. Beweisbeschluss vom 03.02.1970 im Unterhaltsprozess der Kinder); im Übrigen wäre die Belastung nicht entstanden, wenn ein Verzichtsvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Weitere Schulden (Hypothekenschulden ?) erscheinen darüber hinaus fraglich. Wären diese Schulden bereits vor Scheidung entstanden, so hätten sie jedenfalls dem im Jahre 1964 geschlossenen Unterhaltsvertrag und dem darauf beruhenden Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht im Wege gestanden. Wären jedoch Belastungen erst nach der Ehescheidung aufgetreten, so müsste hinterfragt werden, ob die neuen Schulden bei der Festlegung des künftigen Unterhalts überhaupt zu berücksichtigen wären, weil sie nicht auf Umständen beruhten, die die Einkommensverhältnisse während der Ehe geprägt haben, der Unterhalt nach der Scheidung jedoch danach zu bemessen ist. Bei Bau oder Kauf eines Hauses oder Erwerb einer Eigentumswohnung nach Scheidung bestünde z.B. keine Handhabe, die zu zahlenden Raten einschließlich der Zinsen auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen. Weiterhin wäre prima facie nicht ersichtlich, dass die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs aussichtlos wäre. Sofern durch Pfändung des Arbeitseinkommens - hier sind Unterhaltsansprüche in vielerlei Hinsicht vorrangig vor anderen Schulden zu behandeln - ein Anspruch nicht hätte befriedigt werden können, hätte eben auf das Vermögen zurückgegriffen werden können.

Letzten Endes erscheinen die Behauptungen der Klägerin über den guten Glauben an eine künftig drohende Zahlungsunfähigkeit des geschiedenen Ehemanns schon deshalb fragwürdig (geschweige denn nachgewiesen), weil nach Abschluss des Verzichtsvertrages die Erhöhung des Unterhalts für zwei Kinder gerichtlich betrieben worden ist.

Ein "verständiger Grund" für den Verzichtsvertrag im Sinne plausibler Umstände, pro forma auf nicht realisierbare Ansprüche zu verzichten, ist dem Senat nicht erkennbar. Dies umso mehr, als ein Unterhaltsanspruch der Klägerin bereits im Jahre 1964 auf Lebenszeit tituliert gewesen ist. Mithin oblag es nicht der Klägerin, einen Anspruch gegen den Versicherten durchzusetzen, sondern wäre es Sache des geschiedenen Ehemanns gewesen, Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO zu erheben und eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, wie sie dem Unterhaltstitel zugrunde lagen und für die Bestimmung der Höhe der Leistungen oder/und die Dauer der Entrichtung maßgebend waren, erst einmal in begründeter Weise darzulegen.

Im Übrigen ist der "verständige Grund" bzw. der "Unterhaltsverzicht als leere Hülse" nach Ergehen des BSG-Urteils vom 23.11. 1988 (a.a.O.) wesentlich schärfer präzisiert und den einzelnen Voraussetzungen nach umschrieben worden. Nach ständiger Rechtsprechung in der Folgezeit gilt, dass der Nachweis vorliegen muss, dass ohne den Unterhaltsverzicht

1. bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Verzichts keine Unterhaltsverpflichtung wegen der Einkommensverhältnisse bestanden hat,

2. zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine Unterhaltsverpflichtung wegen der Einkommensverhältnisses bestanden hat und

3. dass die Hinterbliebene bei Abschluss des Verzichtsvertrags es vernünftigerweise als ausgeschlossen erachten durfte, die einen Unterhalt hindernden Gründe könnten bis zum Tode des Versicherten infolge einer in Rechnung zu stellenden Änderung der Verhältnisse wieder entfallen.

Einkommensmindernden Wechselfällen wie dem Eintritt von Krankheit oder Arbeitslosigkeit (z.B. seitens der Hinterbliebenen wie hier der Klägerin), die einen von Anfang nicht bestehenden oder später weggefallenen Unterhaltsanspruch wieder aufleben lassen könnten, ist hierbei Rechnung zu tragen (BSG vom 19.01. 1989 - 4/11a RA 72/87 in SozR 2200 § 1265 Nr.93, vom 16.12. 1993 - 13 RJ 19/91 in SozR 3-2200 § 1265 Nr.9, vom 16.12.1993 - 1 RJ 1/93 und vom 16.06.1994 - 13 Rj 23/93, a.a.O.).

Angesichts dieser Voraussetzungen ist eine "leere Hülse" eindeutig zu verneinen. Hier ist nicht nur der Anspruch auf Betreuungsunterhalt, der voraussichtlich länger angehalten hätte als die Leistungen aus dem auf Monate umgerechneten Abfindungsbetrag, zu berücksichtigen, sondern bereits die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verzichts und Abfindungsvertrags ein Unterhaltsanspruch bestanden hat (vgl. BSG vom 19.01. 1989 - 4/11a RA 72, 87, a.a.0. zu dem Fall, dass bei einem Einkommen des Ehemanns von 1.500,- DM und der Ehefrau von 300,- DM ein Unterhalt von monatlich 450,- DM für die Jahre 1970 bis 1974 vereinbart und gleichzeitig hierauf für die anschließende Zeit verzichtet worden ist).

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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