L 12 KA 141/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 2940/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 141/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.06.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1961 geborene Kläger ist als Psychologischer Psychotherapeut approbiert.

Mit Formularantrag vom 20. Dezember 1998 hat der Kläger Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeut am (damaligen) Praxissitz P.str., F. gestellt. Der Kläger verfügt darüber hinaus über eine bedarfsabhängige Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut im Landkreis D. , die nach dem Beschluss des Zulassungausschusses Ärzte Oberbayern vom 18. Juli 2001 bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Verfahrens ruht.

Der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern hat mit Bescheid vom 14. April 1999 den Antrag des Klägers auf bedarfsunabhängige Zulassung abgelehnt. Der Kläger habe keine im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V besitzstandswahrende Vortätigkeit erbracht. Er habe im maßgeblichen Dreijahreszeitraum lediglich 51 Behandlungsstunden nachgewiesen. Gründe, die möglicherweise zu einem Abweichen von dem Kriterium der 250 Behandlungsstunden führen könnten, seien nicht vorgetragen worden. Der Kläger sei zudem als Diplom-Psychologe im sozialpsychiatrischen Dienst in M. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden angestellt und stehe deshalb für eine Zulassung nicht in erforderlichem Umfang zur Verfügung.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 10.Mai 1999. Der Gesetzgeber habe in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V keine bestimmte Zahl von Behandlungsstunden festgelegt und gefordert. Die verlangte Zahl von 250 Behandlungsstunden sei daher rein willkürlich, da sie weder vom Gesetz noch nach dem nachvollziehbaren Willen des Gesetzgebers genannt werde. Die weiter auf die vorhandene Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden pro Woche gestützte Ablehnung sei ebenfalls rechtswidrig. Grundsätzlich stehe nämlich eine weitere Beschäftigung einer Zulassung oder Ermächtigung nicht entgegen. Seine frei berufliche Tätigkeit habe in dem Zeitraum ab 24. Juli 1997 bis zum heutigen Tage ständig zugenommen. So seien vom 24. Juni 1997 bis zum Tag der Antragstellung am 20. Dezember 1998 insgesamt noch 134 Stunden mit der GKV abgerechnet worden und im 1. Quartal 1999 bereits 77 Stunden.

Die Beklagte zu 1) hat zu dem Widerspruch mit Schriftsatz vom 19. Juni 2001 Stellung genommen. Das Bundessozialgericht habe die Auffassung des Zulassungsausschusses für Ärzte-Oberbayern, dass der Psychologische Psychotherapeut in dem maßgeblichen Dreijahreszeitraum in eigenverantwortlicher und selbständiger Tätigkeit und innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes von sechs bis zwölf Monaten mindestens 250 Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht habe müsse, bestätigt. Der Kläger habe im gesamten Dreijahreszeitraum nach eigenen Angaben lediglich 51 und nach hiesigen Berechnungen zufolge 25 Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, so dass eine bedarfsunabhängige Zulassung mangels Vorliegens einer zu berücksichtigenden schützenswerten Tätigkeit nicht in Betracht komme.

Der Beklagte hat mit Beschluss vom 24. Juli 2001/Bescheid vom 20. September 2001 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht habe sich in mehreren Entscheidungen vom 8. November 2000 mit der bedarfsunabhängigen Zulassung von Psychologischen Psychotherapeuten gemäß § 95 Abs.10 SGB V auseinandergesetzt und festgestellt, dass sich die Orientierung an einem Behandlungsumfang von 250 Stunden in einem halben bis einem Jahr während des Zeitfensters innerhalb der vom BSG vorgenommenen Konkretisierung der Teilnahme halte. Da § 95 Abs.10 SGB V bereits eine Härtefallregelung zu Gunsten der Psychotherapeuten sei und allein auf den erworbenen schützenswerten Besitzstand abstelle, könnten weitere persönliche Gesichtspunkte im Rahmen der bedarfsunabhängigen Zulassung keine Berücksichtigung finden. Insbesondere könne dem Vorbringen des Klägers nicht gefolgt werden, durch seine bedarfsabhängige Zulassung im Nachbarlandkreis D. sei seine bedarfsunabhängige Zulassung für F. wirtschaftlich geboten. Wenn der Kläger nach wie vor seine Praxis während des laufenden Verfahrens am beantragten Praxissitz betreibe und seine bedarfsabhängige Zulassung in D. nicht in Anspruch nehme, tue er dies auf eigenes Risiko. Nach dem Zeitfenster erbrachte Stunden könnten in keinem Fall für die Begründung eines Besitzstandes angerechnet werden, selbst wenn sie zahlreich gewesen sein sollten.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 22. Oktober 2001. Der Kläger habe unstreitig im Zeitfenster 51 Stunden mit Versicherungsträgern abgerechnet und damit wörtlich im Zeitfenster an der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen. Die Auslegung des Beklagten, eine derartige Teilnahme setze die Abrechnung von 250 Stunden im Zeitfenster voraus, sei rechtswidrig. Der Kläger sei nebenbei als Angestellter in Teilzeit in einem Umfang von 20 Stunden beschäftigt gewesen. Dieser Umstand sei zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Für den Kläger sei die Praxis, die er im Zeitfenster im Keller seines Einfamilienhauses geführt habe, subjektiv das zweite Standbein gewesen, das er sich langfristig als alleiniges Standbein habe ausbauen wollen. Naturgemäß könne derjenige, der nebenbei eine 20-Stundenarbeitsverpflichtung habe, nicht im gleichen Maße wie der "Vollzeitselbständige" den Aufbau seiner Praxis betreiben. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Erziehung und Betreuung seiner beiden 1991 und 1995 geborenen Kindern beschäftigt gewesen sei. Schließlich müsse man auch die Umstände beachten, die zeitlich nach dem Zeitfenster entstanden seien. Dadurch, dass das Sozialgericht München im einstweiligen Verfügungsverfahren die Auffassung vertreten habe, das Hauptsacheverfahren sei "offensichtlich begründet" und dem klägerischen Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren entsprochen habe, habe der Kläger auf dieser Grundlage seine Praxis zu einer heute vergleichsweise florierenden Praxis ausgebaut. Würde das Gericht die Klage rechtskräftig abweisen, müsste er seine Praxis in den Landkreis D. verlegen, denn die dortige bedarfsabhängige Zulassung würde wieder aufleben. Bekanntlich sei der Landkreis D. nur wenige Kilometer von F. entfernt. Diesen Weg würden die Klienten des Klägers mit Sicherheit in Kauf nehmen. Der Kläger müsste also umziehen und in D. neue, mit großer Wahrscheinlichkeit wesentlich teurere Räume anmieten und seinen Mietvertrag in F. mit erheblichen Kosten auflösen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2001 vorgetragen, dass der Kläger im sogenannten Zeitfenster vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 am beantragten Praxissitz nur 51 Behandlungsstunden nachgewiesen und somit keinen Besitzstand erworben habe. Wenn der Kläger in D. wegen zu hoher Kosten keine Praxis eröffnen wolle, hätte er keinen Antrag auf bedarfsabhängige Zulassung stellen sollen. Wenn er sich eine solche Option offenhalten wolle, müsse er diese Option nun auch ausüben, da für eine bedarfsunabhängige Zulassung in F. keine Rechtgrundlage bestehe. Den Erfordernissen der Bedarfsplanung im öffentlichen Interesse sei der Vorrang vor den finanziellen privaten Interessen des Klägers zu geben.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 5. August 2002 darauf hingewiesen, dass selbst nach für den Kläger negativen Abschluss seines Zulassungsverfahrens für die Praxis in F. sich die Anschlussfrage stellen würde, ob der Kläger seinen Praxisbetrieb, den er zur Sicherung des Einkommens für sich und seine Familie unterhalte, einstellen müsse. Hierbei sei das Grundrecht auf Bestand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes (Art.14 GG) zu beachten. Eine nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erfolgte Schließungsverfügung wäre unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund werde ein Prozessvergleich mit dem Inhalt angeregt, dass der Kläger die bedarfsunabhängige Zulassung im Landkreis F. endgültig und vorbehaltslos erhalte und er dafür auf seine Rechte auf bedarfsabhängige Zulassung in D. unwiderruflich verzichte.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2002 diesen Vergleichsvorschlag abgelehnt, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine bedarfsunabhängige Zulassung in F. nicht möglich sei.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 4. Juni 2003 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nach eigenen Angaben im Zeitfenster nur 51 ambulante psychotherapeutische Behandlungsstunden erbracht, so dass das Erfordernis der Teilnahme im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nicht erfüllt sei. Im Übrigen werde auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides des Beklagten verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 19. September 2003. Im schriftlich abgefassten Urteil des Sozialgerichts München falle bereits auf, dass der Tatbestand absolut unzureichend wiedergegeben sei. Die salvatorische Klausel, dass im Übrigen auf die Akten Bezug genommen werde, reiche in diesem Falle nicht aus. Bereits mit dem Tatbestand bringe das Sozialgericht zum Ausdruck, sich mit dem Einzelfall überhaupt nicht auseinandergesetzt zu haben. Im Tatbestand tauche weder die arbeitsvertragsrechtliche Situation des Klägers, der neben seiner Selbständigkeit auch Teilzeitangestellter gewesen sei, noch die besondere familiäre Situation mit der Erziehung und Betreuung von zwei Kindern auf. Dementsprechend werde in den Entscheidungsgründen auf die Problematik des Einzelfalles mit keinem Wort eingegangen. Die Entscheidung sei deshalb fehlerhaft, weil sie den Einzelfall mitnichten betrachte. Es werde lediglich stereotyp wiederholt, das Bundessozialgericht habe mittlerweile mit Urteil vom 8. November 2000 eine verbindliche Auslegung dahingehend vorgenommen, dass 250 Stunden im Zeitfenster notwendig seien. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Juni 2004 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung der Praxis des Klägers dargelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Juni 2003 und den Bescheid des Beklagten vom 20. September 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut für seinen Praxissitz in der M. Str., F. , zu erteilen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 5) haben den Antrag gestellt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 4. November 2003 nochmals darauf hingewiesen, dass beim Kläger im Zeitfenster keine schützenswerte Tätigkeit vorliege, da er nach eigenen Angaben lediglich 51 Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht habe.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2003 vorgetragen, dass die Tatsache, dass der Kläger zufälligerweise eine bedarfsabhängige Zulassung im Nachbarlandkreis erhalten habe, nicht dazu führen dürfe, dass er besser gestellt werde als andere Psychotherapeuten, deren Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung mangels hinreichender nachgewiesener Behandlungsstunden ebenfalls abgewiesen habe werden müssen. Eine Privilegierung des Klägers gegenüber diesen Personenkreis sei nicht gerechtfertigt.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte mit dem Az.: S 21 KA 2940/01 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 141/03 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§ 151 Abs.1 SGG) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung am Sitz seiner derzeitigen Praxis in der M. Str. , F. , einem überversorgten Planungsbereich, da er die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nicht erfüllt.

Gemäß § 95 Abs.10 SGB V (eingefügt durch Art.2 Nr.11 des Gesetzes über die Berufe des Psychololgischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichentherapeuten vom 16. Juni 1998 - BGBL I 1311 -) sind Psychologische Psychotherapeuten zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zuzulassen, wenn sie bis 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 Psychotherapeutengesetz sowie des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben (Satz 1 Nr.1); darüber hinaus müssen sie bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt (Satz 1 Nr.2) und in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 (sogenanntes Zeitfenster) an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (Satz 1 Nr.3 a.a.O.). Die Auslegung des Merkmals der Teilnahme an der Versorgung im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V wird durch die Funktion der Vorschrift bestimmt, für Härtefälle eine Ausnahme von dem Grundsatz der bedarfsabhängigen Zulassung der Psychologischen Psychotherapeuten zu ermöglichen (BSGE 87, 158, 164 = SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 111 unter Hinweis auf BT-Drucksache 13/9212 Seite 40 und BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr.24 Seite 103). Es geht dabei nicht um den Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV als solchen, sondern lediglich um die Möglichkeit, sich an einem Ort niederzulassen, der auf der Grundlage der im Rahmen der Bedarfsplanung getroffenen Feststellungen bereits überversorgt ist, das heißt, für den Überkapazitäten auf Seiten der psychotherapeutischen Leistungerbringer bestehen. Zulassungsbewerbern, die sich bei der Auswahl des Praxissitzes typischerweise an ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt orientieren, wird grundsätzlich zugemutet, dass sie den Ort ihrer Zulassung nicht nach eigenen Wünschen frei wählen können, sondern sich nach dem Versorgungsbedarf der Versicherten richten müssen. Eine Ausnahme davon sieht § 95 Abs.10 SGB V nur für Zulassungsbewerber vor, die bereits im Zeitfenster an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (Satz 1 Nr.3 a.a.O.). Diese Begünstigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Betroffene bereits unter Einsatz von Arbeitskraft und finanziellen Mitteln eine eigene Praxis eingerichtet und in einem rechtlich erheblichen Umfang betrieben hat. Sowohl in Bezug auf die Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Psychologischen Psychotherapeuten als auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Ertrag seiner Tätigkeit muss dabei in eigener Praxis annähernd das für eine Berufstätigkeit typische Ausmaß erreicht worden sein. Aus dem Gesetzeszweck ergibt sich, dass der Begriff der Teilnahme die eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten der GKV in anerkannten Behandlungsverfahren in eigener Praxis und mit einem bestimmten Behandlungsumfang erfordert. Die nachhaltig auf die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Versicherten der GKV ausgerichtete Tätigkeit muss dabei zumindest einen von zwei gleich zu gewichtenden Schwerpunkten der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen gebildet haben (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 126 und BSG, vom 11. September 2002, BSG KA 41/01 R Seite 8). Vor diesem Hintergrund erfordert eine Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V grundsätzlich eine Vortätigkeit, die sich auf 250 an Versicherten der GKV erbrachte Behandlungsstunden beläuft, welche innerhalb des Zeitfensters konzentriert in einem Halbjahreszeitraum erbracht wurden. Dieser Wert, der umgerechnet ca. 11,6 Behandlungsstunden wöchentlich ergibt, erreicht bei großzügiger Betrachtung unter Berücksichtigung des Begleitaufwandes ungefähr die Hälfte des zeitlichen Aufwandes, der in der gleichen Zeit von einem ausschließlich in eigener voll ausgelasteter Praxis tätigen Psychotherapeuten im Regelfall bewältigt wird.

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt beim Kläger keine bestandsgeschützte "Teilnahme" im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V vor. Hierzu ist festzustellen, dass bei der Feststellung des Vorliegens des Tatbestandesmerkmales der "Teilnahme" den Zulassungsgremien kein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zusteht, mithin die Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen der "Teilnahme" im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V erfüllt, vom Gericht in vollem Umfang zu überprüfen ist. Ausgehend von den in der Zulassungsakte vorgelegten Unterlagen sind bei strenger Betrachtungsweise nur 25 Behandlungsstunden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (DAK Olching) belegt. Aber auch wenn man die nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Angaben des Klägers zugrunde legt, wonach er aus seiner Sicht im Zeitfenster 51 Behandlungsstunden zu Lasten gesetzlicher Krankenversicherungen durchgeführt habe, reicht dieser Behandlungsumfang keineswegs, um zu einer bestandsgeschützten Vortätigkeit im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V zu gelangen. Ausgehend von 51 Behandlungsstunden im gesamten Dreijahreszeitraum käme man unter Zugrundelegung von 43 Behandlungswochen im Jahre (unter Berücksichtigung von Urlaub und Krankheitszeiten) auf einen wöchentlichen Durchschnittswert von 0,4 Behandlungsstunden. Geht man davon aus, dass die 51 Behandlungsstunden innerhalb eines Jahres zurückgelegt wurden, kommt man bei dieser Betrachtungsweise auf 1,19 Behandlungsstunden pro Woche; stellt man auf einen Halbjahreszeitraum ab, ergibt sich immer noch erst ein Stundenumfang von 2,4 Stunden pro Woche. Insgesamt erreicht damit der Kläger nicht annähernd den vom BSG für erforderlich gehaltenen Behandlungsumfang von mindestens 11,6 Stunden pro Woche.

Der Grund für den geringen Umfang an psychotherapeutischen Behandlungsstunden beim Kläger liegt im Wesentlichen auch darin begründet, dass er im Zeitfensterzeitraum als Diplom-Psychologe im sozialpsychiatrischen Dienst in M. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden in einem Angestelltenverhältnis tätig war, was im Übrigen bis zum heutigen Tage unverändert so der Fall ist. Damit fehlt es auch an dem weiteren vom BSG für notwendig erachteten Merkmal einer Teilnahme, nämlich, dass die Niederlassung in eigener Praxis zumindest einer von zwei gleichgewichtigen Schwerpunkten der beruflichen Orientierung gewesen ist (vgl. BSG, SozR 3-2500 § 95 Nr.25, Seite 125 und BSG, Urteil vom 11. September 2002, B 6 Ka 41/01 R, Seite 11). Davon kann beim Kläger keine Rede sein. Während der Kläger im fraglichen Zeitraum danach als Diplom-Psychologe im Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt M. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden angestellt tätig war, kam er nach den oben dargelegten Berechnungen bei wohlwollendster Betrachtungsweise lediglich auf einen wöchentlichen Stundenumfang von 2,4 Stunden, so dass der Schwerpunkt der Tätigkeit im Zeitfenster eindeutig auf der Tätigkeit als angestellter Diplom-Psychologe im sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt M. lag.

Diese Auslegung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Prüfungsmaßstab ist hierbei zunächst Art.12 Abs.1 GG, da es dem Kläger darum geht, seine psychotherapeutische Praxis in F. in der Zukunft weiter betreiben zu können, so dass die damit verbundenen Erwerbsmöglichkeiten im Vordergrund des Begehrens stehen (vgl. BVerfGE 30, 292, 334 f; 85, 360, 383). Die Beschränkung der Zulassung zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung in überversorgten Gebieten stellt sich als eine Berufsausübungsregelung dar, die vor allem zur Sicherung einer gleichmäßigen Versorgung der Versicherten im gesamten Bundesgebiet gerechtfertigt ist (vgl. BSG 82, 41, 44 = SozR 3-2500 § 103 Nr.2 Seite 13 für die vertragsärztliche Versorgung; BSGE 81, 207, 212 = SozR 3-2500 § 101 Nr.2 Seite 13 für die vertragszahnärztliche Versorgung; BSGE 87, 158, 163 = SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 110 für die vertragspsychotherapeutische Versorgung). Da der Kläger vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Juli 1998 keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung hatte, beseitigt dieses Gesetz keine von ihm schon inne gehabte bzw. erworbene Rechtsposition, wenn es den auf einen bestimmten Ort bezogenen Zulassungsanspruch nur unter dem Vorbehalt der Gewährleistung einer annähernd gleichmäßigen Versorgung der Versicherten der GKV gewährt. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Neuordnung von Berufsausübungsregelungen aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gehalten, Übergangsregelungen für solche Personen zu schaffen, welche die von der Neuregelung betroffene Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (BVerfGE 98, 265, 309 f). Solche Übergangsregelungen müssen aber nicht notwendig darauf hinauslaufen, dass die bisherige Tätigkeit in unveränderter Form beibehalten werden darf (BVerfGE 68, 277, 287). Ein Psychologischer Psychotherapeut hat daher nicht allein deswegen Anspruch auf eine Zulassung ohne Berücksichtigung des Bedarfs, weil er bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Juni 1998 die nach damaligem Recht erforderliche Qualifikation zur Behandlung von Versicherten der GKV besaß (BVerfGE SozR 3-2500 § 95 Nr.24 Seite 103). Auf den Umstand, dass das Rechtsstaatsprinzip Vertrauensschutz auch im Hinblick auf Dispositionen gewährt, die der Bürger in der berechtigten Erwartung getätigt hat, dass sich bestimmte rechtliche Ausgangsbedingungen nicht ändern werden (vgl. BVerfGE 13, 39, 45 f; 30, 367, 389), musste der Gesetzgeber übergangsrechtlich nur dadurch reagieren, dass Psychologische Psychotherapeuten, die eine eigene Praxis aufgebaut und in diese in der Erwartung investiert hatten, sie zu alten Bedingungen unverändert weiter zu führen, einen gewissen Schutz genießen. Die sich unter diesem Gesichtspunkt ergebenden verfassungsrechtlichen Erfordernisse hat § 95 Abs.10 Satz 1 SGB V in angemessener Weise aufgenommen und verwirklicht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 108 sowie BSG, Urteil vom 11. September 2002, B 6 Ka 41/01 R, Seite 13/14). Aus den genannten Gründen kam auch ein Verstoß gegen Art.14 GG nicht in Betracht.

Dem Kläger hätte danach nur dadurch geholfen werden können, dass man entweder auf das Erfordernis einer hinreichenden Teilnahme im Rahmen des Zeitfensters weitgehend verzichtet, was aber nach den gemachten Ausführungen nicht zu rechtfertigen wäre, oder indem man den maßgeblichen Zeitraum des Zeitfensters weit über den Stichtag 24. Juni 1997 hinaus in die Gegenwart verschiebt. Aber auch gegen den Stichtag 24. Juni 1997 bestehen keine rechtlich durchgreifenden Gründe. Der Stichtag 24. Juni 1997 entspricht dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfes der damaligen Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP für ein Psychotherapeutengesetz im Deutschen Bundestag (BT-Drucksache 13/8035). Dieser Gesetzentwurf enthielt zunächst allerdings noch keine Zulassungsbeschränkung für diejenigen Psychotherapeuten, die bis zum 30. Juni 1999 einen Antrag auf Zulassung zur psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung stellen wollten. Erst in dem während der Beratungen des BT-Ausschusses für Gesundheit geänderten Gesetzesentwurf, der mit dem Bericht und der Beschlussfassung des Ausschusses für Gesundheit vom 25. November 1997 (BT-Drucksache 13/2219) bekannt geworden ist, ist die Übergangsregelung mit der Anknüpfung an eine Teilnahme mit dem Stichtag 24. Juni 1997 aufgenommen worden. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollte nach diesem Tag kein Leistungserbringer seine Zulassungschancen mehr durch eigene, zielgerichtete Aktivitäten verbessern können. Der Gesetzgeber hat damit Erfahrungen Rechnung getragen, die im Bereich des ärztlichen Zulassungsrechts im Zusammenhang mit der Einführung der verschärften Bedarfsplanung durch das GSG Ende 1992/Anfang 1993 gemacht worden sind. So ist die Zahl der zugelassenen Vertragsärzte im Jahre 1992 gegenüber 1991 um 3,6 und 1993 gegenüber 1992 noch einmal um 10,2 % angestiegen, während sich die Steigerungsraten ab 1994 auf Werte zwischen 1,2 und 2,4 % eingependelt haben (vgl. Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von der KÄBV, 1999, A 8). Um eine vergleichbare Situation im Bereich der Psychologischen Psychotherapeuten 1998/1999 zu verhindern, erweist sich eine Stichtagsregelung, die auf den Beginn des Gesetzgebungsverfahrens abstellt, als geeignet.

Schließlich ergibt sich auch aus Artikel 6 GG kein Verfassungsverstoß. Zwar stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (Abs.2). Der Gesetzgeber ist jedoch nicht gehalten, alle mit der Kindererziehung zusammenhängenden wirtschaftlichen und beruflichen Belastungen auszugleichen (z.B. BVerfGE 60, 68, 74 und BVerfG, Kammer-Beschluss vom 2. April 1996, NVWZ 1997, 54, 55). Vielmehr steht ihm bei seiner Entscheidung, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln er den Schutzauftrag des Art.6 GG nachkommt, eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Er kann und muss auch andere öffentliche Belange mitberücksichtigen, wobei eine Güterabwägung vorzunehmen ist. So ist auf den Gemeinwohlbelang der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, dem das BVerfG hohe Bedeutung beimisst (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 30; 82, 209, 229 ff.; ferner BVerfGE 77, 84, 107) Rücksicht zu nehmen und in Rechnung zu stellen, dass es dem Gemeinwohl dient, die Bedarfsplanung praktikabel sowie in ihren Auswirkungen überschaubar und die Ausnahmetatbestände in engen Grenzen zu halten. Vor diesem Hintergrund ist zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber in § 95 Abs.11 b SGB V dem Schutzauftrag des Art.6 GG Rechnung getragen hat und für die bedarfsunabhängige Zulassung von Psychotherapeuten, die während des Zeitfensters ganz oder teilweise ihre Erwerbstätigkeit im Hinblick auf Pflege und Erziehung von Kindern zurückgestellt haben, günstigere Voraussetzungen vorgesehen hat, indem unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorverlegung des Beginns der Frist für das Zeitfenster ermöglicht wird, die der Zeit der Kindererziehung in dem Drei-Jahres-Zeitraum entspricht. Mit der in § 95 Abs.11 b SGB V (für den Fall der Ermächtigung vergl. § 95 Abs.11 a SGB V) geschaffenen Vergünstigung in Fällen der Kindererziehung hält sich der Gesetzgeber in den Grenzen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums und es ist für den Senat nicht erkennbar, dass er zu einer darüber hinausgehenden Regelung zu Gunsten von Eltern wegen der Erziehung von Kindern nach der Verfassung verpflichtet gewesen wäre. Die Regelung des § 95 Abs.11 b Satz 1 Nr.3 SGB V trägt dem Ziel des Gesetzgebers Rechnung, nur solche Psychotherapeuten zu berücksichtigen, die vor Bekanntwerden des maßgeblichen Gesetzentwurfes eine Praxis aufgebaut hatten (vgl. BT-Drucksache 13/9212, Seite 41, Artikel 2 zu Nr.10 Buchstabe c).

Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und Abs.4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG Änderungsgesetzes geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved