L 16 RJ 613/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 523/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 613/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22. Oktober 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge aufgrund eines Wohnsitzes des Klägers in Kroatien gemäß § 210 SGB VI.

Der 1961 in Bosnien geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger und hat nach seinen eigenen Angaben seinen Wohnsitz in G. a, Kroatien. Er beantragte mit Formblattantrag vom 27.04.2001 die Erstattung seiner in der Bundesrepublik vom 10.10.1992 bis 31.08.1999 geleisteten Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung von insgesamt 85 Monaten. Die Antragstellung erfolgte durch seinen in der Bundesrepublik wohnhaften Bevollmächtigten. Der Kläger gab eine Erklärung ab, er versichere wahrheitsgemäß, seinen Wohnsitz in G. , Kroatien, zu haben. Beigefügt war eine Bestätigung der Republik Kroatien über einen zeitweiligen Aufenthalt in Bosnien, ausgestellt am 24.04.2001. In der Folge wurde eine weitere Bescheinigung der kroatischen Behörden vorgelegt, wonach der Kläger im Besitz eines bosnischen Reisepasses, gültig vom Mai 1999 bis Mai 2004, ist. Ein Schreiben der Beklagten, gerichtet an die Adresse des Klägers in Kroatien, kam mit dem Vermerk "unbekannt" zurück. Ein weiteres Schreiben der Beklagten mit der Bitte, einen Aufenthaltstitel für die Berechtigung des Wohnsitzes in Kroatien vorzulegen, blieb unbeantwortet. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.02.2002 lehnte die Beklagte die Beitragserstattung ab mit der Begründung, es sei nicht nachgewiesen, dass sich der Kläger als ausschließlich bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger gewöhnlich in einem Drittstaat, nämlich Kroatien, aufhalte.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 26.02.2002 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Ämter in Kroatien keine Aufenthaltsbefugnisse, Aufenthaltserlaubnisse oder Genehmigungen kennen und deshalb der Kläger einen solchen Nachweis nicht vorlegen könne. Er legte einen handschriftlichen Brief des Klägers bei, allerdings ohne Kuvert und ohne Absendestempel.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2002 zurück. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 210 Abs.1 Nr.1 SGB VI seien nicht erfüllt, denn ein nichtkroatischer Staatsbürger benötige zum rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien einen Aufenthaltstitel; diesen habe der Kläger nicht vorlegen können. Daraus sei zu schließen, dass der Kläger auch kroatischer Staatsangehöriger sei. Als kroatischer Staatsangehöriger habe er aber nach dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 (Nr.2 Buchst.c Satz 4 des Schlussprotokolls) das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung, so dass ein Anspruch auf Beitragserstattung in der deutschen Versicherung nicht bestehe.

Mit der Klageschrift vom 02.04.2002, eingegangen beim Sozialgericht am 11.04.2002, begehrt der Kläger die Beitragserstattung. Zur Begründung trägt er erneut vor, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien zu haben. Es sei ihm als Bosnienflüchtling die Rückkehr in die jetzige Republik S. verwehrt. Die kroatische Regierung habe solche Flüchtlinge aufgenommen und ihnen einen Daueraufenthalt ermöglicht; der von der Beklagten geforderte Aufenthaltstitel im bosnischen Pass sei in Kroatien aber nicht vorgesehen. Ein in G. ansässiger Notar habe eine Bestätigung ausgestellt, aus der der dauerhafte Wohnsitz hervorgehe. Diese Bescheinigung wurde beigefügt. Sie enthält eine Erklärung, abgegeben vom Kläger, dass er als Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina sich momentan in der Republik Kroatien befinde. Er sei unter der oben genannten Adresse gemeldet. Diese Bescheinigung unterzeichnete er eigenhändig. Der Notar bestätigte auf der Rückseite der Bescheinigung die vom Kläger geleistete Unterschrift und gab als Anschrift des Klägers T. in Bosnien an.

Das Sozialgericht teilte den Beteiligten mit, es beabsichtige, einen Gerichtsbescheid zu erlassen. Diesen hat es am 22.10.2000 erlassen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03. 2002 verpflichtet, dem Kläger die zur gesetzlichen Rentenversicherung bezahlten Beiträge zu erstatten. Zur Begründung stellte das Sozialgericht fest, dass das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen keine Anwendung finde, da sich der Kläger als bosnischer Staatsangehöriger in Kroatien aufhalte. Das Sozialgericht sah keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der vorgelegten Urkunden zu zweifeln.

Die Beklagte begründete ihre mit Schriftsatz vom 03.12.2002 gegen den am 05.11.2002 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegte Berufung, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien habe. Zum Nachweis hätte ein von den zuständigen kroatischen Behörden ausgestellter Aufenthaltstitel gehört, den der Kläger nicht habe vorlegen können. Außerdem habe die Beklagte zur Vorbereitung des Berufungsverfahrens telefonisch beim kroatischen Versicherungsträger angefragt, ob der Kläger seinen gewöhlichen Aufenthalt in Kroatien habe. Nach Antwort des kroatischen Versicherungsträgers sei der Kläger weder in Kroatien unter der von ihm angegebenen Anschrift gemeldet noch gebe es auf dem Gebiet der Republik Kroatien eine gemeldete Person seines Namens. Da der Kläger keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat nachweisen könne, lägen die Voraussetzungen für die Beitragserstattung nicht vor. Die Beklagte fügte die Übersetzung der Telefonantwort des kroatischen Versicherungsträgers ihrem Berufungsschriftsatz bei.

Der Klägerbevollmächtigte wiederholte den Vortrag des Klägers aus dem verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren und fügte hinzu, er benötige die Beitragserstattung, um in Kroatien eine neue Existenz aufbauen zu können. Der Senat richtete mehrmals Schreiben an den Kläger unter der von ihm genannten kroatischen Adresse, deren Richtigkeit im Laufe des Verfahrens vom Klägerbevollmächtigten bestätigt worden war. Alle Schreiben kamen als unzustellbar, da Empfänger unbekannt, zurück. Mit Schreiben des Senats vom 20.05.2003 wurde der Bevollmächtigte von diesen Ermittlungsbemühungen in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Der Klägerbevollmächtigte übersandte mit Schriftsatz vom 05.06. 2003 eine Bescheinigung vom 27.05. eines J. D. , der bestätigte, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und seinen Kindern seit 2000 als Untermieter bei ihm in G. wohne. Außerdem wurde eine Adressenbestätigung der Gemeinde G. über die Anmeldung des Wohnsitzes bzw. Abmeldung und Änderung der Wohnanschrift vorgelegt. Weiter vorgelegt wurde eine Bestätigung über die bosnische Staatsangehörigkeit des Klägers. Er erklärte gleichzeitig, nicht kroatischer Staatsangehöriger zu sein. Eine Anfrage des Senats an die Gemeinde G. zur Auskunft über den Wohnsitz und die Aufenthaltsgenehmigung wurde von der Gemeinde nicht beantwortet.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.10. 2002 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.02. 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03. 2002 abzuweisen.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, und erweist sich als begründet. Der Bescheid der Beklagten auf Ablehnung der Beitragserstattung vom 14.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2000 ist, wenn auch mit anderer Begründung, rechtlich zutreffend, so dass der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22.10.2002 aufzuheben ist.

Nach § 210 SGB VI werden Beiträge auf Antrag erstattet 1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht der freiwilligen Weiterversicherung haben, 2. Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, 3. Witwen, Witwer oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe oder Witwer nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.

Für den Kläger käme nur § 210 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI in Betracht, ausgeschlossen muss allerdings sein, dass er zur freiwilligen Weiterversicherung in der deutschen Versicherung berechtigt ist. Dazu ist das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 heranzuziehen - in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 - (BGBl.II 1969, 1438, 1975, 389), das nach der Bekanntmachung über die Fortgeltung des deutsch-jugoslawischen Vertrages im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bosnien und Herzegowina vom 16.11.1992 (Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl.II 326, siehe KassKomm Polster § 110 Anm.12) weiter Anwendung findet. Nach dessen Art.3 sind bosnische Staatsangehörige den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt, mit der Folge, dass diese zur freiwilligen Weiterversicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt sind. Das heißt, bosnische Staatsangehörige haben bei Wohnsitz in Bosnien das Recht zur freiwilligen Beitragszahlung und somit keinen Beitragserstattungsanspruch.

Unstreitig ist der Kläger bosnischer Staatsangehöriger. Ob er auch die kroatische Staatsangehörigkeit besitzt, wie es die Beklagte im Widerspruchsbescheid vermutet, ist ungeklärt; dies ist aber zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht relevant. Der Kläger hat bisher immer nur auf seinen bosnischen Pass hingewiesen. Allerdings deutet - und dies hat die Beklagte zu Recht eingewandt - seine Duldung in Kroatien darauf hin, dass er, wie viele andere, möglicherweise neben der bosnischen auch die kroatische Staatsangehörigkeit besitzt. Für die Entscheidung maßgeblich ist, dass der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter die Zweifel, die bereits im Verwaltungsverfahren am kroatischen Wohnsitz des Klägers aufgetreten sind, nicht entkräften konnte. Der Kläger ist in Kroatien nicht erreichbar; dies zeigen die Ermittlungen der Beklagten beim kroatischen Versicherungsträger und gegenüber dem Kläger (ein Schreiben an den Kläger wurde als unzustellbar zurückgesandt) sowie des Senats selbst. Die jetzt vorgelegte Bescheinigung seines angeblichen Vermieters kann diese Zweifel für die Vergangenheit keinesfalls entkräften. Deshalb bleiben trotz dieser Bescheinigung erhebliche Zweifel, ob der Kläger nicht seinen Hauptwohnsitz weiterhin in Bosnien hat. Diese Zweifel bestehen umso mehr, als die Erklärung beim Notar mit seiner bosnischen Anschrift versehen wurde und er keinerlei Sachvortrag angeboten hat, die die Unmöglichkeit der Kontaktaufnahme über die kroatische Anschrift hätte erklären können.

Im Gegensatz zum Sozialgericht, das keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der vorgelegten Unterlagen hatte, sieht der Senat den Nachweis eines dauernden gewöhnlichen Aufenthalts in Kroatien durch diese Urkunden nicht erbracht. Vor allem die vom Kläger dem Sozialgericht vorgelegte notarielle Beglaubigung erweckt erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger nicht zumindestens zusätzlich einen bosnischen Wohnsitz hat. Denn der Notar bestätigte nicht den Inhalt der Erklärung des Klägers, sondern nur die bei ihm geleistete Unterschrift. Besondere Zweifel bestehen aber auch deshalb, da es dem Senat nicht möglich war, mit dem Kläger unter der vom Klägerbevollmächtigten bestätigten Adresse in Kroatien Kontakt aufzunehmen. Dies wurde mehrfach versucht. Dabei wurden verschiedene Schreibweisen der Anschrift, wie sie der Bevollmächtigte angegeben hat, verwendet und alle Anschreiben kamen mit dem Vermerk "unbekannt" zurück. Für den Senat bestehen deshalb erhebliche Zweifel an dem vom Kläger behaupteten Wohnsitz in Kroatien. Da eine Beitragserstattung vom Wohnsitz des Klägers in einem Drittstaat abhängig ist, ist der Kläger dafür beweispflichtig, dass er den Wohnsitz in diesem Drittstaat hat und somit als bosnischer Staatsangehöriger nicht zur Weiterversicherung berechtigt ist. Nach diesem auch für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast hat der Kläger den Nachweis seines Wohnsitzes zu erbringen. Nach dem Grundsatz der objektiven oder auch materiellen Beweislast muss jeder die Beweislast für die Tatsachen tragen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Der Beteiligte muss daher die Folgen einer Ungewissheit über für ihn günstige Tatsachen tragen (vgl. Jens Meyer-Ladewig, § 103 Sozialgerichtsgesetz, Anm.19a). Im Falle des Klägers handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht lediglich um eine Ungewissenheit, sondern es bestehen erhebliche Zweifel am kroatischen Wohnsitz des Klägers. Damit sind die Voraussetzungen für die Beitragserstattung aber nicht erfüllt, so dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten zur Beitragserstattung nicht zu beanstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziffern 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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