L 15 SB 40/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 SB 674/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 40/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Eintragung des Merkzeichens "Bl" in den Schwerbehindertenausweis für die Zeit vor dem 01.07.1999 bzw. ab Antragstellung.

Die Kläger sind die Rechtsnachfolger ihres 1994 geborenen und am 20.07.2002 verstorbenen Sohnes J. S. (nachfolgend JS). Am 18.01.1995 beantragte JS die Feststellung seiner Behinderung. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 29.03.1996 "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Anfallsleiden, Diplegie, Störung des Sehens" mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 ebenso wie die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G", "aG","H", "RF" fest; für die übrigen Merkzeichen (Bl, 1. Klasse ) verneinte er das Vorliegen der Voraussetzung.

Mit Schreiben vom 23.08.1999 bat JS unter Hinweis auf den Bescheid vom 29.03.1996 um die Eintragung der Merkzeichen "B" und "Bl" in seinen Schwerbehindertenausweis.

Nachdem der Beklagte in dem Parallelverfahren auf Zahlung von Blindengeld mit Bescheid vom 18.06.1999 wegen ständigen Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes in Polen die Zahlung dieser Sozialleistung abgelehnt hatte, hob er mit Bescheid vom 07.10.1999 den Bescheid vom 29.03.1996 mit der gleichen Begründung auf; zuvor hatte er mit Schreiben vom 06.09.1999 dem JS nach § 24 Abs.1 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) Gelegenheit zur Anhörung gegeben. Am 28.10.1999 legte JS gegen den Aufhebungsbescheid vom 11.10.1999 Widerspruch ein. Nachdem verwaltungsintern festgestellt worden war, die Kläger seien mit JS seit dem 01.07.1999 nach K. umgezogen, hob der Beklagte den Aufhebungsbescheid mit Abhilfebescheid vom 14.12.1999 auf; gleichzeitig stellte er fest, die zuletzt mit Bescheid vom 29.03.1996 getroffene Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) behalte somit weiterhin ihre Gültigkeit; auch der mit diesem Bescheid ausgestellte Schwerbehindertenausweis sei unverändert gültig; der Ausweis, der als Fundsache abgegeben worden sei, werde als Anlage übersandt. Mit Schreiben vom 10.01.2000 legte JS. Widerspruch gegen den Abhilfebescheid vom 14.12.1999 ein, wobei er sich im Wesentlichen gegen die Art und Weise der Bearbeitung wandte.

Nachdem mit Bescheid vom 13.06.2000 der Beklagte den Anspruch auf Blindengeld ab 01.07.1999 anerkannt hatte, stellte er für den Bereich des SchwbG mit Teilabhilfebescheid vom 20.06.2000 als Behinderung "Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Anfallsleiden, Diplegie, Blindheit" mit einem GdB von 100 sowie neben den Merkzeichen "B", "G", "aG", "H", "RF" und mit Wirkung ab 01.07.1999 auch "Bl" fest - 1. Klasse verneinte er.

Am 22.08.2000 ging beim Beklagten ein Schreiben des JS vom 20.08.2000 ein, in dem er daran erinnerte, dass über seinen Widerspruch vom 10.01.2000 gegen den Abhilfebescheid vom 14.12.1999 noch nicht entschieden worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2000 wies der Beklagte den Widerspruch, soweit die Feststellung über die Zeit vor dem 01.07.1999 begehrt wurde, zurück.

Am 31.08.2000 erhob JS gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.08.2000 Klage, die er nicht näher begründete; vielmehr legte er Unterlagen über die Schwerbehinderung der Kläger vor, und übersandte Schriftsätze und Buchauszüge, die im Wesentlichen das Blindengeldverfahren betrafen.

Nachdem auf Bl.100 der SchwbG Akten handschriftlich eingetragen wurde, JS sei "laut Mitteilung vom 02.08.2002 verstorben 20.07.2002, BLVF wurde informiert" wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 27.02.2003 unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 06.12.1989, Az.: 9 Vs 4/89 ab. Anschließend übersandte es auf Bitten der Kläger vom 22.03.2003 diesen eine Ablichtung dieses Urteils.

Hiergegen legten die Kläger am 24.03.2003 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht ein, die sie im Wesentlichen unter Vorlage von Schriftsätzen aus den Blinden- und Pflegegeldverfahren begründeten; gleichzeitig beantragten sie mehrfach Prozesskostenhilfe, die vom Senat abgelehnt wurde - letztmals am 02.11.2004.

In der mündlichen Verhandlung ist für die Kläger niemand erschienen; sinngemäß beantragen sie, den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, das Merkzeichen "Bl" mit Wirkung ab Antragstellung in den Schwerbehindertenausweis einzutragen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2003 zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen worden sind die Scherbehindertenakten des JS beim Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg Az.: S 8 SB 674/00. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung gingen in der Nacht vom 23.11. zum 24.11.2004 schriftsätzliche Faxe des Klägers bei Gericht ein.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakten nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger als Erben und Gesamtrechtsnachfolger (vgl. § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.2003 und die ihm zugrunde liegenden Bescheide vom 29.03.1996, 07.10.1999, 14.12.1999, 20.06.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2000 sind nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch mehr auf Feststellung bzw. Eintragung des Merkzeichens "Bl" in den Schwerbehindertenausweis des JS für den Zeitraum Januar 1995 mit Juni 1999.

Der vom Beklagten mit Teilabhilfebescheid vom 20.06.2000 mit Wirkung ab dem 01.07.1999 zuerkannte Anspruch auf das Merkzeichen "Bl" ist, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, mit dem Tode des Berechtigten erloschen (vgl. BSG vom 06.12.1989, Az.: 9 RVs 4/89 in SozR 3870, § 4 Nr.4; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.05. 1996, Az.: L 15 Vs 25/95). Dies ergibt sich daraus, dass - ungeachtet der Frage, ob die Feststellung eines gesundheitlichen Merkmals als Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuches , Allgemeiner Teil - qualifiziert werden kann - es sich bei der Feststellung eines gesundheitlichen Merkmales bzw. eines Status des Behinderten um ein höchstpersönliches Recht handelt, das weder nach dem Sozialgesetzbuch noch nach Bürgerlichem Recht vererbbar ist. Die Rechtsprechung begründet dies zum einen damit, dass die Ermittlungen zu den gesundheitlichen Verhältnissen des Behinderten sich als Eingriff in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht darstellen und zum anderen aus der finalen Ausrichtung des das Schwerbehindertengesetz ersetzenden SGB IX. Der Zweck dieses Gesetzes (Rehabilitation) ist mit dem Tod des Behinderten nämlich obsolet, er lässt sich nicht mehr erreichen. Einzelne finanzielle Auswirkungen bestimmter Behindertenmerkmale können nur noch Dritten zugute kommen. Inwieweit dies rechtlich möglich ist, hängt von der jeweiligen Vergünstigung im Einzelfall ab. Im Steuerrecht ist die nachträgliche Korrektur von Steuerbescheiden und die Erstattung überzahlter Steuern den Erben gegenüber möglich, wenn der Steuerbehörde eine gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsverwaltung vorliegt. Ein Feststellungsanspruch, wie er von den Klägern geltend gemacht worden ist, besteht jedenfalls nach dem Ableben des JS als Berechtigtem nicht mehr.

Aus diesen Gründen ist eine nachträgliche sachliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen auch unter dem Gesichtspunkt der Wohnsitzproblematik nicht mehr geboten gewesen. Das ursprünglich zulässig gewesene Klagebegehren bzw. die Weiterführung dieses Verfahrens und das anschließende Berufungsverfahren durch die Rechtsnachfolger gehen daher ins Leere. Etwaige sonstige Ansprüche waren nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und können daher vom Senat ebenfalls nicht sachlich geprüft werden.

Die bei Gericht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Nacht vom 23.11. zum 24.11.2004 eingegangenen Faxe konnten nicht mehr berücksichtigt werden; sie sind im Übrigen angesichts der Sach- und Rechtslage auch nicht relevant.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch der Senat von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats und der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
Rechtskraft
Aus
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