L 2 U 136/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 359/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 136/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der Arbeitgeber des Klägers zeigte der Beklagten am 25.05.1998 an, der Kläger sei am 15.04.1998 beim Besteigen eines Baggers abgerutscht, zu Boden gefallen und mit dem Steißbein aufgeschlagen. Er habe die Arbeit am 17.04.1998 eingestellt. Später gab der Arbeitgeber an, der Kläger habe seine Tätigkeit als Mechaniker sofort aufgegeben. Erstmalig behandelt und krank geschrieben wurde der Kläger am 22.04.1998 wegen Thoraxschmerzen. Diese waren als Diagnose auch in den Folgebescheinigungen vermerkt, ein Arbeitsunfall war nicht angegeben. Als Diagnose kam in der Folgebescheinigung vom 16.05.1998 ein Diskusprolaps hinzu. Bei einem MRT am 15.05.1998 war ein Prolaps bei L 5/S 1 festgestellt worden.

Ein von der Beklagten gehörter Sachverständiger kam zunächst zu dem Ergebnis, eine Abgrenzung zwischen unfallfremden und unfallbedingten Schäden sei nicht möglich. Er schätzte die MdE auf unter 10 v.H. ein. Der beratende Arzt der Beklagten sah keinerlei Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Bandscheibenprolaps. Die Beklagte lehnte deshalb mit Bescheid vom 08.07.1999 die Gewährung von Verletztenrente ab.

Der im Widerspruchsverfahren als Sachverständiger gehörte Chirurg Dr.T. kam in seinem Gutachten vom 16.09.1999 zu dem Ergebnis, durch den Unfall sei es zu einer Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens gekommen. Die MdE sei mit 15 v.H. einzuschätzen. Die mit einem Zusatzgutachten vom 22.09.1999 gehörte Neurologin und Psychiaterin Dr.K. kam zu dem Ergebnis, sofern der Bandscheibenvorfall als Folge des Unfalls interpretiert werde, betrage die neurologische MdE wegen der sensiblen Wurzelirritation L 5-S 1 links und rezidivierenden Schmerzen 10 v.H. Dr.T. bildete daraus eine Gesamt-MdE um 20 v.H. Er empfahl eine Nachuntersuchung ein halbes Jahr nach Beginn der Arbeitsfähigkeit, denn eine wesentliche Besserung sei durchaus möglich.

Nach einer stationären Behandlung vom 08.12.1999 bis 11.01.2000 kam die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. zu dem Ergebnis, der Zustand des Klägers könne bestenfalls als die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gewertet werden. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaße könne aufgrund des Unfallereignisses und der vorbestehenden degenerativen Veränderungen nicht festgestellt werden.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.H. vom 10.05.2000 ein. Er kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger mehrsegmentale und deutliche Bandscheibenveränderungen vorlägen und ein Primärkörperschaden nicht belegt sei. Das angegebene Ereignis sei lediglich Anlass zur Auslösung einer im weiteren Verlauf bestehenden klinischen Symptomatik gewesen. Bandscheiben würden nicht prolabieren, wenn sie unter Kompression gerieten. Zu fordern sei vielmehr ein Ereignis, das mit Beugung, Verdrehung und gleichzeitiger Seitneigung verbunden sei. Im untersten Lendenwirbelsäulensegment sei zu erkennen, dass eine degenerative Veränderung seit langem vorbestanden habe. Bei Dr.H. wie bei Dr.K. hatte der Kläger allerdings angegeben, dass er bis zu dem Unfall keine Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich gehabt und keine Ärzte deswegen konsultiert habe. Der Sachverständige hielt weiter das Verhalten des Betroffenen nach dem Unfall sowie die bildtechnischen Befunde für nicht geeignet, einen Ursachenzusammenhang zu begründen. Zu dem gleichen Ergebnis kam der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr.S ... Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2000 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren legte der Kläger u.a. ein Gutachten des Prof.Dr.B. vor, erstellt für das Landgericht Weiden in dem Zivilprozess gegen die private Versicherung, worin dieser u.a. ausführte, der Unfall, den der Kläger erlitten habe, sei nicht geeignet, eine gesunde Bandscheibe zu schädigen.

Das Sozialgericht hat zunächst den Chirurgen Dr.K. als Sachverständigen mit Gutachten vom 14.03.2001 gehört. Der Sachverständige kommt im Wesentlichen zum selben Ergebnis wie Dr.H. und Dr.S ... Er sieht sich durch eine zusätzliche radiologische Bewertung des MRT vom 15.05.1998 bestätigt, wonach es sich um deutliche und lang vorbestehende degenerative Bandscheibenveränderungen gehandelt habe. Die Auslösung eines kleinen Bandscheibenvorfalls bei L 5/S 1 durch traumatische Einwirkung sei nicht auszuschließen, bei völlig unverändertem Befund von eineinhalb Jahren erscheine dies jedoch höchst unwahrscheinlich.

Ein vom Kläger nach § 109 SGG benannter Sachverständiger hat dem Sozialgericht gegenüber ausgeführt, er sehe keine Möglichket, einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Bandscheibenprolaps nachzuweisen. Das Sozialgericht hat dem Kläger die Benennung eines weiteren Sachverständigen eingeräumt. Einen solchen hat er Kläger auch benannt, erstattet wurde das Gutachten jedoch von dessen Buder, was vom Gericht und den Beteiligten nicht sofort bemerkt worden ist. Das Gutachten kommt ebenfalls zu einem dem Kläger ungünstigen Ergebnis.

Gestützt auf letzteres Gutachten hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 18.03.2003 abgewiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 08.07.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2000 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten des Orthopäden Prof.Dr.B. vom 12.03.2003 eingeholt. Auch bei diesem Sachverständigen hat der Kläger angegeben, vor dem Unfall sei er niemals wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gestanden. Der Sachverständige betont wiederholt die Schwierigkeiten der Abwägung aller Faktoren, die für oder gegen einen Ursachenzusammenhang sprächen. Die dabei zu fordernden Voraussetzungen für einen solchen Zusammenhang, nämlich der Nachweis einer erheblichen Gewalteinwirkung auf die Lendenwirbelsäule, der Art und Richtung der auf die Bandscheibe einwirkenden Kräfte, der zeitliche Zusammenhang zum Unfallereignis mit sofort einsetzenden, heftigen Beschwerden und ein Ausschluss von Bandscheibensymptomen direkt vor dem Unfalll seien beim Kläger allesamt gegeben. Prinzipiell finde die Anerkennung des Bandscheibenschadens aufgrund des Unfalls sicherlich ihre Berechtigung. Im Ergebnis ist der Sachverständige der Auffassung, dass die akute Beschwerdesymptomatik nach dem Unfall durch diesen wesentlich verursacht sei. Im Laufe der Zeit habe sich keine Veränderung des Status ergeben, der Bandscheibenvorfall liege unverändert vor und der Befund sei deshalb als konstant zu werten. Er sei damit in einen degenerativen, nicht unfallbedingten Zustand eingemündet. Dementsprechend bildet der Sachverständige eine degressive MdE von beginnend 50 v.H. bis zuletzt 20 v.H.

Hiergegen hat die Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.H. vorgelegt. Dr.H. hält den Unfallhergang als erwiesenermaßen ungeeignet für die Verursachung eines Bandscheibenprolaps und verweist insoweit auf Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage. Im Übrigen schließt er sich den Beurteilungen des Dr.H. und des Dr.K. sowie des Dr.S. an. Zudem verweist er auf Zitate eines Vorgutachters aus einer Klageakte in Schwerbehindertenangelegenheiten, aus denen sich ergibt, dass bereits vor dem Unfall Wirbelsäulenbeschwerden in der Lendenwirbelsäule vorhanden waren und behandelt wurden.

Letztere Akte war bereits im Klageverfahren beigezogen gewesen. Aus ihr ergibt sich, dass der Kläger vor dem 13.01.1998 u.a. wegen rezidivierender Lumbago behandelt worden war. Wegen Funktionsstörungen der Wirbelsäule war noch am 06.05.1998 ein GdB von 20 geltend gemacht worden. Zuvor war bereits versorgungsärztlich ein GdB wegen Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen von 20 festgestellt worden. An anderer Stelle als der Lendenwirbelsäule ist den Akten keine Wirbelsäulenerkrankung zu entnehmen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren und dem Schwerbehindertenverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat wegen der Folgen des Unfalls vom 15.04.1998 keinen Verletztenrentenanspruch. Die aus den Unfallfolgen resultierende MdE erreicht nicht wenigstens 20 v.H.

Nach § 56 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente u.a., dass die Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalles um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Maßgeblich ist hierbei die Beeinträchtigung durch die Unfallfolgen. Damit eine Gesundheitsstörung als Unfallfolge angesehen werden kann, muss ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall der Gestalt wahrscheinlich sein, dass dieser ihn wenigstens wesentlich mitverursacht hat (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nrn.4, 51 mit weiteren Nachweisen).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Bandscheibenvorfall L 5/S 1 und die davon möglicherweise ausgelösten Funktionsbeeinträchtigungen mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall wesentlich wenigstens mitverursacht sein muss. Insoweit kommt als Unfallfolge auch die Verschlimmerung eines bereits vorbestehenden Schadens in Betracht.

Der Unfall hat jedoch in diesem Sinne weder die Bandscheibenschädigung verursacht, noch einen vorbestehenden Zustand verschlimmert. Das Gericht schließt sich insoweit den Sachverständigen Dr.H. , Dr.K. , Dr.S. und Dr.H. an. Es ist dabei nicht gehindert, seine Überzeugung auch auf die Ausführungen solcher Sachverständiger zu stützen, die von der Beklagten herangezogen worden sind. Die Sachverständigen legen in überzeugender Weise und in Übereinstimmung mit der medizinischen Fachliteratur (vgl. Schoenberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S.592 ff.) die geltenden Kriterien für die Annahme des Ursachenzusammenhanges dar und bewerten sie in nachvollziehbarer Weise.

Dies trifft auf das Gutachten des Prof.B. nicht zu. Der Sachverständige weicht zwar von diesen Bewertungskriterien nicht ab, seine Bewertungen sind jedoch nicht überzeugend. Der Sachverständige geht schon von einem unzutreffenden Vorzustand aus, denn er stützt sich auf Angaben des Klägers, deren Unrichtigkeit bei vollständigem Studium der Akten hätte ersichtlich sein müssen. Danach war der Kläger bereits vor dem Unfall wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen und die ärztlichen Berichte an das Amt für Versorgung und Familienförderung hatten bereits zur Annahme deiner Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen und eines GdB von 20 geführt. Der Sachverständige ist weiter in Ansehung der von ihm auch als geltend angesehenen Kriterien nicht in der Lage zu begründen, wie es durch den Unfall zu einer Beeinträchtigung der Bandscheibe kommen sollte. Er setzt sich weder in überzeugender Weise mit der Tatsache auseinander, dass der Kläger erstmals am 22.04.1998 seinen behandelnden Arzt aufgesucht hat und in der ersten und den bis 16.05.1998 folgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen Thoraxschmerzen krank geschrieben wurde, noch mit der Bewertung des MRT in dem fachradiologischen Zusatzgutachten zum Gutachten des Dr.K ...

Da nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen verblieben sind, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit hätten begründen können, bestand und besteht auch kein Anspruch auf Verletztenrente.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung,dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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