L 7 P 37/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 P 18/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 37/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe III streitig.

Bei der 1950 geborenen Klägerin liegt als Folge eines 1973 erlittenen Verkehrsunfalles eine Querschnittslähmung vor. Sie erhielt von der AOK P. zunächst Pflegegeld nach § 53 SGB V in Höhe von monatlich 400,- DM. Ab 01.04.1995 bewilligte die Beklagte Pflegegeld nach Stufe II.

Ein Höherstufungsantrag vom 28.01.2000 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 05.05.2000 abgelehnt, nachdem in den beiden von einer Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern ( MDK) erstellten Gutachten vom 26.04. und 26.10.2000 ein Grundpflegebedarf von 167 Minuten und ein hauswirtschaftlicher Pflegebedarf von 60 Minuten angenommen worden war.

Auf den erneuten Höherstufungsantrag vom 30.04.2001 hin wurde die Klägerin am 23.08.2000 wiederum durch eine Pflegefachkraft des MDK zu Hause aufgesucht. In dem Gutachten vom 31.08.2001 wurde ein Grundpflegebedarf von 195 Minuten und ein Hilfebedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten angenommen. Mit Bescheid vom 03.09.2001 lehnte die Beklagte die Bewilligung höherer Leistungen ab. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin den bei den einzelnen Verrichtungen erforderlichen Hilfebedarf schilderte, wies die Beklagte nach Einholung eines nach Aktenlage erstellten Gutachtens des Dr.K. vom MDK mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2002 zurück.

Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht Landshut (SGG) hat einen Befundbericht des Dr.A. eingeholt und die Sozialmedizinerin und Medizinaldirektorin Dr.H. zur Sachverständigen ernannt. Diese hat die Klägerin am 01.04.2004 zu Hause aufgesucht und unter Einbeziehung der Angaben einer Pflegerin das Gutachten vom 05.04.2004 erstellt. Für die Grundpflege sei täglich ein Zeitaufwand von 130, für die hauswirtschaftliche Versorgung von 82 Minuten erforderlich.

Mit Urteil vom 14.05.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr.H. bestehe im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von insgesamt 130 Minuten täglich, für die Zuerkennung der Pflegestufe III wäre aber ein Hilfebedarf von 240 Minuten erforderlich. Auch benötige die Klägerin keine Hilfe zwischen 22 und 6.oo Uhr täglich für wenigstens eine Verrichtung.

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, dass Pflegepersonal benötige mehr Zeit für die Körperpflege als von Dr.H. angenommen werde, da wegen der starken Spasmen das Waschen, Ankleiden, die Fuß- und Nagelpflege, das Eincremen und die Vorbeugung gegen das Wundsein immer wieder unterbrochen werden müssten. Bedingt durch die Spasmen habe sie des Nachts Atemprobleme, weshalb eine Pflegeperson auf Zuruf bereit sein müsse, um sie neu zu lagern. Sie sei nicht in der Lage, den Blutdruck zu messen und selbständig die Kreislauftropfen einzunehmen. Die Getränke und Speisen müssten durch die Pflegekraft zubereitet und bereitgestellt werden. Trotz des Sicherheitsgurtes rutsche sie wegen ihrer Gleichgewichtsprobleme im Rollstuhl nach vorne und müsse öfter am Tag zurückgezogen werden. Ihr Gesund heitszustand habe sich in den vergangenen drei Jahren um einiges verschlechtert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 03.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 30.04.2001 Leistungen nach Pflegestufe III zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung in zulässig §§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für Leistungen nach Pflegestufe III bei der Klägerin gegenwärtig nicht vorliegen.

Anspruch auf Leistungen nach Pflegestufe III besteht gemäß § 15 Abs.3 Nr.3 SGB XI, wenn der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden beträgt, wobei auf die Grundpflege im Sinne des § 14 Abs.4 Nr.1 bis 3 SGB XI mindestens vier Stunden entfallen müssen. Dies ist bei der Klägerin gegenwärtig jedenfalls nicht gegeben.

Dies steht auch zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und überzeugenden Gutachtens der Sachverständigen Dr.H. vom 05.04.2004 fest. Danach wird die Klägerin morgens im Bett gewaschen, wobei sie selber nicht mithelfen kann. Dieser Vorgang einschließlich des Abtrocknens dauert etwa 25 Minuten. Drei- bis viermal in der Woche werden die Haare gewaschen; einschließlich des Fönens fällt täüglich ein Aufwand von 20 Minuten an. Die Stuhlentleerung erfolgt nach Zäpfchengabe zweimal wöchentlich; für die Reinigung werden 20 bis 25 Minuten benötigt. Die Entleerung des Harnbeutels ist sechs bis siebenmal am Tag erforderlich und beansprucht jeweils drei Minuten. Der Urinbeutel muss etwa zweimal wöchentlich gewechselt werden; entgegen den Angaben der Pflegerin erfordert dies jeweils fünf Minuten an Stelle der angegebenen 15 Minuten, so dass ein täglicher Pflegebedarf von einer Minute durchschnittlich besteht. Insgesamt beträgt der Zeitaufwand in der Körperpflege 68 Minuten.

Die Nahrungsaufnahme erfolgt durch die Klägerin selbständig. Allerdings müssen die Speisen mundgerecht zubereitet, d.h. festere Speisen kleingeschnitten werden, was zweimal zwei Minuten umfasst. Für das Aufstehen zum Sitzen und das Zubettgehen sind jeweils drei Minuten erforderlich, da die Vorgänge wegen der Spastik länger als gewöhnlich dauern. Dies gilt ebenso für das Anziehen und das Entkleiden, so dass hierfür jeweils 15 Minuten anzusetzen sind. Die Klägerin wird mit Hilfe eines Deckenlifters aus dem Bett in den Rollstuhl verbracht und abends wieder zurück. Auch dieser Vorgang kann wegen der ein schießenden Spastik nur langsam ausgeführt werden, weshalb jeweils fünf Minuten anzusetzen sind. Zusätzliche Transfers fallen bei den wöchentlichen Hausbesuchen des Hausarztes bzw. den zweimal wöchentlichen Besuchen des Masseurs an; hierfür sind nochmals dreimal wöchentlich jeweils 16 Minuten und damit täglich sieben Minuten zu berücksichtigen. Nach Angaben der Pflegekraft wird die Klägerin morgens gegen 6.3o Uhr einmal umgelagert, was fünf Minuten dauert.

Somit erfordert die Grundpflege täglich 130 Minuten. Hierbei kann dahinstehen, ob entsprechend den Angaben der Klägerin nachts wegen ihrer Atemprobleme ein zusätzliches Umlagern anfällt, da sich in diesem Fall der Grundpflegebedarf auf 135 Minuten erhöhen würde und die für die Stufe 3 erforderlichen 240 Minuten deutlich nicht erreicht werden. Aus diesem Grunde kann auch dahinstehen, ob tatsächlich täglich in der Zeit zwischen 22.oo und 6.oo Uhr ein Hilfebedarf in Form dieses Umlagerns anfällt.

Die Angaben der Klägerin in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, die Voraussetzungen der Pflegestufe III darzutun. Die Sachverständige Dr.H. hat in ihrem Gutachten ausdrücklich berücksichtigt, dass mehrere Verrichtungen wie das Haarewaschen und Fönen, das Aufstehen und Zubettgehen, das An- und Ausziehen sowie die Transfers wegen der bestehenden Spastik länger dauern als üblich. Hilfe beim Messen des Blutdrucks und der Einnahme der Medikamente zählt nicht zur Grundpflege, sondern ist Behandlungspflege und bei der Festlegung der Pflegestufe nicht zu berücksichtigen. Das Zubereiten und Bereitestellen der Getränke und Speisen wiederum ist Teil der hauswirtschaftlichen Versorgung. Welcher Hilfebedarf insoweit anfällt, kann dahin stehen, weil die für die Grundpflege erforderlichen 240 Minuten aus den dargelegten Gründen nicht erreicht werden.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Mai 2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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