L 6 RJ 656/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 741/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 656/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1947 geborene Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Bosien-Herzegowina. Er hat keinen Beruf erlerntund war in seiner Heimat nach seinen Angaben als Bauarbeiter tätig. Dort hat er in der Zeit vom 08.03.1965 bis 28.03. 1972 sowie vom 02.09.1983 bis 15.04.1986 insgesamt sechs Jahre, zehn Monate und 4 Tage an Versicherungszeiten zurückgelegt. Er ist als Invalide anerkannt und bezieht vom Sozialversicherungsträger Bosniens und Herzegowinas ab 15.04.1996 Invalidenrente.

In Deutschland war er vom 01.01.1973 bis 06.05.1983 insgesamt 119 Monate versicherungspflichtig beschäftigt, wobei er nach den von der Beklagten beigezogenen Unterlagen der Krankenkasse zunächst als Waldarbeiter, anschließend als Lager- und Transportarbeiter, dann als Tiefbauarbeiter, Maler und zuletzt von März 1977 bis Mai 1983 als Bauhilfsarbeiter beschäftigt gewesen ist.

Erstmals hatte der Kläger am 30.05.1986 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beanstragt. In einem am 26.10.1987 erstatteten Gutachten der Invalidenkommission in I. stellten die Kommissionsärzte Dres. B. und D. als Gesundheitsstörungen einen chronischen Alkoholismus mit Schäden am Preonaeus links und Polyneuroptathie sowie eine chronische Bronchitis und Verschleisserscheinungen an der Wirbelsäule fest und beurteilten den Kläger zu keinerlei Erwrbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert in der Lage. Die Beklagte ließ den Kläger darauf in der Zeit vom 22.02. bis 24.02.1988 stationär in der ärztlichen Gutachterstelle in R. untersuchen und seine Erwerbsfähigkeit begutachten. Als Gesundheitsstörungen wurden dabei eine Peronaeuslähmung am linken Bein festgestellt mit leichter Arthrophie am linken Unterschenkel. Im Übrigen beurteilten die untersuchenden Ärzte den Gesundheitszustand des Klägers im Wesentlichen als normgerecht. Der Kläger sei lediglich durch eine mittlere bis chronische Denervierung der linken Fußhebergruppe beeinträchtigt. Dadurch wurde seine Leistungsfähigkeit leichtgradig eingeschränkt, er sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten, ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne besonderen Zeitdruck und überwiegend im Sitzen. Mit Bescheid vom 02.05.1988 hatte die Beklagte den Rentenantrag darauf abgelehnt, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorlägen.

Am 27.07.1999 beantragte der Kläger erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Gutachten der Invalidenkommission S. vom 02.09.1999 stellten die Kommissionsärztes Dres. K. und G. als Gesundheitsstörungen einen Alkoholismus mit charakterlichen Veränderungen, ein chronisch schmerzhaftes Lumbalsyndrom, ein Lungenemphysem und eine Asthenie fest und beurteilten den Kläger zu keinerlei Erwerbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert ab 02.09.1999 in der Lage.

Mit Bescheid vom 28.10.1999 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, ausgehend von einem Datum der Antragstellung, nicht erfüllt seien. Der letzte Pflichtbeitrag sei für den Kläger für April 1986 entrichtet worden. Seit Mai 1986 habe der Kläger keinerlei in der Rentenversicherung berückssichtigungsfähihe Zeiten zurückgelegt.

Den Widerspruch wies die Belkagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2001 mit derselben Begründung zurück. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 01.09.1999 zurück bis 02.09.1994 habe der Kläger keinerlei Pflichtbeiträge oder andere in der Versicherung berücksichtigungsfähige Zeiten zurückgelegt. Der letzte Pflichtbeitrag sei für April 1986 entrichtet. Die Folgezeit könne der Kläger auch nicht mehr mit freiwilligen Beiträgen belegen, weil dafür die Entrichtungsfristen versäumt seien gemäß § 197 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (VI), die Entrichtungsfrist sei nur noch für die Jahre ab 1999 gewahrt. Die Lücke vom 01.05.1986 bis 31.08.1999 könne nicht mehr belegt werden, mit der Folge, dass der Kläger für einen nach Mai 1988 eingetretenen Leistungsfall keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsminderung habe.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben, mit der er weiter unter Hinweis auf die in seiner Heimatanerkannte Invalidität Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begehrt.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 26.11.2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe angesichts seines Versicherungsverlaufs letztmals für einen im Mai 1988 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt. Ein eventuell später eingetretener Leistungsfall sei deshalb nicht rechtserheblich. Wie sich aus der im Februar 1988 durchgeführten Begutachtung in der Gutachterstelle in Regensburg ergebe, sei der Kläger seinerzeit noch zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit dafür unwesentlichen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen in der Lage gewesen, der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit sei deshabl jedenfalls nicht in einem Zeitraum, zu dem noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt gewesen seien, eingetreten.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er weiter Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung begehrt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.11. 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts zutreffend.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.11.2002 war im Ergebnis nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und - ab 01.01.2001 - auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, daa geltend gemacht ist, dass der Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01. 2001 besteht (§ 300 Abs.2 SGB). Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01. 2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß vorgetragen wird, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nch dem 31.12.1000 besteht (§ 300 Abs.1 SGB VI).

Obwohl beim Kläger nach den Feststellungen der Beklagten seit 02.09.1999 eine zeitliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens besteht und damit wegen verschlossenen Arbeitsmarktes der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit zumindest auf Zeit am 02.09.1999 eingetreten ist, hat der Kläger keinen Rentenanspruch, weil für diesen Leistungsfall die für eine Zahlung erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar sind.

Eine Rentenleistung wäre nur möglich, wenn der Leistungsfall noch im Mai 1988 eingetreten wäre. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch das Eintreten des Leistunsfalles der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht nachgewiesen. Nach den von der Beklagten in ihren überzeugend getroffenen Feststellungen aufgrund ihrer klinischen Untersuchung im Februar 1988 war der Kläger seinerzeit noch zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit unwesentlichen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen in der Lage. Anhaltspunkte dafür, dass sich im Zeitraum bis Mai 1988 der Gesundheitszustand wesentliche verändert hat, bestehen nicht. Auch wenn der Kläger bereits im Jahre 1988 nicht mehr in der Lage beurteilt worden ist, seine Tätigkeit als Bauhelfer zu verrichten, war er seinerzeit nicht einmal berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung. Danach waren nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken war. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen war, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprachen und die ihnen mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnten. Bei der Bestimmung des Hauptberufs und der damit verbundenen Qualifikation dieser Tätigkeit, die den Verweisungsrahmen des Versicherten ergibt, ist grundesätzlich von der zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen. Soweit überhaupt noch feststellbar, war der Kläger zuletzt in der Zeit von 1977 bis 1983 in Deutschland als Bauhelfer beschäftigt. Auch wenn er diesen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er dennoch nicht berufsunfähig gewesen, da es für die Annahme von Berufsunfähig- keiten nicht ausreicht, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Vielmehr waren Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar war. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisngstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Nach dem dazu vom Bundessozialgericht entwickelten Berufsgruppenschema ist der Kläger als ungelernter Arbeitnehmer zu beurteilen und damit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die ihm gesundheitlich zumutbar sind, verweisbar. In Anbetracht dessen war der seinerzeit noch vollschichtig leistungsfähige Kläger nicht berufsunfähig und angesichts des zeitlichen Umfangs seines beruflichen Leistungsvermögens auch nicht erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Abs.2 SGB VI a.F.

Bei einem späteren Eintreten des Leistungsfalles nach Mai 1988 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentenzahlung nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar gewesen. Die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch war und ist auch für einen Anspruch auf Erwerbsminderung, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintreten des Leistungsfalles drei Jahre Pflichtbeiträge entrichtet sein müssen (vgl. § 43, Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung, § 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung sowie § 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2, Abs.2 SAtz 1 Nr.2 SGB VI n.F., § 240 Abs.1 n.F.).

Weitere Aufschubtatbestände im Anschluss an die im April 1986 beendete Berufstätigkeit im Sinne der §§ 43 Abs.3 SGB VI a.F., 44 Abs.4 SGB VI, 43 Abs.4 SGB VI n.F., § 240 Abs.1 SGB VI n.F., die die Zeit ab Mai 1986 bis zum Leistungfall wenistens im erforderlichen Umfang überbrücken könnten, liegen nicht vor. Insbesondere ist vom Sozialversichrungsträger Bosniens und Herzegowinas gewährte Invalidenrente dafür mangels ausdrücklicher entsprechender gesetzlicher Regelung im maßgeblichen Sozialversicherungsabkommens nicht tauglich.

Ein Invalidenrentenbezug in der Heimat des Klägers ist insoweit nicht mit dem Bezug einer deutschen Rente gleichgestellt. Gemäß §§ 240, 241 Abs.2 SGB VI sind drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jaharen vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erforderlich, wenn die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintreten des Leistungsfalles mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Nach den vorliegenden Gesmatumständen ist eine Belegung der Zeit ab Mai 1986 zu prüfen. Nach deutschem Recht ist jedoch eine Belegung mit freiwilligen Beiträgen bis in das Jahr 1998 nicht mehr möglich. Fristen für die Zahlung freiwilliger Beiträge sind für diese Zeiträume verstrichen (vgl. die damals geltende Bestimmung des § 1418 Abs.1 RVO, ebenso wie die mit RRG 1992 eingeführte Bestimmung § 197 SGB VI. Der Kläger hat es nach Ablehnung seines ersten Rentenantrages im Jahre 1988 trotz entsprechender Aufklärung der Belagten versäumt, eine entsprechende Beitragsentrichtung aufzunehmen, Der Kläger hat deshalb keine gesetzliche Möglichkeit mehr, die seit 1986 bestehende Beitragslücke vollständig zu schließen.

Auch wenn der Kläger nach dem Recht seines Herkunftslandes bereits seit 16.04.1986 Anspruch auf Invalidenrente hat, führt dies nicht zwingend dazu, dass er auch in der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Er- werbsfähigkeit oder Erwrbsminderung hätte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente ist unabhängig davon allein nach den deut- schen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.

Der Senat ist daher zur Ansicht gelangt, dass, egal ob der Leistungsfall der Erwrbsunfähigkeit im Jahre 1999 tatächlich eingetreten ist oder nicht, der Kläger jedenfalls keinen Rentenanspruch hat.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.11.2002 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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