L 8 AL 422/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 458/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 422/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) streitig.

Nach Erschöpfung seines Arbeitslosengeld-Anspruchs ab 07.11. 2000 beantragte der Kläger am 07.11.2000 die Bewilligung von Anschluss-Alhi. Im Antrag gab er u.a. an, über ein Girokonto mit DM 3.020,00, über Sparbücher in Höhe von DM 6.556,00, DM 6.200,00 und DM 58.448,79 und Zinseinkünfte in Höhe von ca. DM 3.800,00 zu verfügen. Des Weiteren gab er eine Lebensversicherung über DM 10.000,00 mit Beginn 1994 und Fristende Juli 2006 sowie einen Bausparvertrag über DM 10.000,00 mit (damaligem) Guthaben von DM 3.113,00 an. Seine Ehefrau verfüge über eine Rente von monatlich DM 1.335,45 netto. Abzusetzen sei ein Betrag von DM 927,15 für Versicherungen, Strom, Müll und dergleichen.

Mit Bescheid vom 19.12.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger und seine Ehefrau würden über ein Vermögen in Höhe von DM 77.424,01 verfügen, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages in Höhe von DM 16.000,00 würden DM 61.424,01 verbleiben. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (DM 1.020,00) ergebe sich, dass der Kläger für einen Zeitraum von 60 Wochen (d.h.: bis zum 31.12.2001) nicht bedürftig sei.

Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, es treffe zwar zu, dass er unter Berücksichtigung des Freibetrages von DM 16.000,00 ein verbleibendes Vermögen von ca. DM 60.000,00 habe. Trotzdem habe er einen Anspruch auf Alhi. Das vorhandene Vermögen sei nicht zur sofortigen Verwendung bestimmt und geeignet. Es sei tatsächlich als angemessene Alterssicherung gedacht und bewertet. Als solches könne es nicht verwertet werden. Als angemessen sei nach seiner Meinung über die üblichen Freibeträge hinaus ein Betrag von DM 1.000,00 je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und ebenso viel für seinen Ehegatten zu bezeichnen. Er sei nunmehr 59 Jahre alt. Unter Berücksichtigung des Alters seiner Ehefrau sei der angesetzte Vermögensbetrag unter Berücksichtigung dieser Grundlagen bereits überschritten. Tatsache sei auch, dass das angesparte Vermögen allein als Alterssicherung verwendet werde. Zu berücksichtigen sei auch insbesondere, dass er gemäß dem Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben in Rumänien zurückgelegte Beitragszeiten vom 01.05.1958 bis 31.07.1969 sowie vom 01.08. 1969 bis einschließlich 24.09.1973 nur zu 40 v.H. angerechnet bekomme. Dementsprechend habe er eine entsprechend nicht unbeträchtlich verringerte Altersrente. Es wäre daher in höchstem Maße unzulässig, ihn zur Verwertung seines allein zur Sicherung seines Alters bestimmten Vermögens zu zwingen. Im Übrigen sei das Vermögen auch festgelegt und nicht jederzeit abrufbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe bei Antrag- stellung am 07.11.2000 über ein Vermögen in Höhe von DM 77.424,00 verfügt, das nach Abzug eines Freibetrags von DM 16.000,00 verwertbar sei. Nicht berücksichtigt worden sei eine Lebensversicherung mit Laufzeit bis zum 01.07.2006, da diese offensichtlich der Alterssicherung diene. Bei den übrigen Geldanlagen handle es sich um Anlagen mit kurzen Kündigungsfristen, die auch schon vor Erreichen des Pensionsalters zur Verfügung stünden. Die bloße Behauptung, das Vermögen diene der Alterssicherung, reiche nicht aus. Nachweise für eine auf längere Frist geplante Anlage von Teilen des Vermögens seien auch im Widerspruchsverfahren nicht eingereicht worden. Ein Altersfreibetrag könne daher nicht eingeräumt werden.

Zur Begründung seiner zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, der Widerspruchsbescheid würde in keiner Weise die neuere Rechtsprechung berücksichtigen. Es werde hierzu u.a. auf das Urteil des SG Oldenburg - Az.: S 4 AL 445/97 -, wonach ein zur Alterssicherung bestimmtes Vermögen nicht verwertet werden müsse, verwiesen. Als angemessener Vermögenswert werde ein Betrag von DM 1.000,00 je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen ebenso viel für seinen Ehegatten festgelegt. Erneut hat er auch darauf hingewiesen, dass laut Bescheid der LVA Schwaben erhebliche Beitragszeiten lediglich zu 40 v.H. angerechnet würden, da diese Beitragszeiten in Rumänien zurückgelegt worden seien.

Die Beklagte hat hiergegen vorgetragen, sie habe dem Kläger Freibeträge zur Alterssicherung eingeräumt, soweit erkennbar sei, dass das Vermögen zur Aufstockung der Rente zurückgelegt worden sei. Dies sei bei der abgeschlossenen Lebensversicherung der Fall. Die übrigen Geldanlagen des Klägers in Höhe von DM 77.424,00 seien nach den eingereichten Unterlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündbar und damit auch vor Erreichen des Rentenalters ohne weiteres verwertbar.

Mit Urteil vom 11.11.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden seien rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten sei beizupflichten, wenn sie ausführe, dass es sich bei den vom Kläger getätigten Geldanlagen - außer der Lebensversicherung und dem Bausparvertrag - um Anlagen mit kurzen Kündigungsfristen handele und dass diese somit vor Erreichen der Altersgrenze verfügbar seien. Allein die Behauptung, die angesparten Beträge dienten der Alterssicherung, reiche nicht aus. Objektiv sei eine Alterssicherung nicht erkennbar. Im Übrigen hat das SG gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Hinblick auf die angefochtenen Bescheide von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, das SG übersehe in seinem Urteil, dass die Art und Weise, wie Beträge zur Alterssicherung angelegt werden, nicht im Gesetz geregelt seien. Dementsprechend obliege es den Betroffenen selbst, entsprechend ihren persönlichen Wünschen und Vorstellungen ihre Geldanlagen vorzunehmen. Aus dem Gesetz ergebe sich keine Verpflichtung, Beträge zur Alterssicherung langfristig anzulegen. Erneut werde auf das Urteil des SG Oldenburg verwiesen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 11.11.2003 und des Bescheides vom 19.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2001 zu verurteilen, ihm ab 07.11.2000 Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Kläger für einen Zeitraum von 60 Wochen nicht bedürftig sei. Das vom Kläger und seiner Ehefrau selbst bewohnte Eigenheim bleibe als Vermögen nach § 6 Abs.3 Nr.7 Alhi-VO geschont, da die Verwertung nicht zumutbar sei. Auch die Verwertung des Bausparvertrages sei nicht zumutbar, weil angesichts der Bausparsumme von DM 10.000,00 und des bisher angesparten Betrages von DM 3.197,77 der vom Kläger angegebene Verwendungszweck "Reserve für Hausinstandhaltung" sich unter § 6 Abs.3 Nr.3 Alhi-VO subsumieren lasse. Mit Ausnahme der Lebensversicherung handle es sich bei dem übrigen Vermögen des Klägers um Sparguthaben aus Sparverträgen, die jeweils mit drei-monatiger Frist aufgelöst werden können. Diese Vermögensteile seien daher nicht mit einer entsprechenden Vermögensdisposition belegt, die einen Zugriff nur nach Eintritt in den Ruhestand des Klägers zulassen würden, wie dies in § 6 Abs.4 Nr.2 Alhi-VO gefordert werde.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 11.11.2003 die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 19.12.2000 und 24.08.2001 nicht zu beanstanden sind.

Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi, da er nicht bedürftig im Sinne des § 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist.

Nach § 193 Abs.2 SGB III ist Bedürftigkeit dann nicht gegeben, solange mit Rücksicht auf das Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Ziffer 1 SGB III beruhenden §§ 6 ff. der Alhi-VO. Nach § 6 Abs.1 Alhi-VO ist unter anderem das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils DM 8.000,00 übersteigt.

Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr.4 S.5).

Das Vermögen, über das der Kläger verfügt, nämlich das Sparguthaben aus den Sparverträgen mit jeweils drei-monatiger Kündigungsfrist und das Guthaben auf dem Girokonto sind grundsätzlich verwertbar (§ 6 Abs.2 Alhi-VO).

Ob und in welchem Umfang die Verwertung zumutbar ist, bestimmt § 6 Abs.3 Alhi-VO. Nach Satz 1 ist die Verwertung dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens billigerweise erwartet werden kann.

Nach § 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 dritte Alternative Alhi-VO in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung ist eine Verwertung des Vermögens, das zu einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist, nicht zumutbar.

Unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R und BSG SozR 3-4100 § 137 Nr.7 S.62; Nr.9 S.72) ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger sein Vermögen zur Alterssicherung bestimmt hat. Es fehlt zum einen an der subjektiven Zweckbestimmung, und es sprechen auch die sog. objektiven Begleitumstände gegen eine derartige Zweckbestimmung. Denn die Geldeinlagen in den Sparverträgen lassen nicht den Schluss zu, dass dieses Vermögen tatsächlich einer zusätzlichen Alterssicherung dienen sollte. Denn die Sparverträge haben eine jeweilige Kündigungsfrist von drei Monaten. Zwar wird mit § 6 Abs.4 Nr.2 Alhi-VO nicht vorausgesetzt, dass das Vermögen als Lebensversicherung oder ähnliches zur Alterssicherung angelegt ist, jedoch muss das Kapital in einer Form angelegt sein, die eine Vermögensdispostion als Alterssicherung erkennen lässt. Anlageformen - wie hier - mit kurzer Kündigungsfrist werden dieser Anforderung nicht gerecht. Die alleinige Behauptung des Arbeitslosen, das vorhandene Vermögen sei für die Altersvorsorge bestimmt, reicht nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus. Da somit die Voraussetzungen des § 6 Abs.4 Nr.1 Halbsatz 2 Alhi-VO nicht vorliegen, kommt die "Freibetragsregelung nach § 6 Abs.4 Nr.2 Alhi-VO" bezüglich der Angemessenheit des für die Alterssicherung zu schonenden Vermögens nicht zur Anwendung.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 11.11.2003 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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