L 3 KA 522/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 KA 5017/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KA 522/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.08.2001 wird in Ziffer II aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu 3/4 zu erstatten. Die Beklagte hat dem Kläger 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten - zuletzt nur noch - über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnungen des 3. und 4. Quartals 1994 wegen der mehrfachen Abrechnung von Leistungen nach der Nr. 54 b (WR 2) und c (WR 3) des auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) festgesetzten Gebührentarifs A des Ersatzkassenvertrages-Zahnärzte (EKV-Z) im Ersatzkassenbereich (nachfolgend nur Bema-Nr. 54 b und c).

Der Kläger nimmt als Zahnarzt und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 17.11.1998 informierte ihn die beklagte kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB), dass Wurzelspitzenresektionen an einem mehrwurzeligen Zahn nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.05.1998 (SozR 3-5555 § 10 Nr.1) nur einmal je Zahn und Sitzung abrechenbar seien. Sie habe auf Grund ihr vorliegender Anträge der Krankenkassen sachlich-rechnerische Berichtigungen bis 1994 durchzuführen. Sie werde eine entsprechende Berichtigung der Quartale 1, 3 und 4 1994 vornehmen und einen Betrag in Höhe von 4.650,09 DM zum 21.12.1998 vom Honorarkonto des Klägers abbuchen.

Dagegen erhob der Kläger am 23.11.1998 Widerspruch mit der Begründung, eine Berichtigung setze fristgerechte Anträge der Kassen voraus; solche seien ihm nicht bekannt gegeben worden. Er berufe sich zudem auf Vertrauensschutz, da die Beklagte selbst in ihrer Abrechnungsmappe die mehrfache Abrechnung der Bema-Nr. 54 b und c empfohlen habe. Er habe erst nach der Verkündung des Urteils vom 13.05.1998 Kenntnis von der angeblichen Unrichtigkeit erlangt. Das BSG habe außerdem nur zur Bema-Nr. 54 b und nicht zur Nr.54 c entschieden. Ein Berichtigungsbescheid müsse spätestens bis zum Ablauf von vier Jahren seit der vorläufigen Honorarabrechnung zugegangen sein. Diese Frist sei verstrichen. Am 04.12.1998 erklärte die Beklagte, ihr Schreiben vom 17.11.1998 habe nur ein Hinweis und nicht ein rechtmittelfähiger Bescheid sein sollen. Es lägen ihr Anträge der Kassen vor, die mit der Buchungsanzeige verschickt würden. Die Frist, auf deren Ablauf sich der Kläger berufe, sei eine Verjährungsfrist. Sie beginne mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Leistung erbracht worden sei. Die Rückbelastung bis 1994 sei daher fristgerecht und rechtmäßig.

In einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 09.03.1999 wiederholte die Beklagte die Rückforderung; sie versicherte, dass ihr rechtzeitig gestellte Anträge der Kassen vorlägen. Auch dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.

In der Sitzung der Widerspruchsstelle für sachlich-rechnerische Berichtigungen vom 10.11.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Soweit sich der Kläger auf Vertrauensschutz entsprechend § 45 des Zehnten Sozialgesetzbuchs (SGB X) berufe, stünden die Urteile des BSG vom 10.05.1995 - 6 RKA 30/94 und 16.09. 1998 - 6 RKA 40/98 entgegen. Danach finde § 45 SGB X im Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts keine Anwendung. Ob und in welchem Umfang der Abrechnende auf die Richtigkeit der Abrechnung vertraut habe, sei nicht entscheidend. Es komme allein darauf an, ob die Abrechnung vertragsgemäß gewesen sei. Dies habe das BSG bezüglich der Mehrfachabrechnung der Bema-Nr. 54 b bei Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Zähnen ausdrücklich verneint; für die Nr. 54 c gelte nichts anderes. Die quartalsmäßigen Honorarzahlungen seien ohnehin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) vorläufig und bedürften daher keines weiteren Vorbehalts. Den Beschluss der Widerspruchsstelle für sachlich-rechnerische Berichtigung vom 10.11.1999 gab die Beklagte dem Kläger am 17.01.2000 bekannt.

Dagegen hat der Kläger am 25.01.2000 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid der Widerspruchsstelle vom 17.01.2000 aufzuheben und ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Zur Begründung hat er wiederholt, der Rückforderung stehe sein Vertrauen auf den Bestand der Honorarzahlungen und der Ablauf der Verjährungsfrist entgegen. Im Übrigen hat er bestritten, dass die Kassen rechtzeitig Anträge gestellt hatten. Zudem sei die Entscheidung des BSG vom 13.05.1998 sachlich unrichtig, weil sie von zahnmedizinisch unzutreffenden Abläufen ausgehe, denn bei Wurzelspitzenresektionen nach der Nr. 54 b und c seien mehrere separate Operationen vorzunehmen, so dass der Mehrfachansatz der Gebührennummer gerecht sei.

Die Beklagte hat eingewandt, sie sei von Amts wegen zur Berichtigung verpflichtet, so dass es auf Anträge der Kassen und folglich auch nicht auf die Einhaltung von Antragsfristen ankomme. Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 45 SGB X kämen im Bereich des Vertragsarztrechts nicht in Betracht und die Abrechenbarkeit der Bema-Nr. 54 c sei vor dem Hintergrund des BSG-Urteils zur Bema-Nr. 54 b als geklärt anzusehen.

Mit Urteil vom 02.08.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, die angefochtenen Honorarberichtigungen seien sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Zweifelhaft sei bereits, ob das "Hinweisschreiben" vom 17.11.1998 bzw. die folgende Buchungsanzeige die Qualität eines Verwaltungsaktes besitze und eine hinreichende Begründung für die Berichtigung und Rückforderung enthalte. In materieller Hinsicht seien die angefochtenen Bescheide deshalb rechtswidrig, weil die vom BSG für sachlich-rechnerische Berichtigungen postulierte Aussschlussfrist anspruchsvernichtend wirke. Die Frist betrage vier Jahre, beginne mit der Bekanntgabe des vorläufigen Honorarbescheides und ende - entgegen der Ansicht des erkennenden Senat im Urteil vom 06.08.2003 (Bay LSG L 3 U 516/01) - nicht mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Bescheid ergangen bzw. das Honorar gezahlt worden sei, sondern exakt nach vier Jahren. Die Abrechnungsberichtigungen des 1. und 3. Quartals 1994 seien in jedem Fall verfristet gewesen, denn die Honorarabrechnung für das 1. Quartal 1994 sei ihm am 25.07.1994 und für das 3. Quartal am 21.12.1994 zugegangen. Im Übrigen habe er auf die Richtigkeit der Mehrfachabrechnung der Bema-Nr. 54 b und c vertrauen dürfen. Er habe sich an die von der Beklagten herausgegebenen Abrechnungshinweise gehalten. Insoweit habe die Beklagte zu seinen Gunsten einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. In bestandskräftig gewordene Honorarbescheide dürfe unter diesen Umständen aus Gründen der Planungssicherheit nicht mehr eingegriffen werden.

Der Senat hat darauf hingewiesen, er beabsichtige den Ablauf der Ausschlussfrist zu überprüfen und bitte mitzuteilen, wann die Honorarabrechnungen dem Kläger jeweils bekannt gegeben worden seien. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, die einzelnen Quartalsabrechnungen seien - wie üblich - etwa eine Woche vor Ablauf des Folgequartals bekanntgegeben worden.

Der Senat hat die betroffene Kasse beigeladen. Die Beigeladene hat sich auf den Beschluss des BSG vom 15.05.2002 (B 6 KA 82/01 B) bezogen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.09.2004 hat die Beklagte die Rechtmäßigkeit des Honoraranspruchs des Klägers für das 1. Quartal 1994 wegen des Ablaufs der vierjährigen Ausschlussfrist anerkannt und sich bereit erklärt, 564,16 Euro auszubezahlen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger beantragt im Übrigen,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 02.08.2001 sowie Abänderung der Bescheide vom 17.11.1998 und 09.03.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2000 zu verurteilen, einbehaltenes Honorar für die Quartale 3 und 4/1994 in Höhe von insgesamt 1.813,39 Euro auszubezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.08.2001 zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie nach § 143 i.V.m. § 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber, soweit sie über das am 29.09.2004 angenommene Anerkenntnis hinausgeht, unbegründet.

Die vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 17.11.1998 und 09.03.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2000 sind rechtmäßig. Das als Hinweis bezeichnete Schreiben der Beklagten vom 17.11.1998 ist als hinreichend bestimmter und begründeter Verwaltungsakt zu qualifizieren, der die vierjährige Ausschlussfrist für die Berichtigungen der Abrechnungen des 3. und 4. Quartals 1994 unterbrach. Die Beklagte konnte die Honorarbescheide des Klägers für das 3. und 4. Quartal 1994 hinsichtlich der Mehrfachabrechnung von Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Seitenzähnen bei Patienten in derselben Sitzung berichtigen und den überzahlten Betrag zurückfordern bzw. gegen den laufenden Honoraranspruch des Klägers aufrechnen. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen.

Die Berichtigungsbefugnis der Beklagten ergibt sich aus § 75 Abs.2 Satz 2 1.Halbsatz des 5. Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der maßgeblichen Fasssung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I S 2266). Danach haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen (KZV) u.a. dafür zu sorgen, dass die Vertrags(zahn)ärzte die von ihnen erbrachten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungen ordnungsgemäß, d.h. entsprechend der auf der Grundlage von § 83 Abs.1 SGB V abgeschlossenen Gesamtverträge (§ 19a BMV-Z i.V.m.§ 16 Abs.2 und 3 GV-Z und § 12 Abs.1 Satz 1 EKV-Z) abrechnen. Stellt sich bei dieser Überprüfung eine rechnerische oder gebührenordnungsmäßige Unrichtigkeit heraus, so hat die betroffene KZV eine Berichtigung vorzunehmen. Hierzu ist sie von Amts wegen verpflichtet. Daneben können die Kassen ihrerseits Anträge stellen und damit ein Prüfverfahren durch die Beklagte einleiten (§ 16 Abs. 2 1.Halbsatz GV-Z und § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z i.V.m. Beschluss Nr. 103 vom 16.02.1984). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24.08. 1994 - 6 RKa 20/93; vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R; vom 12.12. 2001 - B 6 KA 3/01 R und vom 26.06.2002 - B 6 KA 26/01 R) kann eine Berichtigung der Honorarabrechnung eines Vertragszahnarztes auch dann noch erfolgen, wenn aufgrund der eingereichten Honorarabrechnung bereits eine Auszahlung an den Vertragszahnarzt erfolgt ist. Der Vertragszahnarzt hat dann das zuviel erhaltene Honorar zurückzuzahlen bzw. die Beklagte ist berechtigt, mit der Überzahlung gegen eine spätere Honorarforderung des Vertragszahnarztes aufzurechnen.

Diese grundsätzliche Befugnis zur Richtigstellung steht der Beklagten nicht unbegrenzt zu. In seinen Entscheidungen vom 10.05.1995, 15.11.1995 und 12.12.2001 (Az.: 6 RKa 17/97; 6 RKa 57/97 = SozR 3-5535 Bema-Nr.119 Nr.1 und B 6 KA 3/01 R = SozR 3-2500 § 82 Nr.3) betonte das BSG, dass für den eine Wirtschaftlichkeitsprüfung oder eine sachlich-rechnerische Berichtigung abschließenden Verwaltungsakt eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt. Dies folgt, obwohl weder gesetzlich noch vertraglich verankert, aus dem Gedanken, dass vorläufige Honorarbescheide nicht auf unbegrenzte Zeit abänderbar sein können und der Vertrags(zahn)arzt zu einem bestimmten Zeitpunkt darauf vertrauen darf, dass ihm das gezahlte Honorar auch zusteht. Aus dem allgemeinen Gedanken der im Sozialrecht geltenden Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 45 SGB I läßt sich ableiten, dass ein solcher Zeitraum auch für eine Honorarberichtigung gilt. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Quartalabrechnungsbescheides (BSG vom 12.12.2001 a.a.O.), wird durch einen dem Vertrags(zahn)arzt erteilten Bescheid über das Ergebnis der Honorarprüfung unterbrochen und endet mit Ablauf von vier Jahren.

Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die vom BSG angewandte Analogie zu § 45 SGB I nicht dazu führt, dass der Fristbeginn an den Ablauf des Kalenderjahres gebunden ist, in dem der Anspruch entstand. Diese Auffassung vertrat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 06.08.2003 (a.a.O.); daran hält er nicht mehr fest. Er teilt die Auffassung des Klägers, die er in den vorgenannten Entscheidungen des BSG bestätigt sieht. Schließlich hat eine Verjährungsfrist, die für das Geltendmachen von Sozialleistungen im Vordergrund steht, eine andere Bedeutung als eine Ausschlussfrist im Bereich hoheitlichen Eingreifens. Nach der vom Senat erholten Auskunft der Beklagten war die Abrechnung und Auszahlung für das noch streitige 3. Quartal 1994 - in Übereinstimmung mit Abs. 10 der Teilzahlungsanordnung in Anlage I des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) vom 05.12.1987 der KZVB für konservierend-chirurgische Abrechnung - am 25. des 3. Monats des Folgequartals, also spätestens zum 25.12.1994 - bzw. wie vom Kläger eingeräumt am 21.12.1994 - erfolgt. Der als Hinweis bezeichnete Verwaltungsakt vom 17.11. 1998 unterbrach daher die Ausschlussfrist bezüglich der Abrechnung des 3. Quartals und folglich auch des 4. Quartals. Die Beklagte war demnach gehalten, das vorläufig ausbezahlte Honorar entsprechend der Vorgaben im Urteil des BSG vom 13.05.1998 zu berichtigen. Es stand ihr insoweit kein Ermessen zu, von ihrer grundsätzlichen Berichtigungsbefugnis Gebrauch zu machen. Sie war hierzu wegen des Gebots der Gleichbehandlung aller Vertrags(zahn)ärzte verpflichtet (BSG Urteil vom 31.10.01 a.a.O.).

Die im Schreiben vom 17.11.1998 ausgesprochene Berichtigung erfüllt die an einen Verwaltungsakt gem. §§ 31, 33 Abs. 1 und 35 Abs. 1 SGB X zu stellenden Anforderungen.

Nach § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn die Beklagte, wie im Schreiben vom 17.11.1998 geschehen, den Kläger auffordert, einen bestimmten Geldbetrag zurückzuzahlen, liegt offen zutage. Im Übrigen verstand der Kläger dieses Schreiben auch in diesem Sinne, wie sein "Widerspruch" vom 23.11.1998 erkennen läßt. Da die Erklärung der Beklagten - wie jede Erklärung - so auszulegen ist, wie sie vom Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles objektiv verstanden werden muss (v.Wulffen, SGB X, 4.Aufl. § 31, Anm. 26), kommt eine andere Deutung nicht in Betracht. Der Kläger wandte Vertrauensschutz ein und meinte, seinem Widerspruch komme aufschiebende Wirkung zu. Unzweifelhaft verstand er das Vorgehen der Beklagten als Eingriff in seine Rechtssphäre.

§ 33 Abs. 1 SGB X fordert, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Dies ist dann der Fall, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (v.Wulffen, a.a.O.§ 33 Anm. 3). Maßgebender Zeitpunkt der Bestimmtheit ist der Zeitpunkt des Zugangs des Verwaltungsaktes und, wenn ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, dessen Zugang. Ist der Widerspruchsbescheid hinreichend begründet, wirkt dies auf den Ausgangsbescheid zurück (v.Wulffen, a.a.O. § 33 Anm. 4 und 10). Da dem Kläger das Protokoll über die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 10.11. 1999 übermittelt wurde, darin die Anträge der Beigeladenen detailliert aufgeführt und sämtliche Unterlagen, die der Entscheidung zugrunde gelegt wurden, aufgeführt wurden, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass Zweifel am Inhalt der Berichtigung bestanden haben sollen. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst die von der Beklagten beanstandeten Abrechnungen erstellte und vorlegte und es ihm mithin möglich und zumutbar war, sich aus seinen eigenen Unterlagen die erforderliche Kenntnis zu verschaffen.

Auf den vom Kläger behaupteten Verstoss gegen die Pflicht, einen schriftlichen Verwaltungsakt gem.§ 35 Abs. 1 SGB X zu begründen, kommt es schon deshalb nicht an, weil eine Begründung für bis zum 01.01.2001 nicht abgeschlossene Verfahren gem. § 41 Abs. 2 SGB X noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Der Senat kommt somit zum Ergebnis, dass das Schreiben der Beklagten vom 17.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2000 den Anforderungen an einen Verwaltungsakt genügt und die vierjährige Ausschlussfrist unterbrach.

Die Rüge des Klägers, die Beklagte habe das in den gesamtvertraglichen Vereinbarungen vorgesehene Verfahren, insbesondere die dortigen Fristen, nicht eingehalten, führt ebensowenig zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die gesamtvertraglichen Bestimmungen regeln ein Verfahren zwischen den Kassen und der Beklagten und begründen keine darüberhinausgehenden Rechte des Zahnarztes, auch nicht i.S. einer analogen Anwendung. Da die Beklagte zudem eine Berichtigung von Amts wegen vornahm, wozu sie - wie schon ausgeführt - nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet war, ist nicht erkennbar, woraus der Kläger eine Rechtswidrigkeit zu seinen Gunsten ableiten will.

Die im Streit stehenden Bescheide verstoßen nicht gegen materielles Recht. Der Berichtigungsanspruch der Beklagten setzt lediglich voraus, dass eine Abrechnung nicht vertragsgemäß vorgenommen wurde und sie daher unrichtig ist. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Dass die Mehrfachabrechnungen von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b und c unrichtig waren, entnimmt der Senat dem Urteil des BSG vom 13.05.1998, dem er sich in jeder Hinsicht und im Ergebnis auch bezüglich der Korrektur von Leistungen der Bema-Nr. 54 c anschließt. Die Einwendungen des Klägers, das BSG habe dort einen zahnmedizinisch unzutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt, sind ohne Relevanz. Das BSG betonte, wegen der vorrangigen Funktionszuweisung gem. § 87 SGB V an die Bewertungsausschüsse bzw. an die Vertragspartner des EKV-Z sei es Sache der Bewertungsgremien, angemessene Vergütungen vorzugeben. Den Gerichten steht insoweit lediglich eine eingeschränkte Korrekturmöglichkeit zu. Dies verdeutlicht der von der Beigeladenen in das Verfahren eingeführte Beschluss des BSG vom 15.05.2002 (a.a.O.). Die zum 01.01.2004 von den Vertragspartnern getroffene Neuregelung zur Bema-Nr. 54 b und c wirkt sich bei der vom Kläger erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage nicht zu seinen Gunsten aus, da es bei dieser Klageart auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte ankommt (Mayer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7.Auflage, § 54 Anm. 32). Die von einem Gericht festgestellte Rechtswidrigkeit einer bestimmten Abrechnungsweise, wie das unzulässige Mehrfachberechnen von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b bei Wurzelspitzenresektionen an einem mehrwurzeligen Seitenzahn, hat zur Folge, dass diese Auslegung für die gesamte Geltungsdauer der entsprechenden Bema-Nr. - hier bis zur Neufassung ab 01.01.2004 - gilt. Das mehrfache Inrechnungstellen durch den Kläger im 3. und 4. Quartal 1994 war damit unrichtig.

Wenn der Kläger meint, ein Gerichtsurteil habe keine "Gesetzeswirkung" und könne nicht zur Berichtigung von in der Vergangenheit liegenden Sachverhalten herangezogen werden, so verkennt er, dass einzige Voraussetzung für eine Richtigstellung die - gleichgültig, ob von der Behörde oder einem Gericht erkannte - Unrichtigkeit ist. Vertrauensschutzgesichtspunkte können einer sachlich-rechnerischen Berichtigung nur sehr eingeschränkt entgegen gehalten werden. Soweit der Kläger vorbringt, sein Vertrauen in den Bestand der streitigen Honorarquartalsabrechnungen sei schutzwürdig, schließt sich der Senat den Ausführungen des BSG (zuletzt im Urteil vom 26.06.2002; a.a.O.) an. Danach verdrängen die Bestimungen über die Befugnisse der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, vertrags(zahn)ärztliche Honoraranforderungen und Honorarbescheide wegen sachlich-rechnerischer Fehler nachträglich zu korrigieren, in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X. Letztgenannte Vorschrift schränkt das Recht ein, einen Verwaltungsakt, der unanfechtbar geworden ist, zurückzunehmen. Insbesondere darf ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraute und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rückzahlung schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) stellen die vertrags(zahn)ärztlichen Berichtigungsbefugnisse von den Vorschriften des SGB X abweichende Regelungen i.S.d. § 37 Satz 1 SGB I dar, die auf gesetzlicher Grundlage, nämlich auf Grund von Normen der Reichsversicherungsordnung und später des SGB V, erlassen worden sind. Dabei ist die Berichtigungsbefugnis nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen dem Vertrags(zahn)arzt ein Fehler z.B. bei der unrichtigen Handhabung der Gebührenordnung anzulasten ist. Vielmehr ist einzige Voraussetzung die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt. Dass der Kläger auf die von der Beklagten empfohlene mehrfache Abrechnung vertraute und nicht gewusst haben will, dass die Auslegung der Bema-Nr. 54 streitbefangen und durch das BSG anders entschieden worden war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ein besonderer Vertrauenstatbestand wurde durch die Abrechnungsempfehlung für den Kläger nicht geschaffen. Von einem solchen schutzwürdigen Vertrauen könnte nur dann ausgegangen werden, wenn die Beklagte durch eine besondere Handlung - zeitlich nach der jeweiligen Quartalsabrechnung und speziell auf den Kläger bezogen - diesen in seiner Meinung bestärkt hätte, dass die Mehrfachabrechnung rechtens sei.

Dies hat das BSG dann angenommen, wenn eine KZV im Streit um die Abrechenbarkeit einer Leistung auf den Widerspruch des Vertrags(zahn)arztes hin eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zurücknimmt (BSG Urteil vom 12.12.2001 a.a.O.). Dann ist diese KZV im Regelfall gehindert, insoweit nochmals eine Berichtigung gerade hinsichtlich der zuvor bereits beanstandeten Position durchzuführen. Ein vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor.

Der Kläger konnte sich solange nicht auf Vertrauen berufen, bis eine umfassende - nicht bloß auf einzelne, wirtschaftlich unbedeutende Positionen bezogene - Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlickeit stattgefunden hatte oder die Quartalshonorarbescheide wegen Ablaufs der gesetzlichen, bundesmanteltariflichen oder gesamtvertraglichen Fristen nicht mehr überprüft werden konnten. Erst von diesem Zeitpunkt an können Honorarbescheide, die grundsätzlich unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit (BSG Urteile vom 31.10.2001 und vom 12.12.2001 a.a.O.) stehen, wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter der Voraussetzung des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Das Vertrauen des Vertrags(zahn)arztes auf den Bestand eines Honorarbescheides ist daher von vornherein erheblich eingeschränkt und nicht mit dem eines Sozialleistungsempfängers zu vergleichen. Dies ist sachgerecht, weil es in seinem Interesse liegt, wenn ihm das Honorar rasch und zunächst ungeprüft ausbezahlt wird. Mit einer späteren Überprüfung und mit Abschlägen in wirtschaftlich vertretbarem Umfang muss er rechnen.

Der Einwand des Klägers, Art. 20 Grundgesetz (GG) stehe einer solchen Vorläufigkeit entgegen, greift nicht durch. Auch unter Verfassungsgrundsätzen ist Vertrauen auf den Bestand eines Verwaltungshandelns nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation die Vorläufigkeit seiner Position kannte oder kennen musste (Leibhold-Rinck-Hesselberg, GG-Kommentar, Art. 20 GG Anm. 1631-1633). Aus welchen Gründen aus Art. 20 GG abzuleiten sei, dass Verträge, die lediglich vorläufige, später abänderbare Rechtspositionen verschaffen, verfassungswidrig seien, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Ebenso wenig kann er die Auffassung des Klägers teilen, die Entscheidung des BSG vom 13.05.1998 (a.a.O.) könne die Berichtigung zeitlich früherer Abrechnungen nicht erfassen. Zum einen führt das aus Art. 20 GG abzuleitende Rückwirkungsverbot nicht dazu, dass die Gerichte an eine einmal getroffene Rechtsprechung gebunden wären, auch wenn sich diese im Lichte anderer Erkenntnisse oder veränderter Umstände als nicht haltbar erweist. Zum anderen folgt aus dem Rechtsstaatsgebot und dem ihm folgenden Prinzip der Beachtung des Vertrauensschutzes nicht in jedem Fall, dass jegliche einmal - durch einen begünstigenden Verwaltungsakt - erworbene Position ungeachtet der wirklichen Rechtslage Bestand haben muss (vgl. Leibhold u.a., a.a.O. Art. 20 GG Anm. 1632, 1741, 1742). In solchen Fällen ist eine Prüfung nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit im Einzelfall vorzunehmen. Nach Aufassung des Senats führt eine solche Prüfung zum Ergebnis, dass der Kläger solange eine Korrektur seiner Abrechnung hinnehmen muss, bis er wegen einer umfassenden sachlich-rechnerischen Prüfung oder Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw. wegen des Ablaufs der vierjährigen Ausschlussfrist mit keiner Änderung mehr rechnen durfte. Die von ihm angeführte Planungssicherheit muss dabei in den Hintergrund treten.

Der Kläger kann, um die Aufhebung der Berichtigungen und die Rückzahlung des einbehaltenen Honorars zu erreichen, auch nicht mit Erfolg einwenden, die Beklagte hätte die ursprünglichen Honorarbescheide mit einem Vorbehalt der späteren Berichtigung und Kürzung versehen müssen, weil ihr die Streitbefangenheit der Abrechnungspraxis zur Bema-Nr. 54 bekannt gewesen sei. Sie hätte, so meint der Kläger, auf den vor dem SG Kiel anhängigen Rechtsstreit hinweisen müssen. Nach Auffassung des Senats wäre es völlig überzogen, wollte man von der Beklagten fordern, sie habe auf die zahlreichen streitigen Gebührenansätze und die in der gesamten Bundesrepublik diesbezüglich anhängigen Verfahren hinzuweisen und Honorarbescheide unter einen konkret zu bezeichnenden Vorbehalt zu stellen. Anderes gilt, wenn die Unrichtigkeit des Regelwerkes, wie des Honorarverteilungsmaßstabs, dessen Anwendung in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt und auf dem die gesamte Honorarabrechnung beruht, streitbefangen ist. Unrichtigkeiten beim Ansatz einzelner Gebühren gehören hingegen zum typischen Risiko des Vertragsarztes. Mit Berichtigungen muss er rechnen. Es kann ihm zugemutet werden, den Wegfall einzelner - wirtschaftlich nicht existenzgefährdender - Honorarposten ins Kalkül zu ziehen.

Damit steht fest, dass die vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 17.11.1998 und 09.03.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2000 nicht zu beanstanden sind, soweit darin eine Berichtigung der Abrechnung für das 3. und 4. Quartal 1994 ausgesprochen und das Honorarkonto des Klägers mit insgesamt 1.813,39 Euro belastet wurde. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.08.2001 war insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG in der bis zum 02.01.2001 gem. Art. 17 Abs.1 des 6. Sozialgerichtsänderungsgesetzes (BGBl. I, 2158) geltenden Fassung. Der Kostenausspruch des angefochtenen Urteils war zur Klarstellung aufzuheben und zu korrigieren. Der Kläger hat infolge seines teilweisen Unterliegens der Beklagten drei Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten und die Beklagte dem Kläger ein Viertel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten (Meyer-Ladewig, SGG, 6.Auflage § 193 Anm. 3 b).

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe i.S.d. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegen; die aufgeworfenen Fragen sind bereits höchstrichterlich geklärt.
Rechtskraft
Aus
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