L 5 RJ 665/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 RJ 527/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 665/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 53/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1961 geborene Kläger besuchte nach der Volksschule von 1973 bis zum Abbruch des Schulbesuchs 1978 das Gymnasium und schloss anschließend eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann ab. Diesen Beruf übte er nicht aus, sondern absolvierte die Berufsaufbauschule und anschließend die Fachoberschule mit Erwerb der Hochschulreife. In den Jahren 1985 bis 1988 studierte er Religionspädagogik sowie Betriebswirtschaft, brach jedoch beide Studiengänge ab. Anschließend war er in mehreren Betrieben für jeweils kurze Zeit beschäftigt, besuchte von 1991 bis Juni 1992 eine Umschulung zum Chemielaboranten, brach diese jedoch wegen einer Hauterkrankung ab. Nach mehreren Beschäftigungen von kurzer Dauer sowie Bezug von Arbeitslosengeld durchlief er von 1995 bis 1996 mehrere Berufsfindungsmaßnahmen einschließlich eines Seminars für den Sicherheitsdienst (ohne Prüfung/ Abschluss) im Rehabilitationswerk E. in S ... Anschließend war er in kurzfristig wechselnden Beschäftigungen sowie im Wechsel mit Sozial-leistungsbezug als Sicherheitskraft, zuletzt als Begleiter eines Geldtransportes tätig. Anschließend bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Er ist mehrfach vorbestraft und seit 11.08.2004 im Maßregelvollzug der Besserung und Sicherung im Bezirkskrankenhaus R. untergebracht.

Beim Kläger ist wegen Verhaltensstörungen und Bluthochdrucks ein GdB von 50 anerkannt. Gemäß Beschluss des Amtsgerichts Amberg - Vormundschaftsgericht - vom 20.04.1999 steht der Kläger unter erweiterter Betreuung, insbesondere hinsichtlich der Vermögenssorge.

Der Kläger durchlief 1994, 1997 sowie 1999 Heilverfahren wegen psychischer Störungen, zuletzt wurde die Diagnose einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit infantilen Zügen attestiert.

Einen Wiederholungsantrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit vom 26.02.2001 lehnte die Beklagte mit dem strittigen Bescheid vom 01.06.2001 nach medizinischer Sachaufklärung einschließlich einer ambulanten Untersuchung in der Ärztlichen Gutachterstelle R. vom 26.11.1999 ab mit der Begründung, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf welchen er zumutbar verwiesen werden könne, vollschichtig tätig sein. Ein hiergegen gerichteter Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.07.2001).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) hat der Kläger beantragt, den Eintritt der vollen Erwerbsminderung ab 26.02.2001 anzuerkennen und die entsprechenden Leistungen zu erbringen. Das SG hat die Unterlagen des behandelnden Arztes G. K. sowie aktuelle Befundberichte des Neurologen/Psychiaters Dr.S. und des Bezirksklinikums R. beigezogen und den Psychiater Dr.S. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens (02.06.2003) einschließlich testpsychologischer Zusatzbegutachtung (Dipl.Psych. C. H. , 27.06.2003) beauftragt. Dr.S. hat diagnostiziert:

- Borderline-Persönlichkeit vom impulsiven Typ mit dissozialen Zügen und

- Alkoholmissbrauch.

Er hat angeführt, die psychischen Störungen des Klägers hätten wiederholt zu impulshaft abgebrochenen Arbeitsverhältnissen geführt, in welchen er selten länger als drei Monate verblieben sei. Auch die psychosomatischen Rehamaßnahmen habe er gegen ärztlichen Rat abgebrochen. Er habe nie einen ausdrücklichen Wunsch nach Behandlung und Therapie gehegt, sondern sich die sozialen Anlaufstellen zu Nutze gemacht, um persönliche Vorteile zu erzielen. Im Bezirkskrankenhaus sei der Kläger ca. drei bis sechs Stunden täglich eingesetzt, er nehme an zusätzlichen Stationsdiensten teil und führe diese Arbeiten zur Zufriedenheit des Stationsteams aus. Er sei somit in einer rigiden Umgebung in der Lage, regelmäßig einer leichten Tätigkeit mit bis zu sechs Stunden/Tag nachzugehen. In der Zeit bis 31.12.2000 sei der Kläger halb- bis untervollschichtig einsetzbar gewesen, ab 01.01.2001 zwischen drei und sechs Stunden täglich. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers könne bei ausreichender Therapiemotivation in einer soziotherapeutischen Einrichtung wieder hergestellt werden. Als Werkschutzmitarbeiter könne der Kläger in gewisser Regelmäßigkeit zwischen drei und sechs Stunden eingesetzt werden ohne längeren Einsatz in Nachtschichten und mit Kontrolle seiner Tätigkeiten.

Mit Urteil vom 29. September 2003 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, trotz der von Dr.S. zutreffend diagnostizierten Erkrankungen sei der Kläger in der Lage, eine mehr als sechstündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne nervliche Belastung, ohne häufigen Publikumsverkehr sowie ohne Teamfähigkeit vollschichtig auszuüben. Diese Einschätzung leite sich aus dem Verhalten im Bezirksklinikum her. Die Persönlichkeitsstörung sei korrigierbar, so dass der Kläger nicht erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert sei. Auf Berufsschutz könne er sich nicht berufen, als Werkschutzmitarbeiter dürfe er zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich auf die Einschätzung des Psychologen C. H. bezogen, wonach er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über mehrere Monate hinweg werde arbeiten können, weil krankheitsbedingt die Motivation über einen solchen Zeitraum nicht aufrecht erhalten werden könne. Ohne therapeutische Begleitung könne er nicht über einen längeren Zeitraum einer geregelten Tätigkeit nachgehen.

Der Senat hat eine Genehmigung des Klage- und Berufungsverfahrens durch den Betreuer des Klägers eingeholt sowie Befund- und Behandlungsberichte des Neurologen/Psychiaters Dr.S. , des Hausarztes G. K. , die Schwerbehindertenakten sowie die Akten des Amtsgerichts R. - Vormundschaftsgericht - beigezogen. Der Senat hat auf Antrag des Klägers ein neuropsychiatrisches Gutachten des Dr.G. (15.09.2004) eingeholt, der diagnostiziert hat:

- Emotionale instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit dissozialen Zügen.

- Andere durch Alkohol bedingte psychische Störungen und Verhaltensstörungen.

Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, Arbeiten mit Nacht- und Wechselschicht, unter Stress und Zeitdruck, im Akkord, mit häufigem Publikumsverkehr oder im Team auszuüben. Die Persönlichkeitsstörung habe die sozialen Kompetenzen erheblich eingeschränkt. Die Störungen beträfen jedoch nur mittelschwere bis schwere Anforderungssituationen. Der Kläger sei in der Lage, sich einem Arbeitsplatz entsprechend anzupassen und sich dort einzuleben. Trotz beeinträchtigten Durchhaltevermögens und Ausdauerfähigkeit sei der Kläger in der Haftanstalt und im Maßregelvollzug durchaus in der Lage, einer mindestens 6-stündigen Arbeitstätigkeit nachzugehen. Unter Würdigung der Persönlichkeitsstruktur und der bisherigen Biografie sei der Kläger trotz der Störungen noch fähig, vollschichtig unter Beachtung der Verwendungseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Zudem wäre bei Rentengewährung die Therapiemotivation des Klägers erheblich gefährdet. Insoweit sehe er sich in Übereinstimmung mit den Diagnosen der Klinik M. (Reha-Verfahren), des Dr.A. und des Dr.L. (Verwaltungsverfahren) sowie der im Klageverfahren wegen Leistungen der Rehabilitation (S 9 RJ 494/00 - Sozialgericht Regensburg) gehörten Sachverständigen R. und Dr.P ... Der Einschätzung des Dr.S. , der Kläger könne einen Arbeitstag nur in einer betreuten Situation schaffen, hat sich Dr.G. nicht angeschlossen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 29.09.2003 sowie des Bescheides vom 01.06. 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.07. 2001 zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrags vom 26.02. 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29.09.2003 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 23.11. 2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten der Parallelverfahren S 9 RJ 494/00 und S 9 RJ 754/00 ER - SG Regensburg. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG ), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 01.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2001, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers vom 26.02.2001 auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 29.09.2003 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGV VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden alten Fassung (a.F.), weil er den Rentenantrag vor dem 3. April 2001 (Montag - § 300 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs.3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -), und auf einen "ggf. angehobenen frühestmöglichen Rentenbeginn" gestellt hat sowie Rente (auch) für Zeiten vor dem 31. Dezember 2000 begehrt. Die ab 01.01.2001 gültige Fassung des SGB VI (n.F.) findet (nur) dann Anwendung, wenn der Kläger die Voraussetzungen der begehrten Rente (erstmals) nach dem 03.04.2001 erfüllt.

Nach § 43 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht gegeben. Er hat zwar die allgemeine Wartezeit sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 SGB VI erfüllt, er ist aber nicht berufsunfähig.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die den Kräften und Fähigkeiten der Versicherten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung von Dauer und Umfang ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Ausgangspunkt für die Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung der bisherige Beruf, den der Versicherte in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ausgeübt hat (BSGE 50, 165). Kann ein Versicherter diesen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und für die er sich sowohl gesundheitlich als auch fachlich eignet.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Um die Beurteilung der Wertigkeit zu erleichtern, werden die Berufe in vier Gruppen eingeteilt, wobei der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden darf (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.132, 138, 140; SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Gemessen an den für die Einstufung in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Kriterien ist der Kläger dem Bereich des angelernten Arbeiters (Anlernzeit von drei Monaten bis maximal 12 Monate - unterer Bereich) zuzuordnen. Nicht maßgeblich ist der Beruf des Einzelhandelskaufmanns. Diesen hat der Kläger zwar erlernt, nach Abschluss der Lehre jedoch nicht mehr ausgeübt. Er hat vielmehr die Berufsaufbauschule und die Fachoberschule besucht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Beruf des Einzelhandelskaufmanns aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben haben sollte, sind nicht ersichtlich. Gegen eine gesundheitsbedingte Aufgabe spricht, dass der Kläger in der Lage war, auf dem skizzierten Schulweg die Hochschulreife zu erwerben. Die Tätigkeiten, die der Kläger in kurzfristigem Wechsel nach Abbruch des Studiums ausgeübt hatte, waren nicht auf der Ebene des Einzelhandelskaufmanns angesiedelt; hinzu kommt, dass der Kläger nach dem Versicherungsverlauf vom 02.11.2004 die allgemeine Wartezeit nach §§ 50 Abs.1 Satz 1, 51 Abs.1 SGB VI nicht durch beitragspflichtige Beschäftigung (einschließlich Lehrzeit) erfüllt hat. Die Einstufung in den unteren Anlernbereich ergibt sich zudem aus der Rehabilitationsmaßnahme 1995/1996 im Berufswerk E. , nach welchem der Kläger die Werkschutzlehrgänge I und II, einen Sanitätslehrgang sowie Rechtskunde durchlaufen hatte. Mit dieser weniger als zwölf Monate dauernden Maßnahme war der Kläger zur einfachen Sicherheitskraft umgeschult worden. Diese Tätigkeit hat der Kläger danach auch ausgeübt. Er ist somit dem unteren Anlernbereich zuzuordnen. Mangels längerdauernder Ausbildung und mangels IHK-Prüfung sowie nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit einer Begleitperson im Geldtransport ist eine Einstufung in den oberen Anlernbereich (Anlernzeit von über 12 bis 24 Monate) oder gar in eine höhere Qualitätsstufe ausgeschlossen.

Der somit sozial (auch) auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbare Kläger ist medizinisch noch in der Lage, dort vollschichtig leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dies ergibt sich aus dem ausführlichen, auf Antrag des Klägers eingeholten und überzeugenden Gutachten des Dr.G. vom 15.09.2004 sowie aus den beigezogenen Gutachten des P. R. vom 01.02.2001 und des Dr.P. vom 22.01.2001.

Im Vordergrund stehen beim Kläger die im Laufe seiner Biografie immer wieder zu Tage getretenen psychischen Störungen. Dr.G. stellt in seinem Gutachten die Entwicklung mit den seit dem frühen Erwachsenenalter erheblichen Verhaltensauffälligkeiten dar, die zu massiven persönlichen und sozialen Konflikten geführt hatten. Die psychischen Störungen waren nicht nur episodenhaft aufgetreten, sondern dauernd vorhanden und manifestierten sich auch in einer Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Affektivität, Impulskontrolle, Wahrnehmung und Denken sowie Beziehung zur Umwelt waren immer wieder gestört, so dass eine spezifische Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren ist.

Aufgrund dieser Störung ist die Erwerbs- und Leistungsfähigkeit des Klägers in qualitativer Hinsicht beeinträchtigt. Als negatives Leistungsmerkmal ist auszuschließen, dass der Kläger in Nacht- und Wechselschicht, unter Stress und Zeitdruck, im Akkord, mit häufigem Publikumsverkehr oder im Team tätig wäre. Mittelschwere bis schwere Anforderungssituationen kann der Kläger nicht mehr meistern. In zeitlicher Hinsicht ergeben sich jedoch für leichte Anforderungen keine Einschränkungen. Wie Dr.G. überzeugend ausgeführt hat, ergibt sich aus der zumindest gewisse Zeit dauernden vollschichtigen Tätigkeit als Wachkraft sowie aus den Tätigkeiten im Maßregelvollzug, dass der Kläger durchaus in der Lage ist sich einem Arbeitsplatz entsprechend anzupassen und dort einzuleben. Zwar führt Dr.G. aus, dass sich psychiatrisch die Komorbidität, die Alkoholmissbrauchsproblematik sowie der Verlust der sozialen Integration negativ auswirken, jedoch zeigen sich insoweit keine chronischen körperlichen Begleiterkrankungen, sondern Anzeichen einer Stabilisierung und Besserung. In Anbetracht der gleichen Einschätzung im Entlassungsbericht der Klinik M. , des im Verwaltungsverfahren gehörten Dr.A. und des Dr.L. , sowie im Einklang mit den von Dr.P. und P. R. im sozialgerichtigen Verfahren wegen Rehabilitation eingeholten Gutachten kann der Kläger deshalb unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses noch acht Stunden täglich tätig sein.

Nicht gefolgt werden kann den Einschätzungen des Psychologen C. H. sowie des Neurologen/Psychiaters Dr.S ... Hierzu führt Dr.G. überzeugend aus, dass die Erwerbsfähigkeit von drei bis sechs Stunden täglich, wie von Dr.S. angenommen, der Arbeit im Bezirksklinikum entspricht. Diese Übernahme des Zeitmaßes in die Leistungseinschätzung ist jedoch nicht zulässig. Die Einschätzung des C. H. beruht im Wesentlichen auf dem Verhalten in einer einmaligen Testsituation und kann somit die umfassende neurologisch/psychiatrische Einschätzung des Dr.G. nicht entkräften.

Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt muss keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würden (vgl. BSGE 80, 24), liegt nicht vor. Bei der Ausübung für ungelernte Tätigkeiten typischer Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Sortieren, Verpacken oder Montieren sind weder hinsichtlich der Konzentrationsfähigkeit noch hinsichtlich der Umstellungsfähigkeit Einschränkungen zu beachten.

Ist der Kläger somit nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI a.F., so liegt auch keine Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. (vgl. BSG, Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R) oder - für die Zeit nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum 01.01.2001 - Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI n.F. vor, welche ein noch weiter herabgesetzten Leistungsvermögen voraussetzten.

Die Berufung war damit in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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