L 2 U 56/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 27/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 56/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29.01.2003 wird aufgehoben, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger in Abänderung des Bescheids vom 26.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2001 Verletztenrente ab 06.03.2000 nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Der Kläger zog sich bei einem Arbeitsunfall am 12.05.1999 eine Handgelenksverletzung zu. Mit Bescheid vom 26.10.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab, weil über den Zeitraum für die Gewährung von Verletztengeld bis 05.03.2000 hinaus zwar eine MdE um 10, aber nicht um 20 v.H. bestehe. Außer einer endgradigen schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk lägen keine Unfallfolgen mehr vor. Der Kläger habe sich bei dem Unfall eine Zerrung und Prellung des linken Handgelenkes mit Bandschädigung zwischen Mond- und Kahnbein, sowie eine Knorpel-Bandverletzung des körperfernen Ellen-Speichengelenkes zugezogen. Die Beschwerden im Bereich der linken Schulter, des linken Armes und des linken Ellennervens stünden mit dem Unfall in keinem ursächlichen Zusammenhang. Den anschließenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2001 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Gewährung von Verletztenrente beantragt.

Als Folge der anschließenden gutachterlichen Auseinandersetzung zwischen dem vom Sozialgericht gehörten Sachverständigen und den von der Beklagten hierzu gehörten Ärzten hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2002 ihren Bescheid vom 26.10.2000 zurückgenommen, soweit damit ein Arbeitsunfall und ein Körperschaden anerkannt wurden.

Mit Urteil vom 29. Januar 2003 hat das Sozialgericht den Rücknahmebescheid vom 21.02.2002 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Gutachten des von ihm gehörten Sachverständigen rechtfertige keine MdE in rentenberechtigendem Maße.

Hiergegen haben beide Parteien innerhalb der Berufungsfrist Berufung eingelegt.

Entsprechend dem Ergebnis des vom Senat eingeholten Gutachtens des Chirurgen Prof.Dr.B. vom 29.02.2004 hat die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2004 als Unfallfolgen eine scapholunäre Dissoziation, einen Knorpelschaden im Bereich der Handwurzel der proximalen Reihe, eine Schädigung des Diskus triangularis, eine Degeneration des Handgelenkes und eine Algodystrophie anerkannt. Gleichzeitig hat sie ihre Berufung zurückgenommen.

Der von Prof.Dr.B. vorgeschlagenen MdE in Höhe von 30 v.H. hat sie sich nicht angeschlossen. Sie entspreche einer Versteifung des Handgelenkes. Selbst unter Berücksichtigung von über das übliche Maß hinausgehenden Schmerzen sei der objektive Befund erheblich günstiger. Die Beweglichkeit des Handgelenkes sei nur endgradig eingeschränkt und die Muskelumfänge links seien gegenüber rechts nicht so erheblich gemindert, dass daraus eindeutige Rückschlüsse auf eine massive schmerzbedingte Schonhaltung gezogen werden könnten. Insoweit wird beantragt, die auf Gewährung einer Verletztenrente gerichtete Berufung der Klagepartei als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Einschätzung der MdE unter Berücksichtigung der anerkannten Unfallfolgen hat der Senat ein Gutachten der Handchirurgin Dr.W. vom 06.08.2004 eingeholt. Die Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, die Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit allein sei mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit und der Irritation des Nervus ulnaris mit starker Schmerzhaftigkeit schätzt sie die MdE ab 06.03.2000 auf 20 v.H.

In der Beurteilung führt sie aus, auffällig sei die deutliche Druckempfindlichkeit des Nervus ulnaris an allen Druckpunkten gewesen. Zur Abklärung einer manifesten Ulnarisirritation oder Ulnarisneuralgie sei eine neurologische Untersuchung erforderlich, bei der auch eine allgemeine neurologische Erkrankung differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen sei. Es sei nicht sicher beurteilbar, ob die starke Schmerzhaftigkeit Folge einer Algodystrophie oder aber einer Nervenerkrankung sei. Die gegebene Schmerzhaftigkeit sei sicher Ursache für die Einschränkung der aktiven und passiven Schulterbeweglichkeit. Bei dem heutigen Stand der Dinge müsse davon ausgegangen werden, dass die vorhandenen Schmerzen Folge einer nicht ausgeheilten Algodystrophie seien. Würden die gegebenen Schmerzen als Folge der anerkannten Algodystrophie gewertet, sei die Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit Folge der Algodystrophie.

Die Frage einer nervlichen Schädigung bzw. einer unfallfremden Nervenbeteiligung hatte sich bereits beim Beginn der Behandlungen gestellt. Am 16.07.1999 konnte der Neurologe und Psychiachter Dr.M. eine periphere Nervenverletzung, insbesondere eine Ulnarisläsion ausschließen. Bei unklarer Schmerzsymptomatik empfahl er gegebenenfalls noch eine Knochenszintigraphie zur Frage einer Algodystrophie. Am 11.10.1999 bat die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. den weiterbehandelnden Arzt bei dem für sie etwas unklaren neurologischen Bild um eine ausführliche neurologische Untersuchung, vor allem des Nervus medianus und des Nervus ulnaris inklusive der Ellenbeuge, um damit zur Objektivierung des Befundes beizutragen. Nach einer entsprechenden Untersuchung am 21.10.1999 kam der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. zu dem Ergebnis, es hätten sich keine Hinweise für eine erhebliche Läsion des Nervus medianus oder Nervus ulnaris ergeben. Es dürfte sich um eine sympatische Reflexdystrophie handeln. Auch die Schmerzambulanz des Universitätsklinikums Ulm, bei der sich der Kläger in Behandlung begeben hatte, ging davon aus, dass neurologischerseits bisher keine massiven Auffälligkeiten gefunden worden seien. Beim Kläger liege mit höchster Wahrscheinlichkeit eine sympatische Algoreflexdystrophie vor (Bericht vom 14.12.1999).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29.01.2003 abzuändern und die Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheids vom 26.10.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom vom 10.01.2001 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 12.05.1999 Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise entsprechend dem Vorschlag von Dr.W. im Gutachten vom 06.08.2004 ein neurologisches Gutachten einzuholen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist auch begründet, denn dem Kläger steht wegen der Folgen des Arbeitsunfalls am 12.05.1999 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. im Anschluss an das mit Bescheid vom 26.10.2000 festgesetzte Verletztengeld zu.

Streitig war nur noch die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. Die Beklagte hat ihre Berufung zurückgenommen, ihren Bescheid vom 21.02.2002 aufgehoben und die von dem Sachverständigen Prof.Dr.B. benannten Unfallfolgen anerkannt. Damit sind zugunsten des Klägers sowohl der ursprünglich angefochtene Bescheid in dem den Kläger begünstigenden Umfang ebenso wie die von der Beklagten ausgesprochene Anerkennung von Unfallfolgen als rechtlich bindend anzusehen und der Entscheidung zugrunde zu legen.

Nach § 56 Abs.1 Satz 1 SGB VII ist Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente unter anderem, dass die Erwerbsfähigkeit infolge des Versicherungsfalles um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dies trifft für den vorliegenden Fall nach dem vom Senat eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr.W. zu.

Einwendungen hiergegen hatte die Beklagte nur insoweit erhoben, als die Bewertung der MdE nur unter Berücksichtigung der Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit und der Irritation des Nervus ulnaris mit starker Schmerzhaftigkeit zustande gekommen war, nach Dr.W. jedoch nicht sicher beurteilbar sei, ob die starke Schmerzhaftigkeit Folge einer Algodystrophie oder aber einer Nervenerkrankung ist und zur Abklärung der Ursache der Schmerzhaftigkeit die Einholung eines neurologischen Gutachtens vorgeschlagen wurde.

Dieser Einwand ist jedoch nicht begründet und die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auf neurologischem Gebiet nicht veranlasst gewesen. Dem Gutachten der Sachverständigen Dr.W. ist zu entnehmen, dass unter Zugrundelegung der von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen die MdE mit 20 v.H. zu bewerten ist. So ist nach dem Gesamtzusammenhang des Gutachtens auch die Äußerung der Sachverständigen zu verstehen, bei dem heutigen Stand der Dinge müsse davon ausgegangen werden, dass die vorhandenen Schmerzen Folgen einer nicht ausgeheilten Algodystrophie seien. Würden die gegebenen Schmerzen als Folgen der anerkannten Algodystrophie gewertet, sei die Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit Folge der Algodystrophie. Hinsichtlich dieser Anerkennung der Algodystrophie als Unfallfolge und zugleich Ursache des Schmerzsyndroms ist die Sachverständige jedoch skeptisch und regt eine weitere neurologische Begutachtung an.

Eine solche war jedoch nicht mehr veranlasst. Wie bereits ausgeführt, ist die Anerkennung einer Algodystrophie als Unfallfolge rechtlich bindend und eine weitere gutachterliche Abklärung deshalb nicht mehr durchzuführen. Auch hinsichtlich der Schmerzsymptomatik ist jedoch keine weitere neurologische Begutachtung mehr veranlasst gewesen.

Die Frage einer nervlichen Schädigung bzw. einer unfallfremden Nervenbeteiligung und das Vorliegen einer Algodystrophie als Ursache der Schmerzhaftigkeit und Bewegungseinschränkung ist bereits während des Verwaltungsverfahrens durch die behandelnden Ärzte geklärt und eine unfallfremde Nervenbeteiligung ausgeschlossen worden. Die Frage einer nervlichen Schädigung musste damit als hinreichend abgeklärt angesehen werden, die alternativ als Ursache des Schmerzsyndroms ins Auge gefasste Algodystrophie ist zwischenzeitlich anerkannt. Ein anderer, für die Minderung der Erwerbsfähigkeit bedeutsamer Gesichtspunkt ist auch von Dr.W. nicht angegeben worden.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren auf Verletztenrente obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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