L 2 U 142/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 387/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 142/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Übergangsleistungen i.S. des § 3 Abs.2 BKV.

Mit Bericht vom 05.02.2001 meldete der Hautarzt Dr.S. der Beklagten den Verdacht auf eine berufsbedingte Atemwegserkrankung des Klägers. Es liege der Verdacht auf toxische Reizreaktion und als Differenzialdiagnose ein hyperreagibles Bronchialsystem nach Reizung mit ABS vor. Der Kläger sei seit 1972 als Anlagenfahrer tätig gewesen. Nach seiner, des Klägers, Meinung sei die gesundheitliche Störung durch Arbeitsstoffe, z.B. Styrol, Formaldehyd, Acrylnitril, Di-t-Butylperoxyd entstanden. Der Kläger leide an anhaltenden Atembeschwerden, Reizreaktionen mit Nasenbluten und trockenen Schleimhäuten nach erhöhter Exposition am Arbeitsplatz mit dem Stoff ABS. Aus dem Leistungsauszug der Betriebskrankenkasse H. vom 10.05.2001 ergibt sich unter anderem, dass der Kläger vom 13.03.2000 bis 21.03.2000 an einer akuten Infektion der Atemwege und vom 27.10.2000 bis 04.11.2000 an akuter Bronchitis und wegen allergischer Alveolitis durch Staub erkrankt war. Am 20.05.2001 berichtete der Internist Dr.R. , der Kläger habe am 05.10. 2000 bei seiner Arbeit mit ABS Rhinitis und Atembeklemmung bemerkt. Am 27.10.2000 sei er ebenfalls nach Exposition mit ABS von der Werksärztin und dem Pulmologen Dr.L. untersucht worden. Dr.L. diagnostizierte am 26.10.2000 eine bronchiale Hyperreagibilität und eine hyperreflektorische Rhinopathie des Klägers. Die Werksärztin R. berichtete am 07.06.2001, beim Kläger würden seit 1972 regelmäßig arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt. Es hätten bisher schwere Einschränkungen nicht bestanden. Am 10.03.2000 habe er sich das erste Mal im werksärztlichen Dienst mit Beschwerden im HNO-Bereich vorgestellt. Er habe diese Beschwerden in Zusammenhang mit Acryl-Nitril-Butan-Styrol gebracht. Am 26.10.2000 habe er sich einem Lungenfacharzt vorgestellt. Ein eindeutig ursächlich auslösender Zusammenhang mit ABS habe nicht nachgewiesen werden können. Der Facharzt habe das Meiden von Feinstaub empfohlen. Bei Testungen mit Acryl, Nitril, Styrol, Di-t-Butylperoxyd und Formaldehyd hätten sich keine Hinweise für eine Typ-IV-Sensibilisierung gezeigt. Auch der Allergologe und Hautarzt habe die Vermutung einer hyperreflektorischen Reaktion geäußert. Von betrieblicher Seite aus werde der Kläger nicht mehr im Kalandrieren von ABS eingesetzt. Der Arbeitgeber des Klägers teilte mit Schreiben vom 04.07.2001 mit, der Kläger sei von 1976 bis 1980 mit der Kalandrierung von Hart-Weich-PVC und Folien mit bis zu 10 % ABS, seit 1980 mit der Kalandrierung von Hart-PVC und Mischungen aus ca. 20 % ABS und PVC und seit 1999 mit der Kalandrierung von Hart-PVC, PVC-ABS-Gemischen und wenigen (0,30 %) reinen ABS-Folien betraut gewesen. An Großkalandern würden im kontinuierlichen Betrieb PVC-Hartfolien und zu 0,30 % ABS-Folien hergestellt. Eine ständige Exposition bestehe während des gesamten Kalandrierprozesses. Bei Störungen werde das Material durch höhere Wärmebelastung deutlich stärker zersetzt, die Belastung steige. Die Konzentrationen der Stoffe in der Luft seien laut Herstellerangaben bei den normalen Verarbeitungsbedingungen nicht als gesundheitsschädlich anzusehen. Daher sei in den Betriebanweisungen lediglich für den Fall der Überhitzung von PVC ein Warnhinweis enthalten. Im Fall von Überhitzungen werde eine Gasfiltermaske getragen. Erst seit der Verarbeitung von reinem ABS habe der Kläger massive Probleme. Hinzu komme, dass in der Anfangsphase der ABS-Verarbeitung besonders häufig Störungen zu verzeichnen gewesen seien. Mit Schreiben vom 12.07.2001 teilte der Arbeitgeber mit, der Kläger sei jeweils im Dezember 1999 und Herbst 2000 drei Wochen erkrankt gewesen. Er verrichte die gleiche Tätigkeit wie vor der Arbeitsunfähigkeit mit Ausnahme der Kalandrierung von ABS-Folien. Beigefügt war der Bericht über eine Arbeitsplatzmessung am Kalander K18 während Kalandrieren von ABS-Folie. Aus einem im Klageverfahren (Az.: S 23 U 619/02) wegen einer geltend gemachten Lärmschwerhörigkeit eingeholten Bericht des Neurologen Dr.P. vom 22.10.2002 ergibt sich, dass dieser den Kläger vom August 2001 bis März 2002 arbeitsunfähig geschrieben hatte. Der technische Aufsichtsbeamte der Beklagten Dr.M. berichtete am 17.08.2001, der Kläger sei seit 1976, nach seiner Lehre zum Maschinenschlosser, als Kalanderfahrer in der PVC-Folienproduktion eingesetzt. Kalander seien Apparate mit beheizten Walzen, in denen die aus dem Extruder laufenden, noch heißen Folien plastifiziert und gestreckt würden, wodurch sie die gewünschten Materialeigenschaften erhielten. Bei dem Ausgangsmaterial ABS handle es sich um Thermoplaste, Kunststoffe, die sich im heißen, erweichten Zustand verformen ließen, z.B. zu Folien. Die Erhitzung des Materials (PVC, ABS) müsse in einem begrenzten, definierten Temperaturbereich erfolgen, in dem es zwar plastisch, dass heißt, erweicht sei, aber sich noch nicht zersetze. Überhitzung führe bei PVC zur Freisetzung von Chlorwasserstoff, bei ABS zur Freisetzung der Monomere Acrylnitril, 1,3-Butadin und Styrol. Messungen in dem Arbeitsbereich des Klägers (Kalander 18) hätten Konzentrationen der gemessenen Stoffe (hier beim Kalandrieren von ABS-Folie) in der Luft weit unter einem Zehntel der zulässigen Grenzwerte enthalten. Bei Messungen, die an vergleichbaren Arbeitsplätzen des Messtechnischen Dienstes in der Vergangenheit durchgeführt worden seien, hätten die Luftkonzentrationen der vermuteten Zersetzungsprodukte ebenfalls stets weit unterhalb der zulässigen Grenzwerte, in der Regel unter der Nachweisgrenze des anerkannten Messverfahrens gelegen. Das Auftreten höherer Konzentrationen von Zersetzungsprodukten sei bei Überhitzung, z.B. im Versuchsbetrieb, wahrscheinlich. Auf Grund der technischen Lüftung, einschließlich Objektabsaugung an den Kalandern, sei aber auch in solchen Fällen von einer Einhaltung der zulässigen Grenzwerte auszugehen. Subjektiv könnten dabei jedoch bei erhöhter Empfindlichkeit durchaus Reizerscheinungen empfunden werden. Da speziell die Verarbeitung von ABS zu Reizerscheinungen beim Kläger geführt habe, werde er nach Angabe beim Kalandrieren dieses Materials nicht mehr in diesem Bereich eingesetzt.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des beratenden Arztes Dr.R. vom 14.10.2001 ein, der beim Kläger eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität feststellte. Im Herbst 2000 sei eine innerbetriebliche Umsetzung erfolgt, sodass seit dieser Zeit eine Einwirkung im besonderen Maß durch chemisch irritativ wirkende Stoffe nicht mehr vorhanden sei. Auf Grund der geschilderten Arbeitsplatzbedingungen und der verwendeten Schutzausrüstung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die im Oktober 2000 nachgewiesene unspezifische bronchiale Hyperreagibilität wesentlich teilursächlich durch die berufliche Tätigkeit als Kalanderfahrer bedingt gewesen sei. Die im Oktober 2000 daraufhin erfolgte innerbetriebliche Umsetzung bzw. Veränderung des Tätigkeitsspektrums des Klägers könne als Maßnahme im Sinn des § 3 Abs.1 BKV angesehen werden. Der Tatbestand einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung, einschließlich Rhinopathie im Sinn der BK-Nr.4301 BKV oder eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinn der Nr.4302 der Anlage BKV ergebe sich nach den durchgeführten lungenärztlichen Untersuchungen nicht. Dieser Beurteilung stimmte der Gewerbearzt Dr.H. in der Stellungnahme vom 20.11.2001 zu. Eine Anerkennung einer Berufskrankheit 4301 oder 4302 der Anlage zur BKV werde nicht empfohlen. Maßnahmen nach § 3 BKV seien sicherlich erforderlich gewesen.

Mit Bescheid vom 18.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2002 wies die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.4301 bzw. 4302 der Anlage der Berufskrankheitenverordnung ab. Mit Bescheid vom 13.02.2002 lehnte sie Gewährung von Leistungen nach § 3 der Berufskrankheitenverordnung ab. Dazu führte sie aus, es lägen keine Hinweise vor, dass in absehbarer Zeit die Entstehung einer Berufskrankheit gedroht hätte, sofern der Kläger die Tätigkeit bei der K. Pentaplast GmbH weiter ausgeübt hätte, insbesondere da er nach Angaben des Werksarztes beim Kalandrieren von ABS nicht mehr eingesetzt worden sei.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er nach dem zweiten Unfall am Kalander H18 einen anderen Arbeitsplatz bekommen habe, sei nur seiner Initiative zu verdanken gewesen. Trotzdem habe der Betrieb nicht vermeiden können, dass er mit den Dämpfen von ABS in Verbindung gekommen sei. Sobald ABS an den Anlagen produziert werde, sei der Dampf dank der Hallenbe- und -entlüftungen auf fast alle Hallen verteilt. Personalmangel habe ihn dazu gezwungen, die Anlagen trotz ABS zu bedienen. Einen Arbeitsplatz, bei dem er nicht mit ABS-Dämpfen konfrontiert worden sei, habe ihm der Arbeitgeber nicht anbieten können oder wollen. Deshalb habe ihm die Firma auch gekündigt. Er wolle ausdrücklich betonen, dass die Dämpfe von ABS den Ausschlag für seine Krankheit gäben, nicht das Co-Polymer. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2002 zurück. Dr.L. habe in seinem Attest vom 08.03.2002 ausgeführt, dass bei fortgesetzter Exposition die Entstehung einer obstruktiven Atemwegserkrankung nicht sicher auszuschließen sei. Er führe an, dass die Möglichkeit der Entstehung einer Berufskrankheit gegeben sei. Dies sei jedoch nicht gleichzustellen mit der konkreten Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit. Dies sei auch in Anbetracht der Tatsache, dass er, wenn überhaupt, nur noch ganz gelegentlich Kontakt zu ABS gehabt habe, nicht gegeben.

Gegen die Bescheide hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.05.2002 Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Internisten und Allergolgen Dr.L. vom 19.12.2002 eingeholt. Bei der am 26.10.2000 festgestellten bronchialen Hyperreagibilität bei einer Histamin-Provokation handle es sich um eine hochgradige. Bei der nunmehrigen Untersuchung habe sich noch immer eine, wenn auch leichtgradige, bronchiale Hyperreagibilität gefunden. Diese sei asymptomatisch und könne zumindest theoretisch schon vor den Ereignissen von 1999 und 2000 im Werk G. vorhanden gewesen sein. Bronchiale Hyperreagibilität leichten Ausmaßes finde sich häufig bei Pollenallergikern, zu denen der Kläger wohl gerechnet werden müsse, obwohl er nie Heuschnupfenbeschwerden gehabt habe. Es könne also mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass seinerzeit die bronchiale Hyperreagibilität, die möglicherweise schon vorbestehend gewesen sei, wesentlich verschlimmert worden sei durch eine allergische Reaktion oder durch hohe Konzentrationen von ABS. Dies berechtige nicht dazu, bereits eine Erkrankung nach Nr.4301 oder 4302 der Anlage BKV anzunehmen. Die Tatsache jedoch, dass gesundheitliche Probleme auch messbar aufgetreten seien in der Zeit der erhöhten Exposition mit ABS, zeige jedoch die Gefahr an, dass eine Berufskrankheit hätte entstehen können. Somit seien seinerzeit § 3 Maßnahmen erforderlich gewesen. Der Kläger sei auch innerhalb des Betriebes umgesetzt worden, habe sich zwar langsam, aber immerhin soweit erholt, dass er sich beschwerdefrei fühle. Eine durch allergisierende oder chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung liege beim Kläger nicht vor. Durch seine Tätigkeit als Kalanderfahrer in der Folienproduktion seien mit Wahrscheinlichkeit vorbestehende Störungen zeitweilig nicht richtungweisend verschlechtert worden. Das Vorhandensein einer bronchialen Überempfindlichkeit müsse als schicksalhafte Störung angesehen werden, die sich durch Exposition während der Tätigkeit als Kalanderfahrer in der Folienproduktion zeitweilig verschlimmert habe. Die MdE durch die bronchiale Hyperreagibilität liege unter 10 %. Im Jahr 2000 habe durchaus die Gefahr bestanden, dass eine Berufskrankheit entstehe, sie sei durch Umsetzen innerbetrieblich abgewendet worden.

Der Kläger machte dazu geltend, eine innerbetriebliche Umsetzung habe nicht vollzogen werden können, da kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Daher sei auch die Kündigung erfolgt. Die Kalander- und Schneidemaschinenhallen seien so miteinander verbunden, dass ständig Dämpfe vorhanden seien. Nach den beiden Störfällen an den Kalanderanlagen habe er sich in keiner dieser Hallen noch aufhalten können. Schon der geringste Geruch dieses Mediums habe bei ihm Atembeschwerden veranlasst. Nach ständiger Krankheit sei ihm dann gekündigt worden. Ein Arbeitsplatz in einem Büro sei ihm nie angeboten worden.

Die Beklagte führte in der Stellungnahme vom 26.03.2003 zum geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 3 BKV aus, die Bejahung der konkreten Gefährdung im Sinn des § 3 BKV durch Dr.L. sei nicht nachzuvollziehen, zumal er selbst von einer vorbestehenden schicksalhaften Störung spreche, die unter anderem auf einer Pollenallergie beruhe. Zudem sei der Kläger nach dem Auftreten von Reizerscheinungen beim Kalandrieren von ABS-Folien, welche zu diesem Zeitpunkt nur noch 0,3 % der Gesamtproduktion ausgemacht habe, sofort von diesen Arbeiten befreit worden, was zur Beschwerdefreiheit geführt habe. Anspruch auf Leistungen gemäß § 3 BKV bestünden daher nicht. Das Auftreten von Reizerscheinungen sei nicht gleichzusetzen mit der konkreten Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit. Selbst wenn diese bestanden hätte, wäre ihr jedoch durch die Umsetzung bereits wirksam begegnet worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 06.06.2003 führte Dr.L. unter anderem aus, die Messungen seien erst mehr als ein Jahr nach der Umstellungsphase auf die ABS-Folienherstellung durchgeführt worden. Erste Beschwerden seien jedoch beim Kläger schon Anfang 2000 aufgetreten. Er habe sich deshalb zunächst an den werksärztlichen Dienst gewandt, später sei er bei Dr.L. untersucht worden. Diese Untersuchung habe am 26.10.2000 stattgefunden. Die Messung des Technischen Aufsichtsdienstes hinsichtlich der Schadstoffkonzentrationen an den Kalandermaschinen habe jedoch erst im Jahr 2001 stattgefunden. Somit bestehe durchaus die Möglichkeit, dass zu dem Zeitpunkt, den der Kläger als belastend ansehe, höhere Konzentrationen bestanden hätten. Er habe in seinem Gutachten nicht festgestellt, dass eine bronchiale Hyperreagibilität einer Berufskrankheit nach Nr.4301 oder 4302 der Anlage BKV entspreche, er habe vielmehr festgestellt, dass eine bronchiale Hyperreagibilität, die an Intensität zunehme, die Gefahr anzeige, dass eine Berufserkrankung nach den genannten Ziffern zu entstehen drohe. Unbestritten sei wohl die Tatsache, dass Luftschadstoffe und bronchialreizende Stoffe bei bestehender bronchialer Hyperreagibilität zur Beeinträchtigung der Lungenfunktion führen könne. Der Kläger habe ja auch innerbetrieblich umgesetzt werden sollen. Da dies nicht möglich gewesen sei, sei ihm die Kündigung ausgesprochen worden. Tatsache sei, dass zum Zeitpunkt der zunehmenden Atembeschwerden des Klägers, nämlich dem Jahr 2000, von Dr.L. eine bronchiale Überempfindlichkeit nachgewiesen worden sei. Diese sei zu diesem Zeitpunkt als schwergradig anzusehen gewesen. Die bronchiale Hyperreagibilität sei im Jahr 2000 deutlich stärker ausgeprägt gewesen als im Jahr 2002.

Die Beklagte wies demgegenüber in der Stellungnahme vom 21.07. 2003 darauf hin, dass der Kläger sofort nach Auftreten von Reizerscheinungen beim Kalandrieren von ABS nicht mehr eingesetzt worden sei, fortan also eine Tätigkeit ausgeübt habe, die er hätte weiter ausüben können. Damit sei die konkrete Gefahr des Entstehens einer Berufskrankheit, falls eine solche jemals bestanden habe, gebannt gewesen. Im Termin zur Erörterung am 30.09.2003 nahm der Kläger die Klage gegen den Bescheid vom 18.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2002 zurück. Mit seiner Klage gegen den Bescheid vom 13.02.2002 begehre er die Gewährung einer Geldleistung im Sinn einer Übergangsleistung nach § 3 Abs.2 BKV. Er sei jetzt seit März 2003 als selbstständiger Finanzberater tätig.

Das Sozialgericht holte eine Auskunft des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 06.11.2003 ein, wonach der Kläger aus gesundheitlichen Gründen um Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gebeten habe, da er sich nicht mehr in der Lage gesehen habe, seiner Tätigkeit weiter nachzukommen. Es sei deshalb der Aufhebungsvertrag vom 31.12.2001 geschlossen worden. Aus den Akten sei nicht zu entnehmen, dass er im Herbst 2000 umgesetzt worden sei. Richtig sei, dass, wenn ABS-Folien produziert worden seien und der Kläger zu diesem Zeitpunkt Schicht gehabt habe, er an einer anderen Kalanderanlage beschäftigt worden sei. Er sei demnach nur fallweise, eben bei Produktion von ABS-Folien, vorübergehend an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt worden. Die übrige Zeit habe er weiterhin an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz gearbeitet.

Mit Urteil vom 05.12.2003 wies das Sozialgericht die Klage gegen den Bescheid vom 13.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2002 ab. Dr.L. habe zwar festgehalten, dass im Jahr 2000 durchaus die Gefahr bestanden habe, dass eine Berufskrankheit entstehe. Ob die von der Beklagten gegen diese Annahme erhobenen Einwände zutrafen, könne nach Ansicht des Gerichts dahinstehen. Denn selbst wenn das Gericht zu Gunsten des Klägers unterstelle, dass die bronchiale Hyperreagibilität durch den Kontakt mit ABS verschlimmert worden sei und die Gefahr im Sinn des § 3 Abs.2 BKV gegeben gewesen sei, dass eine Berufskrankheit entstehe, sei der geltend gemachte Anspruch nicht begründet. Die Gefahr sei nämlich unverzüglich dadurch beseitigt worden, dass der Kläger nicht mehr beim Kalandrieren von ABS-Folien eingesetzt worden sei. Auf Grund der eigenen Angaben des Klägers sowie der vorliegenden ärztlichen Berichte stehe fest, dass die Beschwerden des Klägers erstmals am 10.03.2000 dokumentiert seien. Auch erstmalige Arbeitsunfähigkeit sei ab 13.03.2000 dokumentiert. Der Kläger selbst, Dr.L. und insbesondere Dr.L. hätten einen Zusammenhang der Beschwerden bzw. der Verschlimmerung der vorbestehenden bronchialen Überempfindlichkeit mit dem intensiven Kontakt mit ABS gesehen. Die gesundheitlichen Probleme seien aufgetreten, worauf der Kläger von Anfang an hingewiesen habe, beim Kalandrieren reiner ABS-Folien. Bei der Produktion dieser Folien sei der Kläger aber nach Auftreten der Beschwerden nicht mehr eingesetzt worden, wie er selbst bestätigt habe. Dadurch werde aber die Gefahr der Erkrankung an eine Berufskrankheit beseitigt. Berücksichtige man zudem, dass die Produktion reiner ABS-Folien nur 0,3 % der Produktion insgesamt ausgemacht habe, und stelle man in Rechnung, dass gerade der Einsatz bei dieser Produktion die Gefahr bedeutet habe, so werde diese Gefahr durch den Nichteinsatz bei der Produktion dieser Folien beseitigt. Auch aus dem Gutachten des Dr.L. könne für den Kläger kein günstigeres Ergebnis gewonnen werden, denn auch er führe aus, die Gefahr sei durch die innerbetriebliche "Umsetzung" abgewendet worden, dass heißt durch die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr beim Kalandrieren von reinen ABS-Folien eingesetzt worden sei. Nachdem der Kläger auch durch den Nichteinsatz beim Kalandrieren der reinen ABS-Folien keine wirtschaftliche Nachteile erlitten habe, schieden Leistungen nach § 3 Abs.2 BKV aus. Die Tatsache, dass der Kläger mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen habe, was mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein könne, werde nicht dadurch verursacht, dass er bei der Produktion reiner ABS-Folien nicht mehr eingesetzt worden sei. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche bereits die Tatsache, dass reine ABS-Folien nur in äußerst geringem Umfang, das heißt 0,3 %, kalandriert worden seien, während die übrigen Tätigkeiten weiterhin möglich gewesen seien. Die Annahme, der Umstand, dass der Kläger bei 0,3 % der Produktion bei einer anderen Kalanderanlage eingesetzt worden sei, habe zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt, sei nicht überzeugend. Soweit der Kläger nunmehr angebe, er habe an keiner Anlage aus gesundheitlichen Gründen mehr arbeiten können, so sei diese Annahme seinerseits durch keine der vorliegenden Atteste und insbesondere nicht durch das Gutachten des Dr.L. belegt. Dieser sehe keine Gefahr für den Kläger beim Bedienen der übrigen Kalanderanlagen, die durch schädigende Einflüsse während der Tätigkeit ausgelöst worden seien. Die Aufgabe der Tätigkeit müsse im Zusammenhang mit dem schädigenden Einfluss, der zu einer Berufskrankheit führen könne, gesehen werden. Die Aufgabe einer Tätigkeit aus anderen gesundheitlichen Gründen werde von § 3 Abs.2 BKV nicht erfasst.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, er sei ständig an den Kalanderanlagen eingesetzt worden, obwohl Arbeitgeber und werksärztliche Abteilung gewusst hätten, dass er seit dem Störfall an allen Kalanderanlagen, an denen Dämpfe entstünden, Probleme mit der Lunge gehabt habe. Der einzige Arbeitsplatz, der für ihn in Frage gekommen wäre, hätte ein Büroarbeitsplatz sein müssen. Stattdessen habe man ihm ab Januar 2000 seinen Schichtführerstatus genommen und er habe wieder zurück an die Kalanderanlage in die Produktion gemusst. Der erste Störfall mit ABS sei im Oktober 1999 am Kalander H10 gewesen. Diese bringe viel mehr Temperatur als ein 4-Walzen-Kalander. Dadurch sei die Gefahr, dass Material verbrenne, viel größer. Er könne nicht erkennen, dass sein Arbeitgeber die Gefahr für ihn, krank zu werden, unverzüglich beseitigt hätte. Er sei zwar nicht mehr bei ABS-Produktionen direkt eingesetzt worden. Es habe jedoch gereicht, seit dem Störfall am Kalander H10 im Oktober 1999 an den anderen Kalanderanlagen ohne ABS eingesetzt zu werden, um Atemprobleme hervorzurufen. Wirtschaftliche Nachteile habe er durch die Kündigung seines Arbeitgebers dadurch erlitten, dass dieser durch die Verheimlichung des Stoffes ABS ihm mindestens fünf Jahre seiner Gesundheit geraubt habe. Allein schon 18 Monate Krankengeld ruinierten einen. Dazu komme noch, dass er wegen seiner ständigen Erschöpfungszustände, die von der angegriffenen Lunge ausgegangen seien, nur zeitweise einer Beschäftigung habe nachgehen können. Er sei Schritt für Schritt krankgemacht worden. Es sei vielleicht richtig, dass nur 0,3 % der Produktion ABS-Folien seien, doch stehe in der Aussage des Betriebes nicht, dass diese Produktion nur an einem von zehn Kalandern produziert worden sei. Heute habe er keine allergischen Probleme und könne auch wieder schwimmen und laufen.

Mit Schriftsatz vom 05.01.2005 hat der Kläger auf einen Bericht des Dr.L. vom 08.12.2004 verwiesen und die Meinung vertreten, dass dieser Bericht den Nachweis erbringe, dass die Hyperreagibilität durch die berufsbedingten Einwirkungen ausgelöst worden sei. Auf den Schriftsatz wird Bezug genommen. Dr.L. hat im Arztbrief vom 08.12.2004 ausgeführt, beim Kläger bestehe zwar noch eine bronchiale Hyperreagibilität, die Reaktion falle jedoch im Vergleich zur Voruntersuchung 2002 deutlich geringgradiger aus. Der Kläger sei diesbezüglich asymptomatisch.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2002 zu verurteilen, ihm Übergangsleistungen nach § 3 BKV zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 05.12.2003 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München Az.: S 23 U 387/02 und Az.: S 23 U 619/02 beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143 f. SGG zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen nach § 3 der Berufskrankheitenverordnung (BKV). Gemäß § 9 Abs.6 SGB VII i.V.m. § 3 BKV haben die Unfallversicherungsträger, sofern für Versicherte die Gefahr besteht, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Gemäß § 3 Abs.2 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Mit Recht und mit zutreffender Begründung ist das Sozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Übergangsleistungen im vorgenannten Sinne nicht erfüllt sind. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend ist auszuführen, dass das Vorbringen des Klägers in der Begründung der Berufung nicht geeignet ist, die Entscheidung des Sozialgerichts in Frage zu stellen. Da der Kläger, wie sein Arbeitgeber ausgeführt hat, bis zum Ausscheiden aus dem Betrieb weiter an seinem Arbeitsplatz gearbeitet hat, lediglich bei der Produktion von ABS-Folien an einen anderen Kalander umgesetzt wurde, hat er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb keine wirtschaftlichen Nachteile im Sinn des § 3 Abs.2 BKV erlitten, sodass bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen nach § 3 BKV ohnehin nicht in Betracht kommen. Dass der Kläger zeitweise von Krankengeld leben musste, hat seine Ursache nicht in einer betriebsbedingten Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und stellt somit keinen wirtschaftlichen Nachteil im Sinn des § 3 Abs.2 BKV dar. Diesbezüglich hat schon das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass Leistungen nach § 3 Abs.2 BKV voraussetzen, dass ein Ausgleich im Sinn des § 3 BKV nur im Zusammenhang mit dem Entstehen einer Berufskrankheit bzw. mit dem Verhindern einer Berufskrankheit erfolgen soll. Ein wirtschaftlicher Nachteil aus anderen Gründen wird von § 3 Abs.2 BKV nicht erfasst. Das endgültige Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb des früheren Arbeitgebers erfolgte, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht, um die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen, weil die Gefahr bei Weiterarbeit fortbestanden hätte, sondern weil der Kläger subjektiv der Auffassung war, er könne an keiner Anlage aus gesundheitlichen Gründen mehr arbeiten. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass diese Annahme des Klägers durch keine ärztliche Bestätigung gestützt wird. Die Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ist vielmehr für den Kläger bereits dadurch beseitigt worden, dass der Kläger ab Herbst 2000 bei der Produktion von ABS-Folien nicht mehr an dem diese Folien produzierenden bzw. bearbeitenden Kalander eingesetzt wurde. In seinem Gutachten vom 19.12.2002 hat der Sachverständige Dr.L. ausgeführt, dass sich bei der Untersuchung durch ihn noch immer eine, wenn auch leichtgradige, bronchiale Hyperreagibilität beim Kläger zeigte, die zumindest theoretisch schon vor den Ereignissen von 1999 und 2000 im Werk G. vorhanden gewesen sein könne. Dazu hat er ausgeführt, dass bronchiale Hyperreagibilität leichten Ausmaßes sich häufig bei Pollenallergikern findet, zu denen der Kläger wohl gerechnet werden müsse, obwohl er nie Heuschnupfenbeschwerden gehabt habe. Dafür sprechen die vom Sachverständigen durchgeführten Untersuchungen, nach denen der Kläger an geringer allergischer Sensibilisierung gegen Katzen, Milben und Pollen leidet. Dass die bronchiale Hyperreagibilität bei der Untersuchung durch Dr.L. am 26.10.2000 wesentlich ausgeprägter war als sie bei der Untersuchung durch ihn, den Sachverständigen, war, führt Dr.L. darauf zurück, dass der Kläger seinerzeit einer erhöhten Exposition mit ABS ausgesetzt war. Der Sachverständige legt dar, dass es bei Personen, die sehr dicht am Gerät arbeiten, und der Kläger habe ja bei auftretenden Pannen die Schäden beseitigen müssen, es zu relativ hohen Konzentrationen (von ABS) in der Atemluft kommen kann. Darauf führt der Sachverständige zurück, dass sich die schicksalhaft vorliegende leichtgradige bronchiale Hyperreagibilität damals verschlechtert hat. Gerade in dem Umstand, dass eine bronchiale Hyperreagibilität an Intensität zunimmt, ist aber, wie Dr.L. ausführt, die Gefahr zu sehen, dass eine Berufskrankheit entsteht. Aus den Ausführungen des Dr.L. sowie aus den Ergebnissen der Lungenfunktionsprüfungen vom 26.10.2000 und 19.12.2002 ist zu ersehen, dass die Gefahr für den Kläger an einer Berufskrankheit zu erkranken, dadurch beseitgt war, dass er nicht mehr beim Kalandrieren von reinen ABS-Folien eingesetzt wurde. Diese Beurteilung wird bestätigt durch den vom Kläger vorgelegten Bericht des Dr.L. vom 08.12.2004 wonach sich die Besserung der Lungenfunktion weiter fortgesetzt hat. Der Kläger hat deshalb die Tätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber nicht aufgegeben, weil objektiv die Gefahr bestanden hätte, dass er an einer Berufskrankheit erkranken würde. Die subjektive Auffassung, an keinem Kalander mehr arbeiten zu können, erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Übergangsleistung. Der Zwang der Unterlassung der schädigenden Tätigkeit muss objektiv vorgelegen haben, um Übergangsleistungen im Sinn des § 3 BKV auszulösen (vgl. u.a. BSGE 56, 94). Hinzukommt, dass der Kläger nach den Berichten des Neurologen Dr.P. vom 21.08.2001 und 22.10.2002 (Klageakte, Az.: S 23 U 619/02) an einem Tinnitus und depressiven Syndrom, möglicherweise im Rahmen einer Anpassungsstörung, litt, weswegen ihm Dr.P. vom August 2001 bis März 2002 Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Somit standen offensichtlich diese Erkrankungen im Vordergrund der Gesundheitsstörungen und nicht die bronchiale Hyperreagibilität. Die Berufung kann danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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