L 2 U 384/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 5 U 371/01
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 384/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 21.10. 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1944 geborene Kläger war nach seinen Angaben vom 30.09. 1999, von 1958 bis 1964 als Bäcker tätig, leistete von 1964 bis 1965 Wehrdienst, war sodann von 1966 bis 1988 als Kraftfahrer und von 1988 bis 1996 in Lichtpauserei des Bauverwaltungsamts der Stadt R. tätig. Bei letzterer Tätigkeit sei er mit Salmiakgeist und Toner in Kontakt gekommen. Mit Schreiben vom 15.07.1999 begehrte er Anerkennung der Erkrankung der Mundschleimhaut als Folge seiner Tätigkeit an einer Kopieranlage. Die dort austretenden Dämpfe seien Ursache der Erkrankung. Seit Mitte 1981 bestehende Schluck- und Atembeschwerden sowie Schwindelerscheinungen seien erstmals bei seiner Tätigkeit in der Mülldeponie H. bei R. bemerkbar geworden. Die Beklagte holte einen Bericht des Arztes für HNO-Krankheiten und Allergologie Dr.G. vom 24.11.1999 ein, der bescheinigte, dass der Kläger bei ihm seit 12.06.1995 in Behandlung gewesen sei. Der Kläger habe angegeben, seit ca. acht Wochen bestehe bei ihm eine rezidivierende Stomatitis aphthosa. Ab Juli 1995 sei es zu einer Besserung der Aphthenbildung gekommen. Ab 10.08.1995 habe sich der Kläger wegen Tinnitus und Gleichgewichtsstörungen vorgestellt. Die Stomatitis aphthosa sei zu diesem Zeitpunkt bis auf eine kleine Aphthe verschwunden gewesen. Weiter zog die Beklagte einen Leistungsauszug der AOK Bayern bei. Unter anderem war der Kläger im Jahre 1994 wegen Herpes zoster und in den Jahren 1996, 1997 und 1999 wegen Pemphigus erkrankt.

Am 11.08.1982 berichtete der HNO-Arzt Dr.R. , der Kläger habe seit Jahren ein Trockenheitsgefühl und Kratzen im tieferen Halsbereich, besonders nach der Müllarbeit (Mülldeponie, staubige Arbeit). Der Oberarzt des Klinikums der Universität R., Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Dr.C. bescheinigte im Bericht vom 07.05.1996, der Kläger habe sich vom 03.04.1996 bis 17.04.1996 in stationärer Behandlung wegen einer ulcerösen Stomatitis unklarer Genese aufgehalten. Vor ca. einem halben Jahr habe er erstmals Bläschen im Bereich der oralen Schleimhaut bemerkt, die aber abgeheilt seien. Ca. zehn Tage vor der stationären Aufnahme seien erneut entsprechende Veränderungen der Mundschleimhaut aufgetreten. Noch während der Abheilungsphase sei es zu einem Rezidiv gekommen. Bei der histologischen Untersuchung hätten sich lediglich unspezifische Ulcera gefunden. Im Bericht vom 07.05.1996 führte die Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des Klinikums der Universität R. Dr.Z. aus, es liege beim Kläger eine Gingivostomatitis ulcerosa unklarer Genese vor. Diese sei nicht weiter ätiologisch zuzuordnen. Der Lokalbefund sei unter der durchgeführten Lokaltherapie deutlich rückläufig. Der Nervenarzt Dr.M. berichtete am 24.04.1996, im Vordergrund stehe beim Kläger eine ausgeprägte depressive Stimmungslage mit innerlicher Unruhe, Schlafschwierigkeiten sowie Weinerlichkeit. Eine Kur habe er abbrechen müssen, da er aufgrund von Aphthen im Mundschleimhautbereich nichts mehr habe essen können. Im Bericht vom 13.06.1996 führte der Allgemeinarzt Dr.S. aus, beim Kläger bestehe ein Pemphigus vulgaris der Mundschleimhaut. Der Beklagte zog die Unterlagen der LVA Niederbayern-Oberpfalz bei, worin sich unter anderem ein Gutachten des Chirurgen Dr.B. vom 11.01.1996 findet. Dieser sieht den Kläger noch für fähig an, der Tätigkeit des Lichtpausers vollschichtig nachzugehen. Der Kläger könne leichte Arbeiten ohne dauerndes Gehen und Stehen vollschichtig ausüben. Weiter findet sich ein Entlassungsbericht über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 13.03.1996 bis 02.04.1996 in den J.-Reha-Kliniken AG. Wegen der anhaltenden ausgeprägten Stomatitis aphthosa, der damit verbundenen Störung der Nahrungsaufnahme und des involvierten subjektiven Krankheitsempfindens hätten sie sich am 02.04.1996 zum Abbruch des Heilverfahrens entschlossen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger seine Beschwerden insgesamt als gleichbleibend angegeben. In einem für die LVA erstatteten Gutachten vom 17.12.1996 führt der Internist Dr.H. unter anderem aus, schon seit 1978 würden in den Akten wirbelsäulenabhängige Beschwerden erwähnt. Auch orthostatische Kreislaufbeschwerden seien angeführt. Bereits 1978 werde darauf hingewiesen, dass die zahlreich geklagten Beschwerdebilder überlagert seien im Sinne eines depressiv gefärbten psychovegetativen Syndroms. Seit 1995 habe der Kläger zunehmend unter Veränderungen der Mundschleimhaut gelitten. Es sei ein Pemphigus vulgaris diagnostiziert und auch eine typische Behandlung dieser Erkrankung mit Cortison und Imurek eingeleitet worden. Darunter hätten sich die Veränderungen an der Mundschleimhaut zurückgebildet. Bei behandeltem Pemphigus vulgaris ergebe die klinische Untersuchung von Kopf und Hals sowie der Befund an Haut und Schleimhäuten zum Untersuchungszeitpunkt keinen Anhalt für leistungsmindernde Veränderungen. Dr.S. bestätigte in einem Attest vom 22.01.1997, der Pemphigus vulgaris sei keineswegs ausgeheilt. Prof.Dr.L. vom Klinikum der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Universität R. bestätigte dem Kläger im Attest vom 01.07.1997, dass eine Fortführung der innerlichen Therapie sowie eine kontinuierliche medizinische Überwachung des Klägers wegen des Pemphigus vulgaris, einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung, erforderlich sei. In der ärztlichen Bescheinigung vom 27.11.1997 führte Prof.Dr.L. aus, infolge der seit nun fast 1 1/2 Jahren andauernden innerlichen Therapie mit Glucocorticosteroiden zeigten sich bereits deutliche Nebenwirkungen der Medikation beim Kläger. So habe osteodensitometrisch eine deutliche Verminderung der Knochenmasse am Achsenskelett festgestellt werden können. Es zeige sich ein typischer Habitus mit Vollmondgesicht und Stammfettsucht bei iatrogenem Hypercortisonismus. Der Kläger beschreibe Muskelzittern, Adynamie und Konzentrationsstörungen, die wohl in erster Linie auf die notwendige Medikation im Sinne einer Nebenwirkung zurückzuführen seien. Die Nervenärztin Dr.K. führte in ihrer Stellungnahme vom 19.01.1998 aus, der Kläger sei zuletzt in der Kopieranlage tätig gewesen, wobei Dämpfe der Lösungsmittel aufträten. Er gebe an, dass durch diese eine Reizung der Schleimhäute erreicht werde, so dass sie meine, dass er in Verbindung mit dem dermatologischen Attest vom 27.11.1997 diese Tätigkeit nicht mehr durchführen könne. Die Stadt R. gab dem Beklagten die Auskunft, der Kläger sei vom 17.05.1989 bis dato in der Lichtpauserei mit Lichtpausen und Kopieren beschäftigt. Der Kläger habe mit Salmiak- bzw. Ammoniaklösung zu tun gehabt. Dies sei 14-tägig, überwiegend im Vertretungsfall geschehen. Der Kontakt habe etwa fünf Minuten gedauert. Der Beklagte holte eine Stellungnahme seines Technischen Aufsichtsdienstes vom 26.04.2000 ein, der ausführte, bei der Arbeitsplatzbesichtigung vom 13.04.2000 sei unter anderem auch der Kläger anwesend gewesen. Er befinde sich seit 07.03.1996 im Krankenstand. Er gebe an, seit etwa 1993 bis 1994 an einer Erkrankung des Mundes zu leiden. Er führe dieses Krankheitsbild auf seine Tätigkeit in der Lichtpauserei in R. zurück. Bei keinem anderen Beschäftigten des genannten Bereiches seien ähnliche Beschwerden aufgetreten. Ausgehend von den genannten Bedingungen zentriere sich die Ursachenforschung der Erkrankung auf die Betrachtung der Lichtpauserei und hier wiederum sei laut Erfahrung bei Arbeitsplatzanalysen und Literatur der Stoff Ammoniak als Reizsubstanz zu nennen. Sonstige Emissionen von anderen Stoffen hätten auch vor Ort nicht nachvollzogen werden können. Der Bereich sei im Dachgeschoss eingebaut und verteile sich auf zwei Räume. In einem befinde sich die Lichtpausmaschine mit einigen Ablagetischen im Seitenbereich. Der andere Raum sei nur spärlich möbliert und mit Schneidetisch und Ablagefläche versehen. Von dort aus wiederum sei das Lagerkämmerchen zu erreichen. Die Allgemeinsituation mache auf den ersten Blick keinen beengten und unsauberen Eindruck. Subjektiv habe beim Eintreten der Räumlichkeiten kein besonderer Ammoniakgeruch wahrgenommen werden können. Die Verbindung zwischen den angesprochenen Räumen sei durch eine große Aussparung in der Wand gegeben. In der Dachfläche jedes Zimmers befinde sich jeweils ein großes Kippfenster. Während des gesamten Aufenthaltes im benannten Bereich sei das Fenster im eigentlichen Kopierraum geschlossen und im Nebenraum ständig geöffnet gewesen. Bemerkenswert sei, dass in der Außentür des Hauptraumes sich auffällige Lüftungsschlitze befänden, deren Wirksamkeit allein durch Handauflegen deutlich erkennbar gewesen sei (spürbarer Luftzug). Zusätzlich sei über der Pausmaschine eine Raumlüftung eingebaut, die jedoch nur im Sommer bei hohen Temperaturen zusätzlich eingeschaltet werde. Im Jahr 1989 sei im genannten Bereich eine neue Lichtpausmaschine installiert worden. Diese sei nun mit einem eingebauten Trockner und einer integrierten Absaugung sowie einer automatischen Planfalteinrichtung ausgestattet. Die Abluft werde hierbei direkt aus dem Gerät über Dach fortgeführt. Ein Auslegen von Lichtpausen zum Trocknen sei im genannten Bereich deshalb in der Regel nicht mehr nötig. Vor 1989 sei mit einer alten, ohne eingebauten Trockner und integrierter Absaugung versehenen Maschine gearbeitet worden. Damals hätten noch Pläne zum Austrocknen ausgelegt werden müssen. Um einen Überblick über mögliche auftretende Ammoniakkonzentrationen in der Lichtpauserei zu bekommen, seien mit einer Trägerelektropumpe und entsprechenden Röhrchen Orientierungsmessungen durchgeführt worden. Bei der Messung am Planausgabepunkt, auf der Lichtpausmaschine, im Lagerkämmerchen und beim Wechseln des Salmiakgeistkanisters sei keine Anzeige am Röhr- chen erfolgt. Bei der letzten Messung sei das Wechseln des Kanisters untersucht worden. Dieses müsse alle zwei Wochen durchgeführt werden. Obwohl bei besagter Tätigkeit ein spürbarer Ammoniakgeruch aufgetreten sei, hätten keine messbaren Konzentrationen am Messröhrchen festgestellt werden können. Eine Erklärung hierfür sei in der Trägheit des Messverfahrens und in der guten Lüftungssituation zu suchen. Eventuell auftretende Konzentrationsspitzen seien demnach, wenn überhaupt, nur sehr kurzzeitig und lokal begrenzt zu erwarten. Ausgehend von dem Umstand, dass die vom Kläger angezeigte Krankheit erst 1993, 1994 aufgetreten sei und zu diesem Zeitpunkt bereits die neue emmissionsarme Lichtpausmaschine seit mehreren Jahren in Gebrauch gewesen sei und bei der Arbeitsplatzanalyse vor Ort keine messbaren Ammoniakkonzentrationen aufgetreten seien, sei aus der Sicht des TAD die Bedingung einer Kausalität mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt. Der Beklagte holte sodann ein Gutachten des Prof.Dr.L. vom 20.04.2001 ein. Dieser führte aus, im Mai 1996 sei die Diagnose eines Pemphigus vulgaris gestellt worden. Diese sei histologisch sowie immunserologisch gesichert. Zwischenzeitlich sei es immer wieder zu einer Erhöhung bzw. Umstellung der immunsupressiven Medikation, aufgrund von Nebenwirkungen, gekommen. Dementsprechend fänden sich auch deutliche Nebenwirkungen der Medikation. Es sei nach wie vor eine immunsupressive Behandlung notwendig, um das Auftreten von neuen Blasen an der Mundschleimhaut weitestgehend zu unterdrücken. Seit 07.03.1996 finde sich der Kläger wegen dieser Erkrankung im Krankenstand. Im Bereich der Mundschleimhaut fänden sich bei der Untersuchung lediglich vereinzelt gerötete flache Erosionen. Des Weiteren falle ein medikamenteninduzierter Morbus Cushing auf, gekennzeichnet unter anderem durch eine ausgeprägte Atrophie der Haut sowie petechiale Einblutungen. Bei dem Pemphigus vulgaris handle es sich um eine meist chronisch verlaufende Autoimmunerkrankung, bei der es an normal aussehender Haut und Schleimhäuten zur Ausbildung von Blasen komme. Der Verlauf des Pemphigus vulgaris sei unberechenbar. Zwar könne durch hohe Dosen von Glucocorticoiden und Immunsupressiva eine Behandlung und Besserung erreicht werden, jedoch würden meistens diese über einen längeren Zeitraum benötigt. Daher sei auch mit arzneimittelbedingten Nebenwirkungen zu rechnen. Diese könnten von einfachen gastrointestinalen Beschwerden bis hin zu toxischen Effekten auf Knochenmark, Leber, Niere, Infektanfälligkeit und, bei Langzeitanwendung, der Gefahr einer Tumorentstehung reichen. Es könne nicht von einem erfolgreich behandeltem Pemphigus vulgaris gesprochen werden, da trotz Reduktion nach wie vor Glucocorticoide und Immunsupressiva eingenommen werden müssten. Die Mechanismen der Entstehung der Erkrankung seien unbekannt. Sie könne spontan oder in Zusammenhang mit UV- oder Röntgenbestrahlung oder auch Verbrennungen auftreten. Behandlungen dieser Art bzw. Verbrennungen seien anamnestisch bei dem zu Begutachtenden nicht bekannt. Eine seltene Kombination mit anderen Autoimmun- erkrankungen bzw. Tumoren habe beim Kläger ebenfalls nicht gefunden werden können. Bei vorhandener Prädisposition zu Autoimmunreaktionen könne ein Pemphigus vulgaris auch durch die Einnahme bzw. Injektion von Medikamenten, insbesondere sulfhydrilgruppenhaltige Arzneimittel wie Penicylamin und Captopril aber auch nichtsteroidale Antiphlogistika auftreten. Aufgrund der bei dem Kläger seit Jahren bekannten und dokumentierten Wirbelsäulenbeschwerden und der damit verbundenen auch anamnestisch angegebenen antientzündlichen Behandlung durch verschiedenste Ärzte, könne eine Auslösung durch oben genannte gängige nichtsteroidale Antiphlogistika nicht ausgeschlossen werden. Sodann bezieht sich der Gutachter auf das Ergebnis der von dem Technischen Aufsichtsdienst durchgeführten Arbeitsplatzanalyse, wonach keine messbaren Ammoniakkonzentrationen aufgetreten seien und die Bedingungen einer Kausalität mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt seien. Darüber hinaus habe die von dem Gutachter durchgeführte Literaturabfrage keine andere als die oben genannten Ursachen für die Auslösung eines Pemphigus vulgaris ergeben. Der Kläger sei keinen hautbelastenden Einwirkungen am Arbeitsplatz ausgesetzt gewesen. Diesem Ergebnis schloss sich die Staatliche Gewerbeärztin Dr.H. in der Stellungnahme vom 18.06.2001 an. Mit Bescheid vom 10.07.2001 lehnte der Beklagte die Entscheidung der bestehenden Hauterkrankung ab. Eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit gemäß § 9 Abs.1 SGB VII liege nicht vor. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2001 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage und machte geltend, das Gutachten verneine unsubstantiiert und unschlüssig einen Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und der unstreitig bestehenden Hauterkrankung. Die Art und Weise der Schadstoffeinwirkung werde überhaupt nicht dargestellt. Es gehe nicht an, eine Klage auf der Grundlage eines völlig untauglichen Gutachtens abzuweisen. Auf Antrag des Klägers holte das Sozialgericht sodann ein Gutachten des Direktors des Instituts für Arbeit-, Sozial- und Umweltmedizin Prof.Dr.D. vom 15.08.2003 ein. Der Sachverständige weist ebenfalls darauf hin, dass die Ätiologie der Erkrankung bisher weitgehend unbekannt sei. Die Krankheit könne spontan oder in Zusammenhang mit UV- oder Röntgenbestrahlung oder infolge von Verbrennung auftreten. Bei einer Prädisposition zu Autoimmunreaktionen könne ein Pemphigus vulgaris durch Einnahme von Medikamenten ausgelöst werden. Er bestätigt insoweit in vollem Umfang die vom Vorgutachter getroffenen Feststellungen. Die Literaturrecherche in der medizinischen Datenbank Medline zeige auf der einen Seite keinerlei Hinweis, dass eine bestimmte Berufsgruppe ein erhöhtes Risiko trage, an einem Pemphigus vulgaris zu erkranken. Zum anderen sei nicht bekannt, dass die Exposition zu Ammoniak ein erhöhtes Risiko berge, an einem Pemphigus vulgaris zu erkranken. Die vorliegenden Einzelfallberichte und Publikationen lieferten Hinweise, dass die Entstehung eines Pemphigus vulgaris möglicherweise durch Umgebungsfaktoren getriggert sein könnte, aber die vorliegenden Hinweise reichten nicht aus, um im vorliegenden Erkrankungsfall des Klägers dem Pemphigus vulgaris bei beruflicher Exposition zu Ammoniak als Berufskrankheit anzuerkennen. Mit Schreiben vom 02.10.2003 trug der Kläger dazu vor, im Gutachten werde festgestellt, dass die gegenständliche Krankheit im Zusammenhang mit UV- und Röntgenstrahlung oder infolge von Verbrennung auftreten könne. Vor diesem Hintergrund sei aus seiner Sicht nicht verständlich, weshalb der Gutachter seine Begutachtung nicht auf diese möglichen Ursachen erstreckt habe. Es müsse doch bei der Tätigkeit als Lichtpauser, die immerhin acht Jahre betragen habe, auch diese Möglichkeit ins Kalkül gezogen werden. Mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2003 wies das Sozialgericht Regensburg die Klage ab. Es nahm Bezug auf den Bescheid des Beklagten und den Widerspruchsbescheid. Weiter stützte es sich auf die Gutachten des Prof.Dr.L. und Prof.Dr.D. Auch eine Anerkennung "wie eine Berufskrankheit" (§ 9 Abs.2 SGB VII) komme nicht in Betracht. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Mit dieser macht er geltend, in einer Druckerei, in der ganztägig Kopiergeräte betrieben würden, liege es nahe, dass UV- bzw. Röntgenstrahlen ihre unheilvolle Wirkung entfalteten. Diese Möglichkeit habe das Sozialgericht als "offensichtlich neben der Sache liegend" bezeichnet. Das Sozialgericht habe hiergegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht verstoßen. Wenn es schon selbst keine Wege der Aufklärung beschreite, müsse es wenigstens Anregungen oder Anträgen der Parteien folgen. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes des Beklagten veranlasst, in der ausgeführt wird, an Lichtpausmaschinen sei Röntgenstrahlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unbedeutend, da hierfür keine ausreichenden Energiestärken gegeben seien und kein starkes Abbremsen von Elektronen beim Auftreffen auf Masse vorliege. Diese Einschätzung decke sich im Übrigen zu 100 % mit der seitens der BG Druck- und Papierverarbeitung. Auch bei der genannten Berufsgenossenschaft werde kein erhöhtes Risiko im Hinblick auf die Anerkennung von Berufskrankheiten gesehen. Wie ermittelt haben werden können, sei an der Lichtquelle von Pausmaschinen teilweise sichtbares Licht emittiert, auch Strahlung am Rand des UV-Spektrums. Lichtquellen seien jedoch im Gerät und immer gekapselt. Sofern überhaupt Emissionen nach außen austräten, seien diese höchstens diffuser Art und von extrem geringer Intensität. Für den normalen Benutzer eines abgeschlossenen Gerätes bestehe kein erhöhtes Sicherheitsrisiko im Bezug auf UV-Strahlung. Es wäre anders, wenn jemand Geräte öffnen müsste, um Reparaturen und Wartungsarbeiten durchzuführen. Aber auch dies werde immer bei abgeschalteter Maschine gemacht. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei geöffnetem Gerät Wartungsarbeiten durchführen habe müssen und dies bei eingeschalteter Lampe getan habe. Es könne als bekannte Sicherheitsweisheit gelten, dass Lichtpausmaschinen gekapselt seien, um Emissionen zu vermeiden. Gerätehersteller bauten ihre Maschinen dementsprechend. Auch im Hinblick auf UV-Strahlung sei bei der BG Druck- und Papierverarbeitung nichts über eine auffällige Häufung von Berufskrankheitenanzeigen bekannt. Wie dem Gespräch mit dem Gutachter Dr.S. klar zu entnehmen gewesen sei, sei der Hinweis auf UV- und Röntgenstrahlung beim Auftreten des vorliegenden Krankheitsbildes der Literatur entnommen. Auf keinen Fall werde im Gutachten der Verdacht geäußert, dass hier eine konkrete Verbindung zwischen Arbeitsumgebung und der Krankheit bestehen würde. Ausdrücklich sei auch der Grundsatz wiederholt, dass für eine Kausalität im Sinne des Berufskrankheitenrechts die Möglichkeit nicht ausreiche, sondern es müsse mehr für einen Zusammenhang sprechen als dagegen. Aus Sicht des TAD sei deshalb die Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung am Arbeitsplatz der Lichtpauserei im Hinblick auf UV- oder Röntgenstrahlung gleich Null. Dazu machte der Bevollmächtigte des Klägers geltend, entgegen der Annahme des Technischen Aufsichtsdienstes habe der Kläger Wartungsarbeiten bei geöffneten Geräten durchgeführt, so dass er in den Genuss der UV-Strahlung gelant sei. Es habe aber nicht nur die UV-Strahlung gegeben, sondern ständigen Kontakt zu den Tonerstoffen. Genau dies sei bislang überhaupt noch nicht untersucht worden. Im Termin zur Beweisaufnahme am 17.11.2004 hat der Senat den Kläger zur Sache gehört. Er hat erklärt, nach seiner Ansicht durch den Umgang mit Toner erkrankt zu sein. Der Tonerfarbstoff würden in 2 kg Patronen in den großen Kopierer (Rank-Xerox) gefüllt und in Kilopatronen in den Kopierer von IBM-Kodak. Die Patronen seien zum Teil beschädigt gewesen, so dass schon beim Einfüllen in die Maschinen der Farbstoff herausgerieselt sei und in die Maschine hinein und nach seiner Ansicht durch die Ventilatoren in die Luft gewirbelt worden seien. Er habe auch kleine Wartungsarbeiten an der offenen Maschine durchführen müssen, zum Beispiel wenn es einen Papierstau gegeben habe oder wenn die Kopie dunkel geworden sei. Dann hätten die entsprechenden Walzen gereinigt werden müssen. Zu diesem Zweck hätten die Walzen bewegt werden müssen und deshalb sei die Maschine zu dieser Zeit eingeschaltet gewesen. Zwar sei es richtig, dass die Lampe des Kopierers ausgehe, wenn die Maschine geöffnet werde, die Maschine sei aber weiter an gewesen. Ob die Lampe bei den Reinigungsvorgängen gebrannt habe, könne er nicht mehr mit Sicherheit sagen. Die Maschine sei aber soweit an gewesen, dass er die Walzen habe bewegen können. Bei der Untersuchung des Technischen Aufsichtsdienstes sei ihm die Gefahr durch den Toner noch nicht bewusst gewesen. Deshalb habe er diesbezüglich nichts gesagt. Die Messungen durch den Technischen Aufsichtsdienst bezüglich des Ammoniak seien völlig unzureichend gewesen, denn das Messgerät habe nicht einmal etwas angezeigt, als die Ammoniakflasche offen gewesen sei und der Prüfer das Gerät über die Flasche gehalten habe. Auch beim Einschieben der Patronen habe es vorkommen können, dass sich die Patrone verkantet habe und dabei beschädigt worden sei und es zum Herausrieseln des Toners gekommen sei. Auch die Techniker hätten immer ihre Staubsauger dabei gehabt und die Maschinen auf diese Weise gereinigt. Es sei nicht mit Handschuhen und Masken gearbeitet worden. Ammoniak sei nur in der Lichtpausmaschine verwendet worden. Diese Maschine habe er auch bedient. Es habe ihm niemand gesagt, dass die Lampe nicht brennen dürfe, wenn die Maschine offen sei. Er wisse nicht mehr genau, ob sie gebrannt habe, wenn er kleine Wartungen durchgeführt habe. Er wolle darauf hinweisen, dass in der Lichtpausmaschine Salmiak verwendet worden sei, ob dies genau dasselbe sei wie Ammoniak, wisse er nicht. Der Bevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, dass es bei der Universität Oldenburg Untersuchungen darüber gegebe, dass Toner auf die Schleimhäute durch seine Bestandteile Kobalt und Nickel einwirke. Dies habe er aus dem Internet. Mit Schreiben vom 22.11.2004 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass der Rechtsstreit für entscheidungsreif angesehen werde.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 21.10.2003 aufzuheben und den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 10.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2001 zu verurteilen, die beim Kläger vorliegende Erkrankung der Mundschleimhaut als Berufskrankheit anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Regensburg, des Ammtes für Versorgung und Familienförderung Regensburg und die Akten der LVA Niederbayern-Oberpfalz beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 143 ff. SGG zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

Die beim Kläger bestehende Erkrankung "Pemphigus vulgaris" ist keine Berufskrankheit im Sinne von § 551 Abs.1 RVO i.V.m. der Berufskrankheitenverordnung bzw. § 9 Abs.1 i.V.m. der Berufskrankheitenverordnung. Nach diesen Bestimmungen gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl.I, S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich nur solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sei, das heißt, die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Die rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Pemphigus vulgaris, an dem der Kläger leidet, ursächlich auf berufsbedingte Einwirkungen bei der Tätigkeit des Klägers als Kopierer und Lichtpauser zurückzuführen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus den schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.L. , dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wurden konnte (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 118, Anm.12b) und des Prof.Dr.D ... Beide Gutachter führen übereinstimmend aus, dass der Pemphigus vulgaris eine weitgehend ungeklärte Ätiologie hat. Insbesondere das Gutachten des Prof.Dr.D. zeigt, dass es zwar offensichtlich mehrere Untersuchungen zur Entstehung des Pemphigus vulgaris gibt. So fand Prof.Dr.D. bei seiner Recherche 16 Arbeiten zu "pemphigus and occupation". Nichts desto trotz ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ätiologie der Erkrankung bisher weitgehend unbekannt ist, dass es lediglich Hinweise darauf gibt, dass die Krankheit spontan oder im Zusammenhang mit UV- oder Röntgenbestrahlung oder infolge von Verbrennung auftreten kann. Damit bestätigt er in vollem Umfang die Ausführungen des vom Beklagten gehörten Prof.Dr.L ... Eine Erkrankung des Klägers durch berufsbedingte Einwirkung von UV- oder Röntgenbestrahlung kann indessen nicht angenommen werden. Derartige Einwirkungen müssen als tatbestandsbegründende Merkmale mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Dies ist jedoch nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 16.03.2004 und den Angaben des Klägers im Erörterunstermin am 17.11.2004 nicht der Fall. Bezüglich der Röntgenstrahlung hat der Technische Aufsichtsdienst überzeugend dargelegt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an Lichtpausmaschinen unbedeutend ist, da hierfür keine ausreichenden Energiestärken gegeben sind und kein starkes Abbremsen von Elektronen beim Auftreffen auf Masse vorliegt. Aber auch schädigende Einwirkungen durch UV-Strahlung können nicht angenommen werden. Hierzu weist der Technische Aufsichtsdienst darauf hin, dass zwar an der Lichtquelle von Pausmaschinen teilweise sichtbares Licht emittiert, dass Lichtquellen jedoch im Gerät und immer gekapselt sind. Sofern überhaupt Emissionen nach außen austreten, sind sie höchstens diffuser Art und von extrem geringer Intensität. Zwar werden die Geräte geöffnet, um Reparaturen und Wartungsarbeiten durchzuführen, doch wird dies immer bei abgeschalteter Maschine gemacht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei geöffnetem Gerät Wartungsarbeiten durchführen musste und dies bei eingeschalteter Lampe getan hat. Der Kläger selbst hat im Erörterungstermin am 17.11.2004 dem Vertreter der Beklagten beigepflichtet, dass die Lampe des Kopierers ausgeht, wenn die Maschine geöffnet wird. Er hat auch nicht behauptet, dass er im geöffneten Gerät bei eingeschalteter Lampe gearbeitet hat, sondern eingeräumt, dass er nicht mehr wisse, ob die Lampe bei kleinen Wartungsarbeiten gebrannt hat. Bei der vom Vertreter der Beklagten angesprochenen Mechanik der Maschine, ist indessen davon auszugehen, dass die Lampe bei den vom Kläger durchgeführten Wartungsarbeiten ausgeschaltet war. Es kommt danach weder eine Einwirkung durch Röntgenstrahlen noch durch UV-Strahlen in Betracht. Im Übrigen sind keine Stoffe bekannt, die zu der Erkrankung führen würden. Allenfalls gibt es Hinweise auf Möglichkeiten der Begünstigung der Entstehung vom Pemphigus vulgaris durch beispielsweise Einnahme von bestimmten Medikamenten, wie etwa nichtsteroidalen Antirheumatika, die der Kläger, wie der Sachverständige Prof.Dr.D. darlegt, in der Vergangenheit wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden immer wieder eingenommen hat. Dies würde gegen eine berufsbedingte Einwirkung sprechen. Zudem genügt die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung nicht, um eine berufsbedingte Krankheit annehmen zu können. Vielmehr muss der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit gegeben sein, das heißt, es muss deutlich mehr dafür als dagegen sprechen (vgl. BSGE 45, 285). Dies gilt auch für die vom Kläger geltend gemachte Einwirkung durch Toner oder Ammoniak. Prof. Dr.D. weist ausdrücklich darauf hin, dass nicht bekannt ist, dass die Exposition zu Ammoniak ein erhöhtes Risiko birgt, an einem Pemphigus vulgaris zu erkranken. Es kann aber auch nicht angenommen werden, dass der Umgang mit Toner ursächlich für die Erkrankung des Klägers war. Abgesehen davon, dass nach dem Vortrag des Klägers schon eine relevante Einwirkung durch Toner unwahrscheinlich ist, weil es die Ausnahme sein dürfte, dass die Tonerpatronen defekt waren und der Tonerstaub die Umgebungsluft verunreinigt hat, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass nach den einhelligen Gutachten keine Stoffe bekannt sind, die mit Wahrscheinlichkeit zu Pemphigus vulgaris führen, im Gegenteil betont Prof.Dr.D. , dass keinerlei Hinweise vorliegen, dass eine bestimmte Berufsgruppe ein erhöhtes Risiko trägt, an einem Pemphigus vulgaris zu erkranken. Nach alldem kann eine Berufskrankheit des Klägers nicht angenommen werden, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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