L 15 V 16/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 V 21/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 16/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2002 wird ver- worfen.
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Witwenrente bzw. um die Zulässigkeit der Berufung.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihrer 1921 geborenen und am 12.12.2003 verstorbenen Mutter (Erbschein Amtsgericht G. vom 27.02.2004), die am 22.10.1997 Witwenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach ihrem am 04.09.1996 verstorbenen versorgungsberechtigten Ehemann, A. L. , (nachfolgend Versorgungsberechtigter) beantragte. Bei diesem waren zuletzt mit Bescheid vom 13.05.1953 im Sinne der Entstehung mit einer MdE von 40 v.H. "Herzleistungsminderung bei Myocardschaden, Lebergewebeschädigung" als Schädigungsfolgen anerkannt. Laut Todesbescheinigung des Gesundheitsamtes G. vom 18.09.1996 war der Tod durch "Herzinsuffizienz bei Tumor-Kachexie und Verdacht auf Colon NPL" eingetreten.

Mit Bescheid vom 15.12.1997 lehnte der Beklagte Witwenrente ab, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Todesleiden und den anerkannten Schädigungsfolgen bestehe; auch eine Versorgung nach § 1 Abs.5 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG lehnte er ab. Den Widerspruch hiergegen vom 30.12.1997 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.1999 zurück. Witwenbeihilfe lehnte er mit Bescheid vom 15.07.1998 ab. Ein Widerspruchsbescheid wurde trotz Einlegung des Widerspruchs hiergegen am 17.08.1998 bislang nicht erlassen, da der Widerspruch trotz letztmaliger Mahnung vom 21.08.2002 bislang nicht begründet wurde. Auch die im Witwenrentenverfahren eingeschaltete Rechtsanwältin wurde nicht mehr tätig.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.01.1999 erhob die Klägerin für ihre Mutter am 26.02.1999 Klage.

Mit Urteil vom 10.07.2002 wies das Sozialgericht München die Klage unter Bezug auf das Gutachten des Sachverständigen M. , der Versorgungsärztin Dr. H. bzw. auf die Gründe der Verwaltungsentscheidungen ab. Ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutschen Post AG vom 24.07.2002 wurde das Urteil in den Briefkasten der Mutter eingeworfen.

Am 27.08.2002 wurde dem Nachtbriefkasten des Bayer. Landessozialgerichts ein Schreiben der Klägerin vom 24.08.2002 entnommen, mit dem sie Berufung gegen dieses Urteil einlegte und gleichzeitig ankündigte, Begründung und Vollmacht im Original nachzureichen.

Nachdem der Klägerin seitens des Gerichtes mit Schreiben vom 06.09.2002 mitgeteilt worden war, dass die Rechtsmittelfrist am 26.08. endete und die Berufung vom 27.08.2002 verspätet sei, rief die Klägerin u.a. am 01.10.2002 bei Gericht an, verwies auf ihren seelisch zerrütteten Gesundheitszustand wegen ihrer auf der Intensivstation liegenden Mutter und kündigte ihr Kommen bei Gericht an. Am 04.10.2002 erschien sie auf der Geschäftsstelle und erklärte u.a., nicht in der Lage gewesen zu sein, die Berufung rechtzeitig einzuwerfen, da ihre Mutter im Krankenhaus wegen eines Herzinfarktes gelegen habe, sie selbst im Dauerstress gestanden hätte und zwischen dem Krankenhaus und ihrer Wohnung hin und her gependelt sei; den Briefkasten ihrer Mutter in Bad K. habe sie aus zeitlichen Gründen nicht mehr regelmäßig kontrolliert; es sei auch nicht geklärt, ob ihre Mutter in ein Pflegeheim müsse oder wieder nach Hause kommen könne; aus diesem Grunde sei auch sie gesundheitlich sehr angeschlagen; deswegen habe sie die Berufungsschrift ihrer Kusine, Frau P. , in M. ihrer Erinnerung nach am Wochenende 24./25.08. übergeben; diese habe sich per Taxi zum Gericht fahren lassen; der Taxifahrer habe die Berufung dann in den Nachtbriefkasten eingeworfen; ihre Kusine sei der Auffassung, die Berufung sei noch rechtzeitig vor Mitternacht eingeworfen worden.

In der nachfolgenden Zeit war es nicht möglich, Termine durchzuführen oder von der Klägerin Sachanträge zu erhalten: die Klägerin legte für sich und ihre Mutter entsprechende ärztliche Atteste vor, bat um Aufschub des Rechtsstreites, zuletzt am 20.02.2004 bis Ende des zweiten Quartals 2004 und stellte am 29.09.2004 u.a. telefonisch eine Rücknahme der Berufung in Aussicht. In dem daraufhin am 28.10.2004 angesetzten Erörterungstermin erschien sie nicht.

In der mündlichen Verhandlung war für die Klägerin niemand erschienen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2002 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.01.1999 aufzuheben und ihr Witwenrente bis zum Tode ihrer am 12.12.2003 verstorbenen Mutter zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.07.2002 zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Verfahren wurden beigezogen die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Versorgungsberechtigten sowie die Witwenrentenakten und die Akten des Bayer. Landessozialgerichts, Az.: L 7 V 193/72 und des Sozialgerichts München, Az.: S 29 V 21/99.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze samt Anlagen der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die formgerecht eingelegte Berufung ist wegen Versäumung der einmonatigen Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutschen Post AG wurde das angefochtene Urteil am 24.07.2000 durch Einwurf in den Briefkasten der Mutter und damit der richtigen Adressatin zugestellt. Die einmonatige Berufungsfrist begann daher am 25.07.2002 und endete mit Ablauf des 26.08.2002, da zuvor ein Wochenende war (§§ 151 Abs. 1, 64 SGG). Nachdem die Berufungsschrift der Klägerin vom 24.08.2002 jedoch erst am 27.08.2002 beim Bayer. Landessozialgericht einging, liegt keine fristgerechte Berufung vor.

Diese Versäumung der Rechtsmittelfrist kann auch nicht durch das Institut der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" geheilt werden (§§ 67, 153 SGG). Obwohl die Klägerin im Schreiben des Gerichtes vom 06.09.2002 umfassend auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, konnte sie glaubhaft keine Umstände darlegen, wonach sie ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Wenn sie in der Niederschrift vom 04.10.2002 angibt, den Briefkasten ihrer Mutter aus zeitlichen Gründen nicht mehr regelmäßig kontrolliert und das angefochtene Urteil wahrscheinlich erst am 24.08.2002 gefunden zu haben, so ist in diesem Verhalten eine Nachlässigkeit zu sehen, die umso schwerer wiegt, als die Klägerin Bevollmächtigte ihrer Mutter im Klageverfahren war und von dem Sozialgerichtstermin Kenntnis hatte. Dies zeigt zumindest die von ihr verfasste Mitteilung vom 08.07.2002 an das Sozialgericht, die von ihrer Mutter unterschrieben war. Auch die Übergabe der Berufungsschrift an ihre Cousine und deren Weitergabe an den Taxifahrer zum Einwurf in den Nachtbriefkasten kann nicht als ordnungsgemäße Wahrnehmung der Interessen ihrer Mutter bezüglich einer rechtzeitigen Berufungseinlegung gewertet werden. Schließlich war auch der von der Klägerin geschilderte "Dauerstress" nicht geeignet, sie an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung zu hindern. Durch Krankheit wird die Versäumung der Frist zur Einlegung zwar grundsätzlich schon dann entschuldigt, wenn sie so schwer war, dass ein Prozessbevollmächtigter nicht mit der Beschwerdeeinlegung beauftragt und in gebotenem Umfang informiert werden konnte (vgl. z.B. BVerwG vom 19.07.1962, Az.: VIII B 186.60 in DVBl 1963, 684 und in MDR 1962, 931; das BSG zitiert diese Entscheidung in Az.: 9a BVg 10/91 vom 25.02.1992 und in Az.: 4 NB 35/93 vom 27.09.1993); die von der Klägerin geschilderte Stresssituation erfüllt diese Kriterien einer Krankheit nicht, entsprechende ärztliche Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Unverständlich ist dem Gericht auch, dass die Klägerin die Berufungsschrift nicht, wie bereits früher im Verwaltungsverfahren gefaxt hat. Unverständlich ist auch, warum sie die im Verwaltungsverfahren bereits beauftragte Rechtsanwältin im Falle einer möglichen eigenen Verhinderung bzw. Überbelastung nicht mit der Einlegung der Berufung beauftragte; auch die von ihr gegenüber der Verwaltung und später auch gegenüber dem Gericht angekündigte Vertretung durch den VdK kam nicht zustande.

Nachdem eine fristgemäße Einlegung des Rechtsmittels damit nicht erfolgte, ist dem Senat die materiell-rechtliche Prüfung der Witwenrente verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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