L 3 KA 504/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 5130/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KA 504/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2001 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtigungen der Honorarabrechnungen des 1. bis 4. Quartals 1995 wegen der mehrfachen Abrechnung von Leistungen nach der Nr. 54 b und c des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (Bema-Z) bzw. der Anlage 1 der Gebührenordnung des Ersatzkassenvertrages-Zahnärzte (EKV-Z - nachfolgend Bema-Nr. 54 b und c).

Der Kläger nimmt an der vertragszahnärztlichen Versorgung als niedergelassener Zahnarzt und Oralchirurg in R. teil. Mit Schreiben vom 25.01.1999 wies ihn die Beklagte darauf hin, dass Wurzelspitzenresektionen nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.05.1998 (Az.: B 6 KA 34/97) entsprechend der Bema-Nr. 54 nur einmal je Zahn und Sitzung abrechenbar sind. Sie werde daher die Berichtigung solcher Fälle aus dem Jahr 1995 zum Ende des 1. Quartals 1999 durchführen und sein Honorarkonto zum 25.03.1999 mit DM 10.618 (= Euro 5.428,01) belasten.

Dagegen erhob der Kläger am 31.05.1999 Widerspruch mit der Begründung, er habe auf den Bestand der Quartalsbescheide vertrauen dürfen und habe das ihm überwiesene Geld in gutem Glauben verbraucht.

Am 18.10.1999 erteilte die Beklagte einen mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid, in dem sie zu den Einwendungen des Klägers Stellung nahm, diese für unbegründet hielt und an der Berichtigung festhielt.

Über den mit gleicher Begründung dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers entschied die Widerspruchsstelle für sachlich-rechnerische Berichtigung in der Sitzung vom 14.03.2000. Sie verwies auf die Unanwendbarkeit der Vorschriften der §§ 45 ff des Zehnten Sozialgesetzbuchs (SGB X) im Vertragsarztrecht und die Vorläufigkeit von Honorarbescheiden bis zum Ablauf der für Berichtigungen geltenden "Verjährungsfrist" von vier Jahren. Sie verneinte einen Vertrauensschutz zugunsten des Klägers und hielt auch für die Mehrfachberechnung der Bema-Nr. 54 c das Urteil des BSG vom 13.05.1998 für zutreffend. Die Entscheidung gab sie dem Kläger am 12.04.2000 bekannt.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25.01.1999 und 18.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2000 zu verurteilen, den einbehaltenen Betrag auszuzahlen. Das SG hat die von der Berichtigung betroffenen Kassen, die AOK Bayern und den Verband der Angestelltenkrankenkassen (VDAK) beigeladen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger wie im Widerspruchsverfahren vorgebracht, er habe auf den Bestand der Quartalsabrechnungen vertrauen dürfen und eine Berichtigung der nach der Bema-Nr. 54 c abgerechneten Leistungen sei nicht veranlasst gewesen, da das BSG hierzu nicht entschieden habe. Die Beklagte hat an ihrem Standpunkt festgehalten.

Mit Urteil vom 05.12.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf die Begründung im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und nochmals betont, der Ursprungsbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen; die Beklagte habe zu Recht von ihrem Berichtigungsrecht Gebrauch gemacht.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, den Berichtigungsbescheiden fehle die Rechtsgrundlage. Die ursprünglichen Quartalshonorarbescheide seien nicht unter dem Vorbehalt einer späteren Berichtigung im Hinblick auf die - der Beklagten bekannten - streitige Abrechenbarkeit von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 erlassen worden. Die Bescheide seien bestandskräftig. Die Beklagte habe die Berichtigung ohne oder gemäß ihm nicht bekanntgegebener Anträge der Kassen vorgenommen und damit das in §§ 15, 16 des Bayerischen Gesamtvertrages-Zahnärzte (GV-Z) vereinbarte Verfahren nicht eingehalten. Schon aus diesem Grunde sei das Vorgehen der Beklagten rechtswidrig. Für eine Berichtigung von Amts wegen fehle der Beklagten die Kompetenz. Abgesehen davon müßten Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit unverzüglich nach Einreichen der Quartalsabrechnung durchgeführt werden, ansonsten erlange der darauf ergehende Honorarbescheid Bestandskraft. Eine Frist von vier Jahren für eine Berichtigung - wie die Beklagte meine - sei nirgendwo festgehalten. Außerdem komme es auf die Fehlerhaftigkeit zum Zeitpunkt der Honorarabrechnung an. Bei der jeweiligen Quartalsabrechnung habe er sich an die Vorgaben der Beklagten gehalten, die selbst die Mehrfachabrechnung empfohlen habe. Eine Unrichtigkeit habe zum Zeitpunkt der Abrechnung nicht, sondern allenfalls ab der Entscheidung des BSG vom 13.05.1998 vorgelegen. Auch könne er sich auf Vertrauensschutz berufen, bei dem auf den Empfängerhorizont abzustellen sei. Er habe erst einige Zeit nach dem BSG-Urteil von der nicht zulässigen Mehrfachabrechnung erfahren. Die Beklagte hätte ausschließlich nach § 45 SGB X vorgehen müssen, nicht zuletzt deswegen, weil sie die angefochtenen Quartalsbescheide bereits auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und auf Wirtschaftlichkeit einer Überprüfung unterzogen hatte. Dabei sei auch die Bema-Nr. 54 b Gegenstand der Prüfung gewesen. Er hat diverse Schreiben der Beklagten vorgelegt, die sich auf Berichtigungen der Abrechnungen zu Quartalen des Jahres 1994, aber auch zum 1. und 2. Quartal des Jahres 1995 bezogen. Im Bereich der chirurgisch-konservierenden Behandlung wurde lediglich die Abrechnung der GOÄ Nr. 16 beanstandet. In den vom Kläger übersandten Beschlüssen des Prüfungsausschusses wurde im Schreiben vom 09.04.1997 (zum 4. Quartal 1995) die Bema-Nr. 54 b angesprochen und die Bitte geäußert, zur Überprüfung der Notwendigkeit der Maßnahme Stellung zu nehmen; von einer Berichtigung wurde Abstand genommen.

Die Beklagte und die Beigeladenen haben ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in Abrede gestellt und die Berichtigung für rechtmäßig gehalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 05.12.2001 und der Bescheide vom 25.01.1999 und 18.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2000 zu verurteilen, das berichtigte Honorar für die Quartale 1 bis 4/1995 in Höhe von 5.428,90 Euro auszubezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2001 zurückzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 schließen sich dem Antrag der Beklagten an. Die Beigeladene zu 2 stellt keinen Antrag.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Akte der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie nach § 143 i.V.m. § 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 25.01.1999 und 18.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2000 entsprechen der Sach- und Rechtslage. Die Beklagte war berechtigt, die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale 1 bis 4/1995 hinsichtlich des mehrfachen Ansatzes der Bema-Nr. 54 b und c bei Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Zähnen in der selben Sitzung zu berichtigen; sie konnte den überzahlten Betrag zurückfordern bzw. mit dem laufenden Honoraranspruch des Klägers verrechnen. Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen auf den Bestand der Quartalsbescheide berufen; Ausschlussfristen stehen nicht entgegen.

Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Berichtigung ist aus § 75 Abs.1 und Abs.2 Satz 2 1.Halbsatz des 5. Sozialgesetzbuchs (SGB V) und den gesamtvertraglichen Bestimmungen des § 19 a des Bundesmantelvertrages für Zahnärzte (BMV-Z) bzw. § 16 GV-Z im Primärkassenbereich und dem § 12 Abs.1 Satz 1 des Ersatzkassenvertrages-Zahnärzte (EKV-Z) im Ersatzkassenbereich abzuleiten. Danach obliegt es der Beklagten, die vom Vertragszahnarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenmäßig zu prüfen und gegebenenfalls zu berichtigen. Hierzu ist sie von Amts wegen verpflichtet. Daneben besteht die Möglichkeit, dass Kassen ihrerseits Anträge stellen, um damit ein Prüfungsverfahren durch die Beklagte einzuleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 24.08.1994 - 6 RKA 20/93; vom 31.10.2001 - B 6 KA 16/00 R; vom 12.12.2001 und vom 26.06.2002, beide a.a.O.) kann eine Berichtigung der Honorarabrechnung eines Vertragszahnarztes auch dann noch erfolgen, wenn aufgrund der eingereichten Honorarabrechnungen bereits Auszahlungen an ihn geleistet wurden. Der Vertragszahnarzt hat dann das zuviel erhaltene Honorar zurückzahlen bzw. die Beklagte kann mit Ansprüchen des Zahnarztes aus einer späteren Honorarabrechnung aufrechnen.

Aufgrund dieser Befugnis war die Beklagte bereits von Amts wegen - und nicht erst wie der Kläger meint, aufgrund von Berichtigungsanträgen der Kassen - berechtigt und wegen der Gleichbehandlung der in ihrem Gebiet zugelassenen Vertragszahnärzte verpflichtet, die vom Kläger mehrfach in Rechnung gestellten Gebühren nach der Bema-Nr. 54 b und c zu berichtigen. Auf die Einhaltung gesamtvertraglich vereinbarter Fristen und auf die Kenntnis des Klägers solcher Anträge kommt es damit nicht an.

Voraussetzung für eine Berichtigung ist allein, dass eine Abrechnung nicht vertragsgemäß vorgenommen wurde; auf ein Verschulden - gleich welcher Seite - kommt es nicht an. Dass bei einer Wurzelspitzenresektion an einem Seitenzahn, auch wenn mehrere Wurzelspitzen reseziert werden, die Bema-Nr. 54 b nur einmal abrechenbar ist, entschied das BSG im Urteil vom 13.05.1998. Ausgangspunkt der vom BSG getroffenen Entscheidung war das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27.11.1996, das anders als das Landessozialgericht Schleswig-Holstein im Urteil vom 02.07.1991 die Abrechnung der Resektion mehrerer Wurzelspitzen an einem mehrwurzeligen Zahn in einer Sitzung nur einmal für zulässig erachtete. Das BSG stellte klar, dass unter den verschiedenen in Betracht kommenden Auslegungsregeln und unter dem gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbaren Gesichtspunkt der Angemessenheit der Vergütung eine Mehrfachabrechnung nicht rechtens ist. Hätten die Vertragspartner, die allein für die Festlegung der Gebührenabrechnung zuständig sind, eine Mehrfachabrechnung der Bema-Nr. 54 b, nämlich je Wurzel bei Wurzelspitzenresektionen an mehrwurzeligen Zähnen gewollt, so hätten sie dies durch einen eindeutigen Wortlaut und einen entsprechenden Zusatz deutlich machen müssen. Da sie dies nicht taten und sich aus der Entstehungsgeschichte der Bema-Nr. 54 b nichts anderes herleiten läßt, besteht kein Raum für eine erweiternde Auslegung. Insoweit bleibt es, wenn in derselben Sitzung mehrere Wurzelspitzen eines mehrwurzeligen Seitenzahnes reseziert werden mussten, obwohl damit i.d.R. ein Mehraufwand verbunden ist, beim einfachen Ansatz der Bema-Nr. 54 b.

Soweit der Kläger die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen auch bezüglich der Bema-Nr. 54 c rügt, sind die Ausführungen des BSG im Urteil vom 13.05.1998 auf die Abrechenbarkeit der Bema-Nr. 54 c ohne weiteres übertragbar. Dass die Mitglieder des Bewertungsausschuss im Jahr 2004 eine andere Bewertung für Wurzelspitzenresektionen beschlossen und dies durch einen eindeutigen Wortlaut klar stellten, führt zu keiner anderen Entscheidung. Denn bei der hier erhobenen Anfechtungsklage ist das Recht anzuwenden, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes galt (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 54 Anm. 32). Die Neufassung ab 2004 kann somit nicht maßgeblich sein.

Damit steht fest, dass die Mehrfachabrechnung der Bema-Nrn. 54 b und c durch den Kläger bereits zum Zeitpunkt seiner Honoraranforderung für die Quartale 1 bis 4/1995 nicht der Rechtslage entsprach. Die Quartalshonorarabrechnungen waren unrichtig und daher zu berichtigen.

Diese grundsätzliche Befugnis zur Richtigstellung steht der Beklagten nicht unbegrenzt zu. In seinen Entscheidungen vom 10.05.1995, 15.11.1995 und 12.12.2001 (Az.: 6 RKa 17/97; 6 RKa 57/97 = SozR 3-5535 Bema-Nr.119 Nr.1 und B 6 KA 3/01 R = SozR 3-2500 § 82 Nr.3) betonte das BSG, dass für den eine Wirtschaftlichkeitsprüfung oder eine sachlich-rechnerische Berichtigung abschließenden Verwaltungsakt eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt. Dies folgt, obwohl weder gesetzlich noch vertraglich verankert, aus dem Gedanken, dass vorläufige Honorarbescheide nicht auf unbegrenzte Zeit abänderbar sein können und der Vertrags(zahn)arzt zu einem bestimmten Zeitpunkt darauf vertrauen darf, dass ihm das gezahlte Honorar auch zusteht. Aus dem allgemeinen Gedanken der im Sozialrecht geltenden Verjährungsfrist von vier Jahren nach § 45 SGB I läßt sich ableiten, dass ein solcher Zeitraum auch für eine Honorarberichtigung gilt. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Quartalabrechnungsbescheides (BSG vom 12.12.2001 a.a.O.), wird durch einen dem Vertrags(zahn)arzt erteilten Bescheid über das Ergebnis der Honorarprüfung unterbrochen und endet mit Ablauf von vier Jahren.

Die Abrechnung und Auszahlung für die streitigen Quartale des Jahres 1995 erfolgte - in Übereinstimmung mit Abs. 10 der Teilzahlungsanordnung in Anlage I des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) vom 05.12.1987 der KZVB für konservierend-chirurgische Abrechnung - am 25. des 3. Monats des jeweiligen Folgequartals -, also spätestens zum 25.06.1995 für des 1. Quartal. Der als Hinweis bezeichnete Verwaltungsakt vom 25.01.1999 unterbrach daher die Ausschlussfrist bezüglich der Abrechnung des 1. Quartals und demnach auch der folgenden Quartale.

Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dieser Berichtigungsbefugnis der Beklagten nicht entgegen. Honorarbescheide ergehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der späteren Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit. Dies betonte das BSG zuletzt in seinen Urteilen vom 31.10.2001 und vom 12.12.2001 (beide a.a.O.). Denn, so führte das BSG aus, nur so lasse sich erreichen, dass die Vertrags(zahn)ärzte möglichst rasch über ihr Honorar verfügen können und eine endgültige Prüfung mit einer eventuellen Berichtigung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. Schließlich liegt es im Interesse der Zahnärzte, so schnell wie möglich zu ihrem Honorar zu kommen. Als Kehrseite dieser Begünstigung müssen sie es hinnehmen, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Berichtigung stattfindet. Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der Honorarabrechnung ist insoweit nicht gegeben. Die Bestimmungen über die Befugnisse der Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, Honorarbescheide wegen sachlich-rechnerischer Fehler nachträglich korrigieren zu können, verdrängen die Regelung des § 45 SGB X in ihrem Anwendungsbereich. Sie stellen von den Vorschriften des SGB X abweichende Regelungen im Sinne des § 37 Satz 1 des Ersten Sozialgesetzbuches (SGB I) dar, die auf gesetzlicher Grundlage, nämlich aufgrund von Normen der Reichsversicherungsordnung und später des SGB V erlassen worden sind. Dabei ist die Berichtigungsbefugnis nicht auf die Fälle beschränkt, in denen dem Vertrags(zahn)arzt ein Fehler, z.B. die unrichtige Handhabung der Gebührenordnung, anzulasten ist. Vielmehr ist einzige Voraussetzung die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit, ohne dass es - wie bereits ausgeführt - auf ein Verschulden ankommt. Auf den Vortrag des Klägers, er habe bis zur Bekanntgabe des Urteils des BSG vom 13.05.1998 im Rundschreiben der Beklagten vom 25.11.1998 nicht gewusst, dass die Mehrfachabrechnung von Leistungen nach der Bema-Nr. 54 b umstritten bzw. sogar rechtswidrig sei, kommt es nicht an. Vertrauensschutz entsteht zudem nicht bereits dadurch, dass die Beklagte nicht unverzüglich die vom Vertragszahnarzt vorgelegte Abrechnung beanstandet. Vielmehr kann sie hierzu einen Zeitraum von vier Jahren nutzen, wie bereits dargelegt (BSG vom 16.06.1993 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 19 m.w.N., vom 15.11.1995 = SozR 3-5535 Nr.119; vom 10.05.1995 - 6 RKA 17/94; vom 12.12.2001, a.a.O.).

Vertrauensschutzgesichtspunkte könnten nur dann vom Kläger mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn die Beklagte nach dem Erlass der vorläufigen Honorarbescheide ein Verhalten gezeigt hätte, welches im Kläger ein Vertrauen auf den Bestand erzeugt hätte. Ein solches Verhalten könnte, wie das BSG in seiner Entscheidung vom 26.06.2002 (a.a.O.) deutlich machte, darin liegen, dass sie bereits eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen, diese auf den Widerspruch des betroffenen Zahnarztes zurückgenommen hätte und sich später ein weiteres Mal auf ihre ursprüngliche Auffassung beziehen wollte. In so einem Fall kann der Zahnarzt darauf vertrauen, dass genau der von ihm gerügte Punkt überprüft und sein Standpunkt bekräftigt wurde.

Dies behauptet der Kläger zwar. Er übersieht jedoch, dass die von ihm vorgelegten Unterlagen sich in keiner Weise mit der Mehrfachabrechnung der Nr. 54 b und c befassen, sondern teilweise zu nicht streitigen Quartalen, zu anderen Gebühren-Nummern und nur einmal mit der Bema-Nr. 54 b, aber in einem anderen Zusammenhang. Im Schreiben vom 09.04.1997 bat der Prüfungsausschuss, Unterlagen wegen der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme vorzulegen. Inwieweit daraus abzuleiten sei, die Beklagte habe den Kläger in seiner Meinung bestärkt, dass die Mehrfachabrechnung von Leistungen nach der Bema Nr. 54 rechtmäßig sei, kann der Senat nicht nachvollziehen.

Aus diesen Ausführungen des BSG zu der inzwischen veröffentlichten Entscheidung vom 30.06.2004 (B 6 KA34/03 R; Juris) wird klar, dass nicht jede Überprüfung vor Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist zur absoluten Bestandskraft eines Honarbescheides führen kann. Es muss sich vielmehr um ein aus dem Handeln der Beklagten auf den individuellen Fall bezogenes Vertrauen handeln.

Wenn der Kläger anführt, die Beklagte habe zu den streitigen Quartalen bereits eine Berichtigung durchgeführt, so kann dies entsprechende Auswirkungen auf ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann haben, wenn darin genau die Mehrfachabrechnung von Leistungen der Bema-Nr. 54 b und c Gegenstand der Überprüfung gewesen wäre. Dies ist aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht zu erkennen.

Der Kläger kann sich, um die Aufhebung der Berichtigungen und die Rückzahlung des einbehaltenen Honorars zu erreichen, auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte die ursprünglichen Honorarbescheide nicht mit einem Vorbehalt der späteren Berichtigung und Kürzung vorsah. Sie hätte, so meint der Kläger, auf den vor dem SG Kiel anhängigen Rechtsstreit hinweisen müssen. Nach Auffassung des Senats wäre es völlig überzogen, wollte man von der Beklagten fordern, sie habe auf die zahlreichen streitigen Gebührenansätze und die in der gesamten Bundesrepublik diesbezüglich anhängigen Verfahren hinzuweisen und Honorarbescheide unter einen konkret zu bezeichnenden Vorbehalt zu stellen. Anderes gilt, wenn die Unrichtigkeit des Regelwerkes, wie des Honorarverteilungsmaßstabs, dessen Anwendung in den Verantwortungsbereich der Beklagten fällt und auf dem die gesamte Honorarabrechnung beruht, streitbefangen ist. Unrichtigkeiten beim Ansatz einzelner Gebühren gehören hingegen zum typischen Risiko des Vertragsarztes. Mit Berichtigungen muss er rechnen. Es kann ihm zugemutet werden, den Wegfall einzelner - wirtschaftlich nicht existenzgefährdender - Honorarposten ins Kalkül zu ziehen.

Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass hier kein besonderer Fall vorliegt, bei dem ausnahmsweise Vertrauensschutzgesichtspunkte analog § 45 SGB X eingreifen könnten. Damit steht die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten zu den Quartalen 1 bis 4/1995 erlassenen Bescheide vom 25.01.1999 und 18.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2000 fest. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2001 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 Abs.1 und Abs.4 SGG in der bis zum 02.01.2001 geltenden Fassung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe, die die grundsätzliche Bedeutung nahelegen würden, nicht zu erkennen sind und bezüglich der vom Kläger angesprochenen Gesichtspunkte bereits höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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