L 5 R 548/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 781/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 548/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte in Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 20. Februar 2003 und des Bescheides der Beklagten vom 11. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2002 sowie des Bescheides vom 22. Mai 2002 verurteilt, die Zeit vom 7. Juni 1972 bis 31. Dezember 1972 als Beitragszeit anzuerkennen und bei der Berechnung der Regelaltersrente zu berücksichtigen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Anerkennung zusätzlicher Versicherungszeiten von 1963 bis 1968 und von Juni 1972 bis 1974.

Der Kläger ist 1936 als kroatischer Staatsangehöriger in M. geboren. In seiner Heimat hat er folgende Versicherungszeiten zurückgelegt: vom 01.04.55 bis 12.11.1957, 08.08.1963 bis 17.11.1963, 03.04.1964 bis 18.08.1965 und 16.06.1975 bis 29.09.1991. Am 23.10.2000 beantragte er bei der Beklagten eine Kontenklärung, nachdem er wegen der Kriegsereignisse ohne Nachweis sei. Laut seinen Angaben vom 08.01.2001 war er ab 1963 ca. zwei Jahre im Bergwerk A. , danach beim Glaswerk S. in M. , dann bei M. in G. , schließlich bei G. in K. und laut Schriftsatz vom 10.05.2001 bei der Papierfabrik H. beschäftigt. Weil lediglich die Betriebskrankenkasse S. Beschäftigungszeiten bestätigen konnte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2001 die entsprechenden Versicherungszeiten gem. § 149 Abs.5 SGB VI vom 25.09.1968 bis 12.04.1969 fest. Dem widersprach der Kläger am 13.06.2001 mit der Begründung, tatsächlich sei er sieben Jahre in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; für die Untertagearbeit habe er Zeugen. Die Bundesknappschaft teilte der Beklagten am 13.11.2001 auf Nachfrage mit, ein am 15.07.1937 in M. geborener namensgleicher Versicherter habe vom 23.09.1965 bis 28.04.1967 auf der Zeche A. gearbeitet. Der Kläger gab auf Rückfrage an, in seinem alten Pass stehe als Geburtsdatum der 15.07.1937. Laut vorliegendem Heiratsregister habe er 1971 als einzige Ehe die mit seiner Frau Z. , geboren 1936, geschlossen. Die beiden Töchter J. und V. seien 1971 bzw. 1973 geboren. Auf das zweite Ersuchen mit dem Geburtsdatum 15.07.1937 berichteten die Betriebskrankenkasse der M. und die AOK Rheinland-Pfalz über Versicherungszeiten vom 25.04.1969 bis 15.08.1969, 23.09.1969 bis 17.04.1972 und 24.04.1972 bis 04.06.1972. Keine Belege über einen am 15.07.1937 geborenen Kläger fanden sich bei der AOK K. , bei der AOK M. oder der AOK S. Die Bundesknappschaft verneinte angesichts des Familienstandes und des Wohnorts des Klägers eine Personenidentität mit dem dort bis 1967 Versicherten. Der dortige Versicherte sei seit 18.03.1960 mit M. , geborene K. , verheiratet gewesen und habe eine 1963 geborene Tochter J. gehabt. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2002 stellte die Beklagte die von der BKK M. und der AOK Rheinland-Pfalz zusätzlich bescheinigte Zeit von April 1969 bis Juni 1972 als Versicherungszeit fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Dementsprechend stellte sie die ab 01.08.2001 gewährte Regelaltersrente unter Abänderung ihres ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 06.11.2001 mit Bescheid vom 22.05.2002 neu fest.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 12.06.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, es fehlten mehr als vier Jahre an Versicherungszeiten. Mit Gerichtsbescheid vom 20.02.2003 hat das Sozialgericht Landshut die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und die vergeblichen und umfangreichen Ermittlungen der Beklagten abgewiesen.

Gegen diesen am 30.09.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.10.2003 Berufung eingelegt. Er habe Zeugen für die Arbeit in der Zeche in A. zwischen 1963 und 1968 und zudem habe er von 1972 bis 1974 in der Papierfabrik "H." in M. gearbeitet. Die Bundesknappschaft hat auf Anfrage am 18.05.2004 mitgeteilt, auch nach Ermittlung bei der LVA Hessen könne eine Personengleichheit zwischen dem Versicherten mit der Nr.15 070736 T 020 und dem Versicherten mit der Nr.12 150737 T 007 nicht bestätigt werden. Am 26. August 2004 hat sie ihre Akten übersandt, in denen sich unter anderem die von der LVA Hessen übersandten Quittungskarten 01 und 02 zu dem Versicherten mit der Versicherungsnummer 15 070736 T 020 befinden. Auf der Versicherungskarte Nr.1, ausgestellt am 30. September 1968 vom Versicherungsamt der Stadt M. an den in M. , H. Str., wohnhaften T. J. ist die Zeit vom 25.09.1968 bis 12.04.1969 bei dem Glaswerk S. und die Zeit vom 25.04.1969 bis 31.12.1970 bei M., G. , eingetragen. In der Versicherungskarte 02 ist neben der bis 17.04.1972 bescheinigten Zeit bei der M. für die Zeit vom 07.06. bis 31.12.1972 eine Beitragszeit bei der Firma G. Apparatebau GmbH eingetragen. Im Hinblick darauf hat die Beklagte am 04.10.2004 das Angebot unterbreitet, die Zeit vom 07.06.1972 bis 31.12.1972 als Beitragszeit anzuerkennen und bei der Berechnung der Regelaltersrente entsprechend zu berücksichtigen.

Die Firma H. hat auf Anfrage einen Beschäftigungszeitraum vom 24.04.1972 bis 13.06.1972 bestätigt und eine Kopie der Personalkarte des 1937 geborenen T. J. , verheiratet mit der Ehegattin S. , übersandt, worin der Kläger angegeben hat, 1968 nach Deutschland gekommen zu sein, anschließend bei S. , M. , und schließlich bei M. gearbeitet zu haben. Ermittlungen danach, wo der Kläger vor 1969 wohnhaft war, blieben ergebnislos. Der bei der Bundesknappschaft Versicherte war in A. , B.straße , wohnhaft. Der Kläger hat bezweifelt, dass die zweite Person überhaupt existiere.

Er beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.02.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 11.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2002 sowie des Bescheides vom 22.05.2002 zu verurteilen, zusätzliche Versicherungszeiten von 1963 bis 1968 und von Juni 1972 bis 1974 anzuerkennen und entsprechend höhere Regelaltersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 20.02.2003 zurückzuweisen, soweit der Kläger nicht durch ihr Angebot vom 04.10.2004 klaglos gestellt ist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten der Bundesknappschaft, des Sozialgerichts Landshut sowie der von den Beteiligten im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des Rechtsstreits ist trotz des Wortlauts der Klage nicht nur der Bewilligungsbescheid betreffend die Regelaltersrente vom 22.05.2002, sondern ebenso die Feststellung vom 11.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2002. Im Interesse des Klägers war die Klage dahingehend auszulegen, dass er die Feststellung des Versicherungsverlaufs gem. § 149 SGB VI angreifen wollte. Gegenstand dieses Verfahrens ist gem. § 96 SGG auch der Neufeststellungsbescheid vom 22.05.2002. Nur auf diesem Weg konnte die Vorverfahrenspflicht des § 78 SGG entbehrlich sein.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Entsprechend dem Angebot der Beklagten vom 04.10.2004, das auch in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten worden ist, ist die Zeit vom 07.06.1972 bis 31.12.1972 als Beitragszeit anzuerkennen und bei der Berechnung der Regelaltersrente zu berücksichtigen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeiträge sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 SGB VI). Als Bestandteil des Versicherungsverlaufs gem. § 149 Abs.3 SGB VI hat der Versicherungsträger hierüber Ermittlungen durchzuführen. Diese Ermittlungen hat die Beklagte bei den entsprechend den Angaben des Klägers in Betracht kommenden Einzugsstellen und Versicherungsträgern durchgeführt. Auch nach den ergänzend vom Senat angestellten Ermittlungen ergeben sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach Ende 1972 noch Beiträge entrichtet hat. Ausweislich der vorliegenden Versicherungskarte Nr.2 ist der letzte Versicherungsbeitrag im Dezember 1972 entrichtet worden. Die angeblich letzte Beschäftigung in Deutschland bei der Firma H. ist bereits am 13.06.1972 beendet worden.

Auch Zeiten vor dem 25.09.1968 sind nicht nachgewiesen. Zeiten vor September 1965 erscheinen schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger von August 1963 bis August 1965 lediglich mit einer Unterbrechung von 4 1/2 Monaten Ende 1963/Anfang 1964 in seiner Heimat versicherungspflichtig beschäftigt war.

Machen Versicherte für Zeiten vor dem 1. Januar 1973 glaubhaft, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben, die vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder nicht auf der Karte bescheinigt ist, und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, ist die Beschäftigungszeit als Beitragszeit anzuerkennen (§ 286 Abs.5 SGB VI). Eine Tatsache ist dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs.1 Satz 2 SGB X). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einvernahme der vom Kläger erwähnten Zeugen überwiegend wahrscheinlich machen könnte, dass der Kläger tatsächlich in A. in der Zeche A. gearbeitet hat. Dagegen spricht, dass er seinen ersten Wohnsitz nach eigenen Angaben vom 22.11.2001 in M. (Hessen) hatte, also nahezu 200 km entfernt von A. in einem anderen Bundesland (Nordrhein-Westfalen). Hinzukommt, dass der Kläger gegenüber der Firma H. angegeben hat, 1968 nach Deutschland gekommen zu sein. Gem.§ 286 Abs.5 SGB VI ist jedoch nicht nur glaubhaft zu machen, dass in einem bestimmten Zeitraum eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt worden ist, sondern auch, dass für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Hierzu können Arbeitskollegen keine Aussagen treffen. Die bei der Bundesknappschaft vorliegenden Unterlagen schließlich sind wegen der familiären Verhältnisse des Versicherten wahrscheinlich nicht dem Kläger zuzuordnen. Dies, obwohl Name, Geburtsdatum und Geburtsort übereinstimmen. Die differierenden Angaben zur Person des Ehegatten, zur Eheschließung und zur Zahl und dem Namen der Kinder können nur damit erklärt werden, dass tatsächlich ein zweiter J. T. existiert. Darauf weist auch die fälschliche Angabe im Reisepass des Klägers hin. Der Senat hält es daher nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger zwischen 1965 und 1967 Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung entrichtet hat. Aus diesen Gründen war die Berufung insoweit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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