L 9 AL 57/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 781/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 57/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Dezember 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das in Ziffer I des Tenors genannte Bescheiddatum "26.02.1998" heißen muss.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zu einem Zehntel zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) aufgehoben und die Erstattung der Leistung sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verlangt hat.

Der 1961 geborene Kläger hat ein Studium der Humanmedizin und der Psychologie abgeschlossen. Er bezog bis 24.02.1996 Alg, danach vom 28.02.1996 bis 06.01.1997 Krankengeld.

Am 14.02.1997 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg. Im Antragsvordruck verneinte er unter Nr.4d die Frage nach dem Besuch einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte, ferner die Frage 4c, ob seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten oder Arbeitsstunden eingeschränkt sei. Unter Nr.7 versicherte er die Richtigkeit seiner Angaben unterschriftlich. Die Ausfüllhinweise habe er beachtet. Änderungen werde er unverzüglich anzeigen. Das Merkblatt 1 für Arbeitslose habe er erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Die Beklagte gewährte dem Kläger ab 14.02.1997 Alg nach einem Bemessungsentgelt von 1.400,00 DM in Höhe von 51,60 DM täglich (309,60 DM wöchent- lich).Es wurde eine Anspruchsdauer von 312 Tagen errechnet.

Bei einem Beratungsgespräch im Arbeitsamt (Beratungsvermerk vom 19.11.1997) gab der Kläger an, er habe sich an der Universität immatrikuliert. In dem Vermerk ist ferner festgehalten, dass dem Kläger ein Fragebogen für Schüler und Studenten ausgehändigt worden sei; auf unverzügliche Rücksendung habe man ihn hingewiesen. Am 04.12.1997 ging der nicht vollständig ausgefüllte Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler beim Arbeitsamt ein. Dieses wartete auf die vom Kläger angekündigten Nachträge und sandte den Fragebogen am 07.01.1998 zur Ergänzung an den Kläger zurück. Die Zahlung des Alg stellte es mit Wirkung vom 01.01.1998 ein.

Nunmehr legte der Kläger den vollständig ausgefüllten Fragebogen und sein Studienbuch vor, woraus sich ergab, dass er sich am 17.10.1997 an der Universität M. für ein Magisterstudium der Philosophie (erstes Fachsemester) eingeschrieben hatte. Für das Wintersemester 1997/98 hatte der Kläger Unterrichtsveranstaltungen mit insgesamt 39 Wochenstunden belegt. In dem Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler bezifferte der Kläger die vorgeschriebenen oder für das Erreichen des Studienziels erforderlichen wöchentlichen Unterrichtsstunden auf "ca. 30" und beschrieb im Einzelnen die zeitliche Lage der Unterrichtsveranstaltungen. Neben der Ausbildung könne er höchstens ungefähr 40 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Tätigkeit könne er nur in den Semesterferien sowie an Wochenenden, in den Abend- und Nachtstunden oder in sonstigen vorlesungs- oder unterrichtsfreien Zeiten ausüben.

Aus einer später von der Beklagten eingeholten Bescheinigung der L.-Universität M. vom 04.07.2001 ist ersichtlich, dass sich der Kläger mit Wirkung vom 01.04.1999 im dritten Fachsemester wieder exmatrikuliert hat. In der Folgezeit hat der Kläger vom 01.05. bis 27.08.1999 wiederum Alg bis zur Erschöpfung des Anspruchs bezogen (Zahlungsnachweis Nr.2 vom 26.08.1999).

Nachdem die Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes am 22.01.1998 die Verfügbarkeit des Klägers ab 17.10.1997 verneint hatte und nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.1998 die Bewilligung des Alg ab 17.10.1997 auf. Zur Begründung führte sie an, dass der Kläger während des Studiums der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Sie verlangte vom Kläger die Erstattung des in der Zeit vom 17.10. bis 31.12.1997 gezahlten Alg in Höhe von 3.354,00 DM sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.904,88 DM, insgesamt 5.258,88 DM. Den vom Kläger Anfang Februar 1998 gestellten Antrag auf Arbeitslosenhilfe lehnte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 26.02.1998 ab. Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 04.05.1998 zurück. Die gesetzliche Vermutung, dass er nur beitragsfreie Beschäftigungen ausüben könne, habe der Kläger nicht widerlegt.

Mit der am 02.06.1998 beim Sozialgericht München erhobenen Anfechtungsklage wandte sich der Kläger nur gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid über die Aufhebung und Erstattung des Alg. Er habe zwei Numerus-Clausus-Fächer (Humanmedizin und Psychologie) im Parallelstudium jeweils als Jahrgangsbester mit Note 1 abgeschlossen und danach höchst erfolgreich wissenschaftlich und klinisch gearbeitet. Diese Leistung und dieses Verhalten könne man auf ein bedeutend einfacheres Fach und eine beitragspflichtige Berufstätigkeit übertragen. Die Reduktion von Vorlesungen und Seminaren sei einem erfahrenen Studenten jederzeit möglich und im Universitätsbetrieb üblich. Außerdem könne man nach der Aufnahme einer Berufstätigkeit das Stundenpensum für das Studium gegebenenfalls reduzieren.

Nachdem die Ablehnung der Kammervorsitzenden durch den Kläger erfolglos geblieben war (Beschluss des 5. Senats vom 13.10. 2000), wies das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 05.12.2000 ab, dessen für den Kläger bestimmte Ausfertigung am 19.01.2001 als Einschreiben zur Post gegeben wurde. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass nach der konkreten Gestaltung seines Studiums Raum für Beschäftigungen verblieben wäre, die nicht unter das Werkstudenten-Privileg fielen. Nach dem Studienbuch und seinen eigenen Angaben habe der Kläger Vorlesungen mit einer Gesamtdauer von 39 Unterrichtsstunden je Woche belegt, ohne Berücksichtigung der Überschneidungen sogar 47 Unterrichtsstunden. Nach dieser letzteren Zahl berechne sich auch die Vor- und Nacharbeit, die im Allgemeinen auf die Zeit der Vorlesungsstunden selbst geschätzt werde. Die wöchentliche Arbeitszeit summiere sich damit auf mindestens 88 Stunden, unter Einschluss der Wegezeiten (einfache Wegezeit mindestens eine Dreiviertelstunde) sogar auf etwa 97 Wochenstunden. Selbst bei Aufnahme einer Vollzeittätigkeit von etwa 40 Stunden je Woche sei somit die Zeit und die Arbeitskraft des Klägers überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen worden. Besondere Eigenschaften des Studenten seien nicht zu berücksichtigen. Weiterhin entspreche die studienbedingte Einschränkung der Erwerbstätigkeit nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes. Der Kläger sei durch sein Studium täglich in der Regel von 9.00 bis etwa 20.00 Uhr und samstags von 9.00 bis etwa 12.00 Uhr ohne wesentliche Unterbrechungszeiten in Anspruch genommen worden. Hinzukämen die nötigen Wegezeiten. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit als Arzt oder als Psychologe wäre damit nur während der Semesterferien, in den Abend- und Nachtstunden sowie samstags ab 12.00 Uhr bis Sonntagabend möglich gewesen. Im Übrigen habe der Kläger der Arbeitsvermittlung nur zur Verfügung gestanden, wenn er das Arbeitsamt täglich habe aufsuchen können und für das Arbeitsamt erreichbar war. Da der Kläger jedoch von Montag bis Freitag ganztags durch die Teilnahme an Lehrveranstaltungen in Anspruch genommen gewesen sei, sei er auch gehindert gewesen, seine Post zur üblichen Zustellungszeit zur Kenntnis zu nehmen.

Mit der am 19.02.2001 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Streitgegenstand sei Alg für die Zeit vom 17.10.1997 bis April 1998. Das Urteil des Sozialgerichts sei schon deswegen aufzuheben, weil es über einen Bescheid vom 26.06.1998 entscheide, der nach seiner Kenntnis nicht existiere. Er habe am 18.11.1997 sämtliche zur Entscheidung notwendigen Informationen an das Arbeitsamt herangetragen. Gleichwohl habe dieses ihn nicht darauf hingewiesen, dass er seinen Anspruch auf Alg verliere. Er sei daher nach dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so zu stellen, wie er bei richtiger Beratung stünde. Außerdem habe das Arbeitsamt mit zwei Bescheiden vom 20.01.1998 den Fortbestand der Leistung bestätigt und diese später nicht aufgehoben. Er habe daher darauf vertrauen dürfen, dass er die Leistungen für die Vergangenheit behalten könne. Da Studenten in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert seien, habe die Beklagte keinen Anlass gehabt, Versicherungsbeiträge für ihn abzuführen. Außerdem beginne die Vermutungswirkung des § 103a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht schon mit der Einschreibung, sondern nicht vor dem tatsächlichen Vorlesungsbeginn am 01.11.1997 und auch danach nicht innerhalb der ersten Tage oder Wochen, weil dann gerade bei Neusemestern Informationsveranstaltungen stattfänden. Da er erst nach dieser Einführung dem Arbeitsamt den Studienumfang habe mitteilen können, habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, als er dem Arbeitsamt die Aufnahme des Studiums erst an dem ohnehin feststehenden Vorsprachetermin vom 18.11.1997 mitgeteilt habe. Er habe das Studium der Philosophie als Drittstudium nur nebenbei und zum Zeitvertreib betrieben und nur gelegentlich und in nicht nennenswertem Umfang Vorlesungen besucht. Es sei nur dann von einem der Verfügbarkeit entgegenstehenden Studium auszugehen, wenn ein Großteil der Studenten dieses Fach tatsächlich in einem späteren Beruf ernsthaft betreiben würden. Die Philosophische Fakultät der Universität könne bestätigen, dass dies bei dem Bereich Philosophie nicht der Fall sei. Sie werde ferner bestätigen, dass von allen Studenten, die Philosophie als Zweitstudium gewählt hätten, weniger als 50 v.H. tatsächlich Vorlesungen besuchten oder das Studium abschlössen. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.04.1993 - Az: 11 RAr 25/92 (= SozR 3-4100 § 103a Nr.1) greife die gesetzliche Vermutung nicht ein, wenn kein Regelstudium vorliege. Es sei dann allein maßgeblich, in welchem Umfang der Arbeitslose tatsächlich dem Studium nachgehe. Gerade bei einem Drittstudium wie in seinem Fall stehe dem kurzfristigen Abbruch des Studiums nichts entgegen.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Schreiben vom 04.07.2001 von der L.-Universität M. die Auskunft erhalten, dass die Vorlesungszeit (ordentlicher Studienbetrieb) vom 03.11.1997 bis 28.02.1998 gedauert habe. Sie hat mit Bescheid vom 24.07.2001 den angefochtenen Bescheid geändert und die Bewilligung des Alg sinngemäß erst mit Wirkung vom 03.11.1997 aufgehoben. Die Beklagte anerkennt im Schriftsatz vom 16.01. 2002, dass ihre Erstattungsforderung daher nur noch das Alg in Höhe von 2.631,60 DM umfasse (51 Tage x 51,60 DM) sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.494,64 DM, insgesamt 4.126,24 DM. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Er beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.12.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass das Arbeitsamt erst nach den weiteren Angaben des Klägers im Januar 1998 und nach der Vorlage des Studienbuchs und der Stellungnahme der Arbeitsvermittlung habe prüfen können, ob der Kläger die Vermutung des § 103a AFG widerlegt habe. Der Kläger habe gewusst, dass seine Verfügbarkeit zu prüfen war, und habe daher nicht auf die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung vertrauen dürfen. Dem Änderungsbescheid vom 20.01.1998 habe der Kläger nicht eine erneute Bewilligung von Alg und auch nicht eine Beschränkung des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheides auf die Zeit bis 31.12.1997 entnehmen dürfen. Ferner seien Studenten längstens bis zum 30. Lebensjahr pflichtversichert; eine Ausnahme hiervon liege nicht vor.

Wegen des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen, unter anderem auf den Beweisantrag des Klägers im Schriftsatz vom 24.01.2005.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Leistungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes im Ergebnis ab dem 03.11.1997 aufgehoben und die Leistung einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückverlangt.

Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Gemäß Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit ... (2.) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

In der vorliegenden Streitsache ist die Bewilligung des Alg jedenfalls mit Wirkung vom 03.11.1997 rechtswidrig geworden, weil die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit gemäß § 103 AFG entfallen war. Nach § 103 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AFG stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer unter anderem eine zumutbare (§ 103b), nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte. Beitragspflichtig waren gemäß § 168 Abs.1 Satz 1 AFG grundsätzlich Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt waren (Arbeitnehmer), soweit nicht unter anderem nach den §§ 169 bis 169c AFG Beitragsfreiheit bestand. Gemäß § 169b Satz 1 AFG waren beitragsfrei Arbeitnehmer, die während der Dauer ... (2.) ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausübten. Zu der Frage, ob Schüler und Studierende der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen, bestimmte die spezielle Vorschrift des § 103a AFG: Ist der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte, so wird vermutet, dass er nur Beschäftigungen ausüben kann, die nach § 169b beitragsfrei sind (Abs.1). Die Vermutung nach Abs.1 ist widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (Abs.2).

In der vorliegenden Streitsache lagen die Voraussetzungen des § 103a Abs.1 AFG vor. Es bestand daher die Vermutung, dass der Kläger spätestens ab 03.11.1997 nur nach § 169b AFG beitragsfreie Beschäftigungen ausüben konnte. Wie sich nämlich aus seinem Studienbuch und der Bescheinigung der Universität M. vom 04.07.2001 ergibt, war er ab dem 17.10.1997 im Magister-Studiengang Philosophie eingeschrieben. Das genügt für die Begründung der Vermutung nach § 103a Abs.1 AFG, wie das BSG bereits entschieden hat (BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.1 S.5, Nr.3 S.21). Ob und in welchem Umfang das Studium tatsächlich betrieben wird, ist demnach im Rahmen des § 103a Abs.1 AFG nicht erheblich. Das übersieht der Kläger, der in der Berufung die BSG-Entscheidung vom 21.04.1993 - 11 RAr 25/92 (SozR 3-4100 § 103a Nr.1) - als Beleg für seine Rechtsauffassung heranzieht, wonach die gesetzliche Vermutung nicht eintrete, wenn kein Regelstudium vorliege.

Die Vermutung des § 103a Abs.1 AFG ist jedoch auch nicht gemäß Abs.2 der Vorschrift widerlegt.

Das wäre nur der Fall, wenn der Kläger dargelegt und nachgewiesen hätte, dass weder die für ihn geltenden abstrakten Regelungen in den Studien- und Prüfungsordnungen noch seine konkrete Studiengestaltung eine Beschäftigung ausschlossen, die mehr als geringfügig nach § 8 SGB IV war und bei der das Studium hinsichtlich der Gesamtbelastung hinter der Arbeitnehmertätigkeit zurücktritt (BSG SozR 3-4100 § 103a AFG Nr.2). Dabei ist berücksichtigt, dass durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24.03.1997, Bundesgesetzblatt I S.594, mit Wirkung vom 01.04. 1997 die frühere Beitragsfreiheit einer "kurzzeitigen" Beschäftigung, das heißt einer Beschäftigung von weniger als 18 Stunden wöchentlich (§§ 169a Abs.1, 102 AFG), gestrichen und durch eine Regelung in § 169a Abs.1 AFG ersetzt wurde, die nur noch auf die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV (dort Abs.1 Nr.1: 15 Stunden wöchentlich) abstellte.

Mit der zuletzt genannten Voraussetzung, wonach das Studium hinter der Arbeitnehmertätigkeit zurücktritt, ist gemeint, dass auf den Studenten das sogenannte Werkstudenten-Privileg nicht zutreffen durfte, das zur Beitragsfreiheit führen würde. Das Studium musste demnach hinter der möglichen Beschäftigung als Nebensache zurücktreten und der Student nach seinem Erscheinungsbild dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen sein (BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.1 S.4; SozR 3-4100 § 103a Nr.2 S.13, 18 m.w.N. aus der Rechtsprechung des für Beitragssachen zuständigen 12. Senats des BSG).

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob Studien- und Prüfungsordnungen für das Studium der Philosophie an der Universität M. bestanden, welche eine beitragspflichtige Beschäftigung des Klägers nicht ausschlossen. Der darauf abzielende Beweisantrag des Klägers vom 24.01.2005 ist daher nicht entscheidungserheblich.

Jedenfalls nämlich ließ das Studium des Klägers bereits n a c h s e i n e r k o n k r e t e n G e s t a l t u n g eine beitragspflichtige Beschäftigung nicht zu. Maßgeblich ist hierfür wie auch sonst bei der Beurteilung von Beitragspflicht oder -freiheit eine vorausschauende Betrachtungsweise (vgl. BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.2 S.18); KassKomm-Peters, § 6 SGB V RdNr 29). Demnach ist im Wesentlichen von den frühesten Festlegungen und Angaben des Klägers zu seinem Studium auszugehen, das heißt von seinem Studienbuch sowie von dem Zusatzfragebogen.

Nach dem Studienbuch hat der Kläger im Wintersemester 1997/98 39 Wochenstunden von Montag bis Samstag belegt; die Angaben im Fragebogen umfassen eine noch höhere Stundenzahl. Als Zeiten für Vor- und Nacharbeit ist nach allgemeinen Grundsätzen noch einmal dieselbe Stundenzahl anzusetzen (BSG SozR 4100 § 103 Nr.6 S.13 m.w.N.). Als Fahrtzeiten zur und von der Universität hat das Sozialgericht, vom Kläger nicht angezweifelt, für die einfache Wegstrecke zu Recht mindestens 45 Minuten angesetzt, täglich also 1,5 Stunden, wöchentlich bei sechs Studientagen neun Stunden. Insgesamt folgt daraus eine wöchentliche Gesamtbelastung von 87 Stunden.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Unterrichtsveranstaltungen, wie der Kläger im Fragebogen näher dargestellt hat, in der Regel um 9.00 oder 10.00 Uhr morgens (Ausnahme: Freitag 11.00 Uhr) begannen und mit verschiedenen Unterbrechungen und einer gewissen Ausdünnung um die Mittagszeit abends um 18.00 Uhr (Montag), 21.00 Uhr (Dienstag bis Donnerstag), 20.00 Uhr (Freitag) und 12.00 Uhr (Samstag) endeten. Damit übereinstimmend hat auch der Kläger im Fragebogen unter Frage 7 selbst angegeben, er könne die angestrebten Tätigkeiten nur in den Semesterferien sowie an Wochenenden, in den Abend- und Nachtstunden und in sonstigen vorlesungsfreien Zeiten ausüben.

Fasst man wöchentliche Gesamtbelastung sowie Lage und Verteilung der möglichen Arbeitszeit zusammen, so folgt daraus zwingend, dass die Beschäftigung für den Kläger nur eine Nebensache sein konnte. Das Studium dominierte den täglichen Ablauf vollständig sowohl hinsichtlich seiner Dauer als auch in Bezug auf seine zeitliche Lage (wobei hier nicht maßgeblich ist, ob die Lage der Arbeitszeit den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprochen hat). Eine Beschäftigung wäre nur am Rande möglich gewesen; nach seinem Erscheinungsbild war der Kläger nicht Arbeitnehmer, sondern Student.

Das wird dadurch bestätigt, dass keine Umstände vorliegen, die üblicherweise für die Einschätzung als Arbeitnehmer sprechen können, etwa eine besonders geringfügige Stundenzahl im Studium oder ein fachlich einschlägiges früheres Studium.

Auch ein Ergänzungs- oder Vertiefungsstudium wie in der vom Kläger zitierten BSG-Entscheidung SozR 3-4100 § 103a Nr.1 S.1, 2, das nicht auf einen Studienabschluss gerichtet war (dort Volkswirtschafts-Studium nach betriebswirtschaftlichem Studium zum Erwerb bestimmter Einzelkenntnisse in der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre), ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat vielmehr, nachdem er schon zwei Studiengänge in Humanmedizin und Psychologie abgeschlossen hat, mit Philosophie ein drittes Studium begonnen und immerhin drei Fachsemester weitergeführt. Dieses Studium war auf den Abschluss als Magister ausgerichtet. Unter Zugrundelegung dieser Umstände besteht keine Veranlassung zu der Annahme, der Kläger habe dieses dritte Studium in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht ernsthaft betrieben; denn er hat früher schon ein zweites Studium neben oder nach einem ersten Studium durchgeführt und nach seinen Angaben sehr erfolgreich abgeschlossen.

Die hierzu vorgetragenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch:

Dass der Kläger nach seinen Angaben wegen überragender Befähigung und hervorragendem Leistungsvermögen das Studium mit einem wesentlich geringeren Zeitaufwand absolvieren konnte, spielt bei der Beurteilung der Verfügbarkeit keine Rolle. Derartige subjektive Umstände und Befindlichkeiten sind nicht zu berücksichtigen (BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.1 S.6 oben). Das gilt auch für das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, er habe das Studium nur zum Zeitvertreib und zur Freizeitgestaltung in nicht nennenswertem Umfang betrieben (BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.3 S.6: studienfremde Zwecke). Im Übrigen geben seine hier maßgeblichen Angaben im Fragebogen, auf die es bei vorausschauender Betrachtung ankommt, keinen Hinweis auf eine solche subjektive Zwecksetzung für das Studium. Außerdem kommt es mangels Erheblichkeit studienfremder Zwecke auch nicht darauf an, ob das Philosophiestudium tatsächlich für die meisten Studenten nicht als Grundlage für einen späteren Beruf dient und ob nur weniger als 50 v.H. der Studenten im Zweitstudium Philosophie Vorlesungen besuchen und das Studium abschließen. Den darauf gerichteten Beweisangeboten des Klägers muss der Senat nicht nachgehen.

Ferner ist der vorliegende Fall nicht gleichzusetzen mit dem vom BSG am 21.04.1993 - Aktenzeichen 11 RAr 25/92 (SozR 3-4100 § 103a Nr.1) - entschiedenen Fall, wie zum Teil schon ausgeführt. Ein Ergänzungs- oder Vertiefungsstudium im Sinne dieser Entscheidung liegt hier gerade nicht vor, sondern ein volles Drittstudium (vgl. in Abgrenzung zum vollen Zweitstudium BSG a.a.O. S.8). Im Übrigen hat das BSG a.a.O. S.9 eine Prägung der individuellen Situation des dortigen Klägers durch das Studium deswegen verneint, weil dieser lediglich an einem Wochentag (Donnerstag) vormittags von Lehrveranstaltungen in Anspruch genommen war.

Nach alledem kann es auf sich beruhen, ob Lage und Verteilung der Arbeitszeit allein schon die Verfügbarkeit des Klägers ausschlossen und ob die Erreichbarkeit des Klägers nach den während der Geltung des AFG noch anzuwendenden Maßstäben jeweils täglich zum Eingang der Briefpost an seinem Wohnort in Stephanskirchen nicht gewährleistet war, da er sich von Montag bis Freitag ganztägig am Universitätsort M. aufhalten musste (vgl. dazu auch BSG SozR 3-4100 § 103a Nr.1 S.9).

Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Zeiträume ab dem 01.01.1998. Der nunmehr anwendbare § 120 Abs.2 SGB III unterscheidet sich nicht in relevanter Weise von § 103a AFG. Bis zum 28.02.1998, dem Ende des Vorlesungsbetriebs an der Universität (vgl. Auskunft der Universität vom 04.07.2001), bestand kein Anspruch auf Alg.

Zeiträume ab dem 01.03.1998 sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger hat am 19.02.1998 seine Arbeitslosmeldung erneuert, wie sich aus dem Beratungsvermerk vom selben Tag ergibt, dessen Ablichtung in der Akte des Sozialgerichts abgeheftet ist. Damit hat er nach § 323 Abs.1 Satz 2 SGB III einen Antrag auf Alg gestellt, der (auch) auf die Zeit ab dem Ende der Vorlesungszeit mit dem 28.02.1998 zu beziehen ist. Wegen der Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 03.11.1997, die zu Recht erfolgt ist, musste der Kläger für eine neue Alg-Leistungszeit wiederum einen Antrag stellen; denn der Verwaltungsakt über die Bewilligung des Alg war durch die Aufhebung unwirksam geworden (§ 39 Abs.2 SGB X). Eine Verwaltungsentscheidung über diesen Antrag liegt nicht vor.

Schließlich durfte die Beklagte die Alg-Bewilligung auch mit Wirkung für die Vergangenheit ab 03.11.1997 aufheben (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X). Der Kläger hat die Aufnahme des Studiums und die zur Entscheidung notwendigen Einzelheiten erst in der Zeit vom 18.11.1997 bis Januar 1998 mitgeteilt und deshalb nicht beachtet, was er auch bei Zugrundelegung nur einfacher Sorgfaltsanforderungen jedenfalls hätte berücksichtigen müssen; die Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit liegen daher vor. Im Merkblatt für Arbeitslose Stand 1997, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bei der Antragstellung bestätigt hat, ist eindeutig auf die Anzeigepflicht bei Aufnahme eines Studiums hingewiesen worden (S.18, 51 Nr.7). Auch ist der Kläger im Antragsvordruck auf die Mitteilungspflicht bei Änderungen hingewiesen worden. Seine Anzeigepflicht hing nicht davon ab, ob zur Beginn der Vorlesungszeit Informationsveranstaltungen stattfanden. Auch der Änderungsbescheid vom 20.01.1998, mit dem die Beklagte lediglich die Anspuchsdauer ab der Rechtsänderung vom 01.01.1998 errechnet hat, änderte daran nichts; denn daraus konnte der Kläger nicht entnehmen, dass ihm Alg ohne Rücksicht auf die Anspruchsvoraussetzungen weiter zustehen würde. Im Übrigen musste der Kläger zu dieser Zeit wissen, dass die Beklagte seine Verfügbarkeit wegen der Aufnahme des Studiums prüfte. Anhaltspunkte für die Verletzung einer Hinweis- und Beratungspflicht durch die Beklagte liegen nicht vor. Solange nähere Angaben des Klägers zu seinem Studium nicht vorlagen, konnte eine Entscheidung der Beklagten nicht ergehen und waren Hinweise zum Ergebnis der Prüfung nicht möglich. Aus diesen Gründen durfte der Kläger ferner aus einem Bescheid der Beklagten über die Leistungshöhe ab 01.01.1998 (Leistungsverordnung 1998) keinen Anspruch auf Alg ungeachtet seiner Verfügbarkeit ableiten.

Da dem Kläger ab dem 03.11.1997 kein Alg zustand, konnte er insoweit auch keinen Anspruch auf Erhöhung der Leistung nach § 434c SGB III (eingefügt durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl.I S.1971) haben.

Da die Alg-Bewilligung nach alledem zu Recht ab 03.11.1997 aufgehoben wurde, musste die Beklagte gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X die Erstattung der Leistung verlangen. Die Pflicht zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruht auf § 157 Abs.3a AFG. Die Höhe der Erstattungsbeträge ist nicht zu beanstanden.

Bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch ihren Teilabhilfe dem Begehren des Klägers zum Teil nachgekommen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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