L 8 AL 302/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 456/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 302/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zurückweisung der Klägerin als Verfahrensbevollmächtigte im Widerspruchsverfahren streitig.

Die 1941 geborene Beigeladene H. M. (M.) war vom 01.07.1961 bis 22.10.2000 in der Firma ihres Ehemannes im Verkauf und in der Verwaltung tätig. Sie meldete sich am 16.04.2002 mit Wirkung zum 23.04.2002 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Dabei gab sie an, seit 23.10.2000 arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. Wegen ihrer Erkrankung könne sie die Tätigkeit aus ihrer letzten Beschäftigung nicht weiter ausüben und habe am 22.11. 2000 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Antrag auf Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit gestellt.

Mit Bescheid vom 14.06.2002 bewilligte die BfA M. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 21.06.2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab. Der Beigeladenen sei aus der gesetzlichen Rentenversicherung ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (Erwerbsunfähigkeit) zuerkannt worden, weshalb ihr Leistungsanspruch ruhe (§ 142 Abs.1 Nr.3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -).

Die Klägerin machte mit dem Widerspruch geltend, die Beigeladene auch gegenüber der Beklagten zu vertreten, und legte eine auf sie lautende Vollmacht vor.

Mit Schreiben vom 02.07.2002 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese im Rahmen ihrer Tätigkeit als Rentenberaterin Widerspruch eingelegt habe. Als solche sei sie nur befugt, geschäftsmäßig in diesem Sachbereich tätig zu werden. Die ihr erteilte Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nach Art.1 § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Rechtsberatungsgesetz berechtige dagegen nicht das von ihr beanspruchte Tätigwerden auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung (vgl. z.B. Urteile des BSG vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96 und vom 21.03.2002 - B 7 AL 64/01 und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.12.2000 - 1 BvR 717/97). Bevollmächtigte, die geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, ohne dazu befugt zu sein, seien gemäß § 13 Abs.5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzuweisen (keine Ermessensentscheidung). Es stehe der Klägerin frei, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern. Ihrer Mandantin sei im Rahmen der erforderlichen Anhörung ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Mit Bescheid vom 08.07.2002 teilte die Beklagte M. mit, dass sie dem Widerspruch in vollem Umfang abgeholfen habe. Unter Abänderung des Bescheides vom 21.06.2002 ruhe ihr Leistungsanspruch wegen der Zuerkennung der EU-Rente erst ab 01.07.2002.

Dieser Sachverhalt wurde auch der Klägerin mitgeteilt. Nachdem die Hauptsache erledigt sei, gehe es jetzt ausschließlich noch um die von ihr angezeigte Vertretung.

Die Klägerin führte hierzu aus, sie glaube befugt zu sein, die Interessen der M. im Rahmen einer sog. Annexkompetenz vertreten zu dürfen. Eine solche setze unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass die umstrittene Tätigkeit außerhalb des eigentlichen Tätigkeitsbereichs (für welchen eine Erlaubnis erteilt worden sei) zur genehmigten Berufsausübung in einem engen Zusammenhang stehen müsse. Ein solcher bestehe, wenn ohne die Tätigkeit, für die eine Annexkompetenz geltend gemacht werde, die Haupttätigkeit als Rentenberaterin unangemessen erschwert werde. Genau dieses treffe vorliegend zu. M. habe sie nicht nur mit der Vertretung ihrer rentenversicherungsrechtlichen Interessen beauftragt. Die Leistungen der Beklagten, welche nicht zuletzt auf Grund des eingelegten Widerspruchs zuerkannt worden seien, würden, wie man wisse, auch eine Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung erforderlich machen. Die am 17.08.1941 geborene M. hätte, da sie neben den übrigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen das 60. Lebensjahr vollendet habe, Altersrente beanspruchen können. Es sei auch im Hinblick auf steuerliche Aspekte abzuwägen gewesen, ob und mit welcher Leistung (unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten durch den Arbeitslosengeldbezug) M. besser fahre. Wie man sehe, hätte eine Zurückweisung ihre Haupttätigkeit erheblich erschwert, weshalb sie meine, dass hier der seltene Fall einer Annexkompetenz vorliege.

Mit Bescheid vom 01.08.2002 wies die Beklagte die Klägerin als Prozessbevollmächtigte zurück. Als Rentenberaterin sei diese nicht befugt, auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts tätig zu werden. Es werde insoweit auf den Ausgangsbescheid Bezug genommen. Der Ausnahmefall einer Annexkompetenz, den die Klägerin mit der Berücksichtigung von Arbeitslosgeldbezugszeiten als Beitragszeiten für einen möglichen Anspruch auf Altersrente begründe, liege nicht vor. Konkret für den Fall, für seinen Mandanten (durch Alg-Antrag oder Widerspruch) eine rentenrechtliche Zeit zu schaffen, habe das BSG eine Annexkompetenz für einen Rentenberater verneint, denn mit einer derartigen Argumentation ließe sich - entgegen dem Regelungszusammenhang des Rechtsberatungsgesetzes - die Zuständigkeit des Rechtsberaters bis ins Uferlose ausdehnen (BSG vom 21.03.2002 - B 7 AL 64/01).

Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Zurückweisung als Verfahrensbevollmächtigte vom 01.08.2002 dürfte auch unter Beachtung der jüngst ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht länger haltbar sein, denn auf die im speziellen Fall geltend gemachte Annexkompetenz habe sie sich in ihrer über 18-jährigen Tätigkeit erst das zweite Mal überhaupt berufen. Die Befürchtungen, die Zuständigkeit eines Rentenberaters könne bis ins Uferlose ausgedehnt werden, erweise sich als unbegründet, was letztlich die Tatsachen beweisen würden. Fakt sei und bleibe, dass ihre Tätigkeit als Rentenberaterin in dem von ihr vertretenen Fall in unzumutbarer Weise eingeschränkt worden wäre, weshalb sie bitte, ausnahmsweise eine Annexkompetenz anzuerkennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dabei stützte sie sich erneut auf die Begründung im Ausgangsbescheid und die bereits von ihr zitierte Rechtsprechung.

Zur Begründung der zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, die Beklagte habe ihrem Widerspruch vom 01.07.2002 mit dem an ihre Mandantin gerichteten Bescheid vom 08.07.2002 abgeholfen. Nach der gleichzeitig ergangenen Kostengrundentscheidung (als solche nicht besonders gekennzeichnet) würden "die Ihnen im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls entstandenen Aufwendungen durch das Arbeitsamt D. erstattet". Diese Erklärung gelte als Zusicherung gemäß § 34 SGB X. Da diese Zusicherung noch vor ihrer Anhörung - die Anfragen der Beklagten vom 02.07. und 18.07.2002 werte sie als solche, obwohl sie keinen Hinweis auf § 24 SGB X enthalten hätten - sei die Beklagte an sie gebunden, denn die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Gemäß § 39 SGB X werde ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt sei oder der von ihm betroffen werde, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben werde. Der Bescheid, mit dem die umstrittene Zurückweisung ausgesprochen worden sei, datiere vom 01.08.2002. Erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs (= 02.08.2002) habe dieser Verwaltungsakt eine Rechtswirkung entfalten können. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie auch mit ihrer Mandantin davon ausgehen dürfen, dass die Erhebung und Begründung des Widerspruchs vom 01.07.2002 im Rahmen der Annexkompetenz abgedeckt gewesen sei, einschließlich der sich hieraus ergebenden Folgen bezüglich der Kostenerstattung im Falle eines erfolgreichen Rechtsbehelfs. Nach alledem erweise sich die Klage - zumindest hinsichtlich der Kostenerstattung - als durchaus begründet.

Die Beklagte hat hiergegen eingewandt, es sei richtig, dass in der Abhilfeentscheidung vom 08.07.2002 die Erstattung der notwendigen Aufwendungen zugesichert worden sei. Diese Kosten- (grund)entscheidung ergebe sich aus § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X, nachdem der Widerspruch in diesem Sinne erfolgreich gewesen sei. Davon abgesehen, dass die Abhilfeentscheidung nicht an die Klägerin, sondern an M. gerichtet gewesen sei, sei in dieser Kostenentscheidung - bewusst - die Zuziehung eines Bevollmächtigten nicht für notwendig und dessen Kosten für erstattungsfähig erklärt worden (§ 64 Abs.2 SGB X). Nach § 63 Abs.3 Satz 2 SGB X habe die Kostenentscheidung zu bestimmen, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig gewesen sei. Eine solche Bestimmung zu Gunsten der Klägerin enthalte die mit dem Bescheid vom 08.07.2002 getroffene Kosten(grund)entscheidung nicht. Ist nämlich die Vertretung durch einen Bevollmächtigten erkennbar gesetzeswidrig (z.B. wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz), so sei sie nicht notwendig. Entgegen der Auffassung der Klägerin enthalte daher die am 08.07.2002 getroffene Kostengrundentscheidung keine Zusicherung, die Gebühren und Auslagen der Klägerin zu erstatten.

Mit Urteil vom 07.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Ausführungen der Beklagten seien rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig sei, dass die Klägerin als Rentenberaterin für Rentenangelegenheiten zugelassen sei. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des BSG stehe fest, dass eine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rentenberater nach Art.1 § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Rechtsberatungsgesetz nicht als solche bereits das Tätigwerden auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung umfasse. Auch die von der Klägerin geltend gemachte Annexkompetenz liege nicht vor.

Mit der Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, hier läge der Ausnahmefall einer Annexkompetenz vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid vom 01.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass der Ausnahmefall einer Annexkompetenz nicht gegeben sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Augsburg mit Urteil vom 07.07.2004 die Klage abgewiesen, da die in dem angefochtenen Bescheid vom 01.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 erfolgte Zurückweisung der Klägerin im Widerspruchsverfahren nicht zu beanstanden ist.

Die der Klägerin erteilte Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rentenberaterin nach Art.1 § 1 Abs.1 Satz 2 Nr.1 Rechtsberatungsgesetz umfasst nicht das Tätigwerden auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung (vgl. BSG SozR 3-1300 § 13 Nrn.5, 6).

Der Klägerin stand für die Vertretung der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren auch keine Annexkompetenz zur Seite. Denn diese ist nur dann gegeben, wenn zwischen der konkreten Tätigkeit und dem eigentlichen Aufgabengebiet ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der so eng ist, dass die Wahrnehmung der eigentlichen Berufsaufgabe ohne die Annexkompetenz unmöglich gemacht oder doch unangemessen erschwert würde, und es sich bei der zusätzlichen Tätigkeit um eine den Zwecken des Hauptgeschäftes dienende Nebentätigkeit handeln würde (BSG a.a.O. Nr.4).

Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, inwiefern eine Verfolgung der Rentenansprüche der M. ohne die Durchsetzung des Anspruchs auf Alg nicht möglich gewesen wäre, zumal die BfA die begehrte Rente bewilligt hat. Der Umstand, dass die Frage der Versicherungspflicht bezüglich der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung im Einzelfall in gleicher Weise zu beantworten ist, bedeutet nicht, dass hieraus eine so enge Verknüpfung erwächst, dass die Ansprüche aus den verschiedenen Versicherungszweigen nicht unabhängig voneinander verfolgt werden könnten. Wenn die Klägerin das Vorliegen einer Annexkompetenz damit begründet, dass der verfolgte Alg-Anspruch der Beigeladenen gleichzeitig eine Beitragszeit zur Rentenversicherung darstelle, so vermag dieses Vorbringen nicht zu überzeugen. Denn hierbei handelt es sich lediglich um eine mittelbare Rechtswirkung des Alg-Bezuges, wie sie dem vernetzten Sozialversicherungssystem immanent ist. Mit der Argumentation der Klägerin ließe sich - entgegen dem Regelungszusammenhang des RBerG - die Zuständigkeit des Rechtsberaters bis ins Uferlose ausdehnen. Würde man diesem Gedankengang folgen, wäre auch die Beratung auf arbeitsrechtlichem Gebiet (§ 7 Abs.1 SGB IV) sowie im Arbeitserlaubnis- und Ausländerrecht der Kompetenz des Rentenberates zuzurechnen. Hinzuweisen ist auch darauf, dass eine Annexkompetenz, die einen Rentenberater das Tätigwerden auch im Arbeitsförderungsrecht erlaubt, sich nicht einmal aus seinem Handeln im Umfeld der Nahtlosigkeitsregelung (§ 125 SGB III) herleiten lässt.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Augsburg vom 07.07.2004 war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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