L 4 KR 241/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 151/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 241/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 22/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 21. September 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Ausstellung einer Bescheinigung für die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme für mehrmalige Zahnsteinentfernungen pro Jahr.

Die 1943 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten; ihr Ehemann ist über sie familienversichert. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 09.02.2004 von der Beklagten u.a. eine Bestätigung, dass diese mehrmals jährlich im Rahmen der Vorsorge bei ihr und ihrem Ehemann die Kosten für Zahnsteinentfernungen übernehmen wird. Mit Bescheid vom 12.02. 2004 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Antrag mit der Begründung ab, die BEMA-Position 107 (Zahnsteinentfernung) könne seit dem 01.01.2004 nur noch einmal im Kalenderjahr abgerechnet werden; weitere Zahnsteinentfernungen seien als Privatleistung vom Versicherten zu bezahlen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.03.2004 den Antrag ein weiteres Mal ab. Der Widerspruch sei nicht zulässig, die Klägerin könne nach Durchführung einer weiteren Zahnsteinentfernung bei der Beklagten einen Kostenübernahmeantrag stellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der gleichen Begründung wie im Ausgangsbescheid ab.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 18.05.2004 beim Sozialgericht Regensburg (SG) geltend gemacht, die Beklage sei mehrmals jährlich zur Kostenübernahme für Zahnsteinentfernungen verpflichtet. Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 21.09.2004 die Klage abgewiesen. Der als Rahmenrecht angelegte Behandlungsanspruch des Versicherten werde durch die Tätigkeit des Vertragszahnarztes konkretisiert und erfüllt. Die Krankenkasse könne in dieses Rechtsverhältnis zwischen Vertragszahnarzt und Versicherten nicht eingreifen, wenn der Arzt in Wahrnehmung seiner Pflicht eine Krankheit diagnostiziere oder eine Vorsorgeleistung für notwendig halte und die entsprechende Leistung erbringe. Die Beklagte habe es daher zu Recht abgelehnt, eine Kostenübernahmeerklärung für künftig anfallende Zahnsteinentfernungen mehrmals jährlich abzugeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 02.11. 2004, mit der sie ihr Anliegen weiterverfolgt.

Sie beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Regensburg vom 21.09.2004 sowie der Bescheide vom 12.02.2004 und 18.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2004 zu verpflichten, eine Bescheinigung über die Kostenübernahme einer mehrmaligen jährlichen Zahnsteinentfernung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden; das SG hat zu Recht die Klage auf Ausstellung der von der Klägerin gewünschten Bescheinigungen abgewiesen.

Der Senat nimmt hinsichtlich der Ausführungen des SG zu der Konkretisierung des Behandlungsanspruchs durch die vertragszahnärztliche Tätigkeit gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die angefochtene Entscheidung Bezug und weist im Übrigen auf Folgendes hin:

Eine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin geforderte Bescheinigung findet sich im Leistungsrecht des Sozialgesetzbuches V (SGB V) nicht, insbesondere nicht in den gesetzlichen Vorschriften, die zahnärztliche Leistungen zum Gegenstand haben (§ 11 Abs.1 Nr.2, §§ 21, 22, 27 Abs.1, 28 Abs.2, 29, 30 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Das Gesetz enthält dort, wo die Krankenkasse zur Erteilung von Bescheinigungen an die Versicherten verpflichtet ist, eine ausdrückliche Regelung, wie z.B. in § 62 Abs.1 Satz 1 SGB V.

Eine entsprechende Verpflichtung zur Erteilung einer Bescheinigung ergibt sich auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 22 SGB V, der die Individualprophylaxe regelt, in Verbindung mit den nach § 22 Abs.5 SBG V vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien nach § 92 SGB V. Die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über Maßnahmen zur Verhütung von Zahnerkrankungen (Individualprophylaxe) in der Fassung vom 04.06.2003, die zum 01.01.2004 in Kraft getreten ist, enthält zwar in Abschnitt B Nr.8 eine Dokumentationsverpflichtung des Vertragszahnarztes über den Mundhygienestatus und in Nr.13 die Verpflichtung zur Eintragung in das Bonusheft. Diese Verpflichtungen stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit der von der Klägerin gewünschten Bescheinigung. Die gleichfalls vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinien) in der Fassung vom 04.06.2003 und 24.09.2003, die zum 01.01. 2004 in Kraft getreten sind, enthalten in Abschnitt B VI. 1. die Regelung, dass zur vertragszahnärztlichen Versorgung auch das Entfernen von harten verkalkten Belägen und Behandlung von Erkrankungen der Mundschleimhaut gehören. Eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Erteilung von Bescheinigungen mit dem von ihr gewünschten Inhalt ergibt sich aus diesen Richtlinien nicht. Ebenso wenig folgt eine Verpflichtung der Beklagten aus dem Zahnarzt-Ersatzkassenvertrag (EKV-Z) in Verbindung mit dessen Anlagen. § 4 EKV-Z enthält in Abs.2 Dokumentationspflichten des Vertragszahnarztes und in Abs.4 die Verpflichtung zur Erteilung von Bescheinigungen gegenüber der Vertragskasse. § 5 dieses Vertrags regelt die Verpflichtung der Vertragskassen, u.a. zur allgemeinen Information über die Leistungsansprüche und deren Voraussetzungen. Weder hieraus noch aus Nr.107 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen (Entfernen harter Zahnbeläge) ergibt sich eine Verpflichtung zur Ausstellung der von der Klägerin gewünschten Bescheinigung.

Eine entsprechende Leistungsverpflichtung besteht auch nicht nach § 34 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Diese Vorschrift enthält Regelungen im Zusammenhang mit der Erteilung einer Zusicherung. Unabhängig von der Frage, wie oft die Zahnsteinentfernung zu Lasten der Krankenkasse jährlich durchzuführen ist, kann über § 34 SGB X nicht die Verpflichtung der Krankenkasse über die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenbehandlung erstritten werden. Denn ob die Krankenkasse eine Zusicherung gibt, liegt in deren Ermessen (KassKomm - Krasney, § 34 SGB X, Rdnr.6 m.w.N.). Die ablehnenden Bescheide der Beklagten sind auch unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs der Klägerin auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht zu beanstanden, da die Krankenkasse mit ihren Bescheiden der gesetzlichen und vertraglichen Informationspflicht im Rahmen der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch I nachgekommen ist. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Krankenkassen ihre Versicherten mit der Krankenversicherungskarte ausstatten (§ 291 SGB V), die als Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Abrechnung mit den Leistungserbringern dient. Das Ausstellen gesonderter Bescheinigungen über die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen der Zahnsteinentfernung ist somit überflüssig und würde zu einem durch nichts zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand führen.

Soweit die Klägerin von der Beklagten die Leistungsfeststellung für die nächsten Jahre durch eine Bescheinigung begehrt, fehlt es schon an einem entsprechenden Feststellunginteresse im Sinne des § 55 Abs.1 Nr.1 SGG. Auch wenn ein Feststellungsinteresse noch anzunehmen ist bei der Feststellung erst künftig fällig werdender Leistungen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 55, Rn.8b) ist deswegen noch nicht die von der Klägerin begehrte Feststellung der künftigen Leistungspflicht gerechtfertigt, die auf eine Bevorratung zahnärztlicher Behandlung hinausläuft. In diesem Zusammenhang ist das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben eines Zahnarztes ohne Briefkopf und Arztstempel ohne Beweiswert.

Abgesehen davon, dass ein konkretes Leistungsbegehren bezogen auf die Häufigkeit der Zahnsteinentfernung pro Jahr nicht geäußert worden ist, spricht vor allem gegen ein Feststellungsinteresse, dass der Leistungsinhalt der vertragszahnärztlichen Behandlung nach den einschlägigen Vorschriften des SGB V selbst für die nächsten Jahre ungewiss ist. Maßgebend für die Verpflichtung zur Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Leistungserbringung (Bundessozialgericht (BSG) vom 25.03.2003 SozR 4-2500 § 28 Nr.1; BSG vom 03.09.2003 SozR 4-2500 § 28 Nr.2).

Die Klägerin hat somit die Möglichkeit, falls sie in diesem Jahr noch nicht davon Gebrauch gemacht hat, zu Lasten der Beklagten die Zahnsteinentfernung in Anspruch zu nehmen und weitere Behandlungen auf eigene Kosten durchführen zu lassen. Sie trägt insoweit das Kostenrisiko eines Erstattungsanspruchs (§ 13 Abs.3 SGB V). Entsprechendes gilt nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschrift für die kommenden Jahre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved