L 5 R 725/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 198/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 725/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 9. November 2000 sowie des Bescheides vom 17. Januar 1998 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 13. Januar 1999 und des Bescheides vom 12. September 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 1992 sowie des Bescheides vom 17. Dezember 2002 verurteilt, der Klägerin unter Berücksichtigung eines Versicherungsfalls vom November 1991 EU-Rente auf Zeit bereits ab 1. Januar 1994 und unter Berücksich- tigung eines weiteren Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit vom 26. Oktober 2000 die gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bis 30. September 2003 zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergericht- lichen Kosten zu einem Drittel zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1942 geborene Klägerin durchlief von 1957 bis 1959 eine Ausbildung als Schneiderin, ohne einen Abschluss zu erlangen, und war anschließend als ungelernte Chemiearbeiterin, Fabrikarbeiterin und Wicklerin tätig. Von 1967 bis 31.03.1989 arbeitete sie als Chemiewerkerin, zuletzt als Verpackerin für die Firma Gummiwerk S. , F ...

1986, 1988 und 1991 erhielt sie wegen Wirbelsäulenbeschwerden medizinische Heilverfahren.

Einen ersten Antrag vom 24.05.1991 auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeits-/Berufsunfähigkeitsrente (EU/BU-Rente) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.1991/Widerspruchsbescheid vom 15.01.1992 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin könne trotz chronischer LWS-Bandscheibenschäden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf welchen sie mangels Berufsschutzes zumutbar verwiesen werden könne, vollschichtig leichte Arbeiten unter nur unwesentlichen qualitativen Einschränkungen erbringen. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Landshut (SG) mit Urteil vom 03.03.1994 ab (Az.: S 3 Ar 54/92), weil nach den Entlassungsberichten zweier weiterer Heilverfahren (1992 und 1993) sowie nach den gerichtsärztlichen Gutachten des Orthopäden Dr.B. (23.12.1992) und des Neurologen/Psychiaters Dr.M. (10.08.1993) die Klägerin seit Mai 1992 erwerbsunfähig sei, es jedoch an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung mit Pflichtbeiträgen in den letzten 60 Monaten vor Eintritt der EU fehle. Die dagegen eingelegte Berufung (L 16 Ar 353/94) nahm die Klägerin im Hinblick auf ein nervenärztliches Gutachten des Dr.K. (03.11.1995 - Untersuchungstag 27.10.1995) zurück, welcher die Klägerin trotz Erkrankungen der LWS mit psychischer Überlagerung unter nur qualitativen Einschränkungen für vollschichtig einsetzbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angesehen hatte.

Am 30.03.1984 beantragte die Klägerin - im Hinblick auf das damals noch offene Klageverfahren - die Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Aufrechterhaltung ihrer Rentenanwartschaften zuzulassen. Widerspruch und Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10.08.1994 blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 16.02.1995; Urteil Sozialgericht Landshut S 4 Ar 174/95 vom 09.12.1996). Das anschließende Berufungsverfahren (L 16 RJ 23/97) endete mit Überprüfungsvergleich vom 21.10. 1998, nachdem der Vorsitzende auf die Erhaltung der Rentenanwartschaft infolge durchgehender Arbeitsunfähigkeit von 1989 bis 1991 hingewiesen hatte.

In der darauf ergangenen - und hier streitigen - Überprüfungsentscheidung verneinte die Beklagte einen Rentenanspruch mit der Begründung, es könne allenfalls vorübergehende Erwerbsunfähigkeit vom 03.08.1993 (Gutachten Dr.M.) bis 27.10.1995 (Untersuchungstag Dr.K.) angenommen werden, so dass ein Anspruch auf EU/BU-Rente auf Dauer nicht bestehe (Bescheid 17.11.1998/Widerspruchsbescheid 13.01.1999). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut (S 2 RJ 198/99) hat die Klägerin beantragt, ihr Rente wegen EU ab 01.06.1991 zu leisten. Das SG hat ein sozialmedizinisches Gutachten der Dr.T. (06.11.2000) eingeholt, die diagnostiziert hat: - Funktionseinschränkung und chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule mit Lumboischialgien bei degenerativen Verände rungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1, - rezidivierende Cervikobrachialgien rechts, - Zustand nach Acromioplastik rechts, - Bluthochdruck sowie klimakterische Beschwerden.

Die Sachverständige hat unter Auswertung der gesamten medizinischen Dokumentation dargestellt, dass die Krankheitsgeschichte der Klägerin von jahrelangen LWS-Beschwerden geprägt sei, welche 1987 zur ersten Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätten. Leider hätte die Erfolglosigkeit von Heilverfahren sowie ein bereits Anfang 1989 vertrauensärztlich geäußerter Verdacht einer psychosomatischen Erkrankung nicht zu einer psychiatrischen Behandlung geführt. Deswegen habe auch eine Bandscheibenoperation 1992 mangels psychiatrischer Begleitbehandlung im Ergebnis fehlschlagen müssen. Auch habe die Klägerin nach einem Vorschlag, die Wirbelsäule operativ zu versteifen, fachärztliche Behandlungen aufgegeben. Bei der mentalen und psychischen Fixierung auf das Schmerzerleben sei die Klägerin nicht mehr fähig, sich aus eigener Willensanstrengung aus der Schmerzfixierung zu lösen. Die Klägerin sei infolge der chronischen Schmerzerkrankung nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein. Auf orthopädischem sowie psychiatrischem Gebiet sei gegenüber der Vorbegutachtung durch Dr.K. eine Verschlechterung festzustellen, die mangels fachärztlicher Behandlung und objektivierbarer Indizien auf den Untersuchungstag 26.10.2000 zu datieren sei. Seither könne die Klägerin nur unterhalbschichtig leichte Arbeiten verrichten.

Mit Urteil vom 09.11.2000 hat das Sozialgericht Landshut die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach den Feststellungen der Dr.T. bestehe erst ab 06.10. 2000 EU. Für eine EU-Rente seien die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aber nicht erfüllt. Die Klägerin sei bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.1989 und in der Folgezeit nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und EU-Rente ab 01.06.1991 begehrt unter Bezugnahme auf die von Dr.T. festgestellte langjährige Arbeitsunfähigkeit sowie auf einen Bericht der Beklagten vom 02.12.1991, wonach sie auf dem Arbeitsmarkt weder jetzt noch in der Zukunft einsetzbar sei. Mit Bescheid vom 17.12.2000 hat die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen EU für die Zeit 01.03.1994 bis 31.10.1995 bewilligt. Ein Vergleichsangebot vom 04.02.2003 mit Anerkenntnis einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit als Anrechnungszeit vom 01.04. 1989 bis 13.08.1992, EU auf Zeit ab 03.08.1993 bis 31.10.1995 sowie Eintritt einer dauernden EU ab 15.10.2000 mit Rentengewährung auf Dauer ab 01.11.2000 hat die Klägerin nicht angenommen.

Der Senat hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr.M. M. (29.05.2003), ein nervenärztliches Gutachten des P. R. (19.06.2004) sowie auf Antrag der Klägerin ein orthopädisches Gutachten des Dr.T. L. (03.09.2004) eingeholt.

Dr.M. hat ausgeführt, die Klägerin habe vom 01.04.1989 bis 02.08.1993 an tiefsitzenden Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Beine, zunehmend ab November 1991, gelitten. Vom 01.11.1995 bis 14.10.2000 habe die Klägerin weiter an ähnlich gelagerten Beschwerden gelitten, die Aktenlage lasse keine präzisere Einschätzung für diesen Zeitraum zu. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin ab November 1991 (LWS-Operation) bis 02.08.1993 (stationäres Heilverfahren) nicht mehr vollschichtig einsetzbar gewesen sei. Vom 01.04.1989 bis November 1991 sowie vom 01.11.1995 bis 14.10.2000 dürfte vollschichtige Einsatzfähigkeit vorgelegen haben. Aktuell (Untersuchungstag 23.09.2003) könne die Klägerin nur leichte körperliche Arbeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen und ohne Arbeiten in monotonen Zwangshaltungen vollschichtig verrichten.

Der Neurologe/Psychiater P.J. R. hat ausgeführt, die Klägerin habe vom 01.04.1989 bis 02.08.1993 an einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gelitten mit rezidivierenden Schmerzausstrahlungen in beide Beine und Beschwerdezunahme ab November 1991. Für die Zeit 01.11.1995 bis 14.10.2000 sei von ähnlichen Beschwerden auszugehen, eine präzise Einschätzung sei aufgrund der bekannten Aktenlage jedoch nicht möglich. Wahrscheinlich sei die Klägerin von der Wirbelsäulenoperation im November 1991 bis Anfang Juni 1992 arbeitsunfähig gewesen, danach wieder voll arbeitsfähig. Auszugehen sei nur von Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch von EU. Nach der Aktenlage sei eine vollschichtige tägliche Arbeitsleistung der Klägerin vom 01.04.1989 bis November 1991 sowie 01.11.1995 bis 14.10.2000 anzunehmen. Aktuell (Untersuchungstag 15.03.2004) könne die Klägerin vollschichtig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen, ohne schweres Heben und Tragen, ohne Zwangshaltungen sowie ohne besonderen Zeitdruck ausüben. Die Wegefähigkeit sei nicht relevant eingeschränkt, ebenso wenig die Umstellungsfähigkeit.

Demgegenüber hat Dr.L. ein chronisches ischialgiformes Schmerzsyndrom diagnostiziert, hervorgerufen durch eine chronische Discopathie L4/5 links sowie durch ein Piriformissyndrom, bedingt durch eine sich entwickelnde muskuläre Dysbalance im Rumpf-Becken-Bereich. Die Klägerin habe infolge hiervon unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses weniger als drei Stunden täglich in den Zeiträumen 01.04.1989 bis 02.08. 1993 sowie vom 01.11.1995 bis 14.10.2000 sowie aktuell arbeiten können. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, ebenso wenig wie die Umstellungsfähigkeit.

Gegenüber dem Gutachten des Dr.L. hat der Chirurg/Internist Dr.S. eingewandt, die objektive Befundung entspreche der bisherigen Gutachtenslage, die Wertung des Dr.L. stütze sich jedoch weniger auf objektiv erhobene Befunde, sondern auf höchst subjektive Parameter, die nicht verifiziert seien. Dr.M. hat gegenüber dem Gutachten des Dr.L. unter Hinweis auf seine zusätzliche Fachbezeichnung "spezielle Schmerztherapie" eingewandt, die gering dosierte medikamentöse Schmerzbehandlung der Klägerin rufe objektive Zweifel an einem chronischen und ständigen Schmerzleiden hervor. Ausgehend von der nur sporadischen orthopädischen Behandlung der Klägerin sowie der objektiv von ihm erhobenen Befunde ließen sich keine funktionellen oder neurologische Störungen objektivieren, die ein untervollschichtiges Leistungsvermögen begründen könnten. Demgegenüber ist Dr.L. bei seiner Einschätzung geblieben.

In einer ergänzenden Stellungnahme hat der Neurologe/Psychiater P.J. R. unter dem 19.12.2004 ausgeführt, das Gutachten des Dr.L. stütze sich fast ausschließlich auf die subjektive Beschwerdeschilderung der Klägerin, während Fakten eines psychisch bedingten Schmerzsyndroms nicht geschildert würden. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen (körperlicher Befund, körperliche Untersuchung, neurologische Untersuchung sowie psychiatrische Exploration und Untersuchung) hätten sich keine Hinweise für die von Dr.L. angenommenen Befunde und Leistungseinschränkungen objektivieren lassen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 09.11.2000 sowie des Bescheides vom 17.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1999, sowie des Bescheides vom 12.09.1991 in der Fassung des Widerpruchsbescheides vom 15.01.1992 sowie in Abänderung des Bescheides vom 17.12.2002 zu verurteilen, ihr ab 01.06.1991 eine Rente wegen EU bzw. BU zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgrichts Landshut vom 09.11.2000 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 11.01. 2005 waren die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Schwerbehindertenakten des AVF L. und die Akten der vorangegangenen Rechtsstreite S 3 Ar 54/92 und S 7 Ar 174/95 (Sozialgericht Landshut) sowie L 16 Ar 353/94 und L 16 RJ 23/97 (Bayer. Landessozialgericht). Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151, 153 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses insoweit unzulässig, als die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auch für den Zeitraum 01.03.1994 bis 31.10.1995 begehrt, weil sie für diesen Zeitraum gemäß Bescheid vom 17.12.2002 eine EU-Rente bewilligt erhalten hat. Im Übrigen ist die Berufung nur zu einem geringen Teil begründet, zum überwiegenden Teil jedoch unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 17. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 1999 mit welchem es die Beklagte abgelehnt hat, den Bescheid vom 12.09.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 1992 abzuändern sowie im Übrigen eine Rente wegen EU/BU zu gewähren. Streitgegenstand ist ebenso der EU-Bewilligungsbescheid vom 17. Dezember 2002, mit welchem die Beklagte der Klägerin eine Rente nur für den Zeitraum 01.03.1994 bis 31.10.1995 bewilligt hat. Diese Verwaltungsentscheidungen sind insoweit abzuändern, als die Klägerin Anspruch auf Rente wegen EU bereits ab 1. Januar 19994 hat (bei zutreffender Befristung bis 31.10.1995) sowie für die Zeit ab Versicherungsfall 26. Oktober 2000 bis 30. September 2003. Insoweit ist die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen EU zu verurteilen. Im Übrigen hat die Klägerin keinen Anspruch auf EU/BU- oder Erwerbsminderungsrente; insoweit bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO) soweit die Klägerin Rente wegen BU/EU für die Zeit ab 01.06.1991 bis 31.12.1991 begehrt. Der Anspruch richtet sich nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), weil die Klägerin (auch) Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 begehrt und der Rentenantrag vor diesem Zeitpunkt gestellt ist (§ 300 Abs.2 SGB VI). Soweit ein Rentenanspruch erstmals für die Zeit ab dem 01.01.2001 in Betracht kommt, findet das SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden neuen Fassung (n.F.) Anwendung.

Nach §§ 1246, 1247 RVO, §§ 43, 44 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen EU/BU, wenn sie 1. erwerbsunfähig/berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU/BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweisen und 3. vor Eintritt der EU/BU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin erfüllt die versicherungsrechtlichen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rente wegen EU/BU bzw. wegen Erwerbsminderung, insbesondere weil sie nach den - auch von der Beklagten nicht mehr angezweifelten - Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigengutachten ab 01.03.1989 arbeitsunfähig war.

Berufsunfähig sind nach § 1246 RVO, § 43 SGB VI a.F. sowie § 240 SGB VI n.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die den Kräften und Fähigkeiten der Versicherten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann.

Ausgangspunkt für die Prüfung von BU ist nach ständiger Rechtsprechung der bisherige Beruf, den der Versicherte in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ausgeübt hat (vgl. BSGE 50, 165).

Kann ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben, liegt Berufsunfähigkeit aber nur dann vor, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und für die sich der Betroffene sowohl gesundheitlich als auch fachlich eignet. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, in vier Gruppen eingeteilt. Nach dem gesamten Akteninhalt und den eigenen Angaben der Klägerin ist diese ohne abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt in ihrem Hauptberuf als Chemiewerkerin mit Tätigkeiten beschäftigt, die binnen kürzester Zeit zu erlernen waren. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin für diese Tätigkeiten eine Anlernzeit gebraucht hätte, welche länger als wenige Wochen gedauert hätten, sind nicht vorhanden. Die Klägerin kann damit - selbst bei Annahme einer Tätigkeit im unteren Anlernbereich (Anlernzeit bis zu zwölf Monate) zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.132, 138, 140; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Als Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin entsprechend dem Entlassungsbericht der Orthopädischen Klinik T. vom 11.05.1993 bereits ab Entlassungstag 12.05.1993 nur mehr in der Lage war, einer untervollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dieses reduzierte Leistungsvermögen ist bis zum Untersuchungstag des Dr.K. (27.10.1995) anzunehmen, so dass der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit zu gewähren ist. Diese beginnt nach § 101 Abs.1 SGB VI mit Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte ist somit über den Bewilligungsbescheid vom 17.12.2002 hinaus nicht erst ab 01.03.1994, sondern bereits ab 01.01.1994 zur Rentengewährung verpflichtet. Dabei ist der Senat - ebenso wie die Beklagte - davon überzeugt, dass die Leistungseinschätzung des Neurologen und Psychiaters Dr.M. vom 10.08.1993, welchem sich der Senat mit Ausnahme des Eintrittdatums der Erwerbsunfähigkeit anschließt, zutrifft und bei der Klägerin infolge der LWS-Erkrankungen Störungen neurotischer Natur bei gleichzeitigem Vorliegen eines Schmerzmittelmissbrauches vorgelegen hatten. Zwar geht Dr.M. (Blatt 13 seines Gutachtens) davon aus, dass der Ausprägungsgrad sicher schon seit der Behandlung in T. im Mai "1992" vorgelegen habe. Insoweit handelt es sich jedoch um ein offensichtliches Schreibversehen, weil der Sachverständige auf Seite 4 ausdrücklich auf die Kur in T. im Mai 1993 Bezug genommen hat, während der Entlassungsbericht der Kur in T. vom Juli 1993 datiert hatte. Die Klägerin war somit ab Mitte Mai 1993 nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen (Gutachten Dr.M. , Seite 12). Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.

Darüber hinaus war die Klägerin nach dem überzeugenden Gutachten der Dr.T. vom 06.11.2000 ab deren Untersuchungstag 26.10.2000 nur noch in der Lage, leichte Arbeiten täglich unterhalbschichtig auszuüben. Der Grund hierfür ist nach den Ausführungen der Dr.T. in den Aus- wirkungen der Funktionseinschränkungen und des chronischen Schmerzsyndroms der Wirbelsäule mit Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L5/S1 zusammen mit rezidivierenden Cervikobrachialgien rechts einschließlich Zustand nach Acromioplastik rechts zu sehen. Im Verlauf der Krankheit hatte sich die Klägerin einer Behandlung ihrer Schmerzempfindlichkeiten verschlossen, so dass Dr.T. ausgeprägte Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule festzustellen hatte. Bei zusätzlichen rezidivierenden ausstrahlenden Beschwerden und einer mentalen sowie psychischen Fixierung auf das Schmerzerleben war im Zeitpunkt der Begutachtung der Dr.T. die Klägerin nicht in der Lage, sich aus eigener Willensanstrengung aus der Fixierung zu lösen, so dass sich die Schmerzkrankheit chronifiziert hatte. Die Funktionseinschränkgen hatten deshalb nicht nur zu qualitativen, sondern auch zu quantitativen Leistungseinschränkungen geführt, die Dr.T. zutreffend mit unterhalbschichtigem Einsatzvermögen angegeben hat. Damit war mit Versicherungsfall 26.10.2000 bei der Klägerin EU eingetreten. Die Beklagte war zur entsprechenden Rentengewährung zu verurteilen.

Der von Dr.T. festgestellte Zustand der EU hatte jedoch nicht auf Dauer vorgelegen, wie Dr.M. anlässlich seiner Untersuchung vom 23.09.2003 festgestellt hat. Die Beklagte war deshalb zur Gewährung von der EU-Rente auf Zeit nur bis 30. September 2003 zu verurteilen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Dr.M. war von ihm ein unauffälliges Bewegungsmuster in Alltagssituationen festzustellen, die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule war eingeschränkt, ohne dass alte oder frische neurologische Störungen zu objektivieren waren. Die tiefsitzenden Rückenschmerzen mit Ausstrahlungen in die Beine hatten zum Untersuchungszeitpunkt dazu geführt, dass die Klägerin nur leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen und ohne Arbeiten in monotonen Zwangshaltungen verrichten konnte. Über diese qualitativen Einschränkungen hinaus bestand jedoch nach der eindeutigen ergänzenden Stellungnahme des Dr.M. vom 21.12.2004 eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Auch in den übrigen Zeiträumen lag - soweit nicht nach den bisherigen Ausführungen EU bestanden hatte - weder BU, noch EU, noch Erwerbsminderung vor. Hierzu hat Dr.M. überzeugend ausgeführt, dass in den entsprechenden Zeitintervallen ab 01.06.1991 bis Mai 1993, ab 01.11.1995 bis September 2000 sowie ab dem Untersuchungsdatum 23.09.2003 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden hatte bzw. besteht. Insoweit überzeugen die Ausführungen des Dr.M. , denen sich der Senat anschließt, weil seine Feststellungen unter Einbezug der ausführlichen ärztlichen Dokumentation aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin unter Auswertung der diagnostischen, insbesondere bildgebenden Verfahren einschließlich Kernspintomographie getroffen wurden und weil Dr.M. zu einem schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Beurteilungsbild gelangt ist. Besonderer Wert ist darauf zu legen, dass Dr.M. als Orthopäde die Auswirkungen der Einschränkungen der Wirbelsäule fachbezogen eingeschätzt hat und aufgrund seiner Zusatzqualifikation "Schmerztherapie" in der Lage war, die Auswirkungen der von der Klägerin geltend gemachten und im gesamten Verfahren auch immer wieder festgestellten Schmerzauswirkungen zutreffend einzuordnen.

Der Senat schließt sich auch den überzeugenden Ausführungen des Neurologen/Psychiaters P.J. R. an, welcher die neurologischen und seelischen Auswirkungen der Schmerzerkrankung der Klägerin zutreffend gewürdigt und unter Einbezug der im gesamten Verfahren vorgelegten medizinischen Dokumentation sowie der erstellten Sachverständigengutachten einschließlich desjenigen des Dr.M. zusammengefasst und widerspruchsfrei gewürdigt hat. Danach ist - mit Ausnahme der zugesprochenen Zeiträume - bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen anzunehmen.

Ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin schließt eine Rente wegen EU sowie wegen Erwerbsminderung aus. Es verhindert auch einen Anspruch auf Rente wegen BU, weil die Klägerin mangels Berufsschutzes auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann und dort vollschichtiges Einsatzvermögen bestanden hatte. Die Wegefähigkeit ist für die maßgeblichen Zeiträume nicht eingeschränkt, ebenso wenig wie die Umstellungsfähigkeit.

In dieser Einschätzung kann der Senat für die Zeiten vor dem Jahre 2000 auch zurückgreifen auf die zutreffenden Ausführungen der Dr.T. , des Dr.B. und des Dr.M ...

Nicht gefolgt werden kann hingegen den Einschätzungen des Dr.L. , wie P. J. R. und Dr.M. in ihren ergänzenden Stellungnahmen überzeugend ausgeführt haben. Zum einen hat Dr.L. selbst die gutachterliche Untersuchung des Dr.M. als vorbildlich bezeichnet, alle Untersuchungsgänge seien korrekt und nachvollziehbar durchgeführt worden. Damit besteht eine Übereinstimmung in den objektiven Befunden zwischen Dr.L. und Dr.M ... Allein die Interpretation der Funktionsauswirkungen der Erkrankungen der Klägerin sind von Dr.L. anders beurteilt worden, ebenso wie die Auswirkungen des Piriformissyndroms. Insoweit vermag das Sachverständigengutachten des Dr.L. nicht zu überzeugen, weil die angenommenen Auswirkungen in Form einer quantitativen Leistungsminderung nur auf subjektive Angaben der Klägerin zurückgeführt worden sind, Dr.L. hierfür jedoch keine ausreichenden objektiven Befunde angeführt hat. Das Gutachten ist auch in sich widersprüchlich, als der Sachverständige Dr.L. das An- und Auskleiden als in ausreichendem Tempo geschildert hat, während von seiner übrigen Einschätzung her insoweit deutliche Schmerzzeichen zu erwarten gewesen wären. Im Übrigen hat Dr.L. seine Leistungseinschätzung dadurch relativiert, dass "nach vernünftigen medizinischen Überlegungen mehr dafür als dagegen" spräche, eine zeitlich unterschiedliche Beurteilung der generellen Leistungsfähigkeit ab 1998 anzunehmen. Der Senat sieht sich deshalb nicht in der Lage, dem Gutachten des Dr.L. zu folgen.

Der Berufung war damit in weiten Teilen der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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