L 5 RJ 578/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1274/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 578/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1952 geborene Kläger ist mazedonischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt und war hier von 1970 bis 1994 als Hilfsarbeiter in der Textilindustrie beschäftigt. Am 26.11.1994 erlitt er einen Verkehrsunfall mit Polytrauma, weshalb er von der Beklagten vom 28.06.1995 bis 30.11.1996 Erwerbsunfähigkeitsrente erhielt. Auf seinen Weitergewährungsantrag wurde vor dem Sozialgericht Bayreuth am 06.07.1998 ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass ihm vom 01.05.1998 bis 30.09.1999, ausgehend vom Versicherungsfall am 02.10.1997, Erwerbsunfähigkeitsrente weitergewährt wurde. Grundlage hierfür war das chirurgische Gutachten Dr.W. vom 18.01.1998, der eine Verschlimmerung am rechten Knie festgestellt hatte, nachdem dieses 1997 erneut zweimal operiert werden musste.

Nach einer weiteren Operation am rechten Knie im März 1999 beantragte der Kläger am 16.06.1999 die Weitergewährung über den 30.09.1999 hinaus. Aus einem Reha-Verfahren in Bad F. vom 22.03. bis 03.05.1999 war er als arbeitsunfähig entlassen worden. Die behandelnden Ärzte Dres.K. , W. und H. attestierten dem Kläger, dass eine Wiedereingliederung nicht erfolgversprechend sei. Das von der Beklagten veranlasste neurologisch-psychiatrische Gutachten Dr.N. vom 01.09.1999 ergab, dass die langdauernde depressive Reaktion nach dem schweren Trauma 1994 behandlungs- und besserungsfähig sei, daher nur qualitative Einschränkungen gegeben seien. Das sozialmedizinische Gutachten des Chirurgen Dr.L. vom 14.09.1999 stellte statische Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit ausreichender Funktion, gelegentliche Beschwerden im linken Kniegelenk und linken Fuß, Beschwerden am rechten Kniegelenk mit schmerzhafter, aber ausreichender Funktion und Belastungsbeschwerden am rechten Handgelenk mit teilweise eingeschränkter Funktion und Nackenbeschwerden bei ausreichender Funktion fest. Nach Ansicht des Sachverständigen sind Tätigkeiten im Sitzen, ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, häufiges Überkopfarbeiten, übermäßige Kraftanforderung an die rechte Hand, häufiges Klettern und Steigen vollschichtig zumutbar. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 30.09.1999 ab.

Mit seinem Widerspruch vom 15.11.1999 wandte sich der Kläger unter Berufung auf die behandelnden Ärzte gegen die Rentenablehnung. Bei der anschließend von der Beklagten veranlassten internistischen Begutachtung durch Dr.H. vom 01.08.2000 wurde lediglich ein unbefriedigend eingestellter insulinpflichtiger Diabetes festgestellt, der aus internistischer Sicht keine zusätzlichen Leistungseinschränkungen bedinge. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch am 15.09.2000 zurück.

Mit der am 10.10.2000 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, gegenüber dem der Rentenbewilligung bis September 1999 zugrundeliegenden Zustand habe sich eine Verschlechterung ergeben, so dass die Rentenablehnung nicht nachvollziehbar sei. Der Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz betrage 70. Ausweislich des Privatgutachtens von Seiten des Orthopäden Dr.R. vom 23.08.2001 ist dem Kläger keinerlei Erwerbstätigkeit mehr zumutbar.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der Dres.S. , R. und F. eingeholt und den Internisten Dr.N. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat eine fachorthopädische und nervenärztliche Untersuchung veranlasst, die von den Dres.S. und P. durchgeführt worden sind. Dr.S. hat in seinem orthopädischen Gutachten vom 06.02.2002 nach ambulanter Untersuchung am 14.01.2002 keine Einschränkung der Gehstrecke objektiviert und leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Tätigkeiten in der Hocke und auf Leitern und Gerüsten für vollschichtig zumutbar erachtet. Die Dres.P. und S. sind in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 21.02.2002 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne noch leichte und mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde ohne Schichtarbeit verrichten. Zusammenfassend hat Dr.N. eine Einschränkung auf leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen über 10 kg zu ebener Erde und ohne besonderen Zeitdruck bejaht. Nach der Vorlage eines MRT-Befundes vom 15.05.2002 und des Berichts der Unfallchirurgischen Abteilung im Klinikum der Uni R. vom 22.07.2002 hat Dr.S. in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 08.09. und 11.09.2002 in Übereinstimmung mit der Beklagten ausgeführt, daraus ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.10.2002, gestützt auf die Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen, abgewiesen.

Gegen das am 07.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.11.2002 Berufung eingelegt und geltend gemacht, es sei eine weitere Knieoperation geplant. Ausweislich des Befundberichts des Orthopäden Dr.R. vom 10.11.2003 ist keine richtungweisende Befundverschlechterung eingetreten. Nach Einholung eines Befundberichts von dem Orthopäden Dr.E. und nach Vorlage eines Attestes des Internisten Dr.S. vom Januar 2004, wonach der Kläger wegen der im Vordergrund stehenden orthopädischen Beeinträchtigung keinerlei Tätigkeit mehr ausüben könne, hat das Gericht den Orthopäden Dr.Z. mit einer Begutachtung beauftragt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung am 29.01.2004 in seinem Gutachten vom 09.02.2004 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

1. Zustand nach Polytrauma mit Kraftminderung und mäßiger Funktionsstörung des rechten Armes

2. Schwere zweitgradige Kniegelenksinstabilität mit erheblicher regelmäßiger Ergussbildung und Arthroseentwicklung posttraumatisch am rechten Kniegelenk

3. anteromediale Instabilität Grad II nach Kreuzbandplastik und operativen Revisionen. Zustand nach fraglichem Infekt. Beginnende Kniegelenksarthrose links.

4. Diverse Narbenbildungen mit Narbenneuralgien und Zustand nach Fersenbeinfraktur links mit Belastungsminderung.

5. Zervikobrachialsyndrom und Zervikozephalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule ohne nachweisbare Nervenwurzelreizungen.

6. Rezidivierende Lumbalgie und Lumboischialgie bei mäßigen degenerativen Veränderungen LW 4/5 und L5/S1. Zustand nach LWK1/LWK3-Fraktur ohne stattgehabte Verformungen. Ischialgie bei mäßiger Wurzelreizung S1 links.

7. Lockerer Senk-Spreizfuß beidseits.

Seines Erachtens ist eine wesentliche Veränderung der Situation seit 01.10.1999 unwahrscheinlich. Dennoch könnte eine gewisse Verschlechterung von Seiten der Kniegelenksarthrose in den letzten drei Jahren stattgefunden haben, nachdem bei der Untersuchung von Dr.S. am 06.02.2002 kein Erguss am rechten Kniegelenk greifbar war. Daher müsse mit Wahrscheinlichkeit Mitte des Jahres 2002 eine Verschlechterung angenommen werden. Seit dem 01.10.1999 und insbesondere seit dem 01.07.2002 sei der Kläger unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr in der Lage vollschichtig zu arbeiten. Aufgrund der belastungsabhängigen und belastungsunabhängigen Kniegelenksergüsse sowie der Minderung der Belastbarkeit auch der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie der Kraftminderung im Bereich des Unterarms rechts sei eine tägliche Arbeitszeit von weniger als acht Stunden, jedoch mindestens sechs Stunden als korrekt anzusehen. Insbesondere Arbeiten in stehender Position oder Arbeiten mit Gehen seien erheblich eingeschränkt. Arbeiten mit Bücken oder in der Hocke verböten sich von selbst. Es könnten nur mehr leichte Arbeiten aus wechselnder Ausgangsposition auch ohne vollschichtiges Stehen und ohne ununterbrochenes Gehen zurückgelegt werden. Die geforderten Wegstrecken zum und vom Arbeitsplatz bis 500 m könnten zurückgelegt werden.

Die Beklagte hat sich unter Berufung auf eine sozialmedizinische Stellungnahme Dr.L. vom 12.03.2004 gegen eine zeitliche Leistungseinschränkung gewandt. Dr.L. hat eine Verschlechterung des Befunds am rechten Knie verneint, auf die weitgehend erhaltene Beweglichkeit der Wirbelsäule hingewiesen und eine Übereinstimmung der von Dr.S. und Dr.Z. erhobenen Befunde an beiden Händen festgestellt. Eine relevante Beeinträchtigung des Gehvermögens hat er verneint. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2004 hat sich Dr.Z. bei der Beurteilung des Gehvermögens Dr.L. angeschlossen, an der zeitlichen Limitierung des Leistungsvermögens aber wegen der Komplexität der Störungen festgehalten. Von Klägerseite ist darauf hingewiesen worden, seit 1999 sei keine Besserung, sondern eine Verschlimmerung eingetreten, so dass er nicht vermittelbar sei. Der GdB sei zwischenzeitlich ab Dezember 2003 auf 80 angehoben worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 24.10.2002 sowie des Bescheides vom 30.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2000 zu verurteilen, ihm über den 30.09.1999 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, zumindest ab 01.01.2001 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.10.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut, der Berufungsakten sowie der beigezogenen Schwerbehinderten-Akten und der Krankengeschichte des Krankenhauses R. von 2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.10.2002 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 30.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2000. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.1999 hinaus. Er ist weder erwerbsunfähig noch erwerbsgemindert.

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich DM 630,00 übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 Satz 1 und Satz 2 Ziff.2 SGB VI in der gem. § 300 Abs.2 SGB VI bis 31.12.2000 maßgeblichen Fassung). Bis 31.12.2000 war der Kläger vollschichtig leistungsfähig.

Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf die Gutachten der Sachverständigen Dres.Z. , N. , S. , P. und S. , die den Kläger jeweils persönlich untersucht und ihre Ausführungen schlüssig begründet haben. In Übereinstimmung mit den von der Beklagten gehörten Gutachtern N. , L. und H. haben die Fachärzte ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Zwar halten die behandelnden Ärzte Dres.W. , H. , K. , R. und S. den Kläger für nicht mehr erwerbsfähig. Deren Einschätzung ist jedoch nicht derselbe Beweiswert zuzumessen, wie denen neutraler und fachkompetenter Sachverständiger, die über umfangreiches Erfahrungswissen auf dem Gebiet der Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung verfügen und die die vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt haben.

Zwar hat Dr.Z. in seinem Gutachten vom 09. Februar 2004 ausgeführt, seit dem 01.10.1999 und insbesondere seit dem 01.07.2002 sei der Kläger unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr in der Lage vollschichtig zu arbeiten. Trotz massiver Einwände von Seiten Dr.L. hat er diese Ansicht der zeitlichen Limitierung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2004 aufrechterhalten. Begründet erscheint sie im Hinblick auf den Zustand ab Mitte 2002, nicht jedoch bereits vor dem 31.12.2000. Wesentlich ist, dass der Sachverständige die zeitliche Limitierung mit den belastungsabhängigen und belastungsunabhängigen Kniegelenksergüssen sowie der Minderung der Belastbarkeit auch der Hals- und Lendenwirbelsäule und der Kraftminderung im Bereich des Unterarms rechts begründet hat. Wenngleich derselbe Sachverständige eine wesentliche Veränderung der Situation ab 01.10.1999 für unwahrscheinlich gehalten hat, da viele der schweren Gesundheitsstörungen auf einen Unfall im Jahr 1994 und dessen Auswirkungen zurückgehen, so ist er dennoch von einer gewissen Verschlechterung von Seiten der Kniegelenksarthrose mit Hydropsbildungen in den letzten drei Jahren ausgegangen. Insbesondere war am 06.02.2002 bei der Untersuchung durch Dr.S. kein Erguss am rechten Kniegelenk greifbar. Ebensowenig war dies der Fall bei der Untersuchung durch Dr.L. im September 1999, bei der Untersuchung im Krankenhaus R. im März 2001 und auch nicht bei der Untersuchung durch Dr.R. im August 2001. Von daher erscheint es realistisch, dass die Verschlimmerung mit Wahrscheinlichkeit Mitte des Jahres 2002 eingetreten ist, wie es Dr.Z. vermutet hat.

Die zeitliche Leistungseinschränkung ab Mitte 2002 begründet keinen Rentenanspruch. Für die Zeit ab 01.01.2001 ist § 43 SGB VI n.F. anzuwenden. Danach steht eine Rente wegen Erwerbsminderung erst zu, wenn der Versicherte außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden erwerbstätig zu sein. Eine mindestens sechsstündige Erwerbsfähigkeit hat Dr.Z. jedoch bejaht. Hieran bestehen trotz der Einwände von Seiten der Klägerbevollmächtigten keine Zweifel.

Insbesondere ist der Umstand, dass das Amt für Versorgung und Familienförderung zuletzt einen GdB von 80 festgestellt hat, nicht geeignet, Zweifel am Gutachten Dr.Z. zu begründen. Während dieser nämlich den Gesundheitszustand aufgrund eigener eingehender Untersuchung und Befunderhebung beurteilt hat, ist die Anhebung des GdB im Dezember 2003 und die Erstfeststellung auf 70 im Oktober 1995 nach Aktenlage erfolgt. Hinzukommt, dass ein nach dem Schwerbehindertenrecht anerkannter GdB ohnehin keinen Rückschluss auf die Erwerbsfähigkeit im Sinne der Rentenversicherung zulässt, da er ein abstraktes Maß für die Auswirkungen eines Mangels an funktioneller Intaktheit darstellt, das sich auf alle Lebensbereiche und nicht nur auf die Berufs- und Erwerbstätigkeit bezieht (vgl. Jörg in Kreikebohm, SGB VI, 2. Auflage, § 43 RdNr.5).

Auch der Einwand, es sei gegenüber 1999, als Rente gewährt wurde, keine Verbesserung, sondern vielmehr eine Verschlechterung eingetreten, vermag nicht zu überzeugen. Im Zeitraum zwischen 1997 und 1999 war das rechte Knie dreimal operiert worden, so dass noch bei der Entlassung aus Bad F. am 03.05.1999 eine deutliche Gang- und Standunsicherheit feststellbar war. An der anterior-medialen komplexen Instabilität hat sich zwar keine grundsätzliche Veränderung ergeben, allerdings wurde diese Instabilität als muskulär kompensierbar beschrieben. Dass diese Kompensation erfolgt ist, beweist der Umstand, dass der Kläger während des Krankenhausaufenthalts 2001 in P. nach eigenen Angaben eine Stunde problemlos gehen konnte. Hinzukommt, dass sich eine Besserung der Beugung im rechten Kniegelenk feststellen ließ.

Die zweifellos vorhandenen zahlreichen Gesundheitsstörungen bedingen im maßgebenden Zeitraum bis 31.12.2000 lediglich qualitative Einschränkungen. Auf orthopädischem Fachgebiet waren neben der schweren zweitgradigen Kniegelenksinstabilität mit erheblicher Ergussbildung und Arthroseentwicklung ein Zustand nach Polytrauma mit Kraftminderung und mäßiger Funktionsstörung des rechten Arms, der Zustand nach Fersenbeinfraktur links mit Belastungsminderung und eine Belastungsminderung der Wirbelsäule zu berücksichtigen. Zervikobrachialsyndrom und Zervikozephalsyndrom sind ohne nachweisbare Nervenwurzelreizungen, während rezidivierende Lumbalgie und Lumboischalgie mit mäßiger Wurzelreizung S1 links verbunden sind. Wegen der schwerwiegenden Arthrose und Instabilitätsproblematik am rechten Kniegelenk, der Funktionseinbuße des rechten Arms und der deutlichen degenerativen Veränderungen an Hals- und Lendenwirbelsäule kann der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangsposition verrichten. Arbeiten mit Bücken oder in der Hocke verbieten sich von selbst.

Hinzu kommt, dass der Kläger unter einer anhaltenden leichtgradigen depressiven Störung sowie einer leichtgradigen diabetischen Polyneuropathie leidet. Arbeiten mit Absturzgefahr, Schicht und Akkordarbeit kommen daher nicht in Frage.

Die insulinpflichtige diabetische Stoffwechselstörung hat bisher zu keinen schwerwiegenden Sekundärerkrankungen geführt. Die Ergebnisse stationärer therapeutischer Maßnahmen schließen eine schwer einstellbare Form des Diabetes und massive Schwankungen der Stoffwechsellage aus. Bis auf Zeichen eines chronisch obstruktiven bronchitischen Syndroms fehlen wesentliche pathologische Befunde auf internistischem Gebiet.

Entscheidend ist, dass der Kläger trotz zahlreicher qualitativer Leistungseinschränkungen in der Lage ist, mindestens sechs Stunden unter den in Betrieben in der Regel üblichen Arbeitsbedingungen täglich zu arbeiten. Er ist auch nicht gehindert, geeignete Arbeitsplätze von seiner Wohnung aus aufzusuchen. Dr.Z. hat auf Vorhalt Dr.L. seine insoweit mißverständliche Äußerung im Gutachten in der ergänzenden Stellungnahme vom 03. Mai 2004 korrigiert und betont, dass keine Einschränkung der Gehstrecke auf unter 500 Meter pro Einzelstrecke besteht. Da der Kläger bis Ende 2000 noch vollschichtig verwendbar war bzw. derzeit noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann, bot bzw. bietet sich ihm im maßgeblichen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein so breites Tätigkeitsfeld, dass ihm der allgemeine Arbeitsmarkt praktisch nicht verschlossen ist.

Etwas anderes hätte nur zu gelten, wenn wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder schwerer spezifischer Leistungsbehinderungen eine konkrete Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes benannt werden müsste, die dem vollschichtig einsatzfähigen Versicherten noch zumutbar wäre. Das positive Leistungsvermögen des Klägers ist jedoch noch dergestalt, dass keine Summierung atypischer Leistungseinschränkungen besteht. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt weder an den oberen noch an den unteren Extremitäten vor. Die ausreichend erhaltene Gehfähigkeit belegt auch der Umstand, dass das Merkzeichen "G" bislang nicht zuerkannt ist. An der rechten Hand ist als Folge des 1994 erlittenen Verkehrsunfalls eine leichtgradige Bewegungseinschränkung verblieben, gleichzeitig ist wohl auch infolge der diabetischen Polyneuropathie die Sensibilität an den Fingern auf der Handrückenseite rechts diskret herabgesetzt. Bedeutsam ist, dass das Greifvermögen der rechten Hand nicht wesentlich beeinträchtigt ist und die deutliche Beschwielung der Hohlhand sowie die fehlende Muskelminderung eine relevante Funktionseinbuße ausschließen.

Die Summe der qualitativen Einschränkungen begrenzt das Tätigkeitsfeld für Ungelernte nicht in außergewöhnlichem Ausmaß. Der Großteil der qualitativen Leistungseinschränkungen, nämlich der Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen erfordern, mit häufigem Bücken, im Akkord, im Schichtdienst und an laufenden Maschinen zu verrichten sind, sind vom Großen Senat des Bundessozialgerichts bereits als Beispielsfälle dafür genannt worden, dass diese Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen sollen (Großer Senat vom 19. Dezember 1996 in SozR 3-2600 § 44 Nr.8). Auch der Ausschluss von Überkopfarbeiten engt das Tätigkeitsfeld leichter körperlicher Arbeiten nicht weiter ein, weil derartige Tätigkeiten ohnehin nicht typisch für leichte körperliche Arbeiten sind. Weil sich aber die atypischen Leistungseinschränkungen auf Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik und Arbeiten in wechselnder Körperhaltung beschränken und eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erst bei einer höheren Zahl von atypischen Leistungseinschränkungen anzunehmen ist, hegt der Senat keinen Zweifel daran, dass der Kläger noch in einem Betrieb einsetzbar ist. Trotz Feststellung einer Schwerhörigkeit im Schwerbehindertenverfahren und einer entsprechend festgestellten Mundbodeninsuffizienz ist angesichts der von Dr.P. erhobenen Befunde nicht davon auszugehen, dass eine relevante Sprechstörung bzw. wesentliche Hörstörung vorliegen. Auch die Einschränkung der zeitlichen Leistungsfähigkeit ab Mitte 2002 ist im Rahmen der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht zu berücksichtigen. Mit seiner Einsatzfähigkeit von sechs bis acht Stunden ist es dem Kläger möglich, die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigung mit ca. 38 Stunden zu erfüllen. Die werktägliche Arbeitszeit, die von vornherein weniger bedeutsam ist, umfasst üblicherweise nicht mehr acht Stunden (Valgolio in Hauck, SGB III, § 119 Rz 98). Leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen und Kontrollieren sind daher unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses zu erbringen. Die Benennung eines konkreten Verweisungsberufs erübrigt sich daher.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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