L 10 AL 142/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 140/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 142/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 17.02.2004 aufgehoben. Die Streitsache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 17.07.1999 bis 16.07.2000 und die Rückforderung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 27.562,36 DM.

Nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld bezog der Kläger auf seinen Antrag vom 23.07.1999 hin ab 17.07.1999 Alhi unter Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau.

Sein Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 17.07.2000 wurde zunächst mangels Mitwirkung (Bescheid vom 25.10.2000) und 20.06.2002, später mangels Bedürftigkeit (Bescheid vom 02.08.2001) abgelehnt.

Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2001 die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 17.07.1999 bis 16.07.2000 mangels Vorliegens von Bedürftigkeit auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen einschließlich überzahlter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Ein Nachweis über den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides an den Kläger findet sich in der Akte nicht. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17.12.2001 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2002 - dem Kläger bekannt gegeben am 11.02.2002 - als unzulässig verworfen wurde. Auch eine Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.03.2002 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Klageschrift hat der Bevollmächtigte des Klägers laut dem Eingangsstempel auf dem sich in der sozialgerichtlichen Akte befindlichen Briefumschlag am 11.03.2002 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) abgegeben. Sie ist dann am 13.03.2002 beim SG Würzburg eingegangen. Das SG hat den Pförtner des BayLSG zum Eingang der Klageschrift befragt. Dieser hat sich an die Angelegenheit nicht erinnern können. Üblicherweise werde jedoch auf jedem Schriftsatz, der beim BayLSG eingehe, der Eingangsstempel angebracht. Der Klägervertreter hat weiterhin eidesstattliche Versicherungen darüber abgegeben und beigebracht, dass er den Klageschriftsatz am 11.03.2002 beim BayLSG abgegeben habe.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 17.02.2004 die Klage abgewiesen. Ein fristgerechter Eingang der Klage habe nicht nachgewiesen werden können, zumal sich der Pförtner des BayLSG nicht an den Vorgang habe erinnern können. Im Übrigen sei das Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses wegen eines bereits laufenden Antrages nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fraglich.

Die hiergegen zum BayLSG eingelegte Berufung hat der Kläger damit begründet, auf dem Umschlag, in dem er die Klageschrift beim BayLSG abgegeben habe, dürfte sich ein Eingangsstempel befinden. Hiernach sei die Klage nicht verfristet erhoben worden.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid aufzuheben und den Rechtsstreit an das SG Würzburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des SG Würzburg vom 17.02.2004 - S 7 AL 140/02 - aufzuheben und den Fall an das SG Würzburg zurückzuverweisen.

Dies werde angeregt, nachdem die Klage laut dem auf dem Briefumschlag befindlichen Eingangsstempel des BayLSG rechtzeitig eingelegt worden sei.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an das SG begründet. Der Senat kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (§ 159 Abs 1 Nr 1 SGG).

So ist es hier. Das SG hat die Klage als unzulässig - weil verfristet - abgewiesen.

Nachdem der Widerspruchsbescheid am 11.02.2002 dem Bevollmächtigten des Klägers bekannt gegeben worden ist, ist die Klagefrist am 11.03.2002 abgelaufen. Am 11.03.2002 aber hat der Bevollmächtigte des Klägers die Klageschrift beim BayLSG abgegeben. Dies geht eindeutig aus dem sich in der erstinstanzlichen Akte befindlichen Briefumschlag hervor, in dem sich die Klageschrift befand. Auf diesem Umschlag finden sich zwei große Eingangsstempel. Hiervon ist einer vom BayLSG am 11.03.2002 und einer vom SG Würzburg am 13.03.2002 angebracht worden.

Gemäß § 91 Abs 1 SGG gilt die Frist für die Erhebung der Klage auch dann als gewahrt, wenn die Klage innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde usw eingegangen ist. Unschädlich ist dabei, wenn die Klage in einem Umschlag, der an das SG adressiert ist, bei einer Behörde eingeworfen wird. Es schadet auch nicht, wenn eine an das zuständige Gericht adressierte Klage versehentlich bei einem anderen Gericht eingereicht wird (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl, § 91 RdNr 4). Auf Grund dieser durch den Stempel des BayLSG eindeutigen und klaren Sachlage, auf die das SG auch durch das Schreiben des BayLSG vom 14.05.2002 bereits hingewiesen worden ist, ist die Klage rechtzeitig erhoben worden.

Der Senat kann daher die Sache an das SG zurückverweisen. Dabei hat er sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheidet oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (vgl Meyer-Ladewig aaO § 159 RdNr 5). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an einer Sachentscheidung sowie dem Grundsatz der Prozessökonomie und dem Verlust einer Tatsacheninstanz hält der Senat es wegen der Offensichtlichkeit der rechtzeitigen Klageeinlegung und der noch notwendigen umfangreichen Ermittlungen vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit zurückzuverweisen. Von einer Spruchreife ist derzeit nicht auszugehen (vgl BSGE 51, 223).

Das SG wird insbesondere zu ermitteln haben, wann der angefochtene Bescheid vom 29.10.2001 gemäß § 37 Abs 2 SGB X dem Kläger bekannt gegeben wurde. Im Zweifel hat nämlich die Beklagte den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen (§ 37 Abs 2 HS 2 SGB X). Gegebenenfalls wäre noch über eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu befinden. Zu beachten ist zudem, dass das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses an der Durchführung eines Klageverfahrens nicht wegen des gleichzeitig laufenden Verfahren gemäß § 44 SGB X entfällt. Sollte der Rechtsbehelf zulässig sein, sind dann eventuell noch umfangreiche weitere Ermittlungen und Ausführungen hinsichtlich der materiellen Rechtslage erforderlich.

Der Senat verweist daher den Rechtsstreit im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens an das SG zurück, denn das SG als erste Tatsacheninstanz sollte den Beteiligten erhalten bleiben, insbesondere wenn beide Beteiligte eine Zurückverweisung beantragen und eine besondere Eilbedürftigkeit nicht besteht.

Die Kostenentscheidung, auch unter Einbeziehung der Kosten für das Berufungsverfahren, bleibt dem SG im Rahmen der erneuten Sachentscheidung vorbehalten.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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