L 8 AL 14/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AL 754/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 14/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. Dezember 1999 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 10.06.1993 und die Erstattung von Leistungen in Höhe von 54.192,70 DM sowie von KV- und PV-Beiträgen in Höhe von 16.986,93 DM streitig.

Der 1940 geborene Kläger war vom 20.01.1972 bis 31.05.1988 und 06.03.1989 bis 10.08.1991 als Ringspinner beschäftigt. Laut Arbeitsbescheinigung erhielt er von seinem Arbeitgeber eine Abfindung laut Sozialplan in Höhe von 11.889,00 DM. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 09.09.1991 Arbeitslosengeld (Alg).

Ab 10.06.1993 wurde dem Kläger Alhi bewilligt. In dem Antrag und den jährlich ausgefüllten Folgeanträgen verneinte der Kläger jeweils das Vorhandensein von Vermögen.

Mit dem Zahlungsnachweis vom 10.10.1997 teilte das Zentralamt der Beklagten mit, beim Bundesamt für Finanzen seien für den Kläger drei Freistellungsaufträge gespeichert. Von der Beklagten zur Stellungnahme aufgefordert legte der Kläger den Auszug eines Kontos bei der D. Bank vor, der für den 23.03.1993 einen Kontostand von 118.445,41 DM aufwies. Ein von ihm zusätzlich vorgelegter Auszug über ein Konto bei der D. Bank wies für den 20.11.1997 ein Guthaben von 13.703,54 DM aus.

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 03.12.1997 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorwurf, in der Zeit vom 10.06.1993 bis 31.10.1997 Leistungen in Höhe von 71.180,63 DM zu Unrecht bezogen zu haben, gegeben hatte, nahm sie mit Bescheid vom 18.02.1998 die Bewilligung der Alhi gemäß § 45 SGB X zurück. Der Kläger habe ein Vermögen von mindestens 115.000,00 DM nicht angegeben; unter Berücksichtigung des Freibetrages von 8.000,00 DM verblieben 107.000,00 DM, die bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen seien. Geteilt durch das Ent- gelt, nach dem sich die Höhe der Alhi gerichtet habe (640,00 DM), ergebe sich, dass er für einen Zeitraum von 167 Wochen nicht bedürftig gewesen sei und keinen Anspruch auf Alhi habe. Im Anschluss an den Ruhenszeitraum könnten Leistungen nicht belassen werden, da die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 134 AFG nicht mehr vorlägen. Er habe Alhi in Höhe von 54.193,70 DM, KV-Beiträge in Höhe von 16.048,31 DM und PV-Beiträge in Höhe von 938,62 DM zu Unrecht bezogen und zu erstatten.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1998 als unbegründet zurück. Nach Abzug eines Freibetrages von 16.000,00 DM - unter Zugrundelegung eines zusätzlichen Freibetrages von 8.000,00 DM für die Ehefrau - ergebe sich, dass der Kläger für einen Zeitram von 154 Wochen nicht bedürftig sei. Nach Ablauf dieses Zeitraumes ab 23.05.1996 seien die Voraussetzungen weiterhin nicht gegeben, da nach wie vor das vorhandene Vermögen zu berücksichtigen sei.

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Augsburg (SG) hat die Bescheide dahingehend abgeändert, dass die Rücknahme der Alhi-Bewilligung auf die Zeit bis 22.05.1996, die Erstattung der Al- hi auf 33.027,50 DM und der KV- sowie PV-Beiträge auf 11.241,93 DM bzw. 352,07 DM begrenzt wird; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das bei einer Bank angelegte Vermögen des Klägers sei nach Abzug zweier Freibeträge à 8.000,00 DM zu berücksichtigen, so dass ein Ruhen für 154 Wochen festzustellen sei. Die Erlöschensfrist des § 135 Abs.1 Nr.2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sei durch das Gesetz vom 24.06.1996 mit Wirkung vom 01.04.1996 um maximal zwei Jahre verlängert worden. Nachdem der Dreijahreszeitraum erst am 10.06.1996 abgelaufen wäre, seien am 23.05.1996 die Ausschlussvoraussetzungen des § 135 AFG noch nicht erfüllt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe wieder Anspruch auf Alhi bestanden. Ab diesem Zeitpunkt könne das Bankguthaben des Klägers nicht ein zweites Mal angerechnet werden.

Gegen das Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger macht geltend, das Sozialgericht Oldenburg habe in einem ähnlich gelagerten Fall mit Urteil vom 14.12.1999, S 4 AL 445/97 ein Barvermögen von 100.000,00 DM als angemessene Alterssicherung angesehen. Zudem gehöre das angesparte Vermögen nicht ihm allein, vielmehr seien die Überschüsse aus dem gesamten Familieneinkommen, also auch dem der Ehefrau sowie der Kinder auf das gemeinsame Konto geflossen. Er habe fünf Kinder, die zwischen 1973 und 1984 geboren worden seien; drei seien bereits verheiratet, die beiden jüngeren lebten noch im elterlichen Haushalt. Entsprechend dem ursprünglichen Plan sei für die Familie im Heimatort des Klägers eine Wohnung gekauft worden, die vermietet sei; die Mieteinnahmen dienten dazu, den notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen.

Später hat der Kläger angegeben, in seinem Heimatort 1994 eine Wohnung zu einem Preis von 30.000,00 DM erworben zu haben, die bei dem Erdbeben zerstört worden und derzeit nicht bewohnbar sei. Den übrigen Vermögenswert habe er in den vergangenen Jahren verbrauchen müssen, so dass er derzeit vermögenslos sei. Er hat schriftliche Erklärungen von drei Kindern vorgelegt, wonach die Eltern die Kosten der Hochzeitsfeiern vom 26.06.1994 bzw. 14.03.1997 bzw. 13.03.1999 in Höhe von 20.000,00 DM bis 22.000,00 DM bzw. ca. 20.000,00 DM bzw. ebenfalls ca. 20.000,00 DM getragen hätten.

Mit Schreiben vom 09.04.2003 hat der Kläger schließlich vorgetragen, das Guthaben bei der D. Bank habe zum Stichtag März 1993 ca. 120.000,00 DM betragen. Das eine Konto bei der D. Bank habe zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von 4.064,00 DM ausgewiesen und ein anderes Konto ein solches von 37.800,- DM; hierbei handle es sich um Leistungen des früheren Arbeitgebers des Klägers und seiner Ehefrau aus dem Sozialplan anläßlich der Betriebsschließung 1991/92. Die in der Heimatstadt gekaufte Wohnung habe zunächst als Alterssitz dienen sollen, sei aber 1991 wegen der wirtschaftlich unsicheren Lage zu einem Preis von 120.000,00 DM verkauft worden. Der ursprüngliche Plan, hiermit eine Wohnung in K. zu erwerben, habe zunächst zurückgestellt und später aufgegeben werden müssen, da man eine geeignete Wohnung nicht gefunden habe und die Eheleute ca. 1992 arbeitslos geworden seien. In der Folgezeit sei das Kapital aufgebraucht worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.12.1999 abzuändern und den Bescheid vom 18.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1998 vollständig aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil vom 07.12.1999 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Sie trägt vor, ob und in welchem Umfang das Vermögen ggf. der Alterssicherung dienen solle, könne erst geprüft werden, wenn die Vermögenswerte insgesamt bekannt seien. Im Rahmen des Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen sei bekannt geworden, dass der Kläger drei Freistellungsaufträge erteilt habe, aktenkundig seien aber nur Konten bei zwei Geldinstituten, nämlich der D. Bank und der D. Bank. Bezüglich der Einlassung, Teile des Vermögens gehörten den Kindern, müssten geeignete Nachweise beigebracht werden. Zudem bestünden bezüglich mehrerer Kontostände hinsichtlich des Zeitraumes bis 1997 Unklarheiten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, Ausschließungsgründe (§ 144 Abs.1 SGG) liegen nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel der Beklagten als begründet, während die Berufung des Klägers unbegründet ist. Die Entscheidung der Beklagten, die Bewilligung der Alhi ab 10.06.1993 vollständig aufzuheben mit der Folge, dass auch für die Zeit ab 23.05.1996 ein Anspruch verneint wird, ist nicht zu beanstanden.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alhi ab diesem Zeitpunkt sind gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X i.V.m. § 152 Abs.2 AFG gegeben. Der Kläger hat sowohl in dem Erstantrag auf Alhi als auch in den folgenden, die Weiterbewilligung der Alhi betreffenden Fragebögen das Vorhandensein von Vermögen verneint und damit zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, die für die Bewilligung der Alhi ursächlich waren. Seine Einlassung, wegen Sprachschwierigkeiten die Fragen in den Antrags- und Fragebögenformularen nicht verstanden zu haben, lässt den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entfallen, da er in diesem Fall verpflichtet gewesen wäre, die Hilfe eines Dolmetschers und/oder einer sachkundigen Person in Anspruch zu nehmen.

Bedürftigkeit im Sinne des § 134 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AFG lag ab 10.06.1993 und über den 09.06.1996 hinaus nicht vor, so dass der Anspruch gemäß § 135 Abs.1 Nr.2a AFG in der Fassung des ab 01.04.1996 geltenden Gesetzes vom 24.06.1996 (BGBl.I S.878) erloschen ist.

Aufgrund der Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, die das Zentralamt der Bundesanstalt für Arbeit mit dem Zahlungsnachweis vom 10.10.1997 weitergegeben hat, steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jedenfalls für das Jahr 1996 drei Freistellungsaufträge erteilt hat. Die Bejahung der Bedüftigkeit in dem maßgeblichen Zeitraum vom 10.06.1993 bis 10.06.1996 setzt aber die Kenntnis voraus, über welches Vermögen der Kläger in diesem Zeitraum tatsächlich verfügte. Da aber nur Konten von zwei Geldinstituten, für die zwei der drei Freistellungsaufträge erteilt wurden, bekannt sind, kann letztlich die Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens nicht bestimmt werden, weshalb aus diesem Grunde zu vermuten ist, dass der Kläger über Vermögen verfügte, das für den maßgeblichen Zeitraum Bedürftigkeit ausschloss. Denn gemäß § 10 Nr.2 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 07.08.1974 (BGBl.I S.1929) in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1992 (BGBl.I S.2044) ist anzunehmen, dass ein Arbeitsloser seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten sowie seiner Kinder im Sinne des § 137 Abs.1 AFG auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann, wenn sich nicht feststellen lässt, ob oder in welcher Höhe er Einkommen oder Vermögen hat, die Gesamtumstände der Lebensführung des Arbeitslosen jedoch den Schluss zulassen, dass er nicht oder nur teilweise bedürftig ist. Der Schluss auf eine nur teilweise Bedürftigkeit ist bereits aufgrund des nachgewiesenen Vermögens gerechtfertigt, so dass schon nach § 10 Nr.2 AlhiV die Bedürftigkeit zu verneinen ist.

Darüber hinaus lässt das für den Zeitpunkt 10.06.1993 bekannte Vermögen die Bedürftigkeit für mehr als drei Jahre entfallen. Die im Laufe des Berufungsverfahrens bekannt gewordenen Guthaben beliefen sich auf 156.664,74 DM. Zieht man hiervon für den Kläger und seine Ehefrau Freibeträge von je 8.000,00 DM ab und unterstellt zu ihren Gunsten, dass in die Guthaben Abfindungen der Arbeitgeber des Klägers und der Ehefrau eingeflossen sind, weshalb entsprechend § 7 Abs.1 Alhi-VO weitere Freibeträge von jeweils 10.000,00 DM abgesetzt werden könnten, so verbliebe ein Vermögen von 120.664,74 DM; teilt man diese Summe durch das Bemessungsentgelt von 640,00 DM, ergäbe sich ein Ruhen des Anspruches für 188 Wochen und damit für länger als drei Jahre, so dass auch insoweit gemäß § 135 Abs.2 Nr.2 AFG der Anspruch erloschen wäre.

Es ist nicht nachgewiesen, dass eine Verwertung dieses Vermögens gemäß § 6 Abs.2 und 3 Alhi-VO nicht zumutbar wäre. Für seine Behauptung, das Vermögen habe nicht nur ihm und seiner Ehefrau, sondern auch den drei erwachsenen Kindern gehört, weil deren Einkommen in die Guthaben eingeflossen seien, hat er trotz Aufforderung keine Nachweise in Form von Banküberweisungen und dergleichen vorgelegt. Auch den Verwendungszweck der Guthaben zur Altersvorsorge für sich und seine Ehefrau hat er nicht schlüssig behauptet, sondern eben - unbewiesen - dargelegt, wesentliche Teile des Vermögens - zur Höhe hat er ebenfalls keine nachvollziebaren Angaben gemacht - gehörten den Kindern.

Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.12.1999 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen; die Berufung des Klägers war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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