L 10 AL 242/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 232/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 242/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 99/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.03.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen (25.10.2000 bis 16.01.2001).

Der 1959 geborene Kläger bezog nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld seit 29.03.2000 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Am 23.03.2000 wurde er im Auftrag der Beklagten sozialmedizinisch durch Dr.H. untersucht. Zum 04.09.2000 meldete er sich aus dem Leistungsbezug wegen Arbeitsaufnahme bei der Firma P. Systeme GmbH (im Folgenden: Firma P.) ab. Die Beklagte hob die Bewilligung von Alhi ab diesem Zeitpunkt auf.

Am 30.10.2000 meldete sich der Kläger erneut persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alhi. In der Arbeitsbescheinigung der Firma P. vom 10.11.2000 wurde angegeben, das Beschäftigungsverhältnis sei am 10.10.2000 zum 25.10.2000 durch den Arbeitgeber - ohne vorherige Abmahnung - wegen arbeitsvertragswidrigem Verhalten (unentschuldigtes Fehlen) beendet worden. Die maßgebliche Kündigungsfrist habe 2 Wochen betragen. Der Kläger gab hierzu an, das Arbeitsverhältnis sei wegen Krankheit, nicht aber wegen Verschuldens seinerseits beendet worden. Er legte hierzu Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Dres.G. und B. (prakt. Ärzte) für die Zeit vom 10.10.2000 bis 27.10.2000 vor.

Im Rahmen eines Rechtsstreites vor dem Arbeitsgericht Nürnberg wegen der am 11.10.2000 zugegangenen Kündigung (Schreiben vom 10.10.2000) änderte die Firma P. die dort strittige fristlose Kündigung vom 10.10.2000 in eine fristgerechte Kündigung - wie vom Kläger allein beantragt - zum 25.10.2000. Der Kläger nahm daraufhin seine Klage zurück.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Firma P., der Kläger sei am 10.10.2000 nicht zur Arbeit erschienen und habe sich nicht gemeldet. Der Versuch einer Kontaktaufnahme mit ihm sei erfolglos geblieben. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien erst im Nachhinein in den Firmenbriefkasten geworfen worden.

Mit Bescheid vom 21.12.2000 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen (25.10.2000 bis 16.01.2000) fest. Der Kläger habe wegen unentschuldigten Fehlens seine Beschäftigung verloren. Die Krankheit des Klägers könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Mit weiterem Bescheid vom 04.01.2001 bewilligte die Beklagte Alhi ab 17.01.2001.

Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, es habe sich letztendlich um eine fristgemäße Kündigung während der Probezeit wegen Krankheit gehandelt. Er habe heftigste Schmerzen gehabt und die geforderte Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Auf der Fahrt zur Arbeitsstelle sei ihm schlecht geworden, so dass er nach Hause zurückgekehrt sei. Dort habe er bis 9.00 Uhr warten wollen, um der Firma sein Kranksein mitzuteilen. Sein Kreislauf sei jedoch zusammengebrochen. Als es ihm gegen Mittag bzw am frühen Nachmittag wieder besser gegangen sei, habe er in der Firma angerufen und mit einem der beiden Chefs gesprochen. Anschließend habe er sich in ärztliche Behandlung begeben und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen am folgenden Tag der Firma zukommen lassen.

Die Firma P. gab hierzu an, der Kläger habe sich am 10.10.2000 nicht gemeldet und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien erst einige Tage später in den Briefkasten eingeworfen worden. Der Kläger habe seine gesetzliche Anzeige- und Nachweispflicht im Krankheitsfalle verletzt, so dass ein wichtiger Grund zur Kündigung iS des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen habe. Aufgrund des Arbeitsvertrages sei der Kläger verpflichtet gewesen, die Firma bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unverzüglich telefonisch zu unterrichten und spätestens vor Ablauf des 3. Kalendertages nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen (Punkt 9 b des Mitarbeitervertrages vom 01.09.2000). Vor jedem Einsatz seien die Mitarbeiter hierüber mündlich belehrt worden. Die Kündigungsschutzklage sei allein wegen der Einhaltung der Kündigungsfrist vom Kläger erhoben worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch unter Richtigstellung des Endzeitpunktes der eingetretenen Sperrzeit (16.01.2001) zurück. Der Kläger habe von seinen Mitteilungspflichten aufgrund des abgeschlossenen Arbeitsvertrages und der mündlichen Belehrungen gewusst.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er habe die Kündigungsschutzklage zurückgezogen, als die Firma P. ordnungsgemäß zum 25.10.2000 gekündigt habe. Er habe, sobald es ihm aufgrund seines Zusammenbruches möglich gewesen sei, die Firma P. telefonisch informiert und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fristgemäß abgegeben. Das SG hat mit Urteil vom 26.03.2002 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe durch vertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Eine zeitnahe Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit sei durch ihn nicht erfolgt. Dies ergebe sich aus der nachvollziehbaren Sachdarstellung der Firma P ... Einer Abmahnung habe es wegen der Besonderheit des Beschäftigungsverhältnisses (Arbeitnehmerüberlassung) nicht bedurft. Auf die Mitteilungspflicht sei im Arbeitsvertrag und vor jedem Einsatz hingewiesen worden und der Kläger habe davon gewusst bzw wissen müssen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten habe ihm nicht zur Seite gestanden. Eine besondere Härte liege nicht vor.

Die dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung hat der Kläger über sein bisheriges Vorbringen hinaus damit begründet, ihm sei auf dem Weg zur Arbeit um 5.30 Uhr schlecht geworden, er sei umgekehrt und habe zu Hause sofort, aber ohne Erfolg in der Firma P. jemanden zu erreichen versucht. Er habe die gefährliche Tätigkeit an Maschinen in seinem Zustand nicht ausüben wollen. Dann sei er zu Hause zusammengebrochen. Nachdem er sich erholt habe, habe er die Firma P. informiert und sei zum Arzt gegangen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er rechtzeitig abgegeben. Er habe nur die unverzügliche Mitteilung unterlassen. Schuld daran, dass er am 10.10.2000 nicht in der Lage gewesen sei, seinen Arbeitgeber telefonisch zu informieren - so die Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 28.04.2003 aufgrund der "glaubhaften Angaben des Klägers" - , sei allein sein gesundheitlicher Zustand gewesen, anderes könne die Beklagte jedenfalls nicht nachweisen. Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht berechtige aber nur in Ausnahmefällen zu einer außerordentlichen Kündigung. Eine Abmahnung sei nicht erfolgt, aber erforderlich. Gegebenenfalls sei der Kläger am 10.10.2000 schuldunfähig gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.03.2002 sowie den Bescheid vom 21.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben und den Kläger für die Zeit vom 30.10.2000 bis 16.01.2001 Alhi entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren, hilfsweise ein Gutachten dazu einzuholen, dass der Kläger am 10.10.2000 aufgrund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder anderer in § 20 Strafgesetzbuch (StGB) enummierierter Erkrankungen nicht in der Lage war, die telefonische Mitteilung an den Arbeitgeber abzusetzen bzw nicht über die Einsichtsfähigkeit verfügte, dass eine derartige telefonische Mitteilung überhaupt erforderlich war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe gegen arbeitsvertraglich festgelegte Pflichten verstoßen. Für den Eintritt einer Sperrzeit sei unerheblich, ob fristlos oder fristgemäß gekündigt worden sei. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt.

Der Kläger hat ein Gutachten von Dr.L. (Ärztlicher Direktor der F.-Klinik E.) vom 03.05.2003 zur Schuldfähigkeit iS der §§ 20, 21 Strafgesetzbuch (StGB) vorgelegt. Für seine Taten vom 31.05.2002 und 11.08.2002 sei das Vorliegen von Schuldunfähigkeit nicht mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit auszuschließen. Der Senat hat zudem Befundberichte bzw Unterlagen und Akten von Dr.S. (Orthopäde), Dres.G. und B. (prakt. Ärzte), vom Bezirksklinikum A. (Behandlung seit 31.10.2003), von der AOK Mittelfranken (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), vom Vormundschaftsgericht Nürnberg - XVII 2611/00 samt Gutachten des Facharztes für Psychiatrie L. vom 06.03.2001 sowie des Arztes Dr.H. vom 16.07.2001 und 07.06.2004, vom Arbeitsgericht Nürnberg - 12 Ca 7893/00 - und vom Sozialgericht Nürnberg - S 8 AL 551/92 - beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf diese Unterlagen sowie die Verwaltungsakte und die Gerichtakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 155 Abs 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.03.2002 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 21.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine Sperrzeit von 12 Wochen ist eingetreten.

Gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe).

Vorliegend hat der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch die Firma P. gegeben. Laut seinem Arbeitsvertrag hatte er die Pflicht, dem Arbeitgeber bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unverzüglich telefonisch dies mitzuteilen. Hierbei handelte es sich um eine im Mitarbeitervertrag gesondert erwähnte Pflicht, die in der Besonderheit des Beschäftigungsverhältnisses begründet ist (Arbeitsnehmerüberlassung), denn die Firma P. muss umgehend mit einem Entleiher Kontakt aufnehmen bzw für Ersatz der Arbeitskräfte sorgen. Es handelt sich um mehr als eine bloße arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese Pflicht hat der Kläger verletzt. Nach den Angaben seiner Bevollmächtigten im Berufungsverfahren hat er am 10.10.2000 die Firma P. aus gesundheitlichen Gründen nicht informiert. Nach seinem vorangegangenen eigenen Vorbringen hat er diese Mitteilung gegen Mittag bzw am Nachmittag gemacht. Die Firma P. hat aber trotz Nachfrage der Beklagten einen Anruf durch ihn am 10.10.2000 nicht bestätigen können. Nach Auffassung des Gerichts hat sich der Kläger am 10.10.2000 nicht bei der Firma P. gemeldet. Dies ergibt sich insbesondere aus den nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der Firma P., die kein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, sowie auch aus den Ausführungen der Bevollmächtigten des Klägers zuletzt im Berufungsverfahren, die sich auf die glaubhaften Angaben des Berufungsführers stützt. Damit hat die Beklagte den Nachweis der Nichtmeldung erbracht. Den möglichen Gegenbeweis hat der Kläger nicht geführt und weitere Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts sind nicht ersichtlich, insbesondere nachdem der Kläger im Berufungsverfahren selbst angegeben hat, am 10.10.2000 nicht angerufen zu haben.

Der Kläger hätte jedoch anrufen müssen und auch anrufen können, zumal er auch in der Lage war, am 10.10.2000 nachmittags einen Arzt aufzusuchen, der ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 10.10.2000 ausgestellt hat. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger am 10.10.2000 weder vor seinem angegebenen Zusammenbruch noch nach Erholung hiervon, aber vor dem Arztbesuch seinen Arbeitgeber über sein Nichterscheinen hat informieren können. Dies wird insbesondere durch die ärztlichen Diagnosen, die die Arbeitsunfähigkeit bedingten (lt. Auskunft der zuständigen Krankenkasse: Akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet - grippaler Infekt -, Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet - Wirbelsäulensyndrom -) begründet. Diese Diagnosen schließen die Möglichkeit eines Anrufes bei seinem Arbeitgeber keinesfalls aus. Von Übelkeit oder Zusammenbruch ist dort zudem nicht die Rede. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein Anruf nicht möglich gewesen war, finden sich nicht. Auch aus der Akte des Arbeitsgerichts Nürnberg lässt sich kein Hinweis auf die Unfähigkeit, ein Telefonat am 10.10.2000 zu führen. Der Kläger war nämlich bereits am 23.10.2000 in der Lage, persönlich beim Arbeitsgericht Klage zu erheben, obwohl er noch arbeitsunfähig gewesen war. Die Arbeitsunfähigkeit kann daher nicht auf einer schwerwiegenden, insbesondere die freie Willensbildung ausschließende Krankheit beruht haben.

Offen gelassen werden kann, ob vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich war und ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung vorgelegen hat, denn dem Kläger ist letztendlich im Rahmen der Probezeit (fristlos bzw ersatzweise fristgemäß - so der Kläger im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses) am 11.10.2000 zum 25.10.2000 gekündigt worden. Der Grund der Kündigung war im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nicht zu klären. Der Kläger hat nämlich nur Klage wegen der fristlosen Kündigung bzw der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist erhoben und diese dann nach entsprechender Einigung mit dem Arbeitgeber hinsichtlich der Frist zurückgenommen.

Somit ist hier unabhängig vom arbeitsgerichtlichen Verfahren zu prüfen, ob der Kläger Anlass zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben hat. Dies hat er, denn die Firma P. hat nach eigener Angabe die Kündigung wegen der Nichtmeldung ausgesprochen. Die anschließende Arbeitsunfähigkeit bzw Krankheit des Klägers war nicht Anlass für die Kündigung. Hierbei ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen (vgl Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 144 RdNr 20 und 40). Die Kündigung ist mit Schreiben vom 10.10.2000 erfolgt, zu einem Zeitpunkt, als die Firma P. von der Arbeitsunfähigkeit noch keine Kenntnis von der Krankheit hatte. Nicht von Bedeutung ist aber dann, wann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgegeben worden ist. Eine Abmahnung ist bei der Kündigung während der Probezeit nicht erforderlich.

Das Verhalten des Klägers (Nichtmeldung der Krankheit am 10.10.2000), nicht aber die Krankheit bzw Arbeitsunfähigkeit, war auch kausal für die von der Firma P. ausgesprochene Kündigung. Der Kläger hat eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt und der Arbeitgeber hat hierwegen - zuletzt fristgemäß - in der Probezeit gekündigt.

Der Kläger hat damit die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig verschuldet. Er kennt aufgrund seines Arbeitsvertrages und der jeweils erfolgten mündlichen Belehrungen die Bedeutung einer umgehenden Meldung bei seinem Arbeitgeber im Krankheitsfalle. Der Kläger ist - wie sich insbesondere aus seinen Schriftsätzen ergibt - durchaus in der Lage, sich auszudrücken, Zusammenhänge zu erkennen und auch darzustellen. Auch aus den ärztlichen Gutachten von Dr.L. ist ein im Wesentlichen geordneter Gedankengang und eine normale Intelligenz zu entnehmen. Für Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt finden sich im Gutachten von Dr.H. vom 16.07.2001 keine Anhaltspunkte. Dieser spricht hinsichtlich der Frage der Betreuung und Unterbringung von formal geordneten Denkabläufen ohne Hinweise auf paranoide Symptome oder Sinnestäuschungen. Für die Vergangenheit würden solche Symptome vom Kläger bestritten. Der Kläger sei geschäftsfähig. Ebenso beschreibt der Psychiater L. in seinem Gutachten vom 06.03.2001 keine die freie Willensbildung ausschließenden Symptome. Im Gutachten von Dr.L. wird erwähnt, der Kläger sei 2001 wegen einer vorsätzlichen Vollrauschtat verurteilt worden. Auch bei der durch die Beklagte veranlassten sozialmedizinischen Untersuchung am 23.03.2000 durch Dr.H. waren keine schwerwiegenden Veränderungen der Verhaltensweise oder in der Persönlichkeit des Klägers zu finden. Aus alldem ist zu entnehmen, dass auch im vorliegenden Rechtsstreit von einer Schuldfähigkeit des Klägers auszugehen ist. Entscheidend ist jedoch, dass die damals allein behandelnden Ärzte Dres.G. und B. für den 10.10.2000 keine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer psychischen - oder Abhängigkeitserkrankung attestierten und von einem Zusammenbruch mit Bewusstseinsstörung oder -verlust nichts berichteten. Zudem war der Kläger zumindest in der Lage, die Arztpraxis aufzusuchen. Dann aber ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb dem Kläger ein Anruf beim Arbeitgeber nicht möglich gewesen sein sollte. Offen gelassen werden kann, weshalb der Kläger, nachdem er wieder nach Hause zurückgekehrt war, erst bis 9.00 Uhr gewartet haben will, um seinen Arbeitgeber anzurufen. Bei einem - wie vom Kläger angegeben - Arbeitsbeginn um 5.50 Uhr und einer Umkehr auf dem Weg zur Arbeit ist es nicht erklärbar, warum der Kläger nicht zumindest sofort die Entleihfirma von seiner Krankheit oder seinen Arbeitgeber zu Beginn der regelmäßigen Arbeitszeit vor 9.00 Uhr informiert hat.

Ein Verschulden ist zum damaligen Zeitpunkt damit - noch - nicht wegen seiner erst später in stärkerem Umfang festgestellten Erkrankungen (u.a. Psychose und Alkoholmissbrauch) ausgeschlossen gewesen. Die weiteren Gutachten von Dr.L. vom 03.05.2003 und Dr.H. vom 07.06.2004 sind erst zu und über einen wesentlich späteren Zeitpunkt erstattet worden. Sie lassen keine Rückschlüsse auf die streitige Zeit zu. Weitere medizinische Unterlagen aus dem Jahre 2000 sind nicht bekannt und andere damals behandelnde Ärzte mit Ausnahme von Dres.G. und B. werden vom Kläger auch nicht angegeben. Dort aber sind keine weiteren Unterlagen mehr vorhanden. Der Kläger hat somit grob fahrlässig gehandelt. Er wusste um die Bedeutung seiner umgehenden Mitteilungspflicht, hätte diese am 10.10.2000 erfüllen können, hat es aber - ohne dass gesundheitliche Gründe hierfür ausschlaggebend waren - unterlassen, diese Pflicht zu erfüllen.

Der Kläger hat keinen - objektiv vorliegenden (Niesel aaO § 144 RdNr 78) - wichtigen Grund für sein Verhalten gehabt. Ihm konnte zugemutet werden, in Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflicht am 10.10.2000 bei der Firma P. bzw beim Entleiher anzurufen und auf seine Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen.

Somit ist eine Sperrzeit von 12 Wochen eingetreten. Gemäß § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Dies ist grundsätzlich das rechtliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses (vgl Niesel aaO RdNr 93). Das Beschäftigungsverhältnis ist zum 25.10.2000 gekündigt worden. Die Sperrzeit beginnt daher am 26.10.2000 und endet am 17.01.2001.

Eine Verkürzung der Sperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte kommt nicht in Betracht. Gemäß § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III umfasst die Sperrzeit 6 Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach dem für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. Eine besondere Härte liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist. Grundsätzlich sind dabei persönliche und wirtschaftliche Umstände (zB finanzielle Situation, Behinderung der Unterhaltspflichten) unbeachtlich, es sei denn, sie zählen zu den maßgeblichen Tatsachen, weil sie sich auf diese zwangsläufig auswirken (vgl Niesel aaO RdNr 105 und 107). Gründe für die Annahme einer besonderen Härte liegen nicht vor, Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat nach alledem den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen zu Recht festgestellt.

Zwar ist diese unzutreffend auf die Zeit vom 25.10.2000 bis 16.01.2001 festgesetzt worden. Dies führte jedoch nicht zu einem Zahlungsanspruch des Klägers für den 25.10.2000. Er hat sich nämlich erst am 30.10.2000 persönlich arbeitslos gemeldet und zuletzt auch Leistungen lediglich ab diesem Zeitpunkt beantragt. Für den 17.01.2001 hätte er keinen Anspruch auf Alhi gehabt. Ob die für diesen Tag erbrachte Leistung zurückgefordert werden kann, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden.

Dem Hilfsantrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens von Gerichts wegen gemäß § 106 Abs 3 Nr 5 SGG war nicht stattzugeben. Einen Antrag gemäß § 109 SGG hat die Bevollmächtigte des Klägers nicht gestellt. Trotz Nachfrage konnte der Kläger für den damaligen Zeitpunkt keine ärztliche Behandlung u.a. zu den in § 20 StGB genannten Erkrankungen angeben. Er war lediglich bei Dres.G. und B. in Behandlung, die jedoch zu einer solchen Erkrankung - insbesondere für den 10.10.2000 - keinerlei Hinweise haben geben können. Auch in den Unterlagen der AOK ist hierzu nichts vermerkt. Allein ein Rückschluss aus dem Gutachten von Dr.L. auf einen früheren Zeitpunkt ist nicht möglich. Hinsichtlich weiterer Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit zum streitigen Zeitpunkt wird auf die o.g. Ausführungen hingewiesen. Weder aus dem sozialmedizinischen Gutachten noch aus dem Gutachten des Psychiaters L. noch aus dem Gutachten von Dr.H. sind Hinweise auf eine die freie Willensbildung ausschließende Erkrankung zu diesem Zeitpunkt zu entnehmen. Das Gericht sieht daher keinen Anlass, "ins Blaue hinein" und ohne Vorliegen ärztlicher Hinweise, das beantragte Gutachten einzuholen, zumal bei Vorliegen entsprechender Gesundheitsstörungen der Anspruch auf Alhi an der fehlenden Arbeitsfähigkeit des Klägers scheitern würde, soweit es sich um eine nicht nur vorübergehende - also nur am 10.10.2000 aufgetretene - Störung gehandelt haben sollte. Für eine solche lediglich vorübergehende Störung fehlen jedoch jegliche medizinische Hinweise. Vielmehr gehen die zeitnahen Gutachten des Dr.H. , des Psychiaters L. und des Sozialmediziners Dr.H. nicht davon aus, dass die freie Willensbildung des Klägers ausgeschlossen war.

Die Berufung des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved