L 4 KR 165/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 624/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 165/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. August 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind eine Beitragserstattung und Ansprüche aus ungerechtfertiger Bereicherung und Schadensersatz von April bis Oktober 2001 in Höhe der monatlich geleisteten Beiträge.

Der 1944 geborene Kläger (kaufmännischer Angestellter) ließ sich nach der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnis- ses zum 30.09.1999 bei der Beklagten freiwillig weiterversichern. Sie forderte mit dem Beitragsbescheid vom 17.01.2000 einen Gesamtbetrag ab 01.10.1999 von monatlich 943,50 DM (Krankenversicherung 835,12 DM, Pflegeversicherung 108,38 DM) und mit dem weiteren Bescheid vom gleichen Tage einen monatlichen Gesamtbeitrag in Höhe von 954,62 DM (Krankenversicherung 844,96 DM, Pflegeversicherung 109,66 DM).

Sie erinnerte ihn mit dem Bescheid vom 17.02.2000 an die Zahlung der Beitragsrückstände in der Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung (Gesamtforderung: 3.841,62 DM, hiervon Beiträge: 3.785,12 DM). Sie setzte ihm zur Zahlung eine Frist von einer Woche und wies ihn auf die zwangsweise Beitreibung hin sowie darauf, dass die Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages endet, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet werden. Mit Bescheid vom 11.04.2000 wies die Beklagte den Kläger ein weiteres Mal auf das Ende der Mitgliedschaft (17.04.2000) hin, da für zwei Monate die Beiträge nicht entrichtet wurden. Ferner erinnerte sie ihn an die Zahlung der Beiträge einschließ- lich Nebenkosten in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von 6.639,50 DM (Beiträge zur Krankenversicherung 5.519,04 DM, Beiträge zur Pflegeversicherung 716,26 DM, jeweils bis 17.04.2000).

Der Kläger legte hiergegen am 10.05.2000 Widerspruch ein. Er sei nach den gesetzlichen Vorschriften nach zwei Monaten nicht mehr zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, er habe seit Oktober 1999 von der Kasse keine Leistung beansprucht und die Mitgliedskarte sei unbrauchbar.

Mit Bescheid vom 15.05.2000 half die Beklagte dem Widerspruch zum Teil ab und nahm den Bescheid vom 11.04.2000 zurück. Beiträge seien jedoch bis 17.01.2000 zu zahlen, der Kläger habe am 15.12.1999 für zwei Monate keine Beiträge entrichtet. Werde der Beitragsrückstand nicht binnen einer Woche beglichen, werde die Kasse das gerichtliche Beitreibungsverfahren beantragen. Mit dem weiteren Bescheid vom 15.05.2000 forderte sie die Zahlung des Beitragsrückstands bis 17.01.2000 einschließlich Nebenkosten in Höhe von 3.555,74 DM (Beiträge zur Krankenversicherung 2.984,16 DM, Beiträge zur Pflegeversicherung 387,28 DM) und bat um Ausgleich binnen einer Woche. Sie beauftragte am 04.07.2000 das Hauptzollamt R. wegen der Beitragsforderung von nunmehr insgesamt 3.609,04 DM die Zwangsvollstreckung durchzuführen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29.09.2000 Widerspruch ein; er forderte die Bearbeitung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 11.04.2000. Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 13.10.2000 eine Zwischennachricht und wies ihn darauf hin, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe, die rückständigen Beiträge seien zu entrichten.

Bereits am 10.10.2000 hat der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat mit den Schriftsätzen vom 08.01.2001 und 27.04.2001 darauf hingewiesen, dass der Kläger für die Zeit der freiwilligen Mitgliedschaft vom 01.10. 1999 bis 17.01.2000 Beiträge zu entrichten habe in Höhe von insgesamt 3.371,44 DM für die Kranken- und Pflegeversicherung zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien für freiwillig Versicherte nach der Satzung der Kranken- bzw. Pflegekasse bis zum 15. des Folgemonats zu zahlen. So waren bis 15.11. die Beiträge für Oktober und bis 15.12. die Beiträge für November zu entrichten. Dies sei nicht geschehen. Das Ende der Mitgliedschaft sei somit der Ablauf des nächsten Zahltags. Da der 15. des Folgemonats, der 15.01.2000, auf einen Samstag gefallen sei, habe sich als Zahltag der 17.01.2000 ergeben. Damit habe die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers am 17.01.2000 geendet.

Der Kläger ist zum 03.04.2001 vom Arbeitsamt bei der Beklagten angemeldet worden. Das SG hat im Erörterungstermin vom 09.05. 2001 einen Beschluss erlassen, mit dem es den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt hat. Die Beklagte hat den Kläger am 29.06.2001 erneut wegen der Zahlung der rückständigen Beiträge einschließlich Nebenkosten (Gesamtforderung 4.048,44 DM) gemahnt. Laut einer Aktennotiz der Beklagten vom 24.07.2001 hat der Kläger die Beklagte an die Zusendung der Versichertenkarte erinnert. Ein Mitarbeiter der Beklagten hat in dem Telefongespräch dem Kläger angeboten, dass sich die Kasse mit dem behandelnden Arzt in Verbindung setzen würde, falls in nächster Zeit der Kläger die Versichertenkarte noch nicht habe.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2001 den Widerspruch zurückgewiesen. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers habe am 17.01.2001 wegen der fehlenden Beitragszahlung für zwei Monate geendet. Der gesamte Beitragsrückstand einschließlich Nebenkosten betrage nunmehr 4.048,44 DM.

Der Kläger hat wieder geltend gemacht, er habe bislang keine Versichertenkarte erhalten; die Beklagte hat entgegnet, die Versichertenkarte sei am 16.07.2001 versandt worden. Mit Schreiben vom 08.08. und 17.08.2001 hat der Kläger gegen die Beklagte Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung und Schmerzensgeld erhoben und wieder geltend gemacht, er habe die Versichertenkarte noch nicht erhalten. Die Beklagte hat am 19.09.2001 dem SG mitgeteilt, obwohl der Kläger die ihm seit November 1999 vorliegende Krankenversicherungskarte nie zurückgegeben habe, habe sie ihm am 16.07.2001 eine neue Karte aus- gestellt und an ihn versandt. Mit dem weiteren Schreiben vom 08.11.2001 hat die Beklagte erklärt, eine Mitarbeiterin des Vertragsunternehmens K.-Verlag habe die Versichertenkarte am 19.10.2001 mit Rückschein an den Kläger geschickt. Der Kläger hat am 20.11.2001 erklärt, dass er die Karte am 20.10.2001 erhalten habe. Die Beklagte sei ab Oktober 2001 ungerechtfertigt bereichert und er rechne gegen einen eventuellen Anspruch aus der streitbefangenen Zeit seit 1999 auf.

Das SG hat mit Urteil vom 02.08.2002 die Klage abgewiesen. Da der Kläger keine Beitragszahlungen für die freiwillige Versicherung geleistet habe, habe die Beklagte die Versicherung wirksam zum 17.01.2000 beendet. Wegen der Teilabhilfe sei die Untätigkeitsklage im Umfang der Abhilfe unzulässig gewesen und war mit der Erteilung des Widerspruchsbescheides erledigt. Es habe jedoch für die Fortführung des Verfahrens durch den Kläger eine sachdienliche Klageänderung vorgelegen. Dem weiteren Begehren, eine Aufrechnung mit den Beiträgen von April 2001 bis Oktober 2001 im Hinblick auf den Nichterhalt der Versichertenkarte zu erreichen, sei nicht stattzugegeben. Eine wirksame Aufrechnung scheitere am Fehlen einer Forderung des Klägers. Für das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen bzw. ein Zurückbehaltungsrecht gegen die Beklagte bezüglich der nicht erhaltenen Krankenversicherungskarte gebe es keine Anhaltspunkte. Ein Schadensersatzanspruch sei wegen des fehlenden Nachweises eines Schadens nicht gegeben. Das Fehlen der Versichertenkarte sei kein Hinderungsgrund für eine ärztliche Behandlung gewesen, da die Mitgliedschaft durch einen Anruf bei der Versicherung hätte bestätigt werden können. Auch ein Zurückbehaltungsrecht habe der Kläger nicht ausüben können. Er sei aufgrund der neuen Mitgliedschaft bei der Beklagten auch seit dem 03.04.2001 zur Beitragszahlung verpflichtet gewesen. Das Fehlen der Versichertenkarte, die diese Mitgliedschaft gegenüber den Leistungserbringern nach außen dokumentiert, habe auf diese Beitragspflicht keinen Einfluss.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 16.08.2002. Die Beitragsschuld bestehe nur in Höhe von 2.408,17 DM anstelle der von der Beklagten angegebenen Summe von 3.371,44 DM. Ferner habe er gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz bzw. ungerechtfertigter Bereicherung für die Zeit von April bis Oktober 2001 in Höhe der Beiträge, da er wegen Fehlens der Krankenversicherungskarte ärztliche Behandlung oder Arzneimittel nicht habe in Anspruch nehmen können. Er habe mit diesen Ansprüchen gegen den Anspruch der Beklagten in Höhe von 2.408,17 DM aufgerechnet.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 02.08.2002 so- wie den Bescheid vom 15.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 EUR (§ 144 Abs.1 Satz 2 Nr.1 SGG), da der Kläger nicht nur um die Beitragsdifferenz in Höhe von 963,27 DM (491,26 EUR) streitet, sondern auch eine Forderung auf Beitragserstattung für die Monate April bis Mai 2001 bzw. eine Gegenforderung in Höhe der gesamten Beitragsforderung im Wege der Aufrechnung geltend macht.

Der Senat entscheidet hier aufgrund der Geschäftsverteilung nur über die Beiträge zur Krankenversicherung.

Die Berufung ist insoweit unbegründet.

Wie das SG zu Recht entschieden hat, ist der Kläger auch für die Zeit der freiwilligen Mitgliedschaft von Oktober 1999 bis 17.01.2000, also bis zur Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft kraft Gesetzes wegen fehlender Beitragszahlung für zwei Monate (§ 191 Nr.3 Sozialgesetzbuch V - SGB V -), zur Beitragszahlung (2.984,16 DM zuzüglich Nebenkosten) verpflichtet gewesen. Gemäß § 250 Abs.2 SGB V tragen freiwillige Mitglieder ihren Beitrag zur Krankenversicherung allein. § 252 SGB V regelt, soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, dass die Beiträge von demjenigen zu zahlen sind, der sie zu tragen hat. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung ist also der Kläger zur Zahlung der Beiträge verpflichtet. Die von der Beklagten geforderte Summe entspricht dem zuletzt geforderten monatlichen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung für 3 Monate und 17 Tage.

Die Berufung ist auch unbegründet, soweit der Kläger für die Zeit der anschließenden Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.2 SGB V, d.h. ab 03.04.2001 mit einer Forderung auf Beitragserstattung (§ 26 Abs.2 Sozialgesetzbuch IV - SGB IV -) bzw. mit einer Schadensersatzforderung aufrechnet. Die Aufrechnung des Versicherten gegen den Leistungsträger bestimmt sich nicht nach § 51 Sozialgesetzbuch I (SGB I), sondern nach den allgemeinen Rechtsvorschriften der §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Versicherte können mit eigenen Leistungsansprüchen gegen eine Erstattungsforderung des Leistungsträgers jedenfalls dann aufrechnen, wenn Haupt- und Gegenforderung Rechtsansprüche auf Geldleistungen öffentlich-rechtlicher Natur sowie in demselben Rechtsweg zu verfolgen sind, wenn die Gegenforderung bindend festgestellt oder unbestritten ist und wenn außerdem die sonstigen Voraussetzungen für die Aufrechnung vorliegen (Kasseler Kommentar-Seewald, § 51 SGB I, Rdnr.3 m.w.N.). Im vorliegenden Fall fehlt es an einer Forderung des Klägers auf Beitragserstattung (§ 26 Abs.2 SGB IV) bzw. Schadensersatz gegen die Beklagte (Gegenforderung).

Entgegen der Ansicht des Klägers führt das angebliche Nichterhalten der Krankenversicherungskarte nicht dazu, dass für seine Krankenversicherung Beiträge nicht anfallen. Abgesehen davon, dass der Kläger nach den Angaben der Beklagten offensichtlich noch im Besitz der Krankenversicherungskarte aus der Zeit der freiwilligen Versicherung war, ergibt sich aus § 251 Abs.4a SGB V, dass die Bundesanstalt für Arbeit die Beiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld nach dem SGB III trägt. Sie zahlt auch die Beiträge gemäß § 252 SGB V. Der angebliche Nichterhalt der Krankenversicherungskarte (§ 15 Abs.2 bis 5 SGB V) ändert am Fortbestand der Pflichtversicherung nichts, so dass die hierfür gezahlten Versicherungsbeiträge zu Recht im Sinne des § 26 Abs.2 SGB IV entrichtet worden sind. Es entsteht für den Versicherten auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB. Unabhängig davon ist dem Kläger entgegen zu halten, dass es aufgrund der Beitragszahlung durch die (damalige) Bundesanstalt für Arbeit bei der Aufrechnung auch an dem Merkmal der Gegenseitigkeit fehlt (§ 387 BGB).

Es besteht auch kein "Schadensersatzanspruch", mit dem der Kläger aufrechnen könnte. Als Rechtsgrundlage für einen "Schadensersatzanspruch", der hier beachtlich wäre, kommt allenfalls § 13 Abs.3 SGB V in Frage. Dieser allgemeine Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschafte Leistung Kosten entstanden sind. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich, dass er im hier streitigen Zeitraum von einer ärztlichen Behandlung und Bezug von Arzneimitteln abgesehen hat, so dass Kosten nicht angefallen sind.

Im Übrigen ist bezüglich beider Ansprüche auf Beitragserstattung und Kostenerstattung noch festzustellen, dass der vom Kläger behauptete Nichterhalt der Krankenversicherungskarte ihn an der Inanspruchnahme der Krankenbehandlung nicht gehindert hätte. Denn zum Einen hat die Beklagte ihm mitgeteilt, dass sie vor Behandlungsbeginn dem jeweiligen Behandler die Leistungsberechtigung des Klägers bestätigen würde. Zum Anderen folgt aus § 15 Abs.5 SGB V, dass in dringenden Fällen die Krankenversicherungskarte oder der Krankenschein oder Berechtigungsschein nachgereicht werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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