L 5 KR 257/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 RA 372/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 257/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. September 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Klägerinnen zu 1) und 2) auf der einen Seite und der Klägerin zu 3) auf der anderen Seite in der Zeit vom 19.06.2001 bis 31.10.2001.

Die Klägerinnen zu 1) und 2) betreiben jeweils ein Servicecenter für Dienstleistungen im Bereich Heiz- und Wasserkostenerfassung bzw. -verteilung und werden als regionale Servicecenter der Firma "B. Wärmemesser GmbH & CO. KG M." (B.) tätig. Diese betraut sie mit jährlichen Ablesungen und Wartungen ihrer Messgeräte, die die Kläger zu 1) und 2) an so genannte Messdienste weitergeben. Die Klägerin zu 3) betreibt einen derartigen Messdienst und steht seit ca. sechs Jahren mit den Klägerinnen zu 1) und 2) in Geschäftsverbindung. Sie schlossen halbjährlich Rahmenwerkverträge, wonach die Auftragserteilung im Einzelfall dergestalt erfolge, dass die Klägerin zu 3) zunächst ihre Kapazitäten mitteile. Auch nach der Auftragserteilung stehe ihr noch das Recht zu, den Auftrag abzulehnen bzw. das Auftragsvolumen zu erweitern oder zu reduzieren. Sie sei berechtigt, für andere Auftraggeber tätig zu werden. Es stehe ihr frei, geeignete Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Wesentliche Einschränkungen der Kapazität seien mindestens vier Wochen vorher mitzuteilen. Ansonsten hafte sie für die Folgen eines verspätet ausgeführten Auftrags bzw. einer Nichtausführung. Ebenso hafte sie für Schäden, die im Rahmen ihrer Tätigkeit verursacht werden. Die Rechnungsstellung erfolge auf Grund geprüfter Leistungsnachweise. Die Klägerinnen zu 1) und 2) stellten Handbücher, Erfassungsgeräte, Ampullen, Plomben, Ableseprotokolle, der Kläger zu 3) das übrige Werkzeug und ein eigenes Kraftfahrzeug. Die Leistungen seien nach den von B. herausgegebenen technischen Richtlinien durchzuführen.

Der Inhaber der Klägerin zu 3), der 1949 geboren ist und seinen letzten Rentenversicherungsbeitrag im Juli 1993 entrichtet hat, beantragte am 29.06.2000 die Feststellung seines sozialrechtlichen Status. Er machte geltend, neben den Klägerinnen zu 1) und 2) für Bauträger, Hausverwaltungen und Hauseigentümer tätig zu sein, eigene Werbung zu betreiben und zudem als Exporteur tätig zu sein.

Mit Bescheid vom 14.06.2001 stellte die Beklagte fest, der Inhaber der Klägerin zu 3) übe seine Tätigkeit im Bereich des Wärmemessdienstes für die Klägerinnen zu 1) und 2) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Die Tätigkeit werde ausschließlich im Auftrag und im Namen der Klägerinnen zu 1) und 2) ausgeübt. Er sei eingegliedert in eine fremde Arbeitsorganisation, die insgesamt alle Kunden im jeweiligen Einsatzgebiet innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne mit einem Ableser bedienen müsse. Durch die umfangreichen Vorgaben und die Einfachheit der Tätigkeit bleibe kaum ein Gestaltungsspielraum. Er habe nicht die Möglichkeit, seine Preise selbst zu gestalten. Er rechne nicht mit dem Kunden direkt, sondern mit der Gebietsvertretung ab. Die relevanten Arbeitsmittel würden von den Klägerinnen zu 1) und 2) gestellt, worüber Rechenschaft in Form einer Inventur abzulegen sei. Demgegenüber falle die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs und eines eigenen Büros nicht ins Gewicht. Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, stelle für sich allein kein Unternehmerrisiko dar. Der Zeitpunkt der Leistung werde durch die Forderung der Kunden festgelegt, die an den Inhaber der Klägerin zu 3) herangetragen werde und sich als Direktionsrecht des Arbeitgebers darstelle.

Die von den Klägerinnen am 08.07.2001 bzw. 26.06.2001 eingelegten Widersprüche wurden von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2002 zurückgewiesen. Der Wärmedienstableser verrichte untergeordnete Arbeiten, bei denen eine Eingliederung in den Betrieb des Auftragsgebers eher anzunehmen sei als bei gehobeneren Tätigkeiten. Auch gemäß der Anlage 4 des Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger stünden Ableser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Grundlage hierfür sei das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.07.1992. Die Bezahlung lediglich nach dem Erfolg der Arbeit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein zwingender Grund für den Ausschluss einer persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten. Dieses Risiko des Einkommens sei von dem bei einem selbstständigen Beruf typischen Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Ein nennenswerter Kapitaleinsatz erfolge nicht. Dass eine eigene Termin- bzw. Routenplanung vorgenommen werden könne, stelle kein ausschlaggebendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit dar. Ebenso wenig spiele es eine Rolle, dass der Inhaber der Klägerin zu 3) keinen Urlaubs- und Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall habe und nicht verpflichtet sei, die Leistungen persönlich zu erbringen. Nach Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.

Die von den Klägerinnen zu 1) und 2) am 18.03.2002 und von der Klägerin zu 3) am 19.03.2002 erhobenen Klagen sind mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 27.02.2003 unter dem Az.: S 47 RA 372/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, die Klägerinnen zu 1) und 2) selbst beschäftigten keine eigenen Arbeitnehmer, sondern arbeiteten ausschließlich mit Subunternehmen zusammen. Dieses branchenübliche Verhalten sei bislang von den Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern als selbstständiges Gewerbe anerkannt worden. Das von der Beklagten zitierte Bundesfinanzhofsurteil von 1992 erfasse nur einfache Stromableser, denen ein bestimmter Ablesebezirk vorgegeben war und die nicht unternehmerisch handeln konnten. Im Gegensatz dazu könne die vorliegende Tätigkeit durch effektives Arbeiten und den Einsatz weiterer Mitarbeiter ausgeweitet werden. Gegen eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation spreche, dass sich die Klägerin zu 3) gegenüber Dritten als Auftragnehmer der Klägerinnen zu 1) und 2) präsentiere. Als Unternehmerrisiko stelle sich der Einsatz eines eigenen Pkw ohne Fahrkostenentschädigung bei wechselnden Einsatzorten sowie die eigene Beschaffung von Telefon, Werkzeug, PC und Drucker dar. Die Vergütung sei erfolgsbezogen und abhängig von der Qualität der Leistung.

Die Klägerin zu 3) hat auf einen umfangreichen Fragekatalog unter anderem geantwortet, sie arbeite nicht nach einer von den Klägerinnen zu 1) und 2) erstellten Prüfliste und verfüge über umfangreiches eigenes Werkzeug. Sie hat Hausverwaltungen und Bauträger, für die sie ohne schriftliche Verträge auch gearbeitet hat, namentlich benannt. Wegen ihres Haftungsrisikos habe sie eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Sie habe ein Gewerbe angemeldet und werbe mittels Wurfzettel und Visitenkarten.

Nachdem bekannt geworden war, dass die Klägerin zu 3) seit dem 01.11.2001 eine Hilfskraft oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigt, hat die Beklagte mit Bescheid vom 20.08.2003 den Bescheid vom 14.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2002 teilweise für den Zeitraum ab 01.11.2001 zurückgenommen und festgestellt, dass die Klägerin zu 3) ihre Tätigkeit im Bereich Wärmemessdienst für die Klägerinnen zu 1) und 2) seit dem 01.11.2001 selbständig ausübe. Damit habe sie unternehmerisches Risiko nachgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 16.09.2003 hat der Inhaber der Klägerin zu 3) unter anderem mitgeteilt, ca. drei- bis viermal pro Woche bei den Klägerinnen anzurufen, um Aufträge für turnusmäßige Ablesungen zu erhalten. Regelmäßig habe er dann eine Zeitschiene von sechs bis zwölf Wochen erhalten. Zwischenablesungen würden direkt mit dem Kunden abgerechnet. Den Anteil der Arbeiten für andere Auftraggeber als die Klägerinnen zu 1) und 2) schätze er auf 25 bis 30 %. Er habe alle Werkzeuge, auch Spezialwerkzeuge wie Plombenzangen, selbst angeschafft. Am Anfang seiner Tätigkeiten sei er von beiden Klägerinnen in Lehrgängen ausgebildet worden.

Mit Urteil vom 16.09.2003 hat das Sozialgericht München den Bescheid vom 14.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2002 aufgehoben und die Beklagte zur Feststellung verurteilt, dass die Tätigkeit des Klägers zu 3) als Betreiber des Messdienstes Hansjochen Jäger für die Klägerinnen zu 1) und 2) nicht vom 19.06.2001 bis 31.10.2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. Die Gesamtwürdigung ergebe, dass der Inhaber der Klägerin zu 3) als selbständiger Subunternehmer für die Klägerinnen zu 1) und 2) tätig geworden sei. Bezeichnung und inhaltliche Ausgestaltung des "Rahmenwerkvertrags" sprächen ebenso für eine Selbständigkeit wie das Recht des Klägers, selbst den Umfang seiner Tätigkeit zu bestimmen, für andere Auftraggeber tätig zu sein, Erfüllungsgehilfen einzusetzen und einzelne Aufträge abzulehnen. Mit der freien Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit der freien Gestaltung seiner Tätigkeit könne der Inhaber der Klägerin zu 3) also seine Zeit frei einteilen. Das Verfassen eines Ableseprotokolls, die Art der Abrechnung und die Vorgabe von Richtlinien seien auch für Werkverträge üblich. Der Kläger stehe im Mittelpunkt seines eigenen Unternehmens und trage ein eigenes Unternehmerrisiko, was sich in der Organisation der Auftragsabwicklung, dem fehlenden Entgeltfortzahlungsanspruch im Fall der Krankheit oder des Urlaubs sowie im Einsatz eines eigenen Pkw und eines Büros zeige. Daneben betreibe er Eigenwerbung durch Wurfzettel und Visitenkarten. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 24.07.1992 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil bei den Wärmeablesern von jeher keine festen Ablesebezirke bestünden und die Tätigkeit der Messdienste schwieriger und umfangreicher sei als die des einfachen Stromablesers.

Gegen das der Beklagten am 08.10.2003 zugestellte Urteil hat diese am 05.11.2003 Berufung eingelegt. Sie hat eingewandt, ein Unternehmerrisiko könne keinesfalls bejaht werden. Die Klägerin zu 3) habe im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht die Möglichkeit, eigenes Kapital einzusetzen, das sich akkumuliere. Auch setze der Inhaber seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Urlaubs- und Lohnfortzahlungsanspruch seien Folge eines Arbeitsverhältnisses, nicht dessen Voraussetzung. Das im Vordergrund stehende Ablesen von Messgeräten sei eine untergeordnete Tätigkeit, die die Klägerin zu 3) als dienendes Glied einer Betriebsorganisation verrichte und die damit fremdbestimmt sei. Aus der Freiheit, Aufträge ablehnen zu können, könne nur auf die Befristung eines Rechtsverhältnisses geschlossen werden, nicht auf unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Wenn das Bundessozialgericht 1962 entschieden habe, dass die Ortsbeauftragten eines Elektrizitätswerkes nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu diesem gestanden hätten, sei dabei zu beachten, dass nach den gesamten Entscheidungsgründen offensichtlich die Tatsache einen nicht unerheblichen Einfluss hatte, dass die Beigeladenen seinerzeit aus einem eigenen Materiallager elektrische Artikel verkauft hatten. Das vom Sozialgericht München zitierte Urteil des SG Aachen vom 31.01.2003 schließlich sei nicht rechtskräftig geworden, da die Beklagte dort fristgerecht Berufung vor dem LSG Nordrhein-Westfalen anhängig habe.

Demgegenüber hat der Bevollmächtigte der Klägerinnen zu 1) und 2) darauf hingewiesen, das dortige Berufungsgericht habe zwischenzeitlich in einem Erörterungstermin die Aussichtslosigkeit der Beklagtenberufung deutlich gemacht. Ein hinreichendes Unternehmerrisiko sei wegen des Fehlens einer Mindestvergütung und eines Anspruchs auf Auftragserteilung sowie wegen des begrenzten Inkassorisikos gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.09.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 14.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2002 unter Berücksichtigung des Bescheides vom 20.08.2003 abzuweisen.

Die Klägerinnen zu 1) und 2) beantragen,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.09.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.09.2003 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat festzustellen, dass die Tätigkeit des Inhabers der Klägerin zu 3) für die Klägerinnen zu 1) und 2) vom 19.06. 2001 bis 31.10.2001 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde.

Zutreffend hat das Sozialgericht die maßgeblichen Rechtsgrundlagen und die Grundsätze dargestellt, nach denen die Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit abzugrenzen ist. Insoweit wird gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Anders als in dem vom Senat am 21.12.2004 entschiedenen Fall, der ebenfalls einen Messdienst betraf (Breithaupt 2005, S.209), folgt der Senat auch der vom Sozialgericht getroffenen Wertung, es sprächen mehr Umstände für als gegen die Selbständigkeit.

Die wesentlichen Kriterien für die Selbständigkeit sind das Recht zur freien Wahl des Auftragsvolumens und zur Entfaltung weiterer unternehmerischer Aktivitäten, ein gewisses Maß an Organisationshoheit sowie an unternehmerischem Risiko. Der Klägerin zu 3) war kein fester Ablesebezirk zugeordnet, sie bewarb sich vielmehr laufend entsprechend ihrer Kapazitäten um die Zuteilung werkvertragsfähiger Aufträge. Mit dem Sozialgericht geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Messdienste wie der der Klägerin zu 3) um nicht ganz einfache Tätigkeiten handelt. Neben der reinen Ablesetätigkeit erfolgten eine Kontrolle der Messstelle, ggf. kleinere Wartungs- bzw. Reparaturarbeiten. Wie die notwendige Schulung zu Beginn der Tätigkeit und der Umfang der technischen Richtlinien der B. nahelegen, kann die Ablesetätigkeit nicht von jedermann vorgenommen werden.

Die Klägerin zu 3) hat allein entschieden, ob, wann und in welchem Umfang sie tätig werden wollte. In Abgrenzung zur Dienstleistung bzw. Arbeitsvertragsleistung stand sie also nicht auf Abruf bereit, wie dies etwa bei täglich zu erfüllender Dienstleistung notwendig ist. Wie der Inhaber der Klägerin zu 3) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ausgesagt hat, hat er ca. drei- bis viermal in der Woche bei den Klägerinnen angerufen, um dabei Aufträge für turnusgemäße Ablesungen zu erhalten. Dabei hat regelmäßig eine Zeitschiene von sechs bis zwölf Wochen bestanden. Entscheidend erscheint, dass mit der Auftragsübernahme nicht auf Wochen und Monate hinaus vollständig über die Arbeitsleistung der Klägerin zu 3) verfügt worden ist, ihr also weiterhin Gestaltungsspielraum zugekommen ist (anders als im Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.08.2003, Az.: B 2 U 38/02 R). Selbstverständlich kann sich das Recht zur freien Wahl des Auftragsvolumens auch als bloße Befristung eines Rechtsverhältnisses darstellen, wie dies in dem von der Beklagten zitierten Urteil des LSG Berlin vom 26.11.1986 (Breithaupt 1987, S.345 ff.) dargestellt wird. Die Befristung des Rechtsverhältnisses ergab sich vorliegend jedoch bereits durch die begrenzte Dauer des Rahmenwerkvertrags. Innerhalb dieses befristeten Rechtsverhältnisses hatten die Klägerinnen zu 1) und 2) jedoch nicht das Recht, der Klägerin zu 3) einseitig Aufgaben zuzuweisen.

Die freie Wahl des Auftragsvolumens ist unerlässlich, um ein eigenes Unternehmen betreiben zu können. Die Klägerin zu 3) unterlag keinem Konkurrenzverbot und konnte daher für andere Auftraggeber tätig werden. So war sie nicht nur für die Klägerinnen, sondern auch für Einzelnutzer und Wohnungsverwaltungen tätig. Dementsprechend betrieb sie eigene Werbung und trat im eigenen Namen auf. Der Inhaber arbeitete teilweise für eigene Rechnung und bot Zusatzleistungen an, die vom Nutzungsvertrag zwischen den Kunden und B. nicht erfasst waren. Zudem war er nicht verpflichtet, die Zähler persönlich abzulesen, sondern besaß ein Delegationsrecht, was in der Folge auch realisiert wurde.

Die von der Klägerin zu 3) übernommene Auftragsverpflichtung war mit keinen festen Arbeitszeiten verbunden und eröffnete ihr die Möglichkeit, die Termine selbst festzulegen, Ausweich- und Individualabreden zu treffen und die Route im Interesse des eigenen Unternehmens zu optimieren. Anders als in dem vom LSG Berlin am 26.11.1986 (a.a.O.) entschiedenen Fall verfügte die Klägerin zu 3) über einen wesentlich größeren Spielraum als häusliche Pflegekräfte, die regelmäßig fünfmal zwei Stunden wöchentlich Pflegeaufträge zu erfüllen haben. Auf diesen größeren zeitlichen Spielraum stellt auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts zum 26.10.1962 ab (SozR Nr.36 zu § 165 RVO), wenn es dort heißt, Ortsbeauftragte eines Elektrizitätswerks seien insofern etwa von Zeitungsausträgern zu unterscheiden, als sie solchen Fristen unterliegen, dass sie über ihre Zeit im Wesentlichen frei verfügen können. Wenn demgegenüber die Beklagte moniert, dieses Urteil sei deshalb nicht relevant, weil dort die Versicherten seinerzeit aus einem eigenen Materiallager elektrische Artikel verkauften, so ist dem entgegenzuhalten, dass darin eine weitere Parallelität mit der anhängigen Streitsache zu erkennen ist. Das Bundessozialgericht hat die Berechtigung der Stromableser, ein eigenes Materiallager zu halten und durch den Verkauf von Glühlampen, Sicherungspatronen und anderen elektrischen Artikel ihr Einkommen zu erhöhen, als Indiz für ihre persönliche Selbständigkeit gewertet. Im gleichen Sinn muss das Recht der Klägerin zu 3) gewertet werden, Zusatzleistungen wie Zwischenablesungen und den Austausch von Perlatoren anzubieten. Ein Unternehmerrisiko ist nicht nur dann zu bejahen, wenn der Erfolg eines Kapitaleinsatzes ungewiss bzw. die Chance zur Akkumulation des eingesetzten Kapitals gegeben ist. Dieses Risiko ist vielmehr auch vorhanden, wenn keine Gewähr besteht, für eine konkrete Arbeitsleistung ein bestimmtes Honorar zu erhalten (Urteil des erkennenden Senats vom 18.05.2004, L 5 KR 194/03 m.w.N.). Die Klägerin zu 3) erhielt pro Einzelauftrag keine Mindestvergütung, sondern eine vom konkreten Bearbeitungsaufwand unabhängige, erfolgsbezogene Stückvergütung. Schlugen ihre Versuche fehl, mit den Nutzern Kontakt aufzunehmen bzw. weigerte sich ein Nutzer, die pauschalierten Kosten einer dritten Kontaktaufnahme zu tragen, erzielte er ungeachtet seines zeitlichen Einsatzes keine Vergütung bzw. trug er das Inkassorisiko. Ähnlich wie ein Ermittler, der für ein Marktforschungsunternehmen Befragungen durchführt und nur bei ordnungsgemäßer Erledigung einen Honoraranspruch hat (siehe Bundessozialgerichtsentscheidung vom 14.11.1974, 8 RU 266/73), trug die Klägerin zu 3) also ein, wenn auch ein begrenztes, unternehmerisches Risiko. Zudem trug sie auch das Risiko von Minderungen oder Schadensersatzansprüchen infolge Schlechtleistung und das Haftungsrisiko für Schäden bei einem Kunden. Wenn demgegenüber die Beklagte auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25.01.2001 (B 12 KR 17/00 R) hinweist, so ist dem entgegenzuhalten, dass dort der zu beurteilende Rechtsanwalt ein festes monatlich zu zahlendes pauschales Honorar plus Aufwandsentschädigung erhielt und keinerlei Abzüge für eine etwaige Schlechtleistung hinzunehmen hatte. Die Klägerin zu 3) hatte nicht nur eine ungleich geringere wirtschaftliche Sicherheit, wegen des fehlenden Konkurrenzverbots konnte sie vielmehr die vorhandene Zeit zur Realisierung weiterer Verdienstmöglichkeiten nutzen. Keinesfalls ist sie mit Stromablesern vergleichbar, wie sie der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 28.09. 1956 zu Grunde lagen (Az.: 3 RK 32/55), die keinerlei Inkassorisiko trugen, vielmehr ein festes Gehalt bezogen.

Ganz entscheidendes Gewicht kommt vorliegend dem Umstand zu, dass die Klägerin zu 3) im strittigen Jahr ihre Dienstleistungen zu einem solchen Umfang ausgeweitet hat, dass die Beschäftigung eines Arbeitnehmers notwendig wurde. Ab diesem Zeitpunkt bejaht die Beklagte den Selbständigenstatus auf Grund eines erkennbaren Unternehmerrisikos. Entgegen ihrer Ansicht genügt es jedoch, wenn ein Unternehmenskonzept nachhaltig verfolgt wird, das vom Bemühen getragen ist, die Verdienstmöglichkeiten zu steigern. Dies kann für die wenigen Monate vor der Einstellung eines Mitarbeiters nicht verneint werden, zumal die Klägerin zu 3) auch mit der Einleitung eines Statusverfahrens deutlich gemacht hatte, dass sie sich nicht auf die Ablesetätigkeit für ein Versorgungsunternehmen beschränken wollte. Im gleichen Sinn hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg eine gewerbliche Tätigkeit eines Stromablesers bereits für das gesamte Jahr angenommen, das dem Jahr vorausgegangen war, in dem er tatsächlich Mitarbeiter eingestellt hat (EFG 2004, 34 ff.). Die entgegenstehende Praxis der Beklagten führt zu einer Diskriminierung von Existenzgründern und Kleinunternehmern, der mit der Neufassung des § 7 Abs.4 SGB IV rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Korrekturgesetz zur Förderung der Selbständigkeit (BGBl. 2000 I S.2) entsprechend den Vorschlägen der "Dieterich-Kommission" (BT-Drucksache 14/1855, S.61, NZA 1999, 1147) begegnet werden sollte. Typischerweise verfügt dieser Personenkreis zumindest in der Anfangsphase noch über keine Hilfskräfte und ist zunächst nur für einen großen Auftraggeber tätig. Angesichts der tatsächlichen Realisierung seines Unternehmenskonzepts zum 01.11.2001 ist dem Inhaber der Klägerin zu 3) ein gewisser Zeitraum davor einzuräumen, in dem er seine unternehmerischen Aktivitäten ohne Mitarbeiter entwickeln konnte.

Demgegenüber kommt den Umständen, die gegen die Selbständigkeit sprechen, untergeordnete Bedeutung zu. Dazu zählt, dass die Tätigkeit von Wärmedienstleistern wie die der Klägerin zu 3) wesentlicher Bestandteil des Geschäftsbetriebs der Klägerinnen zu 1) und 2) war, das heißt, dass diese ihre Aufgabe des Service- centers für Werk- und Dienstleistungen im Bereich Heiz- und Wasserkostenerfassung bzw. -verteilung nicht ohne Wärmedienste wie der Klägerin zu 3) ausführen konnte. Insofern war die Klägerin zu 3) Teil der Betriebsorganisation der Klägerinnen zu 1) und 2) und verrichtete fremdbestimmte Tätigkeit, die Teil des übergeordneten Planungsauftrags war, den die Klägerinnen zu 1) und 2) gegenüber der B. zu erfüllen hatten. Gleichzeitig war die Klägerin zu 3) in einer für Arbeitnehmer typischen Regelmäßigkeit für die Klägerinnen zu 1) und 2) tätig. Wie der Inhaber der Klägerin zu 3) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben hat, ist er seit etwa sechs Jahren für die Klägerinnen zu 1) und 2) tätig.

Nicht zu übersehen ist schließlich auch, dass der Gestaltungsspielraum für die Klägerin zu 3) sehr eng war. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sie wegen der Verpflichtung nach Ziffer 2) des Rahmenvertrags, die Leistungen nach den technischen Richtlinien der Firma B. durchzuführen, einem Weisungsrecht der Klägerinnen zu 1) und 2) unterliegt. Bei der Beauftragung eines z.B. selbständigen Handwerkers ist es nicht so, dass vom Auftraggeber die Verfahrensschritte und die zu beachtende Norm im Einzelnen detailliert vorgegeben werden. Dort wird die Einhaltung entsprechender Vorgaben schlicht vorausgesetzt. Die als " Hilfe für Messdienst" bezeichneten Richtlinien gewährleisten nicht nur, dass die gesetzlichen Vorgaben, hier der Heizkostenverordnung, und der Stand der Technik bei der Ausführung der Arbeit wie dem Ablesen beachtet werden. Vielmehr enthalten sie konkrete Anweisungen zur Erstellung des Ableseprotokolls und auch detaillierte Verhaltensanweisungen. So heißt es unter dem Stichwort "Plombe beschädigt", der Messdienst habe den Nutzer darauf hinzuweisen, dass er diesen Mangel vermerken müsse. Dem Nutzer seien deswegen keinerlei Vorwürfe zu machen und niemals sei das Wort "Manipulation" zu verwenden. Auch die Modalitäten der Terminänderung sind genau vorgegeben. Ein neues Anmeldeplakat mit dem neuen Ablesetermin und dem Aufkleber "Terminänderung" müsse angebracht bzw. eine neue Postkarte versandt werden. Nur höhere Gewalt rechtfertige eine Terminänderung. Daraus wird deutlich, wie weitgehend die Weisungsbefugnis der Klägerinnen zu 1) und 2) geht. Dennoch überwogen die für die Selbständigkeit sprechenden Aspekte wie oben dargestellt.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.2 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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