L 5 R 378/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1462/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 378/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 10. März 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der 1946 in Bosnien-Herzegowina geborene Kläger hat dort den Beruf des Drehers erlernt. Versicherungspflichtig beschäftigt war er von Oktober 1962 bis Januar 1969 und wieder von Januar 1979 bis November 1993. Während des Bürgerkriegs war er vom 23.06. bis 01.12.1993 in einem Lager interniert. Anschließend war er laut eigenen Angaben bis 1995 arbeitsverpflichtet. Seit Juni 2000 erhält er Invalidenrente. In Deutschland war er von Januar 1969 bis April 1978 versicherungspflichtig beschäftigt. Er gab an, zunächst bis Februar 1972 als Dreher gearbeitet zu haben und anschließend vom 14.02.1972 bis 23.04.1978 bei der Firma L. S. GmbH auf Montage beschäftigt gewesen zu sein. Vom 17.01. bis 30.03.1972 absolvierte er einen Einführungslehrgang im Lichtbogenschweißen. Die L. S. GmbH hat der Beklagten am 02.07.2002 mitgeteilt, Unterlagen über den unbekannten Kläger seien dort nicht vorhanden. Zusammen mit dem Rentenantrag vom 09.06.2000 wurde das Formulargutachten vom 29.06.2000 übersandt. Darin heißt es, der Kläger leide seit 1993 unter psychischen Störungen, die sich bis zum Grad der dauernden Persönlichkeitsveränderung entwickelt hätten. Bezug genommen wurde dabei auf einen Entlassungsbericht der Psychiatrie aus dem Jahr 2000 sowie Kontrollbefunde eines Neuropsychiaters ab November 1999. Nach einem Bericht einer Internistin von Januar 2001 hatte der Kläger seit 1993 auch ausgeprägte organische Störungen. Die Invalidenkommission befand den Kläger seit 29.06.2000 für dauernd erwerbsunfähig. Die Beklagte lehnte eine Rentengewährung mit Bescheid vom 21.11.2000 ab, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, ausgehend vom Datum der Antragstellung, nicht erfüllt seien. Am 23.04.2001 legte der Kläger medizinische Unterlagen vor und machte geltend, alle Protokolle über die Lagerinsassen seien vernichtet. In den übersandten Unterlagen befindet sich u.a. ein Bericht des Medizinischen Zentrums vom 05.02.1994 über die Behandlung einer Diskopathie und Lumboischialgie sowie Schmerzen im Bereich der Handgelenke und ein neuropsychiatrischer Kurzbefund vom 06.09.1994 über Anzeichen für neurotische Superposition bei Schmerzen im gesamten Körper. Der Kläger solle nicht schwer heben und tragen und schwere physische Anstrengung meiden. Die Beklagte veranlasste eine stationäre Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr.M. , die in der Zeit vom 25. bis 27.02.2002 stattfand. Zusammenfassend stellte der Gutachter eine posttraumatische Belastungsstörung und lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnützungserscheinungen fest. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter sei nicht mehr zumutbar. Allerdings sei er für leichte Arbeiten ohne Akkord und ohne Nachtschicht vollschichtig einsatzfähig. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 09.06.2000 mit Bescheid vom 12.03.2002 ab. Nach ärztlicher Feststellung könne er noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein, so dass weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung gegeben sei und sich auch kein Anspruch nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht ergebe. Dem widersprach der Kläger am 05.06.2002 unter Hinweis auf die festgestellte Invalidität und die laufende ärztliche Behandlung. Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme zu den zusätzlich vorgelegten ärztlichen Unterlagen aus 2001 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der medizinischen Beurteilung des zeitlichen Leistungsvermögens von mindestens sechs Stunden täglich werde gefolgt. Als Montagearbeiter sei er der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen und genieße keinen Berufsschutz. Zudem seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.08.2002 hat der Kläger am 20.11.2002 Klage erhoben, auf seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen und zahlreiche aktuelle Befunde übersandt. Seit seiner Internierung sei er schwer krank, die medizinische Dokumentation bis 1996 sei aber verbrannt. Von Beklagtenseite ist darauf hingewiesen worden, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur dann erfüllt seien, wenn der Leistungsfall bis spätestens 31.12.1995 eingetreten sei. Hierfür ergäben sich laut Stellungnahme ihres Prüfarztes keine Anhaltspunkte, zumal der Kläger selbst auch in Bosnien-Herzegowina erst am 30.06.2000 berentet worden sei. Im Auftrag des Gerichts hat Dr.Dr.W. , Neurologe und Psychiater, am 29.10.2003 ein neuropsychiatrisches Gutachten nach Aktenlage erstellt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, mangels vorhandener Untersuchungsberichte könnten für Zeitabschnitte vor 1999 keine Schlüsse gezogen werden. Gestützt hierauf hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10.03.2004 abgewiesen. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger bis einschließlich 1995 berufsunfähig gewesen sei. Weder aus den Unterlagen 1994/1995 noch aus den Dokumenten betreffend den Zeitraum ab 1999 seien Gesundheitsstörungen zu entnehmen, die vor 1996 eine gravierende Leistungseinschränkung wahrscheinlich erscheinen ließen. Der Kläger habe nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen der Nichterweislichkeit zu tragen. Bei einem Eintritt der Erwerbsminderung nach Dezember 1995 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar. Es lägen auch keine sogenannten Streckungstatbestände vor, die Zeit ab Dezember 1993 sei unbelegt. Die entsprechenden Beitragsentrichtungsfristen seien längst abgelaufen. Gegen den am 02.04.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.07.2004 Berufung eingelegt. Eine Untersuchung werde erweisen, dass er in seiner Heimat zu Recht seit 29.06.2000 berentet sei. Er hat Unterlagen aus der Zeit ab 2003 übersandt und wegen der Befunde aus der Zeit vor 1996 auf das Krankenhaus in Z. verwiesen. Der Allgemeinarzt Dr.R. von der Poliklinik Z. hat am 27.01.2005 berichtet, das Gebäude sei am 24.06.1993 durch Brand zerstört worden. Für den Kläger sei am 10.05.1999 eine Kartei angelegt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2002 zu verurteilen, ihm ab 01.07.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.2004 zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 29.09.2004 ist dem Kläger Wiedereinsetzung gewährt worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.2004 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 12.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2002. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er erfüllt die hierfür erforderlichen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Solange diese vorgelegen haben, nämlich bis spätestens 31.12.1995, ist der Eintritt des Leistungsfalls nicht nachgewiesen. Zutreffend hat das Sozialgericht im Gerichtsbescheid die maßgeblichen Rechtsgrundlagen dargestellt, keine Beweise für einen Leistungsfall vor dem 01.01.1996 gefunden und die Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1 Ziffer 2, Abs.2 Ziffer 2 und Abs.4 SGB VI, 241 Abs.1 SGB VI verneint. Insoweit wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG abgesehen. Zu ergänzen ist, dass sich die Frage nach einem Berufsschutz des Klägers angesichts fehlender Aussagemöglichkeiten über den Gesundheitszustand bis 31.12.1995 erübrigt. Zwar hat der Kläger wohl infolge des Lageraufenthalts 1993 dauerhafte Gesundheitsstörungen davongetragen, wie sich dies aus dem Formblattgutachten vom 29.06.2000 und aus dem Bericht der Dr.K. vom 15.01.2001 ergibt. Der Kläger hat auch nach November 1993 keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausgeübt. Bis 1999 sind jedoch keine aussagekräftigen Unterlagen vorhanden, die Schlussfolgerungen auf das tatsächliche Leistungsvermögen des Klägers zuließen. Die bis zum 24.06.1993 erhobenen Krankendaten sind durch Brand vernichtet worden und anschließend wurde für den Kläger in der Poliklinik Z. erst am 10.05.1999 wieder eine Krankenkartei angelegt. Der Bericht der Dr.K. datiert erst aus dem Jahr 2001 und enthält keine konkreten Befundtatsachen. Die Kurzberichte aus den Jahren 1994 und 1995 weisen kein derart schweres Krankheitsbild auf, wie es von der Invalidenkommission am 29.06.2000 festgestellt worden ist. Tatsächlich hat der Kläger auch erst am 09.06.2000 Rentenantrag gestellt; ein erster stationärer Aufenthalt hat vom 17.04. bis 16.05.2000 stattgefunden. Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der Kläger die zuletzt in Deutschland versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung als Montagearbeiter spätestens Ende 1995 aus medizinischen Gründen nicht mehr verrichten konnte.

Die vom Sozialgericht dargestellten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gelten nicht nur für die aktuelle Rechtslage, sondern auch beim Eintritt eines Leistungsfalls vor der Gesetzesänderung zum 31.12.2000. Die entsprechenden Normen sind §§ 43 Abs.1 Ziffer 2, 44 Abs.1 Ziffer 2, 240, 241 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung. Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved