L 20 R 641/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1068/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 641/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 138/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) für die Zeit vom 01.10.1991 bis 30.09.1995.

Der 1937 geborene Kläger hat zuletzt von 1985 bis 1991 in seinem erlernten Beruf als Former versicherungspflichtig gearbeitet. Mit Wirkung ab 01.12.1989 bewilligte die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Den ersten Rentenantrag des Klägers vom 13.01.1983 hatte die Beklagte nach Beinahme eines allgemeinärztlichen Gutachtens mit Bescheid vom 02.03.1983 abgelehnt. Das dagegen angestrengte Klageverfahren war erfolglos; der Kläger nahm im Termin vom 25.05.1984 die Klage zurück, nachdem die vom Sozialgericht Nürnberg (SG) gehörten ärztlichen Sachverständigen (ein Allgemeinmediziner und ein Nervenarzt) zu dem Ergebnis gelangt waren, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten (S 3/Ar 449/83).

Auf den Antrag vom 03.11.1989 bewilligte die Beklagte im Anschluss an ein neurologisch-psychiatrisches und ein internistisches Gutachten mit Bescheid vom 12.03.1991 Rente wegen BU ab 01.11.1990. Im anschließenden Klageverfahren (S 4 Ar 522/91) hörte das SG den Internisten Dr.R. und den Nervenarzt Dr.S. sowie auf Antrag des Klägers den Internisten und Arbeitsmediziner Prof. Dr.L ... Mit Urteil vom 30.11.1993 verpflichtete das SG die Beklagte, dem Kläger auf der Grundlage eines mit der Rentenantragstellung am 03.11.1989 eingetretenen Leistungsfalles der BU ab 01.12.1989 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger im Termin vom 04.06.1997 zurück. Greichzeitig beantragte er zur Niederschrift des BayLSG, gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 12.03.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.1991 für die Zeit ab 01.10.1991 daraufhin zu überprüfen, ob ihm anstelle der Rente wegen BU Anspruch auf Rentenleistungen wegen EU zusteht. Der Kläger war nämlich der Meinung, er sei schon vor Erlass dieser Bescheide erwerbsunfähig gewesen. Zur Begründung seines Antrags legte er zahlreiche ärztliche Behandlungsunterlagen vor.

Die Beklagte gewährte im Anschluss an das Gutachten des Internisten Dr.B. vom 28.08.1997 mit Bescheid vom 11.09.1997 Rente wegen EU ab 01.10.1995. Der gegen diesen Bescheid am 13.10.1997 erhobene Widerspruch, mit dem ein früherer Leistungsfall der EU begehrt wurde (Januar 1983 oder September 1985) war erfolglos. Mit Bescheid vom 28.05.1998 bewilligte die Beklagte Altersrente mit Wirkung ab 01.08.1997.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.1999 hat der Kläger am 22.12.1999 Klage erhoben, mit der er weiterhin die Annahme eines Leistungsfalles der EU vor September 1995 begehrte.

Das SG hat u.a. aus der Berufungsunfallstreitsache des BayLSG (Az: L 17 U 20/97) das Gutachten des Orthopäden Dr.B. vom 29.06.1997 und das internistische Gutachten des Dr.K. vom 25.01.2001 zum Verfahren beigenommen, außerdem die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg und die Schwerbehindertenakte des AVF Nürnberg. Der Arzt für öffentliches Gesundheitswesen Dr.G. hat das Gutachten vom 13.04.2004 erstattet. Er ist zu der Auffassung gelangt, der Kläger sei im Zeitraum vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 trotz der vorliegenden Gesundheitsstörungen in der Lage gewesen, noch eine vollschichtige Tätigkeit zu verrichten.

Dieser Leistungsbeurteilung hat sich das SG angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 14.09.2004 abgewiesen. Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht eu gewesen. Im Zeitraum vor dem 30.06.1991, bis zu welchem er vollschichtig als Former tätig gewesen sei, sei ein Versicherungsfall der EU offensichtlich ausgeschlossen. Letztlich stützte sich das SG auf die Ausführungen des hierzu gehörten ärztlichen Sachverständigen Dr.G ... Dieser habe unter erneuter gutachterlicher Auswertung der aktenkundigen medizinischen Befunderhebungen im Wesentlichen das dem Urteil vom 30.11.1993 zugrunde gelegte Leistungsprofil bestätigt. Danach habe der Kläger aufgrund der kardiopulmonalen Gesundheitsstörungen nur körperlich leichte Tätigkeiten verrichten können und keinen besonderen nervlichen Belastungen, Wechsel- oder Nachtschichttätigkeiten ausgesetzt werden dürfen. Dabei sei von einem Restleistungsvermögen des Klägers ohne zeitliche Limitierung auszugehen. Auch sei bei diesen Leistungseinschränkungen für den Kläger der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt nicht verschlossen gewesen. Er hätte z.B. die Tätigkeit als Nebenpförtner ausüben können.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 25.10.2004 Berufung eingelegt, die er im Wesentlichen damit begründet, er sei im Jahre 1985 mit einer Eingliederungshilfe der Beklagten wieder in eine Gießerei eingegliedert worden. Er habe wegen der Sehstörungen eine Platte nicht umfallen sehen, die auf seinen Fuß gefallen sei. Nach vier Wochen sei er ohne Gehhilfen wieder arbeitsfähig gewesen, er habe heute noch große Probleme beim Gehen. Er habe Thrombosen, multiple Lungenembolien gehabt und sei zweimal vier Wochen lang im Klinikum gewesen, weil der Arzt eine Marcumar-Tablette vergessen habe mit heimzugeben. Im Klageverfahren 1992 habe die Gutachterärztin der Beklagten, Frau Dr.S. , zur Frage, ab wann der Kläger auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe, sieben Seiten geschrieben, die der Kläger aber nicht habe sehen dürfen. Der damalige Rechtsanwalt habe dann 35 Anlagen geschrieben und alles widerlegt. Das rechtliche Gehör sei blockiert gewesen, aber nicht erst seit dieser "Handakte" der Beklagten, sondern schon vom 29.12.1982 an. Eine Fehldiagnose des Dr.H. G. im Jahre 1982 sei der Anfang vom Ende gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 14.09.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.03.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.1991 ihm eine Rente wegen EU vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Ausführungen in der erstgerichtlichen Entscheidung.

Beigezogen zum Verfahren waren die Klageakten des SG Nürnberg S 3 Ar 449/83, S 4 Ar 522/91, S 11 RJ 1090/98, S 11 RJ 1068/99, sowie die Berufungsakten des BayLSG L 20 Ar 22/94, L 14 Ar 23/94, L 17 U 22/96, L 17 U 19/97, L 17 U 20/97 sowie die Beschwerdeakte L 14 Ar 23/94. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf diese beigezogenen Unterlagen sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich aber als nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 14.09.2004 zu Recht entschieden, dass der Kläger im streitigen zeitraum vom 01.10.1991 bis 30.09.1995 nicht erwerbsunfähig in Sinne des Gesetzes war. Es hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, nach dem ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, beim Kläger nicht vorliegen.

Der Zeitraum, für den anstelle der festgestellten Berufsunfähigkeit Erwerbsunfähigkeit in Betracht kommt, ist beschränkt auf die Zeit vom 01.10.1991 bis 30.09.1995. Bis zum 30.09.1991 stand der Kläger als Former noch in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Selbst wenn ihm die Tätigkeit als Former aus gesundheitlichen Gründen bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zumutbar gewesen sein sollte, so hat er dennoch bis dahin ein mehr als nur geringfügiges Einkommen erzielt, was der Zahlung einer Rente wegen EU entgegengestanden hätte. Nach der Vorschrift des § 44 Abs 4 SGB X kommt wegen des am 04.06.1997 gestellten Antrags eine Umwandlung der Rente wegen BU in eine EU-Rente frühestens ab dem 01.01.1993 in Betracht. Da der Kläger ab dem 01.10.1995 bereits eine Rente wegen EU bezog, ergibt sich eine zeitliche Einschränkung des Überprüfungszeitraumes vom 01.10.1991 bis 30.09.1995, wobei eine Zahlung von Rente wegen EU anstelle von BU nur für die Zeit vom 01.01.1993 bis 30.09.1995 in Betracht käme.

Auch der Senat ist nach nochmaliger Überprüfung aller aktenkundigen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger vor dem 01.10.1995, also dem Zeitpunkt, ab dem die Beklagte Leistungen wegen EU gewährt, der Leistungsfall der EU nicht begründbar ist. Dies ergibt sich insbesondere aus den zeitnah erstellten Gutachten, die im Anschluss an den Rentenantrag des Klägers vom 03.11.1989 erstellt worden sind: - 04.02.1991 das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr.N. , - 20.02.1991 das internistische Gutachten von Dr.G. , - 13.05.1992 das internistische Gutachten von Dr.R. , - 25.05.1992 das nervenärztliche Gutachten des Dr.S. und - 13.08.1993 das internistisch-arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr.L. (und ein radiologisches Zusatzgutachten). Sämtliche Gutachter, auch der auf Antrag des Klägers gehörte Internist und Arbeitsmediziner Prof. Dr.L. sind damals zu der Beurteilung gelangt, dass der Kläger bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen vollschichtig einsetzbar für leichte Tätigkeiten war. Dies hat schließlich auch der vom SG gehörte Sachverständige Dr.G. im Gutachten vom 13.04.2004 bestätigt. Dr.G. hat sich mit sämtlichen ärztlichen Unterlagen, die innerhalb und außerhalb der Akten äußerst zahlreich vorhanden sind, auseinandergesetzt und überzeugend dargestellt, dass sich ein untervollschichtiges Leistungsvermögen wenigstens für leichte Tätigkeiten im streitigen Zeitraum nicht begründen lässt.

Bei dieser Sachlage ist auch der Senat zu der Entscheidung gelangt, dass die früher ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 12.03.1991 und 21.08.1991 zu Recht ergangen sind. Da sich im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, weist der Senat die Berufung des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz unterlegen war.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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