L 17 U 216/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 U 5008/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 216/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 29.03.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen die Bescheide vom 26.03.2004 und 23.02.2005 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung für forstwirtschaftliche Grundstücke streitig.

Der 1949 geborene Kläger ist im Rahmen einer Erbengemeinschaft mit seiner Schwester H. Z. Miteigentümer forstwirtschaftlicher Grundstücke in K. , W. , H. und A. , zusammen 0,8546 ha.

Die Beklagte erteilte ihm einen Bescheid vom 06.02.2001 über Katasterveränderungen und Beitragsberechnung (für das Jahr 2000). Den Beitrag 2001 in Höhe von 207,20 DM setzte die Beklagte mit Bescheid vom 22.02.2001 fest.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe kein landwirtschaftliches Unternehmen. Die Forstflächen bewirtschafte er nicht. Auch seien die zerstreuten Waldflächen dafür zu klein. Die Waldflächen seien ihm durch Erbfolge zugefallen. Daraus werde kein Nutzen gezogen. Auch zukünftig werde der Wald nicht bewirtschaftet.

Mit Bescheid vom 31.10.2001 trug die Beklagte die Waldflächen nochmals vor (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25.02.2002).

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und beantragt, den Bescheid vom 06.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2002 sowie die nachfolgenden Bescheide aufzuheben.

Er hat vorgetragen, dass er kein forstwirtschaftliches Unternehmen betreibe. Privatpersonen mit kleinem Waldbesitz könnten einem forstwirtschaftlichen Unternehmen nicht gleichgestellt werden. Zudem konnten bereits seine Eltern keinen Nutzen aus dem Baumbestand ziehen. Seitdem er mit seiner Schwester das Erbe angetreten habe, sei kein Baum gefällt, verkauft oder auch nur Brennholz oder Pilze gesammelt worden.

Die Beklagte hat erwidert, dass es sich bei allen Flächen um Wald und damit um ein zu versicherndes und beitragspflichtiges Unternehmen handele.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Beitragsbescheide 2002 (für Umlage 2001) vom 22.02.2002 und 2003 (für Umlage 2002) vom 11.04.2003 erlassen.

Mit Urteil vom 29.03.2004 hat das SG die Klage abgewiesen, da es sich bei den Grundstücken um ein dem Kläger als Unternehmer zuzurechnendes forstwirtschaftliches Unternehmen handle. Eine Befreiung von der Beitragspflicht komme nicht in Betracht.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, dass er kein forstwirtschaftliches Unternehmen betreibe. Deshalb unterliege er nicht der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Die Beklagte hat Farbfotoaufnahmen der streitgegenständlichen Grundstücke vorgelegt, auf denen Waldbewuchs erkennbar ist.

Die Beklagte hat weitere Beitragsbescheide vom 26.03.2004 (für die Umlage 2003) und vom 23.02.2005 (für die Umlage 2004) erlassen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 29.03.2004 sowie den Bescheid vom 06.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2002 sowie die Bescheide vom 22.02.2002, 11.04.2003, 26.03.2004 und 23.02.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 29.03.2004 zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 03.03.2005 haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter in der Sache als Einzelrichter entscheidet.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eigelegte Berufung ist zulässig.

Die Beitragsbescheide vom 22.02.2002 und 11.04.2003 sind Gegenstand des Verfahrens geworden, ebenso die während des Berufungsverfahrens dem Kläger zugegangenen Bescheide der Beklagten vom 26.03.2004 und 23.02.2005 (§§ 153 Abs 1, 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Letztere sind als Folgebescheide im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergangen und regeln das streitige Rechtsverhältnis für weitere Zeiträume, die sich an denen anschließen, über die die vorherigen Verwaltungsakte entschieden haben. Der Anwendung des § 96 SGG steht nicht entgegen, dass nicht nur das Vorverfahren, sondern auch die erste Gerichtsinstanz verloren geht. Das LSG entscheidet über diese Verwaltungsakte als erstinstanzliches Gericht, also auf Klage (Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl, § 96 RdNr 7, § 153 RdNr 2).

Sachlich ist die Berufung aber nicht begründet.

Die Beklagte hat den Kläger zu Recht für die Geschäftsjahre 2001 bis 2005 als forstwirtschaftlichen Unternehmer der Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unterworfen.

Nach § 150 Sozialgesetzbuch (SGB) VII werden die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaft durch Beiträge der Unternehmer, die versichert sind oder Versicherte beschäftigen, aufgebracht. Gemäß § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII ist Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht.

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung erfasst gemäß § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII u.a. Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft. Die Annahme eines Unternehmens der Forstwirtschaft setzt grundsätzlich voraus, dass der Inhaber des Unternehmens über Grund und Boden verfügt, der zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet wird (BSG Beschluss vom 12.06.1989 - 2 BU 175/88 -).

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger forstwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne der §§ 2 Abs 1 Nr 5 a, 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII und damit beitragspflichtig ist. Aus den von der Beklagten vorgelegten Farbaufnahmen der streitgegenständlichen Grundstücke des Klägers lässt sich ohne weiteres erkennen, dass hier Wald vorliegt. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 28.09.1999 (B 2 U 40/98 R) kann die Bearbeitung des Waldes entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft auf verschiedener Weise erfolgen. Während die sog. Nachhaltsunternehmen jedes Jahr schlagreifes Holz ernten, findet dies bei den sog. aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Zwischenräumen statt, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen können. Danach können sich forstwirtschaftliche Unternehmen zumindest über lange Zeiträume hinweg in ihrer äußeren Erscheinung stark unterscheiden. Gemeinsam ist insoweit lediglich der Bestand von Flächen, auf denen Bäume wachsen bzw nachwachsen. Irgendwelche konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen (zB Pflanzung, Fällung) bzw deren Spuren gehören nicht zum notwendigen Erscheinungsbild des forstwirtschaftlichen Unternehmens.

Es ist von einer - widerleglichen - Vermutung auszugehen, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei einer fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahme die forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer vorliegt. Eine solche Vermutung wird in tatsächlicher Hinsicht dadurch gestützt, dass von einem "Brachliegenlassen" in der Forstwirtschaft jedenfalls dann keine Rede sein kann, wenn auf den forstwirtschaftlichen Flächen noch Bäume stehen, wachsen oder nachwachsen. In rechtlicher Hinsicht lässt sich für die Vermutung anführen, dass die Waldbesitzer nach dem Bayer. Waldgesetz zur Erhaltung des Waldes und damit zur Bewirtschaftung des Waldes verpflichtet sind. Dabei spielt es keine Rolle, wie die Einhaltung dieser Pflichten waldrechtlich gesichert ist.

Für die Widerlegung der Vermutung ist es erforderlich, dass greifbare Umstände auf eine andersartige Nutzung hinweisen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die äußeren Umstände erkennen lassen, dass der Grund und Boden nicht zur periodischen Gewinnung von Forsterzeugnissen genutzt, der Wald etwa als Baugelände oder zum Liegenlassen als "Urwald" aus wissenschaftlichen Gründen oder als sonstiges Versuchs- und Übungsgelände erworben wird (BSG vom 03.05.1984 - 11 RK 1/83 -; BSG vom 28.09.1999 aaO).

Der 2. Senat des BSG hat auch klargestellt, dass die landwirtschaftliche Unfallversicherung für das Vorliegen eines Unternehmens keine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt, nicht auf die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr abstellt und nicht nach dem Maßstäben des Baurechts nachhaltig und mit einer auf Dauer berechneten und auf Dauer lebensfähigen Planung oder Nutzung größerer Waldflächen mit einer gewissen Intensität betrieben werden muss. Nach Sinn und Zweck der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist vielmehr entscheidend allein die Tatsache, dass forstwirtschaftliche Arbeiten, wie zB Maßnahmen zur Verhütung von Schäden, die Kontrolle des Waldzustandes sowie des Wachstums aller notwendigen Pflanzen verrichtet werden. Die darin liegenden möglichen Risiken sollen durch die Unfallversicherung soweit wie möglich abgedeckt werden (BSG vom 28.09.1999 aaO).

Das Unternehmen des Klägers stellt bei einer Waldfläche von 0,8546 ha auch kein Kleinstunternehmen im Sinne des § 123 Abs 2 SGB VII dar. Bei den Waldflächen handelt es sich weder um Haus-, Zier- oder andere Kleingärten. Ihre Fläche überschreitet 2.500 qm bei weitem. Auch eine Versicherungsbefreiung nach § 5 SGB VII scheidet aus (Höchstfläche 1.200 qm).

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger forstwirtschaftlicher Unternehmer und damit beitragspflichtig ist. Er ist Eigentümer von Grund und Boden, auf dem Bäume stehen und damit Nutzungsberechtigter einer forstwirtschaftlichen Fläche. Es besteht daher die Vermutung, dass er forstwirtschaftlich tätig ist. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Dass nach den Feststellungen des Senats derzeit keine Bearbeitung der forstwirtschaftlichen Flächen stattfindet, reicht zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solche so lange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen.

Im Übrigen spielt es für die Vermutung der Bewirtschaftung keine Rolle, wie die Einhaltung der Pflicht des Waldbesitzer im Einzelnen waldrechtlich gesichert ist. Entscheidend ist, dass ein konkreter Gesetzesbefehl - nicht ein bloßer Progammsatz - vorliegt, der ein bestimmtes Verhalten gebietet. Dass ist hier der Fall. In Art 14 Abs 1 des Waldgesetzes für Bayern ist festgelegt, dass der Wald im Rahmen der Zweckbestimmung des Waldgesetzes sachgemäß zu bewirtschaften und vor Schäden zu bewahren ist.

Die Beklagte kann die Beiträge allein von dem Kläger fordern. Gemäß § 2058 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) haften Erben für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner. Nach § 421 BGB kann der Gläubiger, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. Der Kläger ist Mitglied der Erbengemeinschaft, weshalb die Beklagte die Beiträge von ihm fordern kann.

Die Berufung des Klägers ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung des Sozialgerichtes ist nicht zu beanstanden.

Der Berichterstatter konnte im Einverständnis mit den Beteiligten anstelle des Senats entscheiden (§ 155 Abs 3, 4 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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