L 10 AL 381/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 638/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 381/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.09.2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) zugrunde zu legenden Bemessungsentgeltes.

Der 1964 geborene Kläger war vom 01.03.1993 bis 31.01.2002 Bauzeichner bei der Fa. H. & L. GmbH & Co. KG Baustoffwerke. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 01.02.2002 das am 07.12.2001 beantragte Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich wurde der Kläger zum 31.01.2002 von der Arbeit freigestellt.

Dieser beantragte daraufhin die Gewährung von Alg ab 01.02.2002. In seiner Arbeitsbescheinigung gab sein Arbeitgeber u.a. an, im Abrechnungszeitraum Dezember 2001 seien neben weiteren Einmalzahlungen zusätzlich 3.000,00 DM für eine Direktversicherung an den Kläger ausbezahlt worden. Hinsichtlich dieser Auszahlung seien Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden.

Mit Bescheid vom 19.02.2002 bewilligte die Beklagte Alg ab 01.02.2002 nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 515,00 EUR wöchentlich, wobei sie die 3.000,00 DM beim Bemessungsentelt nicht berücksichtigte.

Allein hierwegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er habe für diesen Betrag Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt. Die Direktversicherung sei anstelle einer Gehaltserhöhung einmal jährlich mit dem Novembergehalt seit 1994 gezahlt worden. Wegen der Unsicherheit im Konkursverfahren seien hierfür Sozialversicherungsabgaben entrichtet worden. Er legte seine Lohnabrechnungen u.a. für November 2000, November und Dezember 2001 und eine Bescheinigung über den Abschluss der Direktversicherung vor. Der Arbeitgeber des Klägers teilte mit, im Rahmen der Insolvenzabrechnungen ab November 2001 seien die Direktversicherungsbeiträge "SV-verbeitragt" und an den Kläger zur Überweisung an seine Versicherung ausgezahlt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Allein wegen der Insolvenz seien die Direktversicherungsbeiträge an den Kläger ausbezahlt worden. Aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit bestehe daher kein Zwang zur Berücksichtigung beim Bemessungsentgelt.

Zur Begründung der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) dagegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, bisher seien jährlich die Direktversicherungsbeiträge direkt vom Mitarbeiterkonto an die Versicherung gezahlt worden, im Dezember 2001 sei aber wegen der Insolvenz der Betrag an ihn ausgezahlt worden. Diesen Betrag habe er jedoch nicht - wie die Beklagte meint - wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, es handle sich vielmehr um einen ihm regelmäßig zustehenden Betrag.

Das SG hat mit Urteil vom 24.09.2003 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2002 verurteilt, die vom Arbeitgeber im Dezember 2001 gezahlten 3.000,00 DM bei der Berechnung des Alg in vollem Umfang zu berücksichtigen. Der Kläger habe für 2001 eine Einmalzahlung erhalten und Sozialversicherungsbeiträge hierfür abgeführt. Die Zahlung an ihn sei nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht worden. Die frühere Zahlungsweise direkt an die Versicherung stehe einer Berücksichtigung beim Bemessungsentgelt nicht entgegen.

Die Beklagte hat hiergegen Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Beiträge zur Direktversicherung seien bis zum November bis zur Höhe von 1.750,00 EUR sozialversicherungsfrei, es handle sich vom Rechtscharakter her nicht um sozialversicherungspflichtiges Entgelt. Hieran ändere sich auch durch die einmalige direkte Auszahlung an den Kläger nichts, zumal diese Auszahlung durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedingt gewesen sei. Hätte das Arbeitsverhältnis ohne Insolvenz weiter bestanden, wäre der Betrag dem Kläger nicht zugeflossen, sondern - wie all die Jahre vorher - weiter unmittelbar an die Versicherung abgeführt worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 24.09.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es stehe den Parteien des Arbeitsverhältnisses frei, eine andere Zahlungsweise zu vereinbaren. Die Auszahlung an den Kläger sei nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern anlässlich der Insolvenz des Arbeitgebers erfolgt. Betriebsrat und Insolvenzverwalter hätten die Auszahlung verabredet, da nicht rechtzeitig der Verfall der Ansprüche aus der Direktversicherung habe geklärt werden können.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Es werden vom Kläger höhere Leistungen (Alg für 360 Tage und Alhi für 9 Tage) unter Berücksichtigung der Direktversicherung für mehr als ein Jahr begehrt. Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des SG Nürnberg ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Der Bescheid vom 21.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die im Dezember 2001 ausbezahlten 3.000,00 DM bei der Berechnung des Alg im Rahmen des Bemessungsentgeltes berücksichtigt werden.

Gemäß § 132 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist Bemessungsentgelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt. Entgelt, von dem Beiträge nicht zu erheben sind, bleibt außer Betracht.

Für Zeiten einer Beschäftigung ist als Entgelt nur das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das der Arbeitslose erzielt hat (§ 134 Abs 1 Satz 1 SGB III in der vom 08.01.2001 bis 31.12.2004 geltenden Fassung). Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind (§ 134 Abs 1 Satz 2 SGB III).

Außer Betracht bleiben u.a. Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden sind (§ 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III). Gemeint sind hier nur beitragspflichtige Entgelte (Gagel, SGB III, § 134 Rdnr 21, Stand: 3/2001). So ist es hier; es sind Beiträge für die erhaltenen 3.000,00 DM abgeführt worden.

Die Beiträge zur Direktversicherung, die in den Jahren vor 2001 vom Arbeitgeber direkt an das Versicherungsunternehmen geleistet worden sind, gehören, da sie nicht sozialversicherungspflichtig sind (§§ 115 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IV- in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung, § 14 SGB IV in der vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 geltenden Fassung i.V.m. § 1b Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung -BetrAVG-), nicht zu den o.g. Arbeitsentgelten. Diese Beträge sind dem Arbeitnehmer nicht zugeflossen, sondern führen erst zu einem künftigen Einkommen (vgl. Klattenhoff in: Hauck/ Haines, SGB IV, K § 14 Rdnr 29, Stand VII/03).

Mit der Auszahlung der 3.000,00 DM an den Kläger ist ihm jedoch im Dezember 2001 Entgelt tatsächlich zugeflossen, das beitragspflichtig war und als Arbeitsentgelt damit zu berücksichtigen sein könnte.

Der Kläger hat diesen Betrag allerdings wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - die Freistellung erfolgte ab 01.02.2002 - erhalten. Nach Angaben des Klägers sind 3.000,00 DM an ihn direkt ohne Verpflichtung zur Weiterleitung an die Versicherung ausgezahlt worden, um einen evtl. Verfall dieses Betrages zu verhindern.

Es kommt aber tatsächlich ein Verfall des Anspruchs des Klägers aus der Direktversicherung nicht in Betracht, nachdem der Versicherungsvertrag bereits seit Mai 1996 lief und der Kläger das 30. Lebensjahr bereits vollendet hatte (§ 1b BetrAVG in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Diese mögliche Gefahr soll zumindest einer der Gründe gewesen sein, wegen derer die Beiträge zur Direktversicherung an den Kläger ausbezahlt worden sind. Ein Verfall kann jedoch überhaupt nur eintreten, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Somit war die Auszahlung aufgrund des fraglichen Verfalles wegen der zum Auszahlungszeitpunkt zumindest drohenden und später dann realisierten Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Der ursächliche Zusammenhang, der von Gesetzes wegen gefordert wird, ist gegeben. Ohne Bedeutung bleibt dabei, wann das Arbeitsverhältnis dann letztendlich beendet worden ist, denn gemäß § 134 Abs 1 Satz 3 Nr 1 HS 2 SGB III ist es ausreichend, wenn das Arbeitsentgelt - hier die Auszahlung der ansonsten für die Direktversicherung vorgesehenen Beträge zur freien Verfügung - im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden ist. Im Übrigen wohnt der Frage der Kausalität keine zeitliche Komponente inne, so dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zu einem späteren Zeitpunkt ohne Bedeutung bleibt.

Ob auch andere Gründe für die Auszahlung an den Kläger vorgelegen haben, kann offen gelassen werden, denn es genügt, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses über den gedanklichen Zwischenschritt des möglichen Verfalles zumindest mitursächlich für den Erhalt der 3.000,00 DM war. Fest steht nach Auffassung des Senates, dass ohne Insolvenzantrag vom 07.12.2001 und hierwegen konkret drohender Beendigung auch des Arbeitsverhältnisses des Klägers, eine Auszahlung des streitgegenständlichen Betrages an den Kläger nicht erfolgt wäre, sondern weiterhin die Beiträge vom Arbeitgeber direkt an die Versicherung überwiesen worden wären.

Es besteht somit zwischen der Leistungsgewährung und der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ein ursächlicher Zusammenhang.

Der Betrag von 3.000,00 DM hat bei der Berechnung des Bemessungentgeltes außer Betracht zu bleiben und eine Erhöhung des Alg hierwegen kommt nicht in Betracht. Auf die Berufung der Beklagten ist nach alledem das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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