L 19 R 512/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 28/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 512/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 08.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen zur Teilhabe streitig.

Der 1966 geborene Kläger hat seinen erlernten Glaserberuf mit Unterbrechungen bis 22.10.1991 ausgeübt. Später war er vom 17.03.1993 bis 24.01.1995 und 10.03.1997 bis 19.12.1999 inhaftiert. Seit 26.11.2002 befindet er sich wieder im Strafvollzug, nach seinen Angaben bis 04.11.2006.

Nach dem Urteil des BayLSG vom 01.08.2001 (L 19 RJ 184/00) genießt der Kläger keinen Berufsschutz als Glaser. Nach den Ermittlungen des BayLSG war der Kläger in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er zumutbar verweisbar sei, noch regelmäßig leichte Tätigkeiten mit einer betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich 8 Stunden zu verrichten ohne dass ihm der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wäre.

Am 18.07.2003 beantragte der Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2003 und Widerspruchsbescheid vom 16.12.2003 ab, da Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht für Versicherte gedacht seien, die sich in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befinden oder einstweilig nach § 126 a Abs 1 StPO untergebracht sind. Da der Kläger zu diesem Personenkreis gehöre, könnten die beantragten Leistungen nicht gewährt werden.

Das Sozialgericht Augsburg (SG) hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2004 abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, unabhängig vom Vorliegen der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Kläger befinde sich in Untersuchungshaft bzw im Strafvollzug, der erst im Jahre 2006 ende. Außerdem befinde sich der Kläger nicht im erleichterten Strafvollzug. Die Staatsanwaltschaft habe ihm auch nicht die Aussetzung der Strafe in Aussicht gestellt für den Fall, dass ihm eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt wird.

Dagegen richtet sich die am 20.08.2004 beim BayLSG eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung bringt er im Wesentlichen vor, es sei ihm nachzuweisen (schriftlich), mit welcher Begründung die Staatsanwaltschaft W. die Aussetzung der Strafe verweigere auch mit der Aussicht darauf, dass ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt würden. Außerdem bezweifle er, dass der Gerichtsbescheid des SG erlassen werden durfte, weil nach seiner Auffassung Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art gegeben seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 08.07.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2003 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, aus der Berufungsbegründung des Klägers ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise sie deshalb auf die erstinstanzielle Begründung des Gerichtsbescheides und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bzw Widerspruchsbescheid.

Beigezogen zum Verfahren sind neben den Verwaltungsunterlagen der Beklagten und den Streitakten erster und zweiter Instanz insgesamt 13 Klageakten des SG Würzburg und 3 Berufungs- bzw Beschwerdeakten des BayLSG. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).

Das Rechtsmittel des Klägers ist aber nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 08.07.2004 zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat. Denn solche Leistungen sind im Fall des Klägers gesetzlich ausgeschlossen. Das SG konnte entgegen der Auffassung des Klägers auch über die Klage durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden. Der Senat ist ebenfalls der Überzeugung, dass der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind in den §§ 9 ff SGB VI geregelt. Die Vorschriften über die Leistungen zur Rehabilitation - die seit Einführung des SGB IX zum 01.07.2001 Leistungen zur Teilhabe genannt werden - haben das frühere Recht mit der Zielvorstellung übernommen, die es durch das Rehabilitations-Angleichungsgesetz im Jahre 1974 erhalten hat. Ziel der Rehabilitation ist es nach wie vor, dass die Rentenversicherung ihren Versicherten zur möglichst dauerhaften Eingliederung in Arbeit und Beruf die Leistungen zur Verfügung stellt, die bei aktiver Teilnahme der Versicherten an der Rehabilitation erforderlich sind, um ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Auch die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe (§§ 10, 11 SGB VI) entsprechen im Wesentlichen dem früheren Recht. Den Rentenversicherungsträgern ist bezüglich der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe ein Ermessen eingeräumt. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 9 Abs 2 SGB VI, dass die Leistungen erbracht werden "können", wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die mögliche Ermessensausübung ist auf das "wie" beschränkt, dh auf Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung sowie den Ort der Leistung.

§ 12 SGB VI stellt dabei die Gründe, dh die negativen Anspruchsvoraussetzungen zusammen, die Leistungen zur Teilhabe eines Rentenversicherungsträgers ausschließen. Abs 1 zählt die Fälle auf, in denen der Anspruch generell ausgeschlossen ist. Abs 2 enthält Sonderregelungen für die Wiederholung von medizinischen Rehabilitations-Leistungen.

Nach § 12 Abs 1 Nr 5 SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe nicht für Versicherte erbracht, die sich in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befinden oder einstweilig nach § 126 a Abs 1 StPO untergebracht sind. Diese Vorschrift schließt somit Rehabilitations-Leistungen für die Zeit der Untersuchungshaft, einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung aus. Rehabiliations-Leistungen können erst dann gewährt werden, wenn der Strafvollzug bzw die Untersuchungshaft ausgesetzt oder unterbrochen ist. Dies ist beim Kläger aber nicht der Fall, wie das SG zutreffend entschieden hat.

Zwar ermöglicht § 12 Abs 1 Nr 5 Satz 2 SGB VI die Gewährung berufsfördernder Leistungen für Versicherte im erleichterten Strafvollzug. Dies gewährleistet, dass Gefangenen, denen gestattet worden ist, außerhalb der Anstalt einer beruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung nachzugehen, unter den allgemeinen Voraussetzungen berufsfördernde Leistungen erbracht werden können. Auch diese Voraussetzungen liegen aber beim Kläger unstreitig nicht vor.

Nach alledem besteht vorliegend keine Möglichkeit, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen. Die angefochtene Entscheidung des SG Augsburg und die dieser zu Grunde liegenden Bescheide der Beklagten sind somit rechtlich nicht zu beanstanden. Auch liegt seitens der Beklagten kein Ermessensfehler vor (vgl § 54 Abs 2 Satz 2 SGG), da im Hinblick auf § 12 Abs 1 Nr 5 SGB VI der Beklagten kein Ermessen eingeräumt ist.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass auch die Berufung des Klägers erfolglos blieb.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen niht vor.
Rechtskraft
Aus
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